mica-Interview: Crazy Bitch in a Cave

Anfang September erschien mit “Particles” auf dem Wiener Label comfortzone das heiß erwartete Debüt-Album von Crazy Bitch in a Cave. Erfunden wurde das queere “One-Person-Project” von Patrick Weber, der nebenbei auch kontextuelle Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien studiert. Schon nach Erscheinen der letztjährigen Debüt-Single “On Top” war die internationale Presse vom “herzergreifenden Falsettogesang“ begeistert und schwärmte über den “femininen Glamour von Prince” der bei Crazy Bitch in a Cave (kurz: CBC) durch fast alle Tracks geistert. Mit “Particles” übertrifft der “Solo-Drag-R&B-Act” nun locker alle Erwartungen. Unter der Produzentenschaft von Patrick Pulsinger und Ollmann entstand so eine der wohl besten Produktionen der letzten Jahre, die auf äußerst subtile wie avancierte Art und Weise Queer Politix, Mode, Performance-Art, Kunst, Avantgarde & Pop, Dancefloor & burleske Extravaganza zu einem schillernden Gebilde unter der Discokugel verbinden. Dabei trifft House-Extravaganza und Cyber-R&B auf wummernde Dubstep-Bässe und verwandelt sich digitalisierter Disco-Glam-Rock zu opulenten Disco-Operetten. Für mica führte Didi Neidhart mit Patrick Weber aka Crazy Bitch in a Cave das folgende Interview.

Wie hast du angefangen Musik zu machen und wie ist daraus Crazy Bitch in a Cave entstanden?
Ich habe schon früh, so mit 11 wahrscheinlich, Kassetten mit eigenen Sachen am Klavier aufgenommen, dann später mit einem 4-Track-Recorder und auch am PC herum experimentiert. Aber so eine produktive Form und Richtung hat das Musikmachen für mich erst bekommen, wie ich Ableton Live für mich entdeckt habe und mit dem Namen „Crazy Bitch in a Cave“ auf einmal ein Funke übersprang. Der Name war ja zuerst da, bevor es Musik dazu gab – so was wie ein konzeptueller Rahmen, der mir auch neue Herangehensweisen an das Musikmachen ermöglichte. Da haben sich auf einmal für mich ganz viele gedankliche und musikalische Möglichkeiten eröffnet.

Warst du über den Response auf “On Top” überrascht?
Dass dieser Song so verhältnismäßig gut angekommen ist, war schon was Neues für mich – immerhin war es auch meine allererste Veröffentlichung. Gehofft habe ich natürlich schon darauf, Crazy Bitch in a Cave will ja nicht für die Schublade produzieren. Im Grunde bin ich aber auch heute noch manchmal überrascht, wenn ich „On Top“ live spiele und dann angesichts der Publikums-Reaktion merke: „Ach ja, stimmt, die kennen das ja wirklich.“

In der Presseaussendung deines Labels comfortzone wird deine Musik als “digitalen R&B der durch den House-Schredder gejagt wird” bezeichnet. Was hat es mit diesem “House-Schredder” auf sich?
Meine Musik sitzt wohl zwischen den Genre-Stühlen. Wenn ich versuche einen astreinen House-Track zu machen, kommt am Ende immer etwas ganz anderes dabei heraus. Aber es geht mir auch nicht darum, Genrekonventionen eins zu eins zu emulieren. Eher baue ich sie um und das geht manchmal bis zur Unkenntlichkeit. Das kommt wohl dem besagtem Schreddern nahe, aber ist von mir nicht als destruktive Geste gedacht. In meinen privaten Hör-Vorlieben spielt House übrigens auch eine geringere Rolle als etwa zeitgenössischer R&B. Aber man kommt natürlich dem House nicht aus…

“Far From Sleep” klingt mit seinen opulenten sieben Minuten fast wie eine melodramatische Musical-Nummer, erinnert dabei jedoch auch an den Eklektizismus des frühen Brian Eno. Wie ist diese Nummer entstanden?
Ursprünglich hatte der Track Singlelänge und hat sich dann im Rahmen des Albums verselbstständigt. An Brian Eno hab ich dabei eigentlich gar nicht gedacht. Die loop-basierte zweite Hälfte des Songs ist auch für mich ziemlich unerwartet entstanden, als ich auf der Suche nach einem guten Schluss für diesen Song war und dieser dann immer ausufernder wurde.

Deine Musik und vor allem dein Falsett-Gesang lässt mannigfaltige Assoziationen zu: Das reicht von Antony, Klaus Nomi, Jimmy Summerville, Sylvester, Michael Jackson, Prince, Soft Cell, Brian Eno, Heaven 17 bis hin zu Hercules & Love Affaire. Siehst du das auch so?
Eigentlich hab ich mich beim Singen schon immer in der “hohen Lage” am wohlsten gefühlt, das war gar nicht so ein bewusster Entschluss. Die genannten queeren “Ahnen” und Verwandten spielten dabei weniger eine Rolle als meine Lust daran mit meiner Stimme zu experimentieren. Ich kann die Vergleiche mal mehr, mal weniger nachvollziehen, aber mir geht es nicht darum Referenz-Musik zu machen. Die unterschiedlichen Einflüsse und Verwandschaftslinien nachzeichnen können andere wohl besser, ich begnüge mich mit dem Machen und welche Sounds dann gerade in einen Song fließen läuft eher intuitiv-unbewusst ab.

Würdest du dich als “queeren Act” bezeichnen?

Ja klar, auch wenn mit diesem Label mittlerweile sehr unterschiedliche Positionen in eine Schublade gesteckt werden.

Deine Live-Performance ist mitunter sehr theatralisch, wo das Öffnen deiner Haare ja quasi ein eigener Programmpunkt innerhalb eines Songs ist. Was sind da deine Einflüsse?
“Hairo-graphy” ist ja immer schon ein gerne verwendetes Mittel im Pop gewesen. Da finde ich z. Bsp. die unterschiedlichen Assoziationen zwischen Hair Metal bis zu Diva-Mähne interessant. Live versuche ich jedenfalls schon von Anfang an klassische Pop-Show-Elemente für meine Zwecke zu adaptieren. Ein Traum wäre es da schon mal mit einer großen Produktion mit allem Pipapo auf Tour zu gehen, so schön überbordernd wie zuletzt Sufjan Stevens oder Kylie Minogue.

Du gehst sehr locker mit Pop und Avantgarde, Charts-Musik und solcher aus dem Underground um. Interessierend dich dabei eher die möglichen Verknüpfungen oder die Differenzen, oder durchdringt sich das eh nicht immer?
Ehrlich gesagt beschäftigt mich der Diskurs rund um Pop und Avantgarde nicht besonders. Mich hat immer beides gleichermaßen interessiert und begeistert. Ich habe da ein sehr unverkrampftes Verhältnis.

Crazy Bitch in a Cave – Amazing by mica

Mit burlesken Anklängen an Vaudeville und Cabaret (“Feel Me Now”) sowie der Dub Step goes Digi-R&B-Discoperette “Alarm” begibst du dich ja auch in den ultracampen Disco/House-Underground, wo quasi eine campe/queere Subgeschichte fortgeschrieben wird. Was waren die Ansätze bei diesen Nummern?

Filmmusicals mag ich tatsächlich sehr gerne, von Judy Garland über Jacques Demy bis hin zu „High School Musical“. Dieser Moment, wenn das Leben in Musik übergeht ist doch sehr spannend zu beobachten. Vielleicht gelingt mir das mit “Feel Me Now” auch. Da fließt natürlich meine Liebe zum hochstilisierten, dramatisierten Song mit ein.

Was fasziniert dich bei Glamour mehr: das hyperreal Artifizielle oder die Kombination von “tragic and magic” wie es Marc Almond mal gemeint hat?
Tragic and Magic spielt für Crazy Bitch in a Cave schon auch eine Rolle. Das bewusst ausgestellte Artifzielle ohne diesen Anteil des Tragischen verkommt schnell zum Faschingsball.

Es gibt bei Funk-, Disco- und House-Platten einen alte Regel, die besagt, dass der eigentliche Gradmesser in der schweren Kunst einer guten Ballade steckt. Jetzt finden sich auf “Particles” einige Songs, die in diese Richtung gehen. Das reicht von Disco-Torch-Songs und zum Eng-Tanzen animierenden Balladen wir “Particles” und “Slow (Time Slips)” bis hin zu großem Gefühlskino unter der Discokugel (“I Quit”). Wieso gelingt dir diese schwer Kunst so gut?
Beim Zusammenstellen der Live-Sets waren mir auch schon immer Balladen als emotionale Knotenpunkte oder auch zum Durchatmen wichtig. Beim Album bin ich auch bald drauf gekommen, dass es mit einer reinen Dance/Clubplatte nichts wird. Das reine Up-Tempo ist mir auf Dauer etwas zu funktional. Gegen einen ordentlichen “Showstopper” ist doch nichts einzuwenden.

Geht es dabei auch um das Auflösen von Stimmen als Identitätsausweis in Sachen male/female? Du vervielfältigst deine Stimme ja auch durch elektronische Transformationen, singst quasi mit dir (deinem Echo/Spiegelbild) selber. geht es neben dem male/female-Diskurs auch um einen Mensch/Maschine-Aspekt?
Die Möglichkeiten, das Künstliche, Maschinelle und Übermenschliche in der Musik als Mittel auch manchmal bewusst auszustellen finde ich schon reizvoll. Die Multiplizierung meiner Stimme war aber abgesehen von konzeptuellen Überlegungen schon immer integraler Bestandteil und Ausgangspunkt meiner Arbeitsweise. Stimme mehr als Sound denn als Erzählung. Im aktuellen Pop wird die Maschinisierung der Stimme mit Autotune ja gerade auf die Spitze getrieben und das ist natürlich auch in Hinblick auf Identität und Authentizität interessant.

Live trittst du mit Laptop, Backup-SängerInnen (Kerstin Putz und Johannes Grammel, letzterer steuert auf der CD ja auch einige sehr schöne Klarinetten-Party bei) und jeder Menge Bodeneffekten auf. Was machst du mit denen eigentlich?
Die Bodenpedale dienen live in erster Linie zur Stimmbearbeitung durch Hall und Delay, aber auch zum Loopen gewisser Parts, um etwa solo Mehrstimmigkeiten zu generieren. Und manchmal improvisiere ich auch kleine loop-basierte Stücke und Intros damit. Im aktuellen Live-Setup hab ich aber diese Bodenpedale in einem neuen Technik-Teil vereint, womit ich mich jedoch noch ein bisschen anfreunden muss.

Das Artwork der CD wurde von Ute Hölzl (Fotos) und den jungen österreichischen DesignerInnen (Madeleine Nostitz-Rieneck, Johanna Diwold, Lisa Edi, Markus Binder) gestaltet. Zuvor hast du schon mit den Avantgarde-Label „House of the Very Island’s…“ zusammengearbeitet. Wie wichigt ist dir das Optische und der Fashion-Aspekt?
Natürlich ist es mir wichtig der Musik eine passende optische Umsetzung beizustellen, sowohl auf der Bühne als auch im Artwork und auf Pressefotos. In der Mode wird ja auch so detailliert und besessen an Oberflächen gearbeitet, wie ich es mit der Musik mache. Das passt von daher gut zusammen. „House of the Very Island’s…“ haben zum Beispiel einen dezidiert queeren Anspruch an ihre Designs, der sich auch in Schnitten und Materialien äußert.

Das Prinzip D.I.Y. zieht sich durch dein gesamtes Schaffen. Es betrifft deine Musik ebenso wie dein Bühnen-Outfit. Steckt dahinter auch eine gesellschaftspolitische Absicht von Selbstermächtigung im Sinne der alten Punk-Losung “Everybody can do it”?
Klar finde ich die Selbstermächtigung von D.I.Y. toll – eben selbst die Musik zu machen die man hören möchte. Das hat auch ein gesellschaftspolitisches Moment. Das D.I.Y. Prinzip verschafft dabei auch sehr viel kreative Freiheit. Ich bin manchmal ein ziemlicher Controll-Freak, weshalb es mir nahe liegt alles selbst zu machen. Aber natürlich hat dieses prekäre Leben auch seine Grenzen, die ich mit einer Hochglanz-Pop-Produktion auch mal gerne überschreiten würde.

“Particles” wurde von dir zuerst im Alleingang eingespielt und später in den Feedback Studios Vienna 1 & 2 von Ollmann (Gustav, Cherry Sunkist, Gemüseorchester etc.) und Patrick Pulsinger (Cheap Records, Hercules and Love Afffair, Patrick Wolf, Killed By 9V Batteries etc.) gemastert und endproduziert. Wieso hast du dir gerade die beiden ausgesucht? Wurde da noch im Studio viel an den Tracks gearbeitet? Gab es auch musikalischen Input?
Die Feedback Studios von Patrick und Ollmann kannte ich schon ein bisschen durch meine Mitarbeit beim Fettkakao-Act Brooke’s Bedroom, der auch dort dort seine Platten finalisiert hat. Es ist natürlich eine tolle Studio-Umgebung. Bei beiden habe ich mich sehr gut aufgehoben gefühlt. Von Patrick kamen neben dem Mastering auch noch ein paar Synthspuren aus seinem Analog-Synth-Archiv. Aber am meisten habe ich doch zu Hause an den Tracks gearbeitet. Das Feilen an den finalen Mixes mit Ollmann hat den Tracks dann noch eine weitere akustische Dimension verliehen.

Was ist nun für die Zukunft geplant?
Ich bin gerade auf einer kleinen Comfortzone-Label-Tour in Österreich und Deutschland gemeinsam chra und Cherry Sunkist unterwegs und plane gerade eher die unmittelbare Zukunft der nächsten Konzerte (nach der Tour u.a. beim Elevate Festival in Graz mit Planningtorock). Den einen oder anderen knackigen Remix vom Album wird es hoffentlich noch geben, das weitere wird sich zeigen.

Danke für das Interview.

Nächste Termine:
23.9. comfort zone label tour 2011 feat. Crazy Bitch in a Cave, Cherry Sunkist, chra, DJ Didi Neidhart, Roter Salon/ARGEKultur, Salzburg
24.9. comfort zone label tour 2011 feat. Crazy Bitch in a Cave, Cherry Sunkist, chra, Spielboden, Dornbirn

http://www.myspace.com/crazybitchinacave
http://www.comfortzonemusic.com/