Im vergangenen Oktober präsentierten Café Olga Sánchez im Wiener Ost-Klub ihr Debütalbum „Filics Força“(Klangue Records). Und was die wenigsten erwartet haben, der Club platzte aus allen Nähten. Diejenigen, die sich glücklich schätzen durften, dem Konzert beizuwohnen und nicht in der langen Schlange vor dem Eingang verharren mussten, bekamen eine Show geboten, die man hierzulande nur selten zu sehen bekommt. Was sich tatsächlich hinter Café Olga Sánchez verbirgt, verrieten Simon Vith und David Wedenig im mica-Interview mit Michael Ternai.
Wie ist eigentlich euer Bandprojekt entstanden?
David: Wir gehören nicht zu den Leuten, die auf der Uni oder auf dem Konservatorium irgendwelche Zettel aufhängen und auf Rückmeldungen warten. Es ist eher so, dass im Laufe der Zeit im Rahmen von Projekten oder Sessions und im freundeskreis eine Art MusikerInnenpool entstanden ist, der sich aus ähnlichen musikalischen Vorstellungen der einzelnen nährt.
Simon: Also, ich zum Beispiel habe irgendwann einmal einen Trompeter zufällig kennengelernt. Der trug immer einen Trompetenkoffer mit sich, was mich dazu veranlasst hat, ihn einfach zu fragen, ob er nicht einmal bei uns vorbeischauen möchte. Der ist zwar mittlerweile nicht mehr dabei, aber ähnlich hat es auch bei David ergeben.
David: Ich selber war aber auch noch nicht ganz am Anfang dabei, als Jerome & Co unter dem Namen Café Olga Sánchez begonnen habe.
Wie habt ihr euch eigentlich auf einen einheitlichen Musikstil geeinigt. Habt ihr vom Anfang an gewusst in welche Richtung, ihr gehen wollt.
David: Ja, irgendwie schon. Die Vorstellung, Balkanelemente und musikalische Einflüsse aus dem Osten, wie etwa den Klezmersound, in die Musik einzubauen, war eigentlich schon von Beginn an da.
Simon: Wir beide haben ja schon früher zusammengespielt, und da richtete sich der Fokus schon sehr auf den Klezmersound und Swing. Später kamen eben andere Einflüsse hinzu. Unser Gitarrist Jerome etwa war eine Zeitlang in Brasilien und interessierte sich klarerweise viel für die von dort stammenden Musikstile. Auch einer unserer Schlagzeuger ist ein großer Brasilienfan und arbeitet gerne mit Percussions. Irgendwie hat es sich also so ergeben, dass Klezmer und Osteinflüsse auf brasilianische Musiktraditionen getroffen sind.
Das zeugt aber schon von einer ausgeprägten Offenheit der MusikerInnen anderen Stilen gegenüber.
David: Es ist halt auch ein Kompromiss, zwischen dem was die einzelnen Leute spielen wollen. Jerome zum Beispiel hat früher auch in einer Metalband gespielt und das kommt halt hin und wieder raus. (lacht) Aber das passt schon so.
Simon: David kommt ja auch eher aus dem Jazzbereich oder hat sich eben viel damit beschäftigt.
David: Ja obwohl, ich habe auch schon früh Balkanmusik und ähnliches Zeug gehört und gespielt.
Aber generell. Entstehen die Songs aus dem „Jammen“ heraus oder kommen die Leute mit fixen Ideen in den Proberaum? Ich stelle mir es ja nicht unbedingt leicht vor, neun die Vorstellungen unterschiedlicher MusikerInnen unter einen Hut zu bringen.
Simon: Eine Folge solch einer Konstellation ist, dass wir insgesamt recht lange Stücke produzieren. Unter fünf Minuten geht eigentlich nichts. Weil irgendwie baut man dann doch noch immer einen Teil ein.
David: Das bietet sich aber dann doch ganz gut an und passt zu Cafe Olga Sanchez. Aber angedacht werden die Songs zum großen Teil zu Hause. Und dann kommt oft Mal ein Text mit Akkorden, der dann in den gemeinsamen Pool geworfen wird, um zu sehen, ob dann daraus wirklich etwas entstehen kann. Mitarrangieren tun dann eigentlich alle. Da sucht sich jeder seine eigene Stimme.
Simon: Aber meistens ist es so, dass jemand mit einem Grundgerüst kommt, welches dann in der Gruppe aufgebaut und arrangiert wird. Da werden eben sehr oft auch ganz neue teile rein geflochten.
Gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, warum eure Texte in so vielen Sprachen gehalten sind. Oder wollt ihr gerade dadurch die Internationalität eurer Musik unterstreichen.
Simon: Wir haben zwei Leute, die Translationswissenschaften studieren. Die Lena ist eine gebürtige Russin und Jerome, der auch ein außergewöhnliches Sprachentalent ist, schreibt viele Lieder. Sein Vater wohnt in Schweden und er selber war wie schon erwähnt einige Zeit in Brasilien und Südamerika und spricht daher sehr gut spanisch und portugiesisch. Buğra kommt aus der Türkei.
David: Wir haben alle so eine Art “Alter Identity” in einer anderen Sprache. Der Simon vor allem weil er Vorarlberger ist (lacht). Ich selber habe eine Zeitlang in Marseille gewohnt. Dann haben wir wie auch schon wie erwähnt zwei Südamerika-Liebhaber, die im Sommer oft mehrere Monate dort sind. Für die Band ist das natürlich ein wenig gefährlich, weil von Zeit zu Zeit Desintegrationstendenzen aufkommen, wenn die das Gefühl haben, dass die Ferne ruft.
In Wien erlebt die Weltmusikszene im Moment ja so eine Art Höhenflug. Wo ortet ihr euch innerhalb dieser?
Simon: Es ist mit Kategorisierungen immer ein wenig schwer. Man wird da schnell einmal in einer Schublade gesteckt. Wir selber versuchen uns da nicht viele Gedanken darüber zu machen und tun einfach das, was uns Spaß macht.
David: Wir haben ja praktisch alles, angefangen bei den Songs über das Management und Konzerte aufstellen bis hin zum Design für die CD, selber gemacht. Grad, dass wir nicht auch noch die Rolle des Tonmeisters für die CD übernommen haben. Und da steckt natürlich eine Idee dahinter, die noch ausbaufähig ist. Unter anderem wollen wir den varietemäßigen Charakter der Show, für den sich Felix verantwortlich zeigt, in Zukunft noch weiter ausbauen. Bezüglich einer Kategorisierung. Das ist eine Streitfrage. Ich bin immer der Meinung, dass es eh klar ist, aus welcher Richtung die Dinge kommen, dass man eben bestimmte Stile spielt, einen Mix aus Balkan, Klezmer und Latino. Und diese Beschreibung trifft es auch in gewisser Art und Weise. Aber Cafe Olga Sanchez, ist dann doch etwas mehr als das. Felix etwa hatte die Idee zu „balkanlatinomelange“.
Cafe Olga Sanchez – Fleischtango by mica
Simon: Irgendwie braucht es halt bestimmter Schlagwörter, damit die Leute gleich wissen, worum es geht. Aber die Zuschreibungen klingen dann doch meist irgendwie abgedroschen.
Ihr als einzelne Musiker. Aus welchen Richtungen kommt ihr?
David: Wir sind ja bei Olga fast nur Amateure. Was uns eint ist, dass wir viel Musik gehört und auch in Bands gespielt oder in anderer Form mit Musik etwas zu tun gehabt haben. Lena, unsere Sängerin, etwa hat in ihrer Jugend viele russische Volkslieder gesungen. Wir sind alle sehr unterschiedlich, aber vielleicht dann auch doch nicht.
Simon: Lena ist schon sehr stark durch russische Volksmusik geprägt worden, glaube ich. Und ich selbst stark von Liedermachern aus den 70er Jahren. Franz Josef Degenhardt zum Beispiel. Der Jerome in einer Metal Band gespielt. Lisi, unsere Geigerin hat eine Zeit lang viel irische Musik gespielt und hat auch ein wenig Volksmusik-Background. Hip Hop ist auch eine Prägung, die bei mehreren Leuten da ist.
David: Ich hab’ zuerst Blockflöte gespielt, dann Kirchenmusik, Jazz und Elektronik. Saint Germain und Acid-Jazz Sachen haben mich vom Sound her auchgeprägt. Aber auch schon immer der „holzige“ Sound, den Balkan-Saxophonisten oft spielen. Viele französische Bands kommen unserem Stil sehr nahe.
Wie sieht es denn auf der Bühne aus. Da geht es vermutlich so richtig ab.
Simon: Ja schon. Alleine aus dem Grund, da unsere Musik sehr tanzbar ist und die Show auch sehr viele Theaterelemente beinhaltet. Man kann sogar so weit gehen, uns primär als eine Live-Band zu bezeichnen.
Was sind eure Nächsten Schritte? Eine CD habt ihr ja schon rausgebracht.
Simon: Genau. Am 20. Oktober ist die Präsentation im Ostklub. Und dann kommt hoffentlich eine weitere Kreativphase. Und dann würden wir natürlich auch gerne wieder außerhalb von Wien spielen und uns daher selbst mehr Touren organisieren. Frankreich, Berlin, Prag und so… Das hat bis jetzt immer ganz gut geklappt. Es ist halt leider immer viel Aufwand.
Also es zieht euch schon in der europäischen bzw. internationalen Raum hinein?
David: Wie es kommt. Man kann nicht endlos Live-Konzerte in einer Stadt spielen, das geht ja nicht. Weil das Publikum ja gleich übersättigt ist.
Simon: Ich glaube, die Musik und die Leute sind miteinander gewachsen. Gemeinsam ist alles größer geworden, aber finanziell haben wir noch keine goldenen Nasen verdient.
David: Wir haben jetzt nicht das Ziel vor Augen, dass wir unbedingt international werden wollen. Das ergibt sich irgendwie.
Simon: Wir haben einen guten Kontakt zu Marseilles und spielen dort auch. Und im Gegenzug laden wir dann auch französische Bands nach Wien ein.
David: Man muss schon sagen, das Ganze erfordert Pläne und Anstrengungen. Wir wollen auch nicht, dass die Band allzu sehr gepusht wird. Das ist insofern gefährlich, da die Basis so schnell verloren gehen könnte. Es macht ja keinen Sinn, ein Set 20 Mal zu spielen und am Ende ist das Feeling weg. Das wollen wir nicht.
Für euch steht noch viel mehr der Spaß im Vordergrund.
Simon: Ja. Sonst wäre das auch schwer für uns. Aber man darf nicht sagen, dass wir eine Hobbyband sind, wir haben viel Zeit und Energie in unser Projekt investiert.
Wie lange habt ihr für die Lieder gebraucht- für den ersten Schwall an Songwriting?
David: 3 Jahre kann man sagen.
Simon: Da sind aber schon ganz viel neue Lieder dazu gekommen und einige sind auch schon wieder weg. Seit 2008 spielen wir jetzt live, also ein bisschen über 2 Jahre.
Und wie lange arbeitet ihr ungefähr an einem Lied?
Simon: Die entstehen irgendwie. Manche spielen wir sogar schon live, auch wenn sie noch gar nicht fertig sind. Durch das Live-Spielen wird dann eben an den Songs herumgefeilt. Wie sie letztlich klingen entscheidet sich dann im Aufnahmestudio.
David: Aber wenn man den Song nach der Aufnahme wieder live spielt, kann wieder was ganz was anderes rauskommen. So soll das ja auch sein.
Simon: Wenn man fünf Konzerte hintereinander immer wieder das gleiche Solo spielt, dann hat man ja selber nicht mehr so die Freude am Spielen. Wir brauchen immer wieder ein bisschen Abwechslung.
Habt ihr für die CD-Produktion auch Förderungen bekommen?
David: Ja, aus dem SKE- Fond haben wir etwas bekommen, wobei wir zu Beginn finanziell eigentlich alles selbst vorgeschossen haben. Das notwendige Geld haben wir uns über die Live-Gagen selbst erwirtschaftet.
Wie oft spielt ihr in etwa im Jahr?
Simon: Das kann man jetzt schwer sagen, weil wir ja schon seit 2 Jahren unterwegs sind. 20, 30 Mal sicher. Alleine im Rahmen der vergangenen Tour waren es 11 Konzerte. Jetzt ist es aber gerade ein bisschen weniger.
Was erwartet ihr euch von der CD Präsentation?
Simon: Viele Besucher! Geile Stimmung! Party! (was sich auch bewahrheitet hat) Das wird sicher lustig. Schauen wir mal, was wir uns sonst noch so einfallen lassen.
David: Wir haben eine relativ lange Sommerpause eingelegt. Wir haben in Wien jetzt seit Juli kein Konzert mehr gespielt. Das heißt, bei der Präsentation wird Einiges los sein. Und dort wird auch zum ersten Mal unsere CD erhältlich sein.
Wie seid ihr eigentlich zu Hoanzl gekommen? Sind die auf euch aufmerksam geworden?
Simon: Nein. Wir haben in einem Studio aufgenommen, wo auch Circus Domino (österreichische Band) zu Hause ist. Die Musiker haben uns ihre CD gezeigt, die von Hoanzl vertrieben wird. Sie haben gemeint, dass das auch für uns eine Option wäre. Dann haben wir einfach initiativ ein Demo hingeschickt.
Wie seht ihr generell die Situation für Bands wie euch? Ist es leicht Gigs zu bekommen?
Simon: Das kommt immer darauf an, was für Gagen man haben will. Jerome kommt ja aus Berlin und hat auch davor schon mit mehreren Bands in Berlin gespielt. Er meint, dass die Gagen in Wien viel höher sind. Er hat mit seiner Band in Berlin nicht einmal die Hälfte der Gage bekommen, die wir hier bekommen. Das liegt sicher daran, dass in Berlin die Dichte an Bands in unserer viel höher ist und so viel mehr Konkurrenz vorhanden ist. Ich glaube, für uns hat Wien eine sehr gute Größe, weil es eben doch eine Großstadt ist, wo es mehrere Locations gibt, aber sie trotzdem noch gut überschaubar ist. Man lernt sehr schnell Leute kennen, anders als vielleicht in Berlin oder Paris.
David: Man hat den Eindruck, dass im diesem Bereich hier schon mehr Geld da ist. In Marseille ist das viel schwieriger. Mit selbst organisierten Konzerten in kleineren Lokalen kann man hier schon ein bisschen was kriegen. Es ist so, dass man zumindest ein wenig Geld als Band verdient und anfallende Kosten damit decken kann. Ich glaube aber schon, dass Olga eine Nische darstellt, eine spezielle Art des Konzertereignisses ist. Balkanmusik-Elemente werden sicher gerne gehört und Latino wird auch gerne gehört. Die Kombination ist eher außergewöhnlich. Wir wissen oft selber nicht genau, was bei unseren Konzerten passieren wird. Wir improvisieren auch gerne und versuchen Neues zu machen.
Simon: Ich glaube, dass man es als Gitarren-Rockband sicher viel schwerer hat, Auftritte zu kriegen. Weil es einfach viel mehr Leute gibt, die das machen. Das Gleiche gilt für Jazz, da ist es schwieriger gute Gagen zu kriegen, weil das Publikum einfach ein kleineres ist. Wir sprechen viele junge Leute an. Unsere Konzerte sind immer gut besucht. Aber egal, ob es sich finanziell nun auswirkt oder nicht, es macht uns einfach Spaß. Ich mag das Gefühl, wenn ordentlich abgetanzt wird. Was es allerdings nicht gibt, ist ein Radiosender, der in diese Sparte fällt. In jedem Radiosender ist man nur eine Nische. Für Ö1 wären wir wieder zu wenig ernsthaft und für FM4 zu sehr World und Ethno. Da bleibt eben nur mehr Radio Burgenland (lacht)
In seid ein gutes Beispiel für eine zusammengewürfelte, multikulturelle Gruppe. Seht ihr dahinter ein Statement?
Simon: Heimat fremde Heimat. Klar haben wir ein Statement. Aber es fällt uns selbst gar nicht so auf, weil in dem Milieu, in dem wir uns aufhalten, das nicht wirklich etwas Besonderes ist, weil viele unserer Freunde eben aus dem Ausland stammen.
David: Wir haben dementsprechend ein Statement, dass wir zu buntem, solidarischem Zusammenleben bekennen. Das Publikum das wir haben, nimmt das wahrscheinlich auch so wahr. Aber eine echte politische Band sind wir nicht, vielleicht in ein paar Songs die Themen wie zB Abschiebung zum Inhalt haben.
Simon: Wir versuchen das aber auf eine ironische Art und Weise zu machen. Man kann ja auch nur schwer unpolitisch sein. Selbst wenn man Jazz-Musiker ist, ist das schwer sag ich mal.
Danke für das Gespräch
Foto1: Johanna Folkmann