mica-Interview mit Alp Bora

Im europäischen Istanbul geboren, im anatolischen Ankara aufgewachsen und heute in Wien lebend, verbindet Alp Bora in unnachahmlicher Weise Musikstile und -welten. Im Interview mit Michael Masen spricht der Gitarrist über das neue Album seines Projekts Nim Sofyan sowie seine sonstigen vielfältigen musikalischen Aktivitäten.

Gerade ist mit „Agora“ die neue CD deines Projekts Nym Sofyan erschienen. Kannst du ein wenig über dieses Projekt erzählen, wie lange gibt es euch schon, wie habt ihr zusammen gefunden?

Wir haben im Jahr 2002 begonnen und ich kann mich sogar noch sehr gut an den betreffenden Tag erinnern. Bis dahin hatte ich immer in sehr vielen Bands gespielt, die sich aber alle irgendwann einmal wieder aufgelöst haben. Ich habe mich also dazu entschieden, eine Solokarriere zu starten und genau an diesem Tag habe ich dann den Geigenspieler, Paul Dangl, kennen gelernt. Im Laufe der Zeit hat sich die Formation dann erweitert, sodass wir mittlerweile zu sechst sind. Später, im Jahr 2004, haben wir zwei Preise gewonnen, den Österreichischen Weltmusikpreis und den Publikumspreis. Das hat uns schon sehr geholfen. Und ein Jahr später hat uns das Österreichische Außenministerium zum Musikbotschafter Österreichs erklärt. Seitdem sind wir weltweit unterwegs. Wir haben bereits in über 20 Ländern gespielt und heuer stehen zwei weitere wichtige Auslandstourneen an, eine in der Türkei und eine in China und Taiwan.

Neben Griechenland ist die Türkei auf der CD ja auch ein großes Thema…

Ja, ich bin in Istanbul geboren und hauptsächlich in Ankara aufgewachsen. Türkisch ist also meine Muttersprache und wir spielen hauptsächlich Volksmusik aus der Türkei und vom Balkan. Und die griechische Musik ist eben eine meiner besonderen Vorlieben.

Gibt es zu diesem Album ein bestimmtes Konzept oder habt ihr einfach das aufgenommen, worauf ihr gerade Lust hattet?

Es gibt natürlich ein Konzept. „Agora“ ist griechisch und bedeutet „Marktplatz“. Wir leben alle in Wien und fühlen uns sehr wohl in dieser Stadt. Wir finden es hochinteressant, dass so viele Nationalitäten und so viele Sprachen hier vereint sind. Die Stadt ist für uns also wie ein Marktplatz. Wir sehen diese Leute, wir reden mit ihnen, spielen mit ihnen, essen mit ihnen – das inspiriert uns.

Die Einflüsse auf die CD bilden also viele verschiedene Kulturen?

Ja, viele verschiedene Kulturen und natürlich Wien, unser Zuhause.

Sind das traditionelle Musikstücke, oder habt ihr auch selbst welche geschrieben?

Beides. Wir haben sowohl traditionelle Lieder aus der Türkei und aus Griechenland adaptiert als auch Eigenkompositionen aufgenommen.

Wie lange hat es gedauert, das Album aufzunehmen?

Die ganze Vorbereitung hat ungefähr ein Jahr gedauert und im Studio selbst ist es dann aber ziemlich rasch gegangen, da haben wir nicht viel Zeit verbracht. Da wir gut vorbereitet waren, haben wir für die Aufnahmen ca. zwei Wochen benötigt.

Seht ihr euch als Live-Band?

Ja definitiv, auf jeden Fall.

Wie werden die Stücke eurer CD im Live-Kontext umgesetzt?

Der Sound ist gleich, aber bei Live-Konzerten lassen wir mehr Platz für Improvisationen. Wir haben alle Jazz studiert und so ist das auch sehr nahe liegend.

Wer ist für die selbstkomponierten Stücke verantwortlich?

Die Eigenkompositionen kommen meistens von Paul Dangl, unserem Geigenspieler und von Johann Öttl, unserem Trompeter. Es wird ein Arrangement vorgelegt, wir diskutieren darüber und entscheiden dann alle gemeinsam, wie es klingen soll.

Neben Nym Sofyan hast du ja noch einige andere Sachen laufen. Du bist solo unterwegs und auch in ein oder zwei anderen Projekten aktiv. Kannst du darüber ein wenig erzählen?

Ich habe ein eigenes Trio, mit dem ich vor zwei Jahren ebenfalls eine CD herausgebracht habe. Bei diesem Projekt spielen ein Cello, Lukas Lauermann und eine Geige, Julia Pichler, mit mir gemeinsam. Hierbei machen wir ebenfalls Volksmusik, aber diesmal nicht jazzig, sondern kammermusikalisch. Soviel ich weiß, sind wir das einzige Projekt, das diese Musik auf diese Art und Weise spielt. Außerdem habe ich noch ein Trio mit dem palästinensischen Oud-Spieler Marwan Abado und dem griechischen Busuki-Spieler Marios Anastassiou. Hierbei spielen wir einfach die Sachen, die wir mögen. Es gibt nicht wirklich ein Konzept. Und zusätzlich spiele ich noch Solokonzerte, bei denen ich ebenfalls Volkslieder aus der Türkei interpretiere. Daneben mache ich jetzt noch bei einem Theaterprojekt mit, mit dem wir jetzt gerade erst in der Türkei unterwegs waren.

Bei all diesen Sachen schreibst du selbst die Stücke?

Nein, in den beiden Trios machen wir das alle gemeinsam. Bei der Theatermusik hingegen, bin sowieso nur ich alleine auf der Bühne, da kommt die Musik nur von mir.

Musstest du dich erst auf das Spielen fürs Theater einstellen oder hat dir das keine Schwierigkeiten bereitet?

Nein, nicht wirklich. Das Theaterstück bezieht sich ohnehin auf die Türkei und man benötigt türkische Musik und außerdem spiele ich in diesem Stück sehr viele Volkslieder und Improvisationen.

Kannst du ein wenig darüber erzählen, wie du zum Musikmachen gekommen bist?

Ich bin jetzt 33 Jahre alt und habe mit Zwölf begonnen Gitarre zu spielen. 1998 bin ich als WU-Student nach Wien gekommen. Ich habe einige Zeit Volkswirtschaft studiert, habe dann aber gemerkt, dass das nichts für mich ist und begonnen, Musik, Jazzgitarre, zu studieren. Seit 2001/2002 mache ich jetzt aktiv Musik. Nebenbei veranstalte ich noch ein kleines Türkei-Festival, das heuer im Porgy & Bess stattgefunden hat und für nächstes Jahr plane ich ein Mittelmeer-Festival.

Wann hast du gemerkt, dass du wirklich vom Musikmachen leben willst bzw. kannst?

Gewusst habe ich es eigentlich schon immer, ich wollte es mir nur nicht eingestehen. Ich habe einfach Angst davor gehabt, selbstständig zu sein und vor dieser Ungewissheit, ob man genügend Aufträge bekommt. Meine Mutter war mir bei dieser Entscheidung die größte Hilfe und hat mich immer in meinem Tun bestärkt.

Hat es für dich musikalisch einen Moment gegeben, wo du für dich selber gemerkt hast, dass du das schaffen kannst oder war das eher ein langsamer Übergang?

Das war ein langsamer Übergang. Ich habe ca. drei Jahre lang Straßenmusik gemacht, was wirklich hart verdientes Brot ist. Seit 2004/2005 bin ich aber fest davon überzeugt, vom Musikmachen leben zu können. Das ist ja im Grunde auch nichts anderes als irgendein selbstständiger Beruf. Falls man nicht davon leben kann, bedeutet das, man hat irgendeinen Fehler gemacht.

Du gehst da also wie an eine normale Arbeitswoche heran?

Natürlich. Mein Tag beginnt damit, dass ich aufstehe und meinen Computer einschalte. Dann fange ich an zu üben. Es gibt auch abgesehen von meinen regulären Projekten hin und wieder andere Sachen, für die ich extra Zeit aufwenden, üben oder sonstige Vorbereitungen erledigen muss. Ich verbringe insgesamt wohl sechs bis acht Stunden pro Tag damit, an Musik zu arbeiten.

Also hättest du wohl auch gar keine Zeit, eine weitere Formation zu gründen. Oder gibt es zumindest Überlegungen, Ideen, noch ein Projekt zu starten?

Naja, ich bin ja sozusagen ein Musikfreak und habe für neue Sachen immer irgendwie Zeit. Ich bin jetzt zum Beispiel dabei, mit einem algerischen Musiker, Akim El Sikameya, etwas zu machen, ein Mittelmeerorchester zu gründen. Er lebt in Paris und heuer ab Herbst werden wir gemeinsam eine Tournee spielen. Momentan sieht es so aus als würden die Konzerte dazu in Österreich und Frankreich stattfinden. Wir haben aber außerdem Connections bis nach Japan und die USA. Mal schauen, wo uns das noch hinführen wird. Wir arbeiten jedenfalls daran.

Habt ihr längerfristig auch geplant, eine CD aufzunehmen?

Das wissen wir noch nicht genau, aber da man so etwas ja meistens braucht, werden wir wahrscheinlich schon gemeinsam ins Studio gehen.

Wird es zum jetzt veröffentlichten Album „Agora“ auch eine größere Tournee geben?

Unsere Managerin, Birgit Gabler, bei der ich mich an dieser Stelle gleich mal für ihre großartige Arbeit bedanken möchte, arbeitet daran. Wir haben diesmal mit Galileo MC auch eine neue Plattenfirma und im Prinzip läuft es ja so, dass es schon sehr von Vorteil ist, wenn in den Ländern, in denen man auftreten möchte, auch die CD bereits zu haben ist. Das neue Label hat Partner in über 40 Ländern, was jetzt natürlich nicht heißt, dass unsere CD überall dort erhältlich sein wird, aber wie gesagt, die Chancen stehen gut. Jetzt spielen wir aber sowieso einmal eine China-Tournee und eine in der Türkei und in Deutschland spielen wir sowieso ständig. Die CD ist jetzt seit nicht mal einer Woche heraußen; ein paar Monate wird es also schon noch dauern, bis wir genau wissen, wie sich alles entwickelt.

Wie sind denn in der Türkei die Reaktionen auf deine Musik?

Sehr positiv. Die Leute dort geben mir immer das Gefühl, dass sie stolz auf mich sind. Wir haben vor zwei Jahren auch mal in der türkischen Provinz gespielt, wo es die für mich interessantesten Reaktionen überhaupt gegeben hat. Die Leute waren erstaunt, dass Österreicher türkische Musik spielen können und sie waren noch erstaunter, dass der Sänger so gut türkisch konnte.

Es gibt also schon Unterschiede von städtischen zu ländlichen Gebieten?

In der Türkei ist dieser Unterschied tatsächlich sehr groß, während so etwas in Österreich fast gar nicht existiert. Wenn ich in Österreich am Land spiele, merke ich, dass dort das Bildungsniveau der Leute genauso hoch ist wie in den Städten. In der Türkei hingegen ist das nicht so. Die schönsten Konzerte für uns, außerhalb von Wien, das natürlich ein Heimspiel ist, sind diejenigen, wo es für die Leute nicht selbstverständlich ist, jeden Tag ein Konzert besuchen zu können. Dort habe ich immer das Gefühl, dass das Publikum sehr dankbar ist.

Gibt es irgendeinen Musiker, mit dem du gerne mal zusammen arbeiten würdest?

Das klingt jetzt vielleicht übertrieben, aber ein großer Traum von mir ist es, einmal mit Sting spielen zu können. Und eines Tages werde ich das auch schaffen, glaub mir.

Vielen Dank fürs Interview.