Ein ungemein fesselnder Dialog zwischen feinem, variantenreichen Gitarrenspiel und ausdrucksstarker Stimme ist es geworden, das Erstlingswerk des Duos Lylit Löscher. Was Sängerin Lylit (aka Eva Klampfer) und Gitarrist Matthias Löscher auf den Weg bringen, sind stimmungsvolle, jazzig angehauchte Stücke, die schlicht unter die Haut gehen und in reduzierter Form mit dezent eingesetzten elektronischen Spielerein dargebracht, trotzdem dichteste und berührende Atmosphäre entstehen lassen. Das Duo im Gespräch mit Michael Ternai.
Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt? Wo haben sich eure Wege gekreuzt?
Eva: Auf der Bruckner-Uni in Linz, an der wir gemeinsam studiert haben.
Matthias: Eigentlich sogar schon früher, in Salzburg. Eva spielte und sang in einer Band, die sich im engeren Umkreis von S.K. Invitational bewegt hat. Bei einem Konzert habe ich sie dann auch singen gehört. Und ich war von ihrer Performance so beeindruckt, dass ich mich natürlich gleich einmal vorstellen habe müssen.
Eva: Ja, und dann haben wir gemeinsam auch studiert. Ich Jazzgesang und Klavier und Matthias Gitarre.
Und wie seid ihr zum HipHop gekommen? Ist ja nicht wirklich typisch für eine/n Jazzstudenten/In.
Eva: Ich muss sagen, dass ich mein Leben lang Gospel, Soul und HipHop gehört habe. Und da lagen natürlich auch immer schon Anknüpfungspunkte zur alten Formation von S.K. Invitationen, zu deren Kern der Matthias eigentlich immer auch dazugehört hat. SKI war eigentlich für die meisten von uns die erste richtige Band. Und für die haben wir eben hauptsächlich HipHop-Sachen geschrieben. Ich gehe also eigentlich schon recht lange in diese Richtung.
Matthias: Es kommt halt alles immer irgendwie zusammen. Natürlich hat der Freundeskreis keinen geringen Anteil daran, in welche Richtung man sich musikalisch entwickelt. Man tauscht Platten aus, redet über Musik und, und, und. Klar, HipHop als Teil der Jugendkultur hat mich als Jugendlicher auch sehr fasziniert. Aber genauso habe ich auch eine Metal-Phase gehabt, die aber musikalisch in meinem Schaffen bislang noch nicht wirklich zum Ausdruck gekommen ist. (lacht) Aber vielleicht kommt ja das dann auch noch. Wie gesagt, dass Interesse war eigentlich immer schon da.
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Eure gemeinsame CD geht ja in eine deutlichere Jazz Richtung. Inwieweit kann man von einer Rückkehr zu den Wurzel sprechen?
Mattias: „Rückkehr zu den Wurzeln“ finde ich gut. Aber im Zusammenhang, dass es für mich vor allem eine Rückkehr zum Natürlichen ist. Andere Projekte empfinde ich definierter durch das, was sie musikalisch präsentieren, und im Punkt, was man alles machen und beachten muss. Im Duo mit Eva war es etwas komplett anderes. Es war für mich eine sehr natürliche Art, Musik zu machen. Die Dinge sind einfach so aus uns herausgesprudelt. Wir haben uns nicht hingesetzt und abgesprochen, dass wir jetzt in Richtung Jazz oder eine andere Richtung gehen.
Eva: Dazu muss man auch sagen, dass ich zwar Jazz studiert habe, ihn aber damals noch nicht wirklich viel gehorcht habe. Erst Matthias hat mich dann doch ein wenig mehr in den Jazz eingeführt. Zumindest in den Vocal-Jazz wie Billie Holiday oder Sarah Vaughan. Und das Interessante ist, dass eigentlich das Lied immer der Ursprung von diesen alten Jazz-Sachen ist. Und genau das ist es auch, was uns an diesem so fasziniert hat und natürlich auch der Grund, warum wir solche Lieder überhaupt schreiben. Ich stehe total drauf, auf diese Art Geschichten zu erzählen. Wenn man eine klare Message hat, und diese in etwas Poetisches verpackt, dann ist das ein Lied für mich und keine abstrakte Komposition. Ein Lied mit einer schönen Melodie. Und das ist, glaube ich, auch das, was uns in gewisser Weise zu den Wurzeln zurückführt.
Was so an eurer Musik schön ist, dass sie jede Vertracktheit des Jazz hinter sich lässt und einfach zu fließen scheint.
Matthias: Ich finde jede Platte, die man macht, stellt immer auch einen Entwicklungsschritt dar. Man dokumentiert quasi den eigenen Weg. Und was ich bei uns so cool finde, und das habe ich von Eva gelernt, ist die Fähigkeit etwas zurückzuschalten. Ich habe Jazz studiert und währenddessen extrem viel ausgecheckt, vor allem im Kopf. Natürlich gibt es auch immer wieder Professoren, die sagen: „Spiel einfach“, aber dennoch ist der Fokus in der Ausbildung auf das Theoretische immer noch sehr stark ausgeprägt. Man analysiert, zerlegt und, und, und. Ich war auch in Amerika drüben und dort war es noch tausend Mal schlimmer als hier. Nach dem Studium habe ich erst einmal die Zeit gebraucht, wieder einfach nach dem Gefühl Musik zu machen.
Eva: Aber ist das beim Lernen nicht generell so? Man beginnt sich für eine Richtung zu entscheiden und geht zuerst auch ganz natürlich an die Sache heran, bevor sich dann alles zu drehen beginnt. Plötzlich sieht man sich irgendwie von außen und fängt an alles, die eigene Stimme oder das eigene Gitarrenspiel, zu hinterfragen an. Man übt und übt und verliert kurz einmal diese Natürlichkeit. Man lernt irgendwann aber auch zu verstehen, loszulassen, die Dinge einfach passieren zu lassen.
Eure Musik ist ja auch sehr reich an Nuancen und Stilen, voller kleiner Spielerein und ungewöhnlicher Sounds. War eigentlich schon von Anfang an eine klare Soundvorstellung von dem was ihr machen wollt, gegeben?
Eva: Nein, dass ist alles wirklich irgendwie passiert. Man darf aber nicht vergessen zu erwähnen, dass es zum Teil auch ein sehr intensives Komponieren war. Die Songs sind nicht nur im Jammen entstanden. Aber grundsätzlich ist die Basis bei uns, und das ist das Schöne an unserer Zusammenarbeit, dass Matthias, wenn er etwas spielt, mir unglaublich viel Platz und Möglichkeiten lässt, mich voll zu entfalten. Wir geben uns gegenseitig immer etwas, womit der andere etwas anfangen kann. Und so verwebt sich alles total schön zu einem Ganzen. Und dann erst arbeiten werden die Sachen genauer aus. Die erste Idee wird ziemlich schnell aufgenommen, auf dem Computer nur für uns. Und dann arbeiten wir an den Stücken weiter und versuchen sie musikalisch und textlich zu verfeinern. Und in diesem Prozess entspringen in Folge weitere Ideen. Ich finde, dass das große Können von Matthias vor allem darin liegt, mit den Sounds herumzuspielen, ihnen eine Ästhetik zu verleihen. Auf der anderen Seite wollte ich auch immer schon mehr als nur Sängerin sein und habe daher stets mein Effektkastl mitgenommen und herumexperimentiert. Genau in diesem Punkt treffen und ergänzen wir uns perfekt.
Matthias: Es ist auch das Wissen um die Ressourcen des anderen. Wir haben ja musikalisch von Live-Drum`N`Bass bis zum Akustikgitarre/Stimme Duo ja schon sehr viel gemeinsam gemacht. Was wirklich cool ist, wissen wir doch, was an Potential alles da ist. Und warum sollte man dieses nicht ausnützen. Nicht vergessen darf man, dass Eva auch eine Spitzenpianistin ist. Und wir haben für die Platte auch ein Lied gemacht, bei dem sie Klavier spielt und ich im Endeffekt noch etwas dazu mache. Wegen technischer Probleme, hat es dieser Song dann leider nicht auf die Platte geschafft. Aber es zeigt doch, welch Breite wir abzudecken in der Lage sind.
Ist es für MusikerInnen der jungen Generation eigentlich Voraussetzung, sich zu allen Seiten hin offen zu zeigen. Oder geschieht dies einfach.
Eva: Ich glaube, es geschieht einfach. Wir leben in einem Land, indem es einfach nicht wirklich möglich ist, nur einen einzelnen Stil durchzuziehen. Man will ja irgendwie überleben. Und das geht nur wenn man sich zu allen Seiten hin öffnet. In den Vereinigten Staaten geht es vielleicht, dass man sich zeitlebens der einen großen Leidenschaft widmet. Hier in Österreich aber ist es doch so, dass man zumindest versucht auf mehreren Beinen zu stehen. Und ich glaube, genau aus diesem Umstand heraus, hat sich hierzulandeauch diese stilistische Vielfalt entwickelt. Außerdem finde ich, Musik ist Musik. Es gibt in jedem Stil sehr attraktive Dinge. Und ich glaube, wenn man sich dem nicht verschließt – und wir sind beide, obwohl wir aus der Klassik kommen, nicht puristisch unterwegs -, dann eröffnet sich einem ein riesiges Feld an Möglichkeiten. Man wird automatisch offener, wenn man sich von dem wegbewegt, was die Familie horcht oder musikalisch auch macht.
Matthias: Bei uns ist es so, dass wir zum überwiegenden Teil Konzerte spielen. Und das dort, wo es möglich ist, stilistisch breiter zu agieren. Was ich mit Eva gemeinsam mache, die eher jazzige Singer/Songwriter-Richtung, ist natürlich etwas ganz anderes als was ich mit The Ruff Pack mache. Für mich entscheidend vor allem ist, dass ich mich Projekte in diesem Projekten wohl fühle und mich nicht irgendwie verbiegen oder verkaufen muss. Aber klar, alleine eine stilistische Richtung, in welcher Kunstform auch immer, durchzudrücken, ist hart.
Eva: Ich glaube, die junge Generation denkt auch nicht mehr so in diese Richtung. Dadurch, dass man Zugang zu allen Stilen hat, um einen herum so viel passiert und in der Musik heute sowieso schon alles irgendwie zu verschwimmen scheint, denke ich, entwickelt man automatisch eine größere Offenheit anderem gegenüber als früher.
Wie du sagst. Es sind vor allem die Jungen, die vollkommen scheuklappenbefreit an die Sache herangehen. Und das in einer Qualität, die wirklich ganz hoch anzusiedeln ist. Schön ist vor allem, dass sich eigentlich kaum etwas wiederholt. Vielmehr haben all die Veröffentlichungen der jüngeren Vergangenheit ihren ganz eigenen Stil.
Matthias: Das stimmt. Es ist eine gewisse Überwindungs- und Mutfrage. Ob man nun Musik macht, um einer bestimmten Kategorie zu entsprechen oder einfach sagt: „Scheiß drauf, das mach ich jetzt einfach“. Ich finde zum Beispiel den ganzen Kreis um die Jazzwerkstatt Wien, die einfach beschlossen hat, ihr eigenes Ding durchzuziehen, einfach bewundernswert.
Eva: Obwohl man dazu sagen muss, dass an der Universität in Linz dieses freie Musikzieren auch immer in gewisser Weise unterstützt worden ist. Also noch bevor wir nach Wien gekommen sind. Egal ob nun im Bereich der freien Musik, im Jazz oder einem anderen. Und ich finde, genau dies merkt man an unserem Kreis, der ja kein kleiner ist, total. Wir, die dort studiert haben, haben alle viele verschiedene eigene Projekte am Laufen. In welcher Form auch immer, versuchen die Leute ihre eigene Stimme zu finden.
Matthias: Einen großen Anteil daran, dass sich so etwas überhaupt entwickeln konnte, hatten natürlich die Lehrenden. Christoph Cech etwa verdanke ich viel, genauso wie dem Andi Schreiber und vielen anderen Leuten, die zu dieser Zeit in Linz unterrichtet haben. Ich meine, dass sind richtige Persönlichkeiten, die einen wirklich weiterbringen. Welch günstige Umgebung dort vorgeherrscht hat, sieht man auch an den Leuten, die dort studiert haben und nach wie vor erfolgreich am Werken sind: Philipp Nykrin, Andreas Lettner, Julia Fische, Matthias Pichler und, und, und.
Ab wann habt ihr das Gefühl, dass ein Lied von euch funktioniert, wann es fertig ist. Gibt es in diesem Punkt manchmal unterschiedliche Meinungen? Habt ihr überhaupt schon irgendwie ideen verworfen, weil ihr das Gefühl hattet, das wird nichts?
Eva: Wir haben eigentlich noch kein einziges Lied weggeschmissen. Bislang haben wir alles verwertet, was wir auch irgendwie angefangen haben. Deswegen bin ich mir gar nicht sicher, ob ich diese Frage überhaupt beantworten kann. Natürlich haben wir einige Stücke von der Grundidee weggehend schon einmal total umgedreht, umarrangiert und ähnliches. Ich glaube, ganz wichtig ist, dass ein Stück fließt. Und das hört ein Zuhörer immer, genauso wie er den Kampf, den man beim Entstehungsprozess führt, hört. Für mich entscheidend ist dieses Gefühl, welches man hat, hört man sich einen Song an. Ich habe mich ja früher bei eigenen Songs wirklich gequält, diesen Punkt zu erwischen. Damit habe ich aber eigentlich total aufgehört und bin zur Meinung gelangt, dass, wenn sich etwas gut anfühlt, es auch eine Berechtigung hat, zu sein. Musik soll einfach kommen, sie ist ja da, man muss die Ideen nur aufgreifen.
Matthias: Fertig ist für mich ein Lied im Grunde genommen nie. Ich arbeite an Stücken ja immer weiter und versuche sie zu verfeinern. Interessant ist aber, wie man sie dann doch so hinbekommt, dass sie eigen klingen. Auch wenn in der Musikgeschichte alles in irgendeiner Formschon bereits einmal zu hören war. Für mich persönlich war entscheidend, sich von dem Gedanken zu lösen, das Rad neu erfinden zu müssen. Das war für mich persönlich sehr wichtig. Ich habe ja selber einen Contemporary Jazz Backround und habe mich auch intensivst mit Größen aus diesem Bereich auseinandergesetzt und selbst extrem viel in dem Bereich geschrieben. Ich bin aber schließlich zum Punkt gelangt, an dem ich gesagt habe: „Tue einfach, was du tust und sei froh darüber“.
In New York habe ich einmal einem Konzert von Christian McBride (amerikanischer Jazz-Bassist) beigewohnt und war schlicht fasziniert. Er hat zwar total einen Straight-Ahead Jazz gespielt, aber das mit einem Swing, den ich davor noch nie gehört habe. Und er hat gesagt „People always try to be an individual. I always tell them, you`re already an individual. Try to keep the pocket.“ Was ist also jetzt im Endeffekt wichtig beim Musikmachen? Es ist eh schon jeder ein Individuum. Auch wenn es sich vielleicht nur um eine Phrase handelt, hat mich diese Aussage dennoch sehr beeindruckt. Manchmal muss man die Dinge eben von den richtigen Leuten hören. Denn eigentlich hat er recht. Ich genieße es einfach, unsere gemeinsame Musik zu machen und zu schreiben, ohne mir groß Gedanken zu machen. Es ist egal, ob du nun Jazz, HipHop oder Singer/Songwriter-Sachen machst. Wenn du es einfach passieren lässt, dann kommt eh auch die Persönlichkeit hinzu. Und eben die formt das Ganze sowieso zu einer eigenen Marke. Und wie das dann beurteilt wird, ob es nun im Geschäft unter Jazz oder Pop läuft, ist eigentlich egal.
Inwieweit kann man bei dieser Platte von einem persönlichen Meilenstein sprechen? Welche Bedeutung hat es für euch?
Matthias: Das kann ich noch gar nicht sagen. Ich glaube, in ein paar Jahren werde ich es einordnen können.
Eva: Für mich ist es schon eine Art Meilenstein, weil ich bis jetzt eigentlich in einer ganz anderen Stilrichtung zu Hause war. Außerdem habe ich bislang immer viel ausproduziertere Musik gemacht und in größeren Formaten gespielt und gesungen. So reduziert habe ich noch nie gearbeitet. Außerdem habe ich für diese Platte auch extrem viel Soulsearching betrieben. Früher waren mir die Lyrics nie wichtig und jetzt ist der Text als ein großes Medium dazugekommen. Für mich ist dieses Album ungemein wichtig, auch weil es, glaube ich, zusammenfasst, was in den letzten Jahren passiert ist.
Matthias: Aus dieser Perspektive muss ich auch sagen, dass dieses Album etwas Besonderes ist. Ich habe ja ein totales Faible für Billy Holiday, weil mich immer fasziniert hat, wie er die Rolle des Harmonieinstrumentes gedeutet hat. Also, wie begleitet man einen Sänger, indem man ihm den ganzen Support gibt, ihm aber nicht in den Weg kommt und selbst auch nicht auffällt. Man übernimmt die Rolle einer Band, lässt aber dem Partner allen Raum. In einem Quartett oder einer anderen Konstellation ist das natürlich etwas ganz anderes. Und das war innerlich für mich schon die große Herausforderung.
Wie sehen eure zukünftigen Pläne aus. Habt ihr auch schon Konzerte oder eine Tour im Ausland auf dem Plan?
Matthias: Da sind wir eigentlich eh schon dran. Ich will nicht allzu viel verschreien, schauen wir einmal. Prinzipiell läuft es ganz gut. Aber das ist natürlich der harte steinige Weg, den eine Band beschreiten muss, um die Musik auch an den Mann zu bringen. Aber im Duo ist das Ganze ökonomisch sicherlich etwas leichter als mit einer größeren Formation.
Danke für das Interview.
Foto Eva Klampfer: Eva Brunner-Szabo