mica-Interview mit Angelika Möser/Jeunesse Österreich

Angelika Möser, seit 2003 Generalsekretärin der Jeunesse, erzählt im mica-Interview über ihre erfolgreiche Arbeit für Österreichs musikalischen Nachwuchs. Die Jeunesse – Musikalische Jugend Österreichs bietet einem jungen Publikum die Möglichkeit, Musik verschiedener Stilepochen und Genres in erstklassiger Interpretation zu günstigen Preisen zu hören.

1949 in Wien gegründet, hat sich die Jeunesse mittlerweile zu Österreichs größtem Konzertveranstalter im Bereich klassische Musik entwickelt. Zugleich bietet sie ein umfangreiches Jazz-, World Music-, Neue Musik- und Kinderprogramm an – insgesamt werden pro Jahr an 24 Standorten über 650 Konzerte veranstaltet. Neben der Fokussierung auf ein jugendliches Publikum sieht sich die Jeunesse auch als Forum für junge Künstler und zeitgenössische Komponisten.

Sie arbeiten im Bereich der Musikvermittlung an Kinder und Jugendliche. Wie war Ihre eigene musikalische Sozialisation, wie sind Sie mit Musik in Berührung gekommen?

Angelika Möser: Bei uns zu Hause gab es eigentlich immer Musik, damit bin ich aufgewachsen. Mein Vater hat im Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde gesungen und er hat Klavier gespielt, so haben wir sehr viel gesungen und ich habe natürlich irgendwann angefangen Klavier zu lernen. Ich bin dann beim Gesang geblieben und bin nach wie vor auch Mitglied des Singvereins. Später habe ich dann Musikwissenschaft studiert, eigentlich wurde dann das Hobby zum Beruf. Aber die Musik war immer ein wichtiger Teil meines Lebens.

Aber es war klar, es wird nicht in Richtung praktische Berufsausübung gehen?

Angelika Möser: Aufgrund des doch nicht so großen musikalischen Talents habe ich dann beschlossen, das organisatorische Talent in den Vordergrund zu stellen. Ich habe Wirtschaft studiert und mich eher aufs Kulturmanagement verlegt.

Sie sind schon sehr lange bei der Jeunesse tätig, eigentlich schon seit Ihrer Studienzeit.

Angelika Möser: Ich habe als freie Mitarbeiterin begonnen, da habe ich noch an der WU studiert. Durch die Arbeit bei der Jeunesse und durch die Zusammenarbeit mit Professor Krones bin ich dann zur Musikwissenschaft gekommen und habe dann beides kombiniert.

Die Veranstaltungen der Jeunesse sind in erster Linie für junge Menschen bestimmt, da wäre es interessant zu wissen, ob das auch dem tatsächlichen Publikum entspricht, etwa bei den Symphonikerabos.

Angelika Möser: Die Jeunesse wurde ja vor fast 60 Jahren gegründet, um Jugendlichen oder jungen Menschen Gelegenheit zu geben, attraktive Konzerte zu günstigen Preisen zu hören. In diesen 60 Jahren hat sich die Jeunesse in Wien und im österreichischen Kulturleben als richtig großer Konzertveranstalter etabliert. Es ist so, dass wir auch einen großen Teil des nicht so jungen Publikums bedienen, aber dass wir natürlich versuchen, mit speziellen Programmen, Zyklen und Schwerpunkten auch in den Bundesländern an junge Menschen heranzukommen.

Tatsache ist: je “klassischer” ein Zyklus programmiert ist, desto älter ist auch das Publikum. Es gibt bei unseren Abonnements zwar einen größeren Jugendanteil als im Musikverein oder im Konzerthaus, aber der Großteil des Publikums der Symphoniekonzerte ist einfach etwas älter, weil das kein Jugendprogramm per se ist. Aber natürlich gibt es zum Beispiel Jazzzyklen im Porgy and Bess, oder “Fremde Welten”, mit einem viel jüngeren Publikum. Wir arbeiten in verschiedenen Bereichen der Musik und können mit verschiedensten Genres auch unterschiedliche Publikumsschichten bedienen.

Konzerte für Kinder

Sie haben zielgruppenspezifische Veranstaltungen, auch für ganz Kleine, z.B. Triolino, die bereits jetzt für die nächste Saison ausverkauft sind. Denken Sie da an einen Ausbau?

Angelika Möser: Triolino wurde vor sieben Jahren ins Leben gerufen und ist ein unglaublicher Erfolg. In Wien gab es früher zwei Serien, inzwischen haben wir auf vier Serien verdoppelt, aber es ist noch immer ausverkauft und wir können der Nachfrage nicht ganz gerecht werden. Es ist eine Kostenfrage. Jede Veranstaltung ist für maximal hundert Kinder konzipiert und hat ein Betreuer- und Vermittler-Team von fünf Leuten, dazu kommen noch die Musiker, das heißt, es ist ein unglaublich kostenintensiver, andererseits auch logistischer Aufwand. Das Triolino-Team muß einfach immer ein ganzes Wochenende Zeit haben, die Musiker ebenfalls. Je mehr man das ausweitet, desto schwieriger wird da die Terminkoordination, weil das Betreuerteam über das ganze Jahr gleich bleibt. Die kennen die Kinder dann auch schon und dadurch entsteht wirklich auch eine runde Geschichte über die ganze Saison.
Wir machen Triolino auch in Graz und in Linz, das will auch alles koordiniert werden und im Moment schaffen wir es nicht, das noch zu erweitern.

Also sogar, wenn es kein Orchesterkonzert ist, gibt es hohe Kosten?

Angelika Möser: Ja, man kann keine hohen Eintrittspreise verlangen, denn oft kommen Eltern auch mit zwei Kindern. Es ist einfach das Verhältnis von sieben oder acht Mitwirkenden zu hundert Kindern, das ist schon schwierig zu finanzieren. Wir überlegen schon, wie wir dieses Dilemma lösen können, wir sind auch nicht glücklich damit, wenn wir am zweiten oder dritten Verkaufstag enttäuschte Kunden haben.

So schnell geht das?

Angelika Möser: Ja, bei Triolino war es eine Katastrophe als wir nur zwei Serien in Wien hatten, weil das noch in der ersten Bestellnacht online ausverkauft war,  jetzt dauert das zwei, drei Tage. Veröffentlicht werden die Abos am Tag der Pressekonferenz, das war heuer der 4. April.

Gehen die Kinder-Abos am besten?

Angelika Möser: Ja, die gehen sehr gut. “Piccolo” (für Kinder ab 6), die Serie, die im Konzerthaus stattfindet machen wir schon sechsmal. Wenn es wirklich voll ist, haben wir eine siebente Option in petto, viel mehr geht da nicht. Viel mehr Publikum gibt es dann auch wieder nicht, man kann nicht unendlich viele Serien ansetzen. Es nimmt mit zunehmendem Alter das Interesse ein bisschen ab. Bei “Concertino” (für Kinder ab 9 Jahren) gibt es nur mehr vier Serien und “music4u” (ab 12) machen wir oft nur einmal. Je älter die Kinder oder Jugendlichen werden, desto schwieriger wird es auch, sie mit solchen Veranstaltungen zu erreichen. Sie sollen ja dann auch ins “normale” Konzert kommen.

Situation in den Bundesländern

Wir haben die Bundesländer schon kurz angesprochen. Da gibt es z.B. in Innsbruck 17 Abos und in manchen Orten keine.?

Angelika Möser: In Innsbruck gibt es eine große Zahl an Wahlabos, die sich immer nur auf dieselben zwanzig, vierundzwanzig Konzerte beziehen. Man kann entweder alle, oder nur zehn oder acht oder sechs kaufen, das sind jetzt nicht siebzehn verschiedene Abos.
Es gibt in allen Geschäftsstellen, die wir haben, Abos, die kommen nur viel später heraus. Im Internet kann man zwar die Konzerte der laufenden Saison anschauen, aber die Prospekte für 2008/09 sind jetzt gerade in Druck und erscheinen im Juni.
In den Bundesländern funktioniert das ein bisschen anders, da gibt es nicht Abos mit einem langen Vorverkauf so wie in Wien, sondern da geht es entweder Ende Juni oder Anfang September los. Das sind dann sechs, acht Konzerte in der Saison, da wird sowieso jedes einzeln wieder beworben.
Wir versuchen, in den einzelnen Orten jeweils das anzubieten, was sonst fehlt. Wir machen in Graz zum Beispiel ein reines, umfangreiches Kinderprogramm, weil es dort einfach eine Tradition an klassischen Konzerten gibt, die wir nicht verdoppeln müssen, in Salzburg detto.
In Gmunden veranstaltet die Jeunesse auch Abendkonzerte, denn da gibt es nicht so viele andere Veranstalter, in Horn, in Zwettl, in Schwaz in Tirol, da sind wir auch der Klassikveranstalter für das allgemeine Publikum für Abendkonzerte.
Gleichzeitig machen wir, in den Bundesländern noch viel mehr als in Wien, Schulkonzerte. Also dort sind unsere Kinderprogramme eigentlich am Vormittag in der Sc

Gibt es so etwas in den Bundesländern auch?

Angelika Möser: So direkt nicht, aber dort gehen wir mit den Produktionen, die wir hier in Wien machen, z.B. Piccolo-Produktionen im Neuen Saal im Konzerthaus, gleich in die Schulen.

Die verschicken sie sozusagen von Wien aus?

Angelika Möser: Diese Produktionen schicken wir durch die Länder, ja.
Zum Beispiel in der Geschäftsstelle Tulln gibt es dann zweimal im Jahr Kinderkonzerte, die für das gesamte Tullnerfeld angeboten werden. Das ist eine große logistische Leistung, auch hinsichtlich des Transports. Es werden alle Volksschulen aus dem ganzen Tullnerfeld bedient und das läuft auch extrem gut.
Das sind natürlich Dinge, die nicht groß in der Öffentlichkeit passieren, aber da machen wir  schon einiges.

Das Gesamtprogramm der Jeunesse bekommt jeder Lehrer?

Angelika Möser: In Wien, ja, in den Bundesländern liegt es an  den Geschäftsstellenleitern, ihre Prospekte auch in den Schulen zu verteilen.

Das heißt, da wo es die Jeunesse gibt, sollten die Schulen auch von den Konzerten wissen?

Angelika Möser: Ja.

Wünsche an Lehrer, Politik und Ausbildungssstätten

Haben Sie Wünsche an die Lehrer?

Angelika Möser: Mein Wunsch wäre, dass unser Angebot noch stärker wahr- und angenommen wird. Wenn zu Informationsveranstaltung von 300 eingeladenen nur 20 Lehrer kommen, ist das schade. Die Professoren, die von unserem Angebot Gebrauch machen, sind wiederum sehr treu, hier gibt es auch eine intensivere Kommunikation. In Wien bieten wir zu fast allen Konzerten Karten zu ? 5,50 für Schüler und Lehrer an – es gibt ein paar engagierte Lehrer, die mit größeren und kleineren Schülergruppen in die Konzerte kommen, andere nehmen das Angebot gar nicht in Anspruch.
Dieses Angebot geht an die Unterstufen der höheren Schulen und an die Hauptschulen.

Die Informationsveranstaltungen sind für die Lehrer gedacht?

Angelika Möser: Ja, wir machen sie zusammen mit dem Stadtschulrat. Wir informieren darüber, was wir als Jeunesse an außerschulischer Musik bieten, Konzerte oder Projekte. Das müssten die Lehrer in ihrer Freizeit machen, weil die Konzerte abends stattfinden. Es liegt dann am Engagement der Lehrer – ich will da niemandem zu nahe treten, weil sie sicher alle ein enormes Pensum zu erledigen haben. Aber ich denke schon, dass wir da sehr unterstützend eingreifen könnten, gerade wenn die musischen Stunden gekürzt werden.
Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre es, dass der Musikunterricht ausgeweitet wird, weil ich den einfach für essentiell halte, nicht nur wegen der Musik, sondern weil es ja erwiesen ist, dass es in vielen Bereichen einfach gut tut, wenn man sich musikalisch betätigt.

Musik macht ja schlau.

Angelika Möser: Ja, schlau, und sie sozialisiert. Es wäre vielleicht möglich, auch dort und da Aggressionen entgegenzuwirken, zum Beispiel mit einem Schlagzeugworkshop, es gibt ja in dieser Richtung bereits alles Mögliche.

Am 3. Juni findet die Parlamentarische Enquete ZukunftsMusik statt. Welche Wünsche hätten Sie denn an die Politik?

Angelika Möser: Es ist ein Problem, wenn Organisationen wie wir seit sieben, acht Jahren mit eingefrorenen Subventionen arbeiten müssen. Die Kosten steigen unerbittlich, es wird einfach immer enger. Bei der Jeunesse, muss ich wirklich sagen, ist jeder Cent gut angelegt. Wir haben kein eigenes Haus, es gibt Fixkosten nur beim Personal und bei den Büromieten, und sonst geht alles ins operative Budget. Da versuchen wir wirklich unglaublich genau zu kalkulieren und jeden Künstler in den Gagenverhandlungen noch ein bisschen zu drücken, was natürlich auch nicht unendlich geht – man muss ja auch das große Engagement von Künstlern, die sich mit Kinderprojekten auseinander setzen, honorieren. Das ist oft gar nicht so einfach und erfordert viel mehr Vorbereitungszeit als ein normales Konzert.
Also, wir werden wahrgenommen und man kommt uns mit Wohlwollen entgegen, aber es schlägt sich noch nicht in finanzieller Hinsicht nieder. Ich will mich nicht beklagen, aber es wäre schon ganz schön, wenn die Politik ein bisschen großzügiger agieren könnte. Ich denke aber, dass das jetzt in die Richtung gehen könnte, auch aufgrund so einer Enquete.

Ich würde mir noch etwas anderes wünschen, das geht aber weniger an die Politik, als an die Ausbildungsinstitute, wie die Musikuniversitäten oder Konservatorien.
Es gibt keine Ausbildung für Musikvermittler, oder zumindest einen entsprechenden Teil in der Ausbildung für Musiker, wo es darum geht, wie man ein Programm an das Publikum, an Kinder, vermittelt – diese Zugänge zur Musik, dem wird zu wenig Bedeutung zugemessen. Es gibt nun Initiativen an der Musikuniversität in Wien und auch an der Bruckner-Uni in Linz, aber wir warten noch sehnsüchtig auf die Absolventen.
In dieser Hinsicht wird meiner Meinung nach zu wenig auch bei der Ausbildung der Musiker getan, denn es gäbe dort ein berufliches Betätigungsfeld. Wir arbeiten seit Jahren immer mit derselben Handvoll von engagierten Musikern und Vermittlern, aber es kommt wenig nach, und das finde ich ein bisschen schade.

Also ein Ausbildungsgang, wo man mit pädagogischem Handwerk versehen wird?

Angelika Möser: Wo man lernt, mit musikalischem Grundwissen musikalische, pädagogische, spielerische Zugänge zu schaffen, gerade um diesen außerschulischen Bereich zu bedienen. Denn wenn man schon in der Schule den Musikunterricht kürzt, und die Verantwortung anderen zugeschoben wird, dann muss es auch Leute geben, die das umsetzen können. Das ist irgendwie eine Mischung aus Entertainer, Pädagoge, Musiker. Da gehört sehr viel dazu.

Jeunesse und Neue Musik

Beim Programm Klassik im Club am Badeschiff auf dem Donaukanal ist auch Neue Musik zu hören – ich nehme an, das geht auch in Richtung Clubmusik?

Angelika Möser: Wir haben Klassik im Club im Februar begonnen, machen das einmal im Monat und sind noch ein bisschen in der Austestungsphase, weil das so eine spezielle Veranstaltung ist, bei der wir auch unsere Erfahrungen sammeln.
Martin Grubinger hat beim allerersten Event im Februar auch Neue Musik gespielt, also Xenakis usw. – Komponisten, die eben für Schlagzeug schreiben. Das ist natürlich ein Reißer in jeder Hinsicht, obwohl es Neue Musik ist.
Bei anderen ist es dann etwas schwieriger, und was ich nicht will ist, dass sich letzten Endes am Badeschiff das Publikum der Neuen Musik-Szene wieder findet. Dieses Publikum hat ohnehin seine Konzerte und Festivals, wir denken bei Klassik im Club doch auch an ein neues Zielpublikum. Ich möchte wirklich junges Publikum, das sich eher in den Clubs aufhält, dort auch mit “klassischer Musik” konfrontieren. Diese Balance zu finden ist gar nicht so einfach, da braucht man dann Künstler, die sagen, ok das ist halt ein Club hier, das ist nicht hermetisch abgeriegelt, da gibt es Nebengeräusche, da kann ich nicht zum kleinsten Pianissimo gehen, sondern ich muss mich mit meiner Musik auf die Situation und auf den Raum einstellen. Das funktioniert manchmal besser, manchmal weniger, aber wir sind da, glaube ich, auf einem ganz guten Weg. Ich bin schon gespannt, wie es mit Marino Formenti nächste Woche sein wird. Er hat sich sehr genau damit beschäftigt, was da passiert, und wird Messiaen mit Beatles und Antheil mit U2 oder mit Songs verknüpfen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das auch jemanden, der in dieser Musik nicht so zu Hause ist, anspricht.

Wie und wo bewerben Sie Klassik im Club?

Angelika Möser: Eher an Unis, das fängt ja erst um neun, halb zehn an. Das Zielpublikum ist hier achtzehn bis dreißig und da muss man sich halt in Szenelokalen und an Unis bewegen. Da gibt es Plakate, Flyer und Email-Verteiler.

Ist es gut besucht?

Angelika Möser: Ja. Das erste war wirklich sehr gut besucht. Martin Grubinger hat extrem gezogen, weil wir ein Konzert mit ihm hatten, das ausverkauft war – daraufhin sind alle zu Klassik im Club gegangen.
Die beiden anderen Veranstaltungen waren nicht ganz so einfach, aber es war trotzdem gut besucht. Das dauert auch eine Zeitlang, bis sich das einspielt und durchsetzt.

Die Jeunesse sieht sich ja auch als Forum für zeitgenössische Musik. Welchen Anteil an Konzerten mit zeitgenössischer Musik gibt es?

Angelika Möser: Das hängt auch damit zusammen, wie man die Eigenveranstaltungen und Kooperationen einberechnet. Aber wenn ich jetzt nur von den Eigenveranstaltungen ausgehe, haben wir natürlich den Zyklus Fast Forward im Porgy and Bess, wo es wirklich neueste Musik gibt, und in dem als Ergänzung immer zwei Komponistenporträts im Radiokulturhaus präsentiert werden. Heuer mit Eva Reiter und Oskar Aichinger. Da sind auch Auftragswerke inkludiert, das ist uns sehr wichtig.
Wir versuchen auch in den Bundesländern dort oder da mal ein Projekt ins Programm einzubauen, das sich mit österreichischen zeitgenössischen Komponisten auseinandersetzt. Das ist nicht so einfach, wenn man nur sechs bis acht Konzerte in einer Geschäftsstelle hat und ohnehin schon ums Publikum kämpft.
Aber zum Beispiel in Zell am See gibt es eine Tradition, da hat das Ehepaar Gadenstätter dreißig Jahre lang wirkliche Aufbauarbeit geleistet. Dort weiß man, es gibt in den Jeunesse-Konzerten gute Neue Musik, und geht man hin, weil das jetzt schon dazu gehört. Das erfordert einen langen Atem und ein konsequentes Qualitätsdenken, aber es funktioniert.

Thema Volksschulen und Neue Musik – Volksschüler haben eigentlich keine Probleme mit Neuer Musik, wenn sie gut vermittelt wird. Welche Projekte gibt es in dieser Richtung?

Angelika Möser: Da haben wir ganz tolle Erfahrungen gemacht, auch mit “Musik zum Angreifen”. Diese Serie benützen wir oft, um neue Projekte zu entwickeln, die wir dort ja sehr oft spielen und mit den Volksschulen auch ein bisschen nachjustieren können – was kommt gut an – und  so übernehmen wir diese Produktionen ins öffentliche Jeunesse-Programm, und spielen sie in Wien dann noch im Piccolo-Zyklus, oder eben in den Bundesländern.
Da gab es z.B. zwei Projekte, die sich mit Neuer Musik beschäftigt haben in letzter Zeit. Einerseits Stockhausens Tierkreis, das haben wir verpackt in eine Universums-Reisegeschichte. Das hat extrem gut funktioniert, die Kinder haben sich fünfzig Minuten lang – natürlich durch die Geschichte gepackt – Stockhausen angehört, ohne Probleme. Und jetzt hatten wir hier am Wochenende im Piccolo-Zyklus “Opus Number Zoo” von Berio, auch mit einer ansprechenden Geschichte, und es funktioniert, es war eine ganz entzückende Sache. Die Kinder hören Berio, und in dem Fall auch noch Ligeti, ohne irgendeine Unruhe. Also das funktioniert schon, man muss es natürlich aufbereiten, das ist ganz klar, aber letzten Endes braucht das Nicht-Fachpublikum auch in irgendeiner Weise eine Einführung durch die Künstler in deren Welt.

Haben Sie auch einen Fokus auf österreichischer Neuer Musik?

Angelika Möser: Wir haben grundsätzlich einen Fokus auf Förderung junger österreichischer Künstler und Komponisten, da wir natürlich Subventionen bekommen, und diese auch dementsprechend zur Förderung von jungen Musikern verwenden. So ist es in erster Linie für mich einmal wichtig, die österreichischen zu fördern, aber wenn ich sehe, wir brauchen ein Streichquartett und es gibt gerade keines, dass jetzt hier zur Verfügung steht, dann suchen wir natürlich auch in der internationalen Szene. Aber es hat die österreichische Musik ganz sicher Vorrang bei uns, obwohl wir uns natürlich im Konzertprogramm auch international öffnen, damit wir eine gute Mischung erreichen.

Die Jeunesse ist Partner bei der Aktion “Hunger auf Kunst und Kultur”, die finanzschwachen Personen die Möglichkeit bietet, am kulturellen Leben teilzunehmen. Wird dieses Angebot genützt?

Angelika Möser: Das wird schon angenommen, nicht übermäßig, aber wir bieten es für alles an, auch für Kinderkonzerte, gerade für Alleinerziehende ist dies ein gutes Angebot.

Wird Österreich ein Musikland bleiben?

Angelika Möser: Ich denke schon. Wenn ich daran nicht glauben würde, dann würde ich mir einen anderen Beruf suchen. Es gibt hier auch einfach so eine lange Tradition. Auch was wir als Jeunesse tun – ich sehe das ja auch im internationalen Jeunesse-Vergleich – das ist schon bemerkenswert. Außerdem ist der Stellenwert der Musik in der Gesellschaft wirklich hoch. Man kann dort und da über Niveaus an Unis durchaus diskutieren, aber ich glaube grundsätzlich ist daran nicht zu rütteln. Deswegen arbeite ich auch mit vollem Einsatz, weil ich glaube, dass wir etwas bewegen können. Wir sind sicher noch nicht im Idealzustand angelangt, aber das werden wir nie erreichen, wir werden einfach immer versuchen, Schritt für Schritt weiter zu gehen.

Interview: Sabine Reiter

Jeunesse