mica-Interview (goubran)

Alfred Goubran ist Schriftsteller und Musiker. Bis vor ein paar Jahren hat er die edition selene betrieben und war Verleger. Zurzeit ist er mit seinem neuen Buch „Durch die Zeit in meinem Zimmer“ und unter dem Namen (goubran) mit der CD „Die Glut“ in Österreich und Deutschland unterwegs. Ein mica-Interview über die Sprache in der Musik, ZZ Top und Bob Dylan.

Stelle dich zunächst bitte selbst vor, was hast denn bisher schon alles gemacht?

Alfred Goubran: Ich habe sehr früh begonnen zu veröffentlichen und Auftritte zu machen, den ersten im Altern von 17 Jahren. Auch musikalische Performances, Freejazz und Literatur, gab es schon sehr früh. Dann habe ich im Alter von 28 Jahren einen Verlag gegründet. Den habe ich 2010 zugesperrt und mich seitdem mehr um meine eigenen Sachen gekümmert, eigentlich schon seit 2007. Durch den Verlag sind schon 6 Bücher herausgekommen und ich habe auch begonnen, Musik zu veröffentlichen.

Wie viele Lieder sind auf deiner ersten EP aus dem Jahr 2013 drauf und wie ist die Produktion abgelaufen?

Alfred Goubran: Nun, Sprache ist einfach mein Ding und irgendwann bin ich drauf gekommen, dass ich zwar Gedichte schreiben kann, aber keine Lieder. Ich wollte wissen, warum alle Lieder, die ich geschrieben habe, klischeehaft und komisch gewirkt haben. Es hat einfach die Sprache für die Lieder gefehlt. Jetzt ist es mir um die Liedsprache gegangen, etwas, das meiner Meinung nach seit 1945 im deutschen Sprachraum verloren gegangen ist. Ich habe dann mit einer Kärntner Jazzband probiert, die Gedichte zu vertonen und das ging gut. Dann habe ich Oliver Welter von Naked Lunch gefragt, ob er mir helfen kann. Dem haben die Sachen prinzipiell gefallen, aber die Umsetzung hat ihm nicht gefallen. Ich habe daraufhin alle Lieder komplett umgearbeitet. Das hat ihm gefallen und dann war er bereit eine EP miteinander zu produzieren. Im Studio von Stefan Deisenberger, der ja auch von Naked Lunch ist, haben wir dann einen Song pro Tag aufgenommen.

Von einer 4-Song-EP bis zu einem ganzen Album ist es natürlich ein großer Schritt. Wie ist denn dieser Schritt passiert?

Alfred Goubran: Das war natürlich immer das Ziel. Es war halt nicht leistbar und vor allem wusste ich selbst nicht, ob das für mich ein Weg ist. Es hat sich aber durch die EP gezeigt, dass die Musik bei Konzerten und teilweise auch bei den Medien sehr gut angekommen ist. Am wichtigsten war, dass mir noch Lieder eingefallen sind und so war es der nächste logische Schritt ein Album zu machen. Wieder mit denselben Leuten und im selben Rhythmus: Ein Song pro Tag.

Die Verbindung aus Literatur und Musik selbst herzustellen, ist an sich ja die optimale Lösung. Welche Probleme gab es dabei dennoch?

Alfred Goubran: Naja, das waren Jazzmusiker. Da ging es nicht um die Lieder, sondern da geht es mehr um die Form. Man einigt sich auf eine Form und spielt die Lieder durch. Für eine individuelle Bearbeitung war auch nicht genug Zeit vorhanden und deswegen habe ich das dann selbst gemacht. Es gibt kein Rezept dafür, wie ein guter Text zu einem guten Lied kommt.

Wie läuft das ab, schreibst du in zehn Minuten einen Liedtext oder feilst du monatelang am Text? Oder gibt es da mehrere Wege?

Alfred Goubran: Es gibt mehrere Wege, es gibt Sätze in diesen Liedern, die schleppe ich seit 30 Jahren mit mir herum. Es geht immer darum, dass es sich irgendwann zueinander fügt. Und das Schöne an der Aufnahme ist, dass bei der Aufnahme durch alle Leute, die mitarbeiten, noch etwas hinzukommt. Ich gehe zwar mit dem fertigen Song ins Studio, aber er verändert sich jedes Mal so, dass er eigentlich noch einmal zu etwas anderem wird – und das gefällt mir sehr gut. Da ist auch ein wenig Magie dabei, die sicher von den Leuten abhängt, mit denen man arbeitet.

Lässt du dann Deisenberger und Welter die Freiheit, das beizusteuern, was sie für richtig halten? Oder greifst du doch ein und gibst ihnen Vorgaben?


Alfred Goubran:
Wir haben alle Freiheiten, also auch die Freiheit einzugreifen. Einerseits kann jeder das versuchen, was er für gut hält. Aber es kann auch jeder sagen, was gerade nicht passt. Wenn es einem wirklich um das Lied geht, dann weiß eigentlich jeder sehr genau, was dazu passt. Es kann jeder etwas probieren und dann hört man eh, dass das nicht geht. Und das ist eigentlich der ganze Arbeitsprozess.

Dann kommen wir jetzt zu deinem Album: Da sind 9 Lieder drauf, beschreibe bitte eines davon, z.B. die Single „Frühling in Wien“. Worum geht es da?

Alfred Goubran: Ich kann sagen, wo dieses Lied musikalisch begonnen hat. Es gibt ein Lied von ZZ Top, das heißt „She loves my automobile“ und dieses Lied enthält ein Riff, das ich oft gespielt habe. Der Rest ist einfach am Song zu arbeiten, ihn zu singen und zu spielen. Das ist eigentlich ein Blues, es beginnt wie ein Blues und wir dann durch den Refrain zu einem Pop-Song.

Die ZZ Topologen können das Riff auch noch erkennen?

Alfred Goubran: Unmöglich. Außer, dass es in G-Moll ist, ist nichts davon geblieben. Es ging einfach darum, dass Blues in G-Moll improvisiert wird und so spielt man dann eigene Sachen und daraus ist dieses Lied entstanden.

Die Dylanologen könnten sich auch über deine Platte freuen, denn du referenzierst auch auf ein Stück von Bob Dylan, „The Ballad Of Hollis Brown“. Wie stehst du denn zu dem?

Alfred Goubran:
Eigentlich wollte ich ein anderes Lied nehmen, aber ich habe dann Hollis Brown gespielt und das hat allen im Studio sofort gefallen. Dylan ist für mich sehr wichtig, nicht er als Person, sondern wofür er steht. Für eine Fortsetzung von Tradition und das Lied „Hollis Brown“ ist eines dieser Lieder über Outsider und weil das im deutschsprachigen Raum fehlt: Von den Outsidern und Randexistenzen zu singen. Darüber singt man bei uns heute nicht mehr, das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass heute nur mehr Mittelschichtstudenten Musik machen. Es ist mir ein Anliegen, das man über solche Leute spricht und singt und sich an sie erinnert. Da gibt es eben bei Dylan gar nicht so viele Lieder, die so etwas machen: „He Was A Hobo“, ganz am Anfang, ganz stark eben Hollis Brown und auf der CD „Modern Times“ der „Workingman’s Blues“. „Hollis Brown“ ist, so wie es Dylan in seiner Zeit gemacht hat, völlig richtig. Nur heute, muss man das einfach energetischer machen, wenn man von diesen Leuten singt. Weil man sonst in eine Betroffenheitsattitüde hineinkommt und ich wollte auch zeigen, dass ich anders singen kann. Wenn ich in englischer Sprache singe, verändert sich meine Stimme auch noch Mal. Das ist eine Art Voodoo-Beschwörungssong. Der Sog, der da entsteht, entspricht einem Sog des Untergangs. Es zieht ihn wie in einen Mahlstrom hinein, hätte man früher gesagt.

Wie hast du dieses Lied umgesetzt?


Alfred Goubran:
Es ist sicher eine sehr gewagte Umsetzung, obwohl ich dasselbe spiele wie Dylan, nur in einem anderen Tempo und einem anderen Arrangement. Es ist also kein Cover im engeren Sinn. Ich spiele das, was er spielt, es ist nur anders gesungen und anders arrangiert.

In deutscher Sprache klingt deine Stimme rau und man denkt an Rod Stewart oder an Tom Waits. Wie ist deine Stimme entstanden? Du rauchst eine Zigarette während wir miteinander reden, ist das ein Grund für diese Rauheit?

Alfred Goubran: Nein. Es ist einfach so: Wenn man Singen nicht gelernt hat, dann ist die Stimme einfach so wie man gelebt hat. Das Rauchen ist eher hinderlich. Wenn ich drei Wochen nicht gesungen habe, muss ich das erst wieder alles hinaus husten. Wir haben ein Mal etwas aufgenommen und diese Stimme war einfach da und ist geblieben. Ich habe mit Sängern gesprochen, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben. Bei uns gibt es halt schnell den Vorwurf, man würde sich verstellen und etwas nachmachen. Aber einer Frau, die Koloratur-Sopran singt, spricht meistens auch nicht in dieser Stimmlage.

Das stimmt wohl. Was sagst du zu Tom Waits?

Alfred Goubran: Es kommt als erste Assoziation immer Tom Waits, aber für mich sind Leute wie Captain Beefheart oder Dr. John eher prägend.

Also der Blues ist schon ein wichtiger Hintergrund für dich?

Alfred Goubran: Ja, absolut. Denn es geht um den Ausdruck und um eine gewisse Wahrhaftigkeit. Es geht nicht um dieses Show-Business. Blues ist zwar Show, aber es steckt immer etwas Einzigartiges und Eigenartiges dahinter. Show-Business ist etwas anderes. Wir kennen ja alle die Gefühlslagen des Blues, die hat ja jeder durchlebt. Das ist etwas, was mir sehr nahe ist.

Deine CD heißt „Die Glut“ und enthält das gleichnamige Titelstück. Was glüht denn da?

Alfred Goubran: (lacht) Es heißt da: Die Glut, die wir trinken. Das möchte ich gar nicht auflösen, das ist eines der Stücke, die fast genauso von einem Gedicht herkommen. Da ist nur der Refrain noch dazu gekommen. Beim Aufnehmen war es so, dass Oliver Welter und ich gesagt haben: Lassen wir dieses Lied einfach auf die Gitarre reduziert und machen wir es am Schluss schön laut.

Wie wirst du denn die Musik live umsetzen? Ich weiß, dass auch eine Bandformation geplant ist.

Alfred Goubran:
Ja, es gibt diese Pläne. Aber das Problem ist, dass das alles mein Ding ist. Dieses Projekt ist keine Band, bei der alle gemeinsam investieren. Sondern ich habe alles bezahlt und mir alles ausgedacht und jetzt ist es mein Anliegen, dass die Leute, die mit mir diese Lieder auf die Bühne bringen, auch ordentlich bezahlt werden.

Live:
20.03.2014: phil, Gumpendorferstraße 10-12, 1060 Wien, 20h Single-Release-Show: „Frühling in Wien“, Eintritt frei
23.05.2014: Bob Dylan-Tribute, Arena-Bar, Margaretenstr. 117, 1050 Wien, 20h
07.07.2014: Alte Schmiede, 19h

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