mica-Interview mit Bernhard Eder

Mit „To Disappear Doesn’t Mean To Run Away” (Tron Records/Hoanzl) sorgte Singer/Songwriter Bernhard Eder für eine der ersten musikalischen Höhepunkte in diesem Jahr. Allerorts zeigten sich die Kritiker von Eders gefühlvoller und anspruchsvoller Popvariante begeistert. Im mica-Interview mit Michael Ternai erzählt der hochtalentierte Liedermacher über seine ersten Schritte in der Metropole Berlin, seinen Perfektionismus und die Wichtigkeit mit anderen MusikerInnen zusammenzuarbeiten.

Du bist ja im Moment ziemlich viel unterwegs und spielst Konzerte. Ich habe gesehen, dass du viel in Deutschland tourst. Wie sind denn die Reaktionen bislang auf dein Album, von seitens des Publikums und der Kritiker?

Bernhard Eder: Durch die Bank sehr gut, also sogar überraschend gut. Das letzte Album war sehr wichtig für mich! Deshalb habe ich auch länger dafür gebraucht. Das hat mir dann sehr gut getan, als die ersten Kritiken rein gekommen sind. In Deutschland war das Album auch schon ein paar Mal Album der Woche. Das Publikum hat es auch sehr gut aufgenommen.  Es läuft wirklich super.

Du hast das neue Album praktisch in Eigenregie aufgenommen. Warum war dieses Album für dich so wichtig?

Bernhard Eder: Ich bin ein kleiner Perfektionist. Ich veröffentliche nichts, bei dem ich nicht voll und ganz dahinter stehen kann. Nachdem das letzte Album, gerade was zum Beispiel die Arrangements anbelangt hat, schon durchgängig auf einem sehr hohen Niveau war, wollte ich es dieses Mal noch besser machen. Manche Nummern waren ziemlich schwierig. Manche musste ich dann entweder verwerfen oder neu arrangieren. Deshalb hat es dieses Mal etwas länger gedauert als sonst.

Wie wichtig ist es für dich, dass du die Kontrolle über dein eigenes Schaffen behältst?

Bernhard Eder: Ziemlich, ziemlich wichtig! Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, warum ich mir noch keinen Produzenten geholt habe. Weil ich einfach glaube, dass ich keinen brauche. Natürlich ist es so, dass ich gewisse Leute nach deren Meinung frage. Befreundete Musiker zum Beispiel.

Wie wichtig ist für dich die Erfahrung, die du in Berlin gemacht hast und wie lange warst du dort insgesamt?

Bernhard Eder: Zwei Jahre. Das heißt, die Produktion deines Albums fällt auch genau in diese Zeit?
Genau! Das erste Album ist dort veröffentlicht und auch fertig produziert worden. Eigentlich war Berlin für mich der Start für mein Soloprojekt. Es ist in Berlin eigentlich schnell sehr gut angelaufen. Ich habe dort eine Agentur gefunden und bin sehr schnell in die Szene aufgenommen worden. Die Berliner Medien haben auch recht schnell Sachen von mir gebracht. Von dem her, war das einfach der beste Platz für das Projekt. Auch deshalb weil ich Berliner Musiker gefunden habe, mit denen ich das Album aufgenommen habe.

Meinst du, wären deine ersten Schritte in Österreich ähnlich verlaufen?

Bernhard Eder: Glaube ich nicht. In Wien habe ich viel Respekt und Anerkennung erhalten. Das hat mich sehr gepusht. Österreich ist aber verhaltener. Vor allem wenn du nicht Teil einer bestimmten Szene bist, wirst du gleich ein bisschen zum Außenseiter. Daher kann man sagen, dass ich auch sehr viel Glück hatte. Ich spiele zum Beispiel mit verschiedenen Österreichischen Musikern. Der Schlagzeuger von Garish spielt bei mir mit, oder Velojet. Das ist alles sehr verwoben.

Du bist nicht der erste, der darüber berichtet, dass es schwieriger ist in Österreich die Anerkennung zu bekommen. Woran glaubst du liegt das?

Bernhard Eder: Erstens ist Österreich sehr überschaubar. Das heißt, es gibt gewisse Agenturen oder Einrichtungen und man muss schauen, dass man zu etwas kommt. In Österreich gibt es wenige Magazine. Es gibt FM4 und dann einfach gar nichts, bis auf kleine Radiostationen. Früher spielte die Elbogentechnik eine Rolle. Da hat man eher gegeneinander gespielt, als miteinander. Das legt sich in der Indieszene aber immer mehr. Aktuell passiert da immer mehr miteinander. Aber wie gesagt, die Szene ist einfach klein und überschaubar, daher gibt es viel Konkurrenz. Wobei es aber auch eine gesunde Konkurrenz geben kann.

Mir ist auch aufgefallen, dass die Szene zusammengewachsen ist und sich gegenseitig unterstützt. Glaubst du, dass die Musiker begriffen haben, dass es besser ist, gemeinsam zu agieren, als gegeneinander?

Bernhard Eder: Das glaub ich schon. Ich sag mal so, gemeinsam ist man einfach stärker. Jeder hat seine Kontakte. Ich habe das in Deutschland gemerkt. Dort habe ich vor zwei Jahren einen Sampler mit Freunden herausgebracht. Das waren Leute, mit denen ich dann gemeinsam gespielt habe und auf Tour gegangen bin. Wir haben auch immer wieder Sachen weiter geleitet, so nach dem Motto »das wäre etwas für dich oder für dich«. Dadurch ist ein richtige Art Netzwerk entstanden, in dem man sich gegenseitig unterstützend unter die Arme greift.

Ich habe vor kurzem in einer CD-Besprechung geschrieben, dass es momentan  sehr großen Spaß macht, als Redakteur über österreichische Musik zu berichten, weil sehr gute Sachen produziert werden. Findest du, dass inzwischen mehr Wert auf die Qualität gelegt wird?

Bernhard Eder: Das glaube ich schon. Da geht es auch um eine gesunde Konkurrenz. Man sieht, dass der Künstler dieses Album veröffentlicht hat und dann kann man qualitativ nicht irgendetwas machen, weil das dann untergehen würde. Da schraubt man sich gegenseitig schon auch ein bisschen in die Höhe. Da muss man irgendwie mithalten. Und ich glaube, dass das auch ein Grund dafür ist warum die Qualität in Österreich immer besser wird, sowohl was das Songwriting anbelangt, als auch das Produktionstechnische.

Dein Album ist für mich ein Paradebeispiel an guter Qualität. Woher nimmst du die Inspirationen für deine Musik? Vorbilder will ich jetzt nicht sagen.

Bernhard Eder: Mit Vorbildern tue ich mir auch schwer. Meine erste Inspiration ist mein direktes Umfeld. Ins Songwriting fließen dann bestimmte Erlebnisse mit ein. Was mich sehr inspiriert, sind Leute, mit denen ich viel unterwegs und auf Tour bin. Da nimmt man unglaublich viel mit. Ich merke das, wenn ich den Gesangsstil vom ersten mit dem neuen Album vergleiche. Während dieser Zeit war ich mit einem Freund aus Dänemark auf Tour, der klassischen Gesang studiert hat. Irgendwie habe ich  gemerkt, dass ich da Gesangstechnisch doch absacke. Da geht es gar nicht um die Qualität der Musik, sondern darum, wie sie auf der Bühne agiert und ihre Emotionen in die Musik legt. Das sind dann Erlebnisse, die mich inspirieren.

Du versuchst dich also von Album zu Album wirklich weiter zu entwickeln?

Bernhard Eder: Ja, auf jeden Fall!

Du hast ein sowieso ein sehr gutes Gefühl für Melodien und mir ist aufgefallen, dass das Songwriting beim neuen Album nach einem bewussten Prozess verlaufen ist.

Bernhard Eder: Beim zweiten Album hatte ich plötzlich Musiker. Kontrabass und Geige. Dadurch konnte ich einfach andere Sachen umsetzten. Die haben mir auch den Anstoß gegeben in andere Richtungen zu denken und zu agieren. Musik zu machen, die vielleicht nicht so alltäglich ist.

Nachdem du in Deutschland bereits Erfolge verzeichnen konntest, ist dein weiteres Ziel auch in den englischsprachigen Raum vorzudringen? Versuchst du deine Verbindungen und Netzwerke dahingehend aufzubauen?

Bernhard Eder: England jetzt weniger, aber mit den USA hat das Label immer wieder verhandelt. Aus ein paar Gründen hat das noch nicht geklappt. Gerade was digitale Downloads anbelangt. Die wollen eben auch Rechte darauf haben. Das nächste Ziel ist mal über den großen Teich zu schauen. Aber auch Skandinavien ist interessant. Im Sommer spielen wir in Dänemark, in Angus und dann in Koppenhagen wahrscheinlich auch. Auch in Südkorea sind meine beiden ersten Alben veröffentlicht worden.

Wie bist du dazu gekommen?

Bernhard Eder: Eine die für das Label arbeitet, ist teilweise auch in Berlin. Die hat mich im Radio gehört und war auf einem Konzert von mir, woraufhin sie mich gefragt hat, ob ich nicht Interesse hätte. Das hat dann ein bisschen gedauert und während dessen war dann auch schon das zweite Album da. Das hat dann ganz gut zusammengepasst.

Weißt du, wie sich die Alben bisher dort verkauft haben?

Bernhard Eder: Nicht so großartig. Ein paar hundert Stück, oder so.

Na, das ist ja immerhin schon etwas. Lebst du von der Musik oder hast du noch ein zweites Standbein?

Bernhard Eder: Eigentlich habe ich die letzten Jahre rein von der Musik gelebt. Dadurch, dass ich sehr viel live spiele, selbst produziere, am eigenen Label veröffentliche, geht das doch. Ich arbeite und manage viel. Wenn ich nicht gerade auf Tour bin, habe ich einen normalen Bürotag. Ich fange um neun, halb neun an. Ab Herbst bin ich dann zusätzlich am Max Reinhardtseminar tätig. Ich teile mir das Ganze mit einem Freund, dem David Lipp. Deshalb kann ich jetzt nicht mehr sagen, ich lebe von der Musik. Ich lebe von beidem.

Es heißt ja immer, dass man als Musiker nicht überleben kann?!

Bernhard Eder: Nein, ich finde das ist ein Blödsinn. Wenn man im Vorhinein sagt, dass man davon nicht leben kann, kann man das wahrscheinlich auch nicht. Ich habe mir immer gesagt, dass das sicher geht und dass ich das will.

Du hast 2007 das erste Album heraus gebracht. Wann hast du den Entschluss gefasst diese Richtung einzuschlagen?

Bernhard Eder: Eigentlich nachdem ich mit dem Konservatorium, mit dem ich im Juni 2005 mit  fertig geworden bin.

Wir haben vorher darüber gesprochen, dass du dich vom Gesang deiner Kollegen inspirieren lässt. Nachdem du aber selbst Jazzgesang studiert hast, sind die Voraussetzungen ja die Besten, dass du deine Stimme stark einsetzt.

Bernhard Eder: Ich habe meine Stimme einfach zurück genommen. Vielleicht auch deshalb weil ich vorher in einer Rockband gespielt habe. Ich wollte diese Singer/Songwriter Sache eher minimal machen. Irgendwann habe ich mir dann aber gedacht, dass man sich in diesem Genre des Singer/Songwriter nicht an die Klischees, wie die Akustikgitarre, halten muss.

Du bist ja wieder in Wien zu Hause. Hast du vor wieder wo anders deine Zelte aufzuschlagen?

Bernhard Eder: Ich spekuliere immer wieder mit Berlin. Berlin ist einfach meine Stadt. Andererseits fühle ich mich vom Umfeld her sehr wohl in Wien. Nach Berlin zu gehen würde heißen, meine Job hier aufzugeben. Wer will schon einen Job am Reinhardtseminar aufgeben? Also vorerst einmal nicht. Ich werde viel herumreisen. Bis Juli werde ich vielleicht ein bisschen mehr als ein Monat in Wien sein. Ich genieße momentan die Abwechslung sehr. Wenn ich in Berlin bin und dort zwei Konzerte spiele, versuche ich ein paar Tage dort zu bleiben.

Was hältst du generell von der Vielfalt in der Österreichischen Musikszene, abgesehen vom Songwriterbereich, der momentan wirklich eine Hochphase erlebt? Welche Bands gefallen dir sonst noch in Österreich?

Bernhard Eder: Garish und Velojet sind zwei der hervorragendsten Livebands in Österreich. Kreisky mag ich auch sehr gerne.

Hast du, nachdem du Jazzgesang studiert hast, eine Affinität zum Jazz?

Bernhard Eder: Nur zum Willi Landl, der mein Gesangslehrer im letzten Jahr war.

Der ja auch vor kurzem ein neues Album heraus gebracht hat.

Bernhard Eder: Ja und dann der David Lipp zum Beispiel. Ich habe aber nicht mehr so viel Übersicht über die Österreichische Musikszene. Bei den Elektronikern bin ich jetzt fast gar nicht mehr dabei. Da war ich früher mehr drinnen, weil ich da auch ein bisschen was gemacht habe. Ich höre auch kaum Radio und habe wahrscheinlich auch zuwenig Zeit, um mich damit zu befassen. Ich geh leider auch wenig auf Konzerte.

Spielst du, unabhängig von den Konzerten, auch jetzt noch jeden Tag mit deiner Gitarre und arbeitest an neuen Songs?

Bernhard Eder: In dem Moment, indem ich das Master abgegeben habe und die CD ins Presswerk kommt, fange ich an, am nächsten Album zu arbeiten. Das heißt, ich bin gerade mitten in der Produktionsphase zum nächsten Album. Ich habe schon fünf Songs in Arbeit, zwei sind schon fast fertig. Es wird dieses Mal in eine andere Richtung gehen. Ich möchte dieses Mal mehr Songs aufnehmen. Wenn ich zum Beispiel zu Hause am Land bin, habe ich mehr Zeit mit der Gitarre zu spielen und da kommen mir dann auch viele Ideen. Aber wenn ich in Wien bin, gibt es immer Arbeit und es kann passieren, dass ich zwei Woche die Gitarre nicht auspacke.

Danke für das Interview.

Bernhard Eder: Ja, danke auch.