mica-Interview mit Anna F.

Das einstige Mädchen mit der Gitarre ist nach längerer Pause wieder da. Und man ist geneigt, ganz klischeehaft zu sagen: Es ist erwachsen geworden. Mit „King in the Mirror“, ihrem zweiten Album, verabschiedet sich Anna F. vom belanglos-netten Folkpop ihres Debüts und versucht soundmäßig an die große Popwelt anzuschließen. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch in L.A. macht sie das nun von Berlin aus. Sebastian Fasthuber hat sie über ihre Musik und ihre Karriere befragt.

– „Ich habe die Zeit gebraucht“

Als die Vorabsingle zum neuen Album, „DNA“, im vergangenen Spätherbst veröffentlicht wurde, signalisierte sie schon eine Richtungsänderung. War das auch ein Beweggrund, den Song auszuwählen?

Anna F.: Schon. „DNA“ ist erst ganz am Schluss entstanden, als das Album eigentlich fertig war. Er fällt auch musikalisch ein bissl raus. Ich hab zu meinem Produzenten Philipp Steinke gesagt: Lass uns noch mal schreiben. Das Resultat klingt vielleicht so, als wäre es berechnend.

Inwiefern?

Anna F.: Naja, einige Leute haben gefunden, dass die Zeile „I just wanna fuck your friend“ bewusst provokant gemeint war.

Immerhin hat es funktioniert. Du warst sehr schnell wieder in den Medien.

Anna F.: (Lacht) Ja. Eigentlich war der Song aber nur ein Teaser. Ich finde ihn von der Produktion ziemlich speziell. Drum wollte ich mit ihm anfangen, weil er vom Sound am eigenständigsten ist. Ich wollte mich in Deutschland, wo mich ja noch keiner kennt, mit etwas Besonderem vorstellen. Da konnte man den Song gut als Teaser mit Video veröffentlichen.

Durch diverse Meldungen auf Facebook ist mir aufgefallen, dass der Song auch bei Leuten gut angekommen ist, die dich bislang nicht so gut gefunden haben. Glaubst du, dass du ein neues Publikum ansprich
st?

Anna F.: Ich glaube schon. Das ganze Album ist ganz anders als das erste. Das war echt ein langer Weg. Das neue Album hat ein bisschen mehr Edge. Ich finde, es ist eine gute Mischung und steht für das, was ich immer schon gern wollte: melancholisch, dark, aber trotzdem sehr poppig, leicht, aber auch mit einer Schwere und Tiefe. Ich kann mir gut vorstellen, dass das jetzt andere Leute anspricht.

Du warst einmal das Mädchen mit der Gitarre.

Anna F.: Ja, das kann man so sagen.

Wer bist du jetzt?

Anna F.: Puh. Also Gitarre spiele ich noch immer, aber jetzt mehr E-Gitarre. Es war ein Riesenweg. Ich habe viele Ängste durchleben, viele Entscheidungen treffen müssen. Das war sehr wichtig, hat das Ganze aber auch ein bisschen aufgehalten. Diese ganzen Unsicherheiten: Wo geht die Reise hin, wie soll das klingen? Das war echt schwer. Ich habe die Zeit gebraucht, habe viel verwerfen müssen. In der Zwischenzeit habe ich einmal in L.A. mit verschiedenen Songwritern gearbeitet. Davon ist aber nur ein Song am Album gelandet. Das Meiste ist in Berlin mit Philipp entstanden.

Bleiben wir noch kurz beim Mädchen mit der Gitarre. In Österreich wurde es einerseits bejubelt für sein ersten Hit, andere wieder haben es nicht ernst genommen, weil es das Lied aus einem Werbespot war. Wie siehst du die Zeit heute?

Anna F.: Extrem turbulent. Ich würde heute nicht mehr alles machen, was ich damals gemacht habe, würde nicht mehr jede Kooperation eingehen. Heute überlege ich mir viel genauer, was zu mir passt. Da hat sich auf jeden Fall einiges verändert. Es gibt heute oft Diskussionen mit Leuten. Ich vertrete das, was ich wirklich will. Das ist auch ein großes Thema, das sich durchs Album zieht: die eigene Stimme finden. Die habe ich teilweise gar nicht mehr gehört, weil so viel von außen gekommen ist.

Auch deshalb der Umzug von Wien nach Berlin?

Anna F: Ja. Ich musste ein bisschen Abstand gewinnen, alles von außen betrachten. Als ich drinnen war, habe ich nichts mehr gesehen. Sechs Jahre war ich in Wien, jetzt bin ich seit eineinhalb Jahren in Berlin.

Berlin passt zu dir?

Anna F: Ja. Jeder ist Künstler. Es ist nichts Besonderes, wenn man Musiker ist.

Stimmt es, dass du ohne Terminkalender in den Tag hinein lebst?

Anna F.: Nicht mehr. Seit zwei Monaten habe ich einen. Es geht nicht mehr. Ich habe keinen freien Tag bis Ende März.

Zwischendurch hast du einen Film gedreht.

Anna F: Ja, mit einem georgischen Regisseur. Ein ziemlich weirder, stranger Film, der auf Festivals gelaufen ist. Arthouse halt. Für mich war es fast wie Urlaub. Bei der Musik hängt alles an mir. Ich bin ein ziemlicher Kontrollfreak und denke alles hundert Mal durch. Beim Film sagt der Regisseur, was du tun sollst. Das war sehr angenehm und erholsam.


Aber es war immer klar, dass du weiter Musik machen würdest?

Anna F.: Ja, auf jeden Fall.

Wie ging es weiter?

Anna F.: Zuerst war ich in New York. Da habe ich mit dem Ian Dench von EMF geschrieben. Ich war ultranervös, weil ich noch nie mit jemand Anderem geschrieben habe. Ich hatte eine wahnsinnige Angst, mich zu öffnen. Das hat mich am Ende aber weitergebracht und sicherer gemacht.

Die neuen Songs sind alle mit Partnern geschrieben worden. Warum?

Anna F.: Beim ersten Album habe ich alles selber geschrieben. Das dauert leider ewig, bis ich einmal so weit bin, dass ich finde, alles passt. Gut ist, dass man beim gemeinsamen Schreiben gleich Feedback bekommt und einen Song auch schneller abschließt. Und man kann ein bisschen Verantwortung abgeben. Die erste Session war in New York. Dann kam der Filmdreh, danach Los Angeles. Da wurde ich mit einer ganz komischen Herangehensweise konfrontiert.

Wie lief das dort ab?

Anna F.: Ich dachte, man wird halt Musik machen und schreiben, so wie ich das gewohnt war. Erste Session: Du kommst hin, sitzt in einen Warteraum wie beim Arzt. Der Produzent war total gestresst, hatte keine Zeit. Er hat gesagt: „Setz dich hin auf den Hocker“, hat nur einen Akkord gespielt und mir angeschafft, ich soll was dazu machen. Er ist gleich ins andere Studio abgezischt, wo er gerade Lykke Li produziert hat. Ständig lief er hin und her. Der legt nur einen Beat ein, spielt drei Akkorde, du sollst Text und Melodie dazu machen. Er setzt dann aber seinen Namen darunter. Auch die Hälfte vom Text wollte er.

Wie lang warst du in L.A.?

Anna F: Einmal zwei Wochen und dann noch einmal kürzer. Beim Philipp in Berlin lief es ganz anders. Da ging es einfach darum, Musik zu machen. Ich liebe es, mit dem zu arbeiten. Der ist ein kleines Genie. Die Grunddinger haben wir alle zu zweit eingespielt. Ich hab sogar Schlagzeug gespielt.

War es trotzdem gut, das Business auch mal von einer anderen Seite kennenzulernen?

Anna F.: Ja, superspannend. Bei mir war das nicht so, aber bei manchen Sessions in L.A. sitzen zwölf Leute dabei. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Jeder will halt nur die Single schreiben. Und bevor der Song überhaupt fertig ist, wird schon geschaut, dass er die richtige Länge hat.

Wie lebst du jetzt in Berlin?

Anna F: In einem Loft in Prenzlberg, in einer echten Familiengegend: ein großer Raum, Klavier und Gitarren. Ich finde es sehr angenehm, weil es so ruhig ist. Die Musiker, mit denen ich arbeite, wohnen alle in meiner Nähe.

Deine Musik hat sich verändert. Was hast du in der letzten Zeit gehört, was hat dich beeinflusst?

Anna F: Ich habe immer ein paar Platten, die ich rauf und runter höre. Zuerst war das Lykke Li. Dann Florence & The Machine. Little Dragon. Und Bon Iver. Ich bin immer spät dran mit allem. Diese Sachen habe ich ganz viel gehört.

Das Album eröffnet mit dem Song „Friedberg. Da steckt thematisch schon sehr viel drin.

Anna F.: Stimmt. Das ist der Ort, wo ich herkomme. Inhaltlich geht es um die ganzen Stimmen von außen. Und Friedberg dient als Platz zum Runterkommen. Um diese Gegensätze geht es.  Ein bisschen ist das Album schon wie eine Therapiestunde. „Friedberg“ ist mein Lieblingssong. Das war der vorletzte Song, der entstanden ist.

Auch der Titelsong „King in the Mirror“ schlägt in eine ähnliche Kerbe. Da geht es um das Selbstbild und Fremdbild.

Anna F.: Genau. Da war ich mit Ian Dench im Sommer in Madrid. Seine Frau ist Spanierin. Wir haben beschlossen, in den Prado zu gehen. Da sind wir ewig vor „Las Meninas“ von Velázquez gestanden und haben uns gefragt, warum die sich auf dem Bild nur im Spiegel sehen. So entstand der Song. Das ist auch ein Thema, das sich durchzieht.

Jetzt stehst du wieder im Scheinwerferlicht. Durch die Veröffentlichung in Deutschland wahrscheinlich noch mehr. Genießt du das eigentlich?

Anna F.: Ja. Gleichzeitig habe ich auch Angst davor, weil man so angreifbar ist. Aber ich will natürlich, dass viele Leute es hören. Irgendwie bin ich zwiegespalten. Ich bin froh, dass das Baby endlich rauskommt, andererseits will ich es aber beschützen.

Ein deutsches Internet-Portal hat kürzlich geschrieben: „Dieses Jahr wird uns diese Ösi-Granate alle einwickeln.“

Anna F.: Ich google so was gar nicht mehr. Und diesen Scheiß findet man natürlich immer als erstes. Bei „DNA“ war es auch so: Das erste Suchergebnis war ein „Heute“-Artikel mit dem Titel „Anna F. will mit deinem Freund schlafen“. Was soll man machen?

Du wirkst natürlich stark über dein Äußeres. Wirst aber auch darauf reduziert.

Anna F.: I know. Die sollten sich mal meine Videos ansehen. „Friedberg“ ist ziemlich spooky. Ich mache jetzt zu jedem Song mit einem Freund ein Video.

In der nächsten Zeit spielst du in riesigen Hallen im Vorprogramm von James Blunt. Eine große Chance?

Anna F: Ich hoffe, dass das Publikum ganz offen sein wird. Man weiß natürlich nie, ob es was bringt. In Deutschland wird es sicher ein längerer Weg werden. Ich will, dass es gesund wächst, und habe das Gefühl, dass es das auch wird.

Wie erfolgreich bist du eigentlich?

Anna F: Naja, ich weiß gar nicht. Bei „DNA“ haben sie mir in Deutschland alle gratuliert. Ich weiß nicht, ob das so ein Erfolg war. Dafür, dass wir nichts gemacht haben, außer die Radios zu bemustern, war das vielleicht schon einer. In Ö lief der Song auf FM4 und auf Ö3, was nicht so oft vorkommt. Aber so richtig erfolgreich… Für mich bin ich erfolgreich, wenn ich davon leben und weiter Musik machen kann. Das ist eh schon der volle Luxus.

Und das hat trotz der Pause funktioniert?

Anna F.: Das ist jetzt schon ein bisschen eng geworden. Es muss langsam wieder was reinkommen.

Anders gefragt: Was willst du als Musikerin erreichen?

Anna F.: Genau das: Davon leben zu können, ohne ständig überlegen zu müssen, ob man jetzt essen gehen oder sich seine Miete leisten kann. Das ist von ganzen Herzen das, was ich will. Ich will einfach leben können und mir keine Sorgen machen müssen über Finanzielles. Gut: An meine Pension denke ich jetzt lieber noch nicht.

Fotos Anna F.: universal-music.de

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