mica-Interview mit A Thousand Fuegos

Matthias Peykers Schöpfungsgeist lodert mindestens so heiß wie tausend Feuer. Der gebürtige Kärntner hat mittlerweile nicht nur ein halbes Dutzend Alben veröffentlicht, abgesehen davon geht er ein inniges Verhältnis mit der bildenden Kunst ein. Auf seinem aktuellen Werk „The Treachery of Things“ begibt sich der Musiker weg vom traditionellen Liedermachertum hin zu elektronisch beeinflussten Soundgeflechten. Im mica-Interview bringt er den Verrat der Dinge zumindest teilweise ans Tageslicht.

Du bist ja ein ziemlicher Kreativkopf und ziehst deine künstlerischen Spuren nicht nur in der Musik, sondern auch in der bildenden Kunst. Ist das richtig?

Ja. Ich habe sehr klassisch in Wien mit einem Studium in Kunstgeschichte angefangen, weil ich nicht wusste was ich sonst eigentlich machen möchte. Schon während meiner Jugendzeit in Klagenfurt habe ich begonnen mich für Kunst zu interessieren und angefangen zu zeichnen.Dann bin ich zum Studieren nach Wien gegangen, weil mir die Stadt in Österreich am reichhaltigsten erschien. Gleich am Anfang meines Kunstgeschichte Studiums ist mir aber aufgefallen, dass es absolut nicht mein Ding ist, wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen. Schon während meiner Schulzeit konnte ich es nicht leiden, Aufsätze zu schreiben.Wenn es hieß einen dreiseitigen Aufsatz zu verfassen, dann ist bei mir maximal eine Seite heraus gekommen. Es fällt mir einfach schwer, Sachen auszuschmücken.

Das kann ich mir bei Dir eigentlich gar nicht vorstellen, wo Du doch so viele Liedtexte verfasst.

Aber das ist etwas ganz anderes. Meine Liedtexte sind eine Verdichtung. So etwas kann ich. Ich mag nur keine Ausschweifungen. Während meines kurzen Kunstgeschichte Studiums habe ich einen Kollegen kennen gelernt, der auf die Akademie der bildenden Kunst gegangen ist. Daraufhin habe ich mich dort auch beworben und wurde gleich genommen. 5 Jahre lang habe ich dann an der Akademie Grafik und Druckgrafische Medien studiert. Das hat übrigens gar nichts mit Grafikdesign zu tun, sondern man lernt dort alle möglichen Drucktechniken, wie zum Beispiel Siebdruck, Radierung usw. Während dieser Zeit habe ich mich dann auch mehr mit der Musik beschäftigt, habe versucht auf der Gitarre herumzuklimpern und erste Aufnahmen auf dem Computer gemacht. Ich bin dann schnell mit Leuten in Kontakt gekommen, die sich auch jetzt noch in meinem musikalischen Umfeld bewegen. Ich meine damit die Leute rund um die Labels Fettkakao, Seayou und Siluh Records. So hat sich im weiteren Verlauf alles organisch entwickelt, ich hab meine ersten Lieder aufgenommen und auf Myspace gestellt…

Zeigst du Dich für die Cover-Artworks deiner Alben selbst verantwortlich?

Ja. Bisher war das immer so. Bis auf das Cover der 7inch „Three Gorges In A Cuckoo´s Egg“. Das hab ich von der Künstlerin Lena Göbel gestalten lassen.

Deine Alben werden ja sowohl auf Seayou Records als auch auf Fettkakao veröffentlicht. Nun ist es ja bekannt, dass sich die beiden Labels sehr freundschaftlich gegenüberstehen. Ist es nicht trotzdem manchmal ungemütlich so zwischen 2 Stühlen zu sitzen? Das ist ja keine gewöhnliche Situation im sogenannten Musikbusiness.

Naja, es hat sich eben in diesem Fall so ergeben. Fettkakao hat mein Album auf Vinyl herausgebracht und Seayou auf CD und digital. Jeder hat eben bestimmte Rechte auf die jeweiligen Tonträger. Da gibt es überhaupt keine Streitereien, das haben wir alles gemütlich bei einem Bier geregelt. Wir verstehen uns alle ganz gut.

Du beschreitest gerade einen neuen musikalischen Weg, entfernst dich mehr und mehr vom Folk/ traditionellen Sing-/Songwriting hin zu elektronischen Klangcollagen. Ist dir deine Akustik-Gitarre mittlerweile zu langweilig geworden?

Ich sehe nun in der Musik mehr Entwicklungsmöglichkeiten – unter anderem das Experimentieren mit elektronischem Equipment. Meine Gitarrenkunst war einfach bald mal erschöpft. Sound wird mir einfach immer wichtiger. Das Textliche ist mir nach wie vor sehr wichtig, dennoch ist für mich, was den Klang betrifft, zur Zeit mehr herauszuholen. Dieser Fakt hat sich aus dem Livekontext heraus ergeben. Ich habe mir mit der Zeit immer mehr elektronische Gerätschaften zugelegt, aufgehört mit der gesamten Band zu spielen und zuhause für mich allein angefangen, mit elektronischen Sounds herumzuspielen, die ich dann auch live auf die Bühne gebracht habe. Das hat sich mittlerweile auch auf den Aufnahmeprozess ausgeweitet.

Für die Produktion deines aktuellen Albums hast Du Dich ja vollkommen ins Kärntner Hinterland zurückgezogen. Angeblich um konzentriert arbeiten zu können. Bist du in der sozialen Abgeschiedenheit tatsächlich produktiver als im urbanen Umfeld?

Es stimmt. Ich hab mich für einige Zeit in das ehemalige Haus meiner Großeltern am Fuße des Affenbergs zurückgezogen. Dort konnte ich tatsächlich konzentrierter arbeiten, vor allem weil ich abends alleine im Haus ist und ich dort einfach nichts anderes zu tun hatte. Es ist schön dort. Es gibt einen großen Garten, wo ich mich aufgehalten habe, wenn ich nicht gerade produktiv war, habe stattdessen Holz gehackt, Pflanzen gesetzt, etc.

Dein Sound wird als sehr anspruchsvoll empfunden und auch deine Texte kristallisieren sich nicht unbedingt als sagen wir mal „leichte Kost“ heraus. Ich würde deine Musik teilweise sogar als düster definieren. In welcher Gefühlslage widmest du dich prinzipiell eher deinem Musikschaffen?

Ich würde schon sagen, dass ich produktiver bin, wenn es mir gut geht. Aber viele Leute missverstehen einfach, dass Düsterheit eben nicht unbedingt etwas mit Traurigkeit zu tun hat. Ich möchte noch sagen, dass z.B. Popmusik auch nicht gerade anspruchslos ist. Wenn man sich mit Popmusik an sich auseinandersetzt, dann kann man sich anspruchsvoll damit auseinandersetzen oder man kann sie eben nur nebenbei hören. Ich hab ja auch nichts dagegen, wenn man meine Musik so nebenbei hört.

Wie bist du denn musikalisch und literarisch sozialisiert worden?

Ich habe früher viel Hip Hop gehört. In meiner Jugendzeit in Klagenfurt war Hip Hop mit der Skate-Kultur vereint und in diesen Kreisen habe ich mich bewegt. Dann hatte ich mit Leuten zu tun, die viel Hardcore-Punk gehört haben. Diese Leute haben mich im weiteren Sinne zur Indie-Musik gebracht. Mittlerweile kann ich allerdings jeglicher Musikrichtung etwas Interessantes abgewinnen. Ich glaube, dass das Interesse mit dem Alter einfach weitläufiger wird. Zur Zeit lese ich eigentlich auch gerade mehr, als dass ich Musik höre. Aktuell lese ich 3 Bücher, unter anderem bin ich gerade voll in die Bücher von Dylan Thomas hineingekippt. Der schrieb viele Gedichte und Kurzgeschichten. Es wird ja gemunkelt, dass sich Bob Dylan nach dem Schriftsteller benannt hat. Ob das tatsächlich stimmt, weiß ich allerdings nicht. Dylan Thomas schreibt zumindest extrem dicht und bildstürmerisch, wenn man das so sagen kann. Diese Stil gefällt mir wahnsinnig gut und inspiriert mich auch auf eine gewisse Art und Weise.

Im Netz findet man Videos, wo du gemeinsam mit Anna Kohlweis (aka Squalloscope, Paper Bird) eine Session spielst. Unter anderem gebt ihr eine Coverversion des Songs „No One“ von Alicia Keys zum Besten. Wie kam es dazu?

Anna und ich haben uns überlegt jeweils ein Lied von uns zu spielen, inklusive einer Coverversion. Aus irgendwelchen Gründen konnten wir uns dann auf Alicia Keys einigen. Ich finde „No One“ ist ein wunderschönes Poplied. Und ich schätze die Künstlerin für ihre Fähigkeit, so schöne Popsongs zu kreieren, sofern sie diese auch selbst schreibt. Das weiß man ja nie. Wir fanden es einfach gut diesen Song in der Kirche zu covern.

Nicht nur diese Offstage-Session fand ich einer Kirche statt, auch im Promo-Video zu deinem aktuellen Album zeigst du dich vor einem Gotteshaus, nämlich der Wotruba-Kirche. Hast du eine bestimmten Bezug zu spirituellen Orten?

Kirchen als Orte interessieren mich einfach. Eigentlich fing das mit der Wotruba-/Dreifaltigkeitskirche in Wien an. Ein Foto von diesem Gebäude hat mich ästhetisch dermaßen angesprochen, dass ich unbedingt dort hin wollte. Ich wohne schon so viele Jahre in Wien und habe es nie zu dieser Kirche geschafft. Erst als ich nun das erste mal dort war, kam mir der Gedanke, dass Kirchen als Orte eigentlich sehr interessant sind. Es war schon immer so, dass ich in fremden Städten gerne in Kirchen gegangen bin. Insbesondere wenn mir der Trubel auf den Straßen zu viel wurde. In einer Kirche ist es einfach immer leise und man kann dort so schön nachdenken. Ganz abgesehen von dem ganzen religiösen Zeug. Es gibt wenig Orte, wo so eine bewusste Stille herrscht – abseits von Zivilisation. Eventuell herrscht so eine Stille noch in einigen Büros vor, aber da kann man sich ja nicht einfach so hineinsetzen. Eine Kirche setzt außerdem viel auf Wirkung. Ich meine damit beispielsweise den Hall, den so ein Gebäude wiedergibt.

Würdest du gerne mal in einer Kirche aufnehmen?

Auf jeden Fall. Vor ein paar Wochen war ich bei einer Orgelweihe in einer Kirche. Ein Bekannter hat dort neue Orgeln aufgestellt. In der Kirche wurde von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends Orgelmusik gespielt, ohne jegliche Predigt. Das war echt super.

Du warst ja vor kurzem auf Tour. Wo hat es dich überall hin verschlagen und welche interessante Anekdote kannst Du mir erzählen?

Ach, die Tour war eigentlich ein Desaster.

Wieso das?

Ich bin tatsächlich gleich nach der ersten Woche auf Tour krank geworden. Geplant war es ja 15 Tage mit Mile Me Deaf unterwegs zu sein. Wir hätten in Tschechien, Deutschland, Belgien, England und in der Schweiz spielen sollen. Ich war allerdings nur in Bratislava, Innsbruck, Dresden und Berlin mit dabei.Weil ich in der vollen Kälte des Busses geschlafen habe, hat mir an den darauffolgenden Tagen auf der Bühne die Stimme versagt. Bei meinem letzten Konzert hab ich dann einfach nur mehr gemeinsam mit Mile Me Deaf improvisiert, danach ging es für mich zurück nach Wien. Der Arzt hat eine Kehlkopfentzündung festgestellt. Entweder man ist darauf total anfällig, oder man bekommt die Entzündung nur einmal im Leben. Tja, ich hab sie eben genau auf der Tour bekommen. Aber die Konzerte werden auf alle Fälle nachgeholt, spätestens wenn das neue Album heraus kommt.

Bist du etwa schon wieder am Produzieren?

Ich bin eigentlich immer am Arbeiten. Prinzipiell würde ich mich allerdings als recht faul bezeichnen. Die Faulheit ist eigentlich mein größtes Ziel. Aber daraus entstehen irgendwie auch viele Sachen. Wenn man ewig herumliegt bis nichts mehr geht, dann hat man auch die volle Motivation wieder etwas Neues zu schaffen. So würde ich meinen Produktionsrhythmus beschreiben.

Wenn du es dir aussuchen könntest, mit wen würdest du denn gerne mal gemeinsam ein Album aufnehmen?

Als Gemeinschaftsprojekt wäre es sicher interessant, etwas mit Phil Spector, einem Produzenten der ganz viel 60ies-Bands groß herausgebracht hat, aufzunehmen. Ich finde auch das neue Album von Scott Walker sehr gut. Mit ihm würde ich auch gerne zusammenzuarbeiten. Obwohl ich glaube, dass Beide extrem schwierige Persönlichkeiten sind. Ansonsten bin ich auch ein ganz großer Bonnie Prince Billy Fan. Ich mag die Weitläufigkeit seiner Musik. Aber ich bin ja der Meinung, dass es eher ein Bummer ist, die Leute zu treffen, die man toll findet. In Wirklichkeit sind die Meisten ja nie so toll wie man sich das vorstellt. Wenn sich so ein Treffen nicht organisch ergeben würde, würde ich auch nie erzwingen wollen, mit Jemanden etwas aufzunehmen.

Am 21.12. soll die Welt untergehen. Wie wirst du deine letzten Tage verbringen?

Wahrscheinlich ganz klassisch bei gutem Essen. Und am liebsten würde ich danach noch in ein Kaufhaus einbrechen. Ich hab mal als Kind den Film „Zwei Nasen tanken Super“ gesehen und da brechen Thomas Gottschalk und Mike Krüger beim Kika in Klagenfurt ein. Ich möchte dort auch mal alle Betten ausprobieren und darauf herumspringen. Vielleicht mach ich das noch…

Fotos: Andi Dvořák , Michael Winkelmann

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