mica-Interview Georg Breinschmid

Den Hans Koller Preis als “Newcomer des Jahres 2003” wie auch für die “CD des Jahres” konnte sich der Komponist und Kontrabassist Georg Breinschmid bereits zu Hause auf den Kaminsims stellen. Heuer kommt vielleicht auch noch die Auszeichnung für den “Musiker des Jahres” hinzu. Im Interview spricht Breinschmid, der sich stets konsequent jeglicher stilistischer Zuordnung verweigert, über sein bisheriges Wirken und Schaffen. Das Interview führte Michael Masen.

Deine Musikkarriere hast du ja im Klassikbereich gestartet. Kannst du ein wenig darüber erzählen, wie es dazu gekommen ist?

Georg Breinschmid: Ich komme nicht unbedingt aus einer Musikerfamilie. Obwohl meine Eltern beide keine Musiker sind, haben allerdings alle drei Söhne diesen Beruf ergriffen. Das ist schon eine etwas ungewöhnliche Entwicklung. Im Gegensatz zu meinen beiden älteren Brüdern, die schon Jahre vor mir Berufsmusiker waren, bin ich auch fast schon ein Spätstarter gewesen und habe mich lange Zeit, aus irgendwelchen Gründen, dagegen gewehrt, ein Instrument zu erlernen. Das mit dem Kontrabass hat sich dann eher zufällig ergeben, weil bei uns zu Hause zwei davon herum gelegen sind und ich so beiläufig begonnen habe, darauf herum zu zupfen. Und so ist das dann entstanden. Da war ich so ungefähr 14 Jahre alt, also vergleichsweise spät.

Danach ist es eigentlich sehr schnell gegangen. Der Jazzbezug kam dann durch meinen mittleren Bruder, Martin, der Schlagzeuger und Vibrafonist ist und jetzt auch einen Instrumentenverleih betreibt. Zu Hause haben wir auch immer gejammt und ich habe bis zum heutigen Tag Jazz überhaupt nicht studiert, oder sonst irgendwo gelernt. Ganz im Gegensatz zur Klassischen Musik, die ich ja sehr wohl studiert und dann auch beruflich ausgeübt habe. Aber das Spielen als Jazzmusiker und das Komponieren, die Dinge, mit denen ich heute meinen Lebensunterhalt bestreite, habe ich lustigerweise nicht eine Minute lang irgendwo beigebracht bekommen. Da bin ich bei beidem Autodidakt.

Ich habe aber auch schon immer beides gemacht. Von meinem mittleren Bruder kamen mehr so die Jazzeinflüsse und von meinem ältesten Bruder, der mittlerweile Flötist bei den Wiener Philharmonikern ist, diejenigen aus der Klassischen Musik. Klassischen Kontrabass habe ich dann auf der Hochschule studiert und bereits im Schulorchester ausgeübt und später auch in professionellen Orchestern. Parallel dazu habe ich aber immer auch den Jazz betrieben, bei dem aber alles nach dem “Learning By Doing”-Prinzip abgelaufen ist.

Bei mir ist es so, dass ich zum Jazz immer den etwas natürlicheren Zugang gehabt habe, als zu gewissen Teilen der Klassischen Musik, zu denen ich teilweise auch heute noch nicht wirklich einen emotionalen Zugang habe. Trotzdem bin ich dann aber bei den Wiener Philharmonikern gelandet und war auch zwei Jahre lang dort engagiert. Letztendlich hat aber das überwogen, was einfach meinem Wesen näher steht, was mich mehr berührt und das ist unter anderem eben die improvisierte Musik. Zum Teil gehören da aber auch Rockmusik dazu und viele andere Dinge, wie etwa verschiedene Arten von Volksmusik, südosteuropäische oder bulgarische Musik, was auch immer. Ich fühle mich irgendwo sehr stark zu einer gewissen Art von improvisierter Musik hingezogen, aber auch beispielsweise zum Wiener Lied.

Später hast du aber nicht bloß improvisierte Musik gemacht, sondern hast auch damit begonnen, eigene Stücke zu komponieren. Wie hat sich das entwickelt?

Georg Breinschmid: Da war ich auch totaler Spätstarter. Obwohl ich eigentlich schon immer improvisierte Musik gemacht habe, habe ich fast bis zu meinem 30. Lebensjahr keinen einzigen Ton komponiert. Ich habe das lange Zeit auch gar nicht erst probiert, einfach, weil ich es mir gar nicht zugetraut habe. Begonnen damit habe ich dann auch nur, weil ich mir gedacht habe, dass ich es zumindest einmal probiert haben sollte. Das habe ich dann auch gemacht und, siehe da, plötzlich ein völlig neues Betätigungsfeld für mich erschlossen. Das Komponieren ist mir dann auch sehr wichtig geworden und ich habe erkannt, dass es im Grunde genommen nicht viel anders ist, als ein Instrument zu spielen. Man muss das einfach üben. Es ist nicht so, dass ich hier im Kaffeehaus sitze, plötzlich von der Muse geküsst werde und ich die Komposition innerhalb von fünf Minuten fertig habe. Das muss einfach, genauso wie alles andere auch, trainiert werden.

Wie viele Anläufe, Kompositionsversuche, hast du gebraucht, bis du an deine Mitmusiker herangetreten bist, um das umzusetzen?

Georg Breinschmid: Das ist lustigerweise relativ schnell gegangen. Nach einem halben, dreiviertel, Jahr musste ich für ein Projekt bei den Bregenzer Festspielen, für das Streichtrio Triology, bei dem auch der Wolfgang Muthspiel mit dabei war, etwas schreiben. Es hilft immer recht gut beim Komponieren, wenn man eine Deadline hat, zu der das alles einfach fertig sein muss. Das ist glaube ich so wie bei vielen anderen Dingen im Leben auch. So hat sich das dann weiter entwickelt und mittlerweile ist mir das Komponieren sehr wichtig geworden. Ich schreibe ziemlich viel und es hat einen sehr großen Platz in meinem musikalischen Leben eingenommen. Ganz allgemein finde ich die Idee, sich kreativ zu betätigen, sehr schön.

Sehr inspiriert hat mich damals auch ein Buch, “The Artists Way – Der Weg des Künstlers” von Julia Cameron, so eine Art Selbsthilfekurs in Kreativität. Da wird dem Leser auf ganz feine und subtile Art näher gebracht, was in ihm selbst für kreative Potentiale stecken. Die Idee, dass ein jeder Mensch ein starkes kreatives Potential in sich birgt, was aber von vielen einfach nicht erkannt und genutzt wird, berührt mich sehr. Da wäre glaube ich bei der ganzen Menschheit viel zu entdecken. Und mir selbst hat dieses Buch eben sehr geholfen und es macht mir einfach Spaß, zu Komponieren und das alles immer mehr auszuweiten.

Machst du heute auch noch viele Kompositionsaufträge oder arbeitest du lieber völlig frei, ohne jegliche Vorgaben?

Georg Breinschmid: Auftragsarbeiten mache ich nicht sehr viele. Für ein Projekt, bei dem ich selbst auch mitgespielt habe, musste das mal gemacht werden. Es spielten mehrere verschiedene Ensembles Stücke von mir, wobei das meiste davon auch keine Kompositionsaufträge waren. Das hat sich immer alles einfach so irgendwie ergeben. Da gibt es beispielsweise meine CD “Wien bleibt Krk”, zu der das Ensemble Amacord, bestehend aus vier klassischen Musikern, angefragt hat, ob sie nicht ein paar Stücke daraus verwenden dürfen. Das ist dann auch an verschiedenen Orten gespielt worden, wobei es sich hierbei ja nicht um ein Auftragswerk handelt, sondern bloß bereits fertige Sachen von mir verwendet wurden.

Auftragswerke haben schon auch gute Seiten, aber es kann auch sein, dass ich mich dafür zu sehr unter Druck setzen müsste, weil ich ja auch nicht bloß Komponist bin, sondern auch Musiker. Diesen Druck möchte ich dann eher doch vermeiden, wenn möglich.

Entdeckt man da an seiner Komposition auch schon mal völlig andere Seiten, wenn sie von Formationen gespielt wird, an bei der man nicht selbst ausführend beteiligt ist?

Georg Breinschmid: Ja, durchaus und das finde ich auch sehr schön. Ich würde fast sagen, dass das auch ein Kennzeichen einer guten Komposition ist, wenn sie die Möglichkeit verschiedenster Interpretation in sich birgt und sie andere Leute sozusagen zu ihrem eigenen Ding machen können. Das finde ich wunderbar.

Kann man daraus schließen, dass du deine Kompositionen selbst auch immer wieder neu und anders interpretierst?

Georg Breinschmid: Bei vielen meiner Stücke wird sowieso bis zu einem gewissen Grad improvisiert. Da gibt es also ohnehin immer eine Veränderung. Ich spiele auch meine Stücke in vielen verschiedenen Besetzungen und dadurch sind sie einer ständigen Veränderung unterworfen. Diese Transformation finde ich sehr interessant und natürlich auch, wie ein Jazzmusiker das Material improvisatorisch behandelt. Oder aber auch, wie es von einem klassisch ausgebildeten Musiker interpretiert wird, der überhaupt nicht improvisiert. Das sind eigentlich immer sehr schöne Beobachtungen.

Sebastian Gürtler etwa hat nicht nur mit anderen Ensembles Stücke von mir gespielt, sondern auch eines meiner Wienerlieder gesungen. Das ist natürlich doppelt lustig, weil da ja auch gesanglich etwas passiert und nicht bloß instrumental.

Das ist ja auch eine interessante Kombination, wie ich finde. Auf der einen Seite dieser Jazz-Ansatz und auf der anderen dann das Wienerlied, bei dem ich immer an etwas konservative, tradierte Strukturen denken muss.

Georg Breinschmid: Ich würde gar nicht sagen, dass das Wienerlied an sich konservativ ist. Man könnte es aber natürlich so wahrnehmen, weil es von bestimmten Kreisen und auch oft älteren Herrschaften gepflegt wird. Ehrlich gesagt, kann ich es gar nicht logisch erklären, warum mir das so wichtig ist. Ich habe die ersten fünf Lebensjahre ja nicht einmal in Wien verbracht und bin erst dann hierher gezogen. Meine Eltern stammen ja ursprünglich aus Niederösterreich. Aber aus irgendeinem Grund ist mir das Wienerlied immer emotional sehr nahe gegangen, worauf ich aber auch erst relativ spät gekommen bin. Für mich entdeckt habe ich das vor ungefähr neun oder zehn Jahren. Aber es stimmt schon, dass dieses Genre auch viel Potential für Verschmalzung birgt und wenn das dann so gemacht wird, dann wird es grausam. Eine wirklich gute Komposition hingegen, in einem relativ authentischen Setting gespielt, ist etwas Wunderbares, das mich auch sehr berührt. Auch die Texte sind sehr oft schön und poetisch.

Schreibst du die Texte zu deinen Liedern auch selbst?

Georg Breinschmid: Ja, natürlich. Ich habe viele Texte geschrieben, nicht nur für Wienerlieder. Das ist mir auch sehr wichtig, weil ich mich nicht bloß aufs Instrumentale beschränken möchte und das glaube ich auch ganz gut kann. Das sind Sachen, die machen mir Spaß, weil es eben wieder etwas ganz Anderes ist, als reine Instrumentalbesetzungen.

Das Wienerlied ist ja auch etwas extrem Eigenes, das auch nirgendwo anders entstehen kann. Also, entstehen vielleicht schon, aber dieses speziell Wienerische, vom emotionalen Gehalt der Musik und der bewegenden Texte her, das findet man nur hier. Rein volksmusikalisch betrachtet, klingt das 100 Kilometer in jede Himmelsrichtung schon wieder ganz anders. Die oberösterreichische Volksmusik etwa kann man mit dem Wienerlied überhaupt nicht vergleichen. Das ist halt was ganz Spezielles, das mir aber sehr gefällt.

Dementsprechend sind dann aber halt auch die Auftrittsmöglichkeiten mit einer Wienerlied-Formation begrenzt, nehme ich an.

Georg Breinschmid: Das würde ich gar nicht mal so sagen. Ich habe aber auch keine eigene Wienerlied-Partie als solche, mit der ich nur diese Stücke spiele. Es sind immer wieder mal so ein oder zwei Songs, die in verschiedenen meiner Projekte ins Programm mit einfließen. Und das funktioniert beispielsweise auch in Berlin. Die Leute dort haben zwar gemeint, sie hätten nichts verstanden, den Klang aber trotzdem als sehr schön empfunden und nicht bloß die Musik, sondern auch die wienerische Sprachmelodie.

Es ist mir einfach auch wichtig, diese Art von Musik zu einem gewissen Teil zu pflegen, ohne aber jetzt irgendwie persönlich in die Wienerlied-Szene eingebunden zu sein. Ich kenne beispielsweise Kollegium Kalksburg oder auch die Strottern persönlich und mag die auch sehr, aber ich bewege mich nicht in dieser Szene. Das gilt aber auch für alle anderen Szenen, sogar die Jazzszene. Es ist mir sehr wichtig, nicht unbedingt irgendwo eingeordnet werden zu können. Am ehesten noch gehöre ich im weitesten Sinne zum Jazz, aber ich würde mich niemals auf eine bestimmte Szene oder einen bestimmten Stil begrenzen wollen.

Gab es am Anfang deiner Laufbahn dadurch, dass du dich nicht irgendwie festlegen wolltest, irgendwelche Wahrnehmungsschwierigkeiten?

Georg Breinschmid: Ja, das ist natürlich ein Thema. Es hat damals aber auch, so vor zehn bis zwölf Jahren, in Wien auch viel weniger gute Jazzmusiker gegeben, als heute. Durch das Porgy & Bess und die Jazzwerkstatt ist da in den letzten Jahren sehr viel in Bewegung gekommen. Vor zehn Jahren war ich beispielsweise einer der wenigen Bassisten, die man angerufen hat und zwar quer durch alle Genres und Stile. Ich habe vom Free Jazz bis zu Dixieland alles gespielt, was ich auch wunderbar finde, weil man sich nicht irgendeiner Stilrichtung verschließen sollte. In New York etwa ist das selbstverständlich, dass die Leute tausend verschiedene Sachen machen, während es hier eine Zeit lang eine ziemliche Cliquenbildung, Free Jazz vs. Mainstream vs. Bebop oder ähnliches, gegeben hat. Das halte ich aber für Schwachsinn.

Ich habe einfach automatisch viele verschiedene Sachen probiert, wobei das eine mehr und das andere weniger funktioniert hat. Meine öffentliche Wahrnehmung erkämpfe und erarbeite ich mir durch das, was ich eben mache, unter anderem durchs Komponieren und durchs Produzieren eigener CDs. Und dann schicke ich auch noch monatlich einen Newsletter aus. Es ist vielleicht schwieriger, wenn man sich nicht auf eine Schublade einlässt, aber es macht einfach Spaß und ich würde nicht irgendetwas, von dem was ich mache, missen wollen. Ich könnte mich auch gar nicht auf weniger beschränken.

In welchen Formationen bist du derzeit tätig?

Georg Breinschmid: Ich arbeite gerade mit einem neuen Trio, Brein’s Café, das jetzt seit einem halben bis dreiviertel Jahr besteht. Neben mir selbst sind da noch zwei wahnsinnig talentierte junge Musiker aus Bratislava mit dabei, Roman und Frantisek Jánoska. Wir beginnen jetzt auch, ziemlich viele Konzerte zu spielen. Gestern etwa bei den Leibnitzer Jazztagen und demnächst beim Franz Liszt Festival in Raiding (Bgld.).

Weiters spiele ich immer wieder auch gerne in so Mini-Besetzungen, auch ohne Schlagzeug, wo ich alleine sozusagen die Rhythmusgruppe gebe. Im Duo mit dem Trompeter Thomas Gansch beispielsweise spielen wir sehr viele meiner Kompositionen.

Ein weiteres Duo bilde ich zusammen mit der Sängerin Agnes Heginger, mit der ich auch vor einigen Jahren bereits eine CD produziert habe. Dann gibt es da noch ein Projekt, das nennt sich “Wer ist Ivica Strauss?”. Das ist ein Komponist, dessen Musik ich zufällig auf einem Dachboden entdeckt habe. Ein unehelicher Nachfahre von Johann Strauss, der sehr schräge Wiener Musik geschrieben hat. Und dieser Musik nehme ich mich eben an, weil ich möchte, dass das weiter gepflegt wird.

Weiters spiele ich noch sehr viel mit Benjamin Schmid zusammen, einem Salzburger Geiger, der zwar klassisch ausgebildet ist, aber auch einen fantastischen Jazzgeiger abgibt. Diese Kombination zwischen Klassik und Jazz gibt es meines Wissens nach in dieser Form überhaupt kein zweites Mal. Mit dem spiele ich jetzt seit einigen Jahren in unterschiedlichen Formationen zusammen, wo auch immer wieder viele meiner Kompositionen gefeatured werden.

Als Sideman spiele ich dann noch im Christian Muthspiel Trio mit, was auch wieder etwas ganz Anderes ist. Da spielen wir beispielsweise gerade ein Programm mit Musik von John Dowland, einem Renaissance-Komponisten. Sting hat vor einigen Jahren auch einmal ein Projekt mit seiner Musik gemacht.

Und dann gibt es noch ein weiteres eigenes Projekt, ein Sextett, das sich “Hommage to Charles Mingus” nennt und mit dem wir entsprechend Musik von ihm spielen, aber auch immer wieder eigene Sachen mit hinein nehmen. Da ist jedenfalls für jede Menge Action gesorgt.

Klingt, als ob du bereits ziemlich ausgelastet bist. Gibt es Überlegungen, noch ein weiteres Projekt ins Leben zu rufen?

Georg Breinschmid: Es ist schon relativ dicht gedrängt momentan. Es ist ja auch schwierig, das alles irgendwie zu administrieren. Ich bin zwar nicht alleine für das Akquirieren der Konzerte zuständig, aber es verbraucht dennoch ziemlich viel Zeit. Zeit, die nicht musikalisch kreativ genutzt wird. Man muss sich ja auch Raum fürs Schreiben nehmen. Das kann man nicht einfach so im Vorbeigehen erledigen. Aber Ideen, etwas Neues zu machen, gibt es natürlich immer, sogar so viele, dass man sich gar nicht mehr auskennt. Die Frage ist nur, welche davon man umsetzt.

Eine bestehende Formation zugunsten eines neuen Projektes aufzugeben, kommt momentan nicht in Frage?

Georg Breinschmid: Nein, derzeit nicht. Mit manchen Formationen trete ich aber eh sehr wenig auf, beispielsweise das Mingus-Projekt, mit dem wir im Schnitt vielleicht einmal im Jahr spielen. Vor kurzem war es jetzt eh wieder mal soweit.

Da fällt mir ein, dass ich noch eine weitere Band vergessen habe. Ich spiele noch mit drei Schweizern zusammen in der Formation ClassXXX, zu der ich auch Kompositionen beisteuere. Generell ist es mir überhaupt sehr wichtig geworden, mich auch als Komponist präsentieren zu können und dementsprechend mache ich reine Sideman-Sachen, also wo ich nur am Bass stehe, eher seltener.

Ich habe dann noch bei Pago Libre mitgespielt, einer Band, die jetzt bald ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiert und mit der wir gerade eben auch eine neue CD namens “Fake Folk” heraus gebracht haben. Bei dieser steige ich aber Ende des Jahres aus.

Daneben stehen aber sowieso noch ständig neue Sachen auf dem Programm. Gemeinsam mit Teilen von Pago Libre und der Mezzosopranistin Elisabeth Kulman spiele ich Lieder von Mussorgski, die für einen Jazzkontext arrangiert wurden. Ein Album haben wir damit auch schon aufgenommen, das nächstes Jahr erscheinen wird.

Allgemein ist es so, dass mein eigener Background eben aus sehr viel Jazz und Klassik besteht und ich gerne viel und oft mit Musikern zusammen arbeite, die ebenfalls diese beiden Welten in irgendeiner Form verkörpern. Das ist für mich das wirklich Interessante, wenn man dann auch beobachten kann, wie gut das bei manchen Musikern funktioniert. Für meine beiden Kollegen aus Brein’s Café ist es beispielsweise einfach eine Selbstverständlichkeit, beides immer parallel zu machen.

Keiner von denen hat jemals Jazz studiert, aber es ist für sie immer selbstverständlich gewesen, dass Klassik und Jazz keine unvereinbaren Welten sind. Generell glaube ich, dass das Improvisieren an sich sehr viel Zukunft hat und auch für klassische Musiker immer wichtiger werden wird, weil es eben nicht sein kann, 300 Jahre lang immer dasselbe zu spielen, wie es für einen klassischen Instrumentalisten derzeit normal ist. Ich glaube, da öffnet sich bei Musikern sehr viel, auch bei Orchestermusikern, wenn man sich auch für Jazz oder überhaupt halt andere Musik interessiert.

Wir spielen auch oft Jazzkonzerte bei klassischen Veranstaltungen und es ist für mich immer wieder sehr spannend zu beobachten, wie etwa ein klassisch geschultes E-Musik-Publikum auf unsere Sachen reagiert. Das finde ich sehr toll.

Glaubst du, dass es für einen Jazzmusiker generell besser ist, sich sein Können autodidaktisch anzueignen?

Georg Breinschmid: Das kann ich so nicht sagen, wenngleich mein persönlicher Weg eben so war. Aber auch ich habe studiert, nur halt eben Klassische Musik. Es kommt da auch ein wenig auf das jeweilige Instrument an, glaube ich. Für einen Kontrabassisten ist es sehr gut, eine klassische Ausbildung zu haben, um sein Instrument wirklich beherrschen zu können. Das mag bei anderen Instrumenten vielleicht nicht so sein, aber generalisieren kann man das glaube ich nicht.

Jeder Mensch ist anders und hat andere Talente und Vorlieben, die er für sich selbst herausfinden muss. Ich würde nicht sagen, dass es der Weisheit letzter Schluss ist, alles autodidaktisch zu machen. Das wäre glaube ich zu einfach. Ich selbst habe halt den Jazzhochschulbetrieb nie selbst erlebt, aber auch nicht nur Gutes darüber gehört. Insgesamt bin ich also durchaus froh, nicht zufällig an einen Lehrer gekommen zu sein, der mir den ganzen Spaß an der Musik verdorben hat. Aber ich denke nicht, dass es da ein allgemeingültiges Rezept gibt.

Du hast bereits zweimal in verschiedenen Sparten den Hans Koller Preis gewonnen und bist heuer als “Musiker des Jahres” nominiert. Hat sich für dich, dadurch, dass du ihn schon mal bekommen hast, die Bedeutung dieses Preises geändert?

Georg Breinschmid: Bisher habe ich den Preis immer in andern Sparten bekommen. 2002 war das für die “CD des Jahres”, die ich mit einem Trio eingespielt habe und im Jahr darauf habe ich in der Sparte “Newcomer des Jahres” gewonnen. Jetzt bin ich, wie auch schon im Jahr 2007, als “Musiker des Jahres” nominiert und freue mich darüber auch sehr. Ich weiß persönlich jetzt auch gar nicht, nach welchen Kriterien das entschieden wird, aber wenn ich ihn bekommen sollte, wäre das natürlich wunderbar.

Aber egal, wie das auch ausgehen mag, ändert sich für mich nicht besonders viel. Ich werde nach wie vor versuchen, mich kreativ zu betätigen, Musik zu spielen und zu komponieren. So ein Preis ist natürlich immer eine schöne Bestätigung, aber er verändert nichts Grundlegendes in meinem Leben.

Von der pragmatischen Seite her betrachtet, du hast den Preis ja schon zweimal, wenn auch in anderen Kategorien erhalten: Bringt es etwas hinsichtlich einem vermehrten Interesse an deiner Musik bzw. einem Mehr an Konzertangeboten?

Georg Breinschmid: Mit der “CD des Jahres” haben wir schon eine Menge Konzerte gespielt. Insofern bringt das sicher etwas. Man kann sich halt dann ein Jahr lang mit diesem Titel schmücken. Schaden kann es jedenfalls nicht.

Danke für das Interview.

 

Georg Breinschmid