mica-Interview mit Christoph Auer

Der Tiroler Saxophonist Christoph Pepe Auer verbrachte im Rahmen seines New York Stipendiums letztes Jahr zwei Monate in New York, um neben Landsleuten wie Martin Reiter, Klemens Marktl oder Àngela Tröndle auch viele Musiker aus dem Big Apple zu treffen. Ein Teil dieser Zusammenkünfte liegt jetzt in Form der CD-Einspielung New York Sessions vor…  

MG: ” Du hast in Österreich bisher vor allem durch dein Quartett mit Martin Reiter, Klemens Marktl und Matthias Pichler auf dich aufmerksam gemacht. Wo liegen deine musikalischen Wurzeln?”

CA: “Ursprünglich hab’ ich meine musikalische Karriere als Heavy Metal-Schlagzeuger begonnen. Kurz bevor ich zum Studieren nach Graz gegangen bin, musste ich mich zwischen Saxophon und Schlagzeug entscheiden. Eigentlich war ich ja am Schlagzeug schon viel weiter, aber dann hab’ ich mich doch für das Saxophon entschieden. Ich hab’ aber immer schon darauf geschaut, dass ich für alle Musikrichtungen offen bin, es gibt nach wie vor eine Drum n’ Bass-Band und eine HipHop-Band, in denen ich mitspiele. Als Saxophonist. Mit Chili con Karma haben wir auch eine LP veröffentlicht, die eine Zeit lang auf FM4 gespielt wurde. Wir sind eine 14-köpfige Band mit drei MCs, drei DJs und gesamter Rhythmusgruppe. Damensattel, meine Drum n’ Bass- Band, ist auch noch während meiner Zeit in Tirol entstanden. Dabei spiele ich mich auch mit Elektronik, verwende Hall und Octaver am Sax, obwohl das dann auch recht schnell den Punkt erreicht, an dem es wieder gut ist. Das ist eben doch nur sehr begrenzt einsatzfähig. In diesem Kontext ist das schon ganz cool, das passt auch dazu, aber in einem anderen Umfeld stößt man dann doc schnell an die Grenzen. Das wird auch oft zuviel fürs Ohr, weil es sehr schwierig ist, das raus zu bekommen, was man eigentlich hören will, mit all diesen elektronischen Zwischenstufen. Diese Kästchen sind irgendwie doch wie ein eigenes Instrument, da muss man sich auch intensiv damit auseinander setzen.”

MG: “Im Rahmen deines New York-Aufenthaltes im letzten Jahr hast du dich aber voll und ganz auf das Saxophonspiel konzentriert…”

CA: “In New York ist es für mich eben fast 24 Stunden nur um Musik gegangen, da geht dann einfach sehr viel weiter. Natürlich waren auch die Voraussetzungen optimal, ich hatte genügend Geld, musste nicht nebenbei arbeiten gehen. Trotzdem würde es mich reizen, einmal längere Zeit in dieser Stadt zu leben, wenn sich die Gelegenheit ergibt, könnte ich mir schon vorstellen, einige Jahre dort zu leben. Nicht unbedingt, um zu studieren, eher wegen der Sessions und um zu spielen. Ich habe auch einige Stunden bei Marcus Strickland genommen, der ist supernett. Meistens bin ich den ganzen Nachmittag bei ihm abgehangen, das ganze für 50 Dollar. Andere Stunden waren teuer und wertlos (lacht), bei David Binney zum Beispiel. Der hat mich nach 60 Minuten raus geworfen (lacht). Mit Tony Malaby, der eigentlich nur frei spielt, hab’ ich erstmal eine ganze Stunde nur geredet und keinen Ton gespielt. Ich war irgendwo vollkommen angesteckt vom hektischen Treiben dieser Stadt, das hat er aber sofort gemerkt und gesehen, dass ich erstmal runterkommen muss. Nach einer Stunde haben wir dann erst das Sax ausgepackt und gespielt. Ohne uns irgendwie abzusprechen. Das hat super funktioniert. Wir haben uns durchs Reden aufeinander ein gegroovt und dann eben einfach drauflos gespielt.”

MG: “Du hast ja auch täglich auf Sessions gespielt, das Ergebnis liegt jetzt in Form deiner CD New York Sessions vor. Kannst du kurz seine Erfahrungen mit den ortsansässigen Musikern beschreiben?”

CA: “Hauptsächlich war ich in Brooklyn unterwegs, mit den Creatives, wie sie sich selbst bezeichnen. Da wird eben mehr frei gespielt. Obwohl, die Kompositionen werden voll ausgeschrieben – ohne Akkordsymbole, nur mit Noten – und dann geht es aber irgendwohin. Es gibt auch fast nie Formen oder Strukturen, über die man dann spielt, sondern die entstehen dann einfach. Der Ausgangspunkt ist aber diese Komposition, die extrem genau ausnotiert ist, als Kontrast dazu, sozusagen. Darin besteht auch die Klasse vieler Leute, mit denen ich gespielt habe, dass sie sich aus dieser Komposition heraus völlig frei bewegen können. Ich hab’ auch selbst damit begonnen, Sachen zu schreiben, die viel komplizierter sind als alles, was ich zuvor gemacht habe. Das waren schon Musiker mit einem extrem hohen Level, auf die ich da getroffen bin. Da wüsste ich jetzt bei uns eigentlich niemanden, der ein Stück beim ersten Mal so problemlos vom Blatt lesen könnte, ausgenommen Klassiker natürlich, aber die tun sich dann wieder schwer beim Improvisieren. Das Vermögen, beide Fähigkeiten auf diesem Niveau zu vereinigen, hat mich schon sehr beeindruckt. Dabei spielen viele eigentlich nebenberuflich. Die Musik ist zwar ihr Hauptding im Leben, aber sie finanzieren sich das dann durch andere Tätigkeiten. Viele arbeiten als Homepage-Designer, Grafiker – oder haben eine reiche Frau. Wenn man jetzt mehr ins Kommerzielle geht, kann man schon irgendwie davon leben, aber in der freieren Szene ist das eigentlich kaum möglich. Diese Jazz-Hierarchie mit Wynton und Branford Marsalis ist in New York schon noch viel mehr spürbar. Was nicht heißt, dass die jetzt besser spielen als andere, aber sie erfahren halt mehr Unterstützung durch Medien und Plattenfirmen.”

MG: “Hat sich dein Zugang zur Musik seit New York stark verändert ?”

CA: “Musikalisch hat sich für mich alles völlig verändert. Was ich gemacht habe, bevor ich nach New York gegangen bin, und was ich in New York gemacht habe, das ist einfach so ein anderer Zugang – vorher war ich doch eher in Strukturen und metrischen Formen verhaftet. In New York hab’ ich dann irgendwann einfach das Gefühl gehabt, dass ich das alles aufbrechen muss. Es gibt keine klassische AABA, für jeden Solisten gibt es einen anderen Ausgangspunkt. Diese ständige Weiterentwicklung innerhalb einer Komposition – aber nicht nur kompositorisch, sondern auch improvisatorisch – wollte ich auch in meinen Stücken zum Ausdruck bringen. Es war einfach wichtig, mit vielen verschiedenen Leuten zusammen zu kommen und zu spielen, zu schauen was die anderen so machen. Das war auch toll an den Sessions, dass jeder seine eigenen Kompositionen mitbringt, eine großartige Inspiration und Motivation. Die eigenen Stücke dann immer sofort auszuprobieren ist einfach ein unglaublicher Ansporn zum Schreiben. Ich hatte mit auch recht bald das Ziel gesetzt, eine Aufnahmen zu machen. Schon in den ersten Tagen in New York. Der Bassist, bei dem ich gewohnt haben, hat mir gleich gesagt, dass wir viele Sessions spielen können, ich hab’ mir gesagt, ich muss das nutzen und wenn möglich auch irgendwie dokumentieren . Dafür hab’ ich mich dann bereits nach einer Woche entschieden, ich hab’dann richtig darauf hingearbeitet, das war ein ganz konkretes Ziel von mir.”

MG: “Wie hast du dir die Musiker für die Aufnahme ausgewählt und wie hat die Zusammenarbeit funktioniert, nach den vielen Sessions?

CA: “Ich hab’ sicher mit über 100 Musikern gespielt, und dann eben die ausgesucht, die mir ganz besonders gut gefallen haben. Die Arbeitshaltung ist auch ganz eine besondere dort, jeder gibt seinen Senf dazu, man arbeitet wirklich gemeinsam an den Arrangements. Und jedes Mal, wenn du deine Kompositionen wieder mit anderen Leuten spielst, kommen wieder neue Ideen dazu. Das gibt einfach so viel Input, dass es ganz automatisch zum Output kommen muss. Vor allem in Ergänzung mit den ganzen Konzerten, die ich gesehen habe. Da kann man sich aber auch schnell verlieren, weil man gar nicht mehr weiß, was man eigentlich machen will, vor lauter inspirierender Ideen. Die CD haben wir im Zuge einer einzigen Session aufgenommen, das Material war ja ohnehin schon gut eingeprobt, durch die Sessions. Im Endeffekt haben wir dann mehr Zeit gebucht, als wir wirklich gebraucht haben. Also haben wir einfach noch ein, zwei frei improvisierte Stücke ausprobiert. Ein Teil davon ist jetzt zum Intro und Outro der CD geworden.”

MG: “Wie nimmst du die Umstellung von New York auf Österreich wahr? Kannst du die Ideen, die du in New York entwickelt hast, hierzulande überhaupt umsetzen?”

CA: “Es gibt schon auch wieder die Tendenz zu dem was ich vor New York gemacht hab’, weil ich hier wieder mit den selben Leuten spiele. In New York hab’ ich mich völlig auf eine andere Musik und eine andere Kultur eingelassen. Was ich hier mache, ist davon sicher beeinflusst, aber über die Verbindung mit den Musikern von hier ergibt sich eine Art Mischung, die ganz gut funktioniert. Ich spiele ja immer wieder mit Leuten, die auch einen New York-Bezug haben, aber die Arbeitsweise ist hierzulande doch eine andere. Ich versuche auch gar nicht, das Bandkonzept, das ich drüben gehabt habe, hier umzusetzen. Das muss ja auch zu den Leuten passen, sonst hat das überhaupt keinen Sinn.”

MG: “Wie stellst du dir aus heutiger Sicht die zukünftige Koordination deiner unterschiedlichen Projekte vor?”

CA: “Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, werde ich nächstes Jahr zwischen WIen und New York pendeln, und die Dinge fortführen, die ich bei meinem letzten Besuch begonnen habe. Das Jahr darauf würde ich gerne nach Stockholm gehen, für ein halbes Jahr oder ein Jahr, und dort etwas starten. Im Grunde genommen stellen die New York Sessions ja den Startschuss für eine CD-Reihe dar, die ich gerne in Stockholm fortführen und in Wien zum Abschluss bringen würde. In Schweden sind die notwendigen kulturellen und sozialen Strukturen zum musikalischen Schaffen einfach optimal gegeben, in Wien stimmt das in dieser Hinsicht ja auch ganz gut, deswegen passiert ja auch hier sehr viel. Ich bin jetzt das zweite Jahr in Wien, davor war ich vier Jahre lang in Graz. Das war anfangs ganz in Ordnung, aber um als junger Musiker Anschluss zu finden, muss man dann irgendwann doch nach Wien gehen, zumindest fällt es hier um einiges leichter und alles geht irgendwie schneller. Ich schließe zwar in Graz mein Studium ab, aber bewege mich eher in der Wiener Szene.”

MG: “Dein Hang/Bassklarinette-Duo mit Manu Delago hat sich aber nicht in Wien ergeben, oder?”

CA: “Nein, ganz im Gegenteil, das geht vielmehr auf eine meiner ersten musikalischen Erfahrungen in Tirol zurück. Manu spielt mittlerweile Hang, ein melodiöses und perkussives Instrument, das es erst seit einigen Jahren gibt und irgendwie ähnlich wie eine Steel-Drum klingt. Etwas weicher vielleicht, und mit vielen Obertönen. Aussehen tut das Ganze wie zwei Woks, die übereinander gestülpt wurden. Wobei auf einem Instrument immer nur eine Tonleiter zu finden ist, deshalb hat er auch verschieden Variationen in fast allen Tonlagen. Weil es eben noch keine tradierten Spielweisen auf diesem Instrument gibt, müssen wir uns an keinerlei Vorgaben halten. Die einzige Auflage dabei ist, flexibel zu bleiben. Außerdem nehmen wir beide ja gleichzeitig mehrere Funktionen ein, die rhythmische, die melodische und die harmonische. Nur so kann sich das auch ergänzen, und man kann vermeiden, dass alles immer gleich klingt. Dadurch, dass ich damit gezwungen bin, die Sound-mäßigen Möglichkeiten des Instruments sehr stark auszuloten, entwickle ich mich auch spielerisch weiter. Die CD heißt Livingroom, weil wir zur Aufnahme ein 2-tägiges Live-Konzert im Wohnzimmer von Manu veranstaltet haben. Unsere ersten Proben haben wir im Wald abgehalten. Wir haben uns einfach ein stilles Plätzchen gesucht, um eine passende Atmosphäre zu schaffen. Weil es doch sehr kammermusikalisch zugeht, sehr fein gespielt wird. Da ist es natürlich ideal, wenn auch die Stimmung entsprechend ist. Vereinzelt hat sich auch schon mal ein Jogger zu uns verirrt und ganz verwirrt geschaut. So sind die ersten Kompositionen entstanden.
Bei der Aufnahme im Wohnzimmer mussten die Leute sich dann ziemlich zusammen reißen. Das war doch mitten im Winter, und da sind doch recht viele Leute verkühlt.”

Das Interview führte Martin Gansinger.

Foto Christoph Auer 1: Helmut Lackner
Foto Christoph Auer 2: M. Leschanz

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