mica-Interview basics-Festival 2012

Unter dem Titel “autopilot:intuition” nähert sich in Salzburg vom 07.-11.03.2012 das Medienfestival basics mit Performances, Workshops, Konzerten, Ausstellungen und Diskussionen dem Thema “Intuition”. Das 2004 als Kooperation von vier Salzburger Kulturinstitutionen (ARGEkultur, FH Salzburg/MultiMediaArt, galerie5020, subnet) gegründete biennale Festival versteht sich dabei vor allem auch als Ort unterschiedlichster Zugänge zu aktuellen Themen im Schnittpunkt von Medien – Kunst – Gesellschaft. Für mica führte Didi Neidhart mit den InitiatorInnen Cornelia Anhaus (ARGEkultur), Hildegard Fraueneder (galerie5020), Gianni Stiletto (FH Salzburg/MultiMediaArt), Marius Schebella (subnet) sowie dem Künstler Georg Hobmeier das folgende Gespräch zum Thema “Intuition”.

Heuer lautet das das Generalthema “Intuition”? Wie seid ihr darauf gekommen?
Gianni Stiletto: Intuition ist eine Qualität, die aus Erlebtem und Erfahrenem Muster bildet und Positionierung ermöglicht, wenn eine Situation oder ein Sachverhalt keine detaillierte Auseinandersetzung zulässt. Das Interesse an diesem Thema fußt auf dem Wandel der Lebenskultur im Hinblick auf Effizienzsteigerung, Rationalisierung und Automation, also einer Entwicklung, die sowohl Bedarf als auch Nährboden für Intuition zu schmälern scheint.
Es besteht – bejaht oder als Eso-Quatsch abgetan – eine gewisse Analogie zum musikalischen Qualitätsverlust von CDs gegenüber Vinyl, oder einer höheren Gewichtung der Rationalität gegenüber  Sinnlichkeit.

Konkret heißt der Titel ja “autopilot:intuition”. Wieso “autopilot”? Ist das nicht zu maschinell, vorprogrammiert gedacht?
Cornelia Anhaus: Keineswegs. Intuition wird oft als innere Erkenntnis oder Führung gedacht, leider oft im Gegensatz zur analytischen bzw. wissenschaftlichen. Tatsächlich gibt es aber keine rationalen Entscheidungen, die nicht auch intuitive Entscheidungen wären, weil sie auf unbewussten Denkprozessen fußen. Für mich spiegelt der Titel das rational Irrationale an dem Begriff. Die technische Komponente dieses “Steuerungsmoduls” sollte bei einem Medienkunstfestival wie basics auch nicht außer acht gelassen werden.

Wie hängen Intuition und Innovation zusammen?
Marius Schebella: Innovationen entstehen als Ergebnis eines menschlichen Handlungsprozesses und sind insofern untrennbar von Intuition. Es entsteht etwas Neues und bis es dazu kommt findet ein ständiger unbewusster (oder auch bewusster) Filterprozess statt. Sei es bei der Auswahl und Formulierung der Fragestellung oder auch in der Lösungsfindung. Es ist aber nicht gesagt, dass Intuition immer förderlich ist. Im Gegenteil, oft ist sie hinderlich, führt auf eine falsche Fährte, macht uns unflexibel. Analytisches Denken, systematische Handlungsmethoden, das wären die Gegenpole zur Intuition. Wie viel Intuition soll man zulassen? Ohne dass ich ein Experte wäre, behaupte ich jetzt einmal, dass im heutigen Innovations- und Projektmanagement Intuition einen zu geringen Raum hat. Intuition ist wie ein Kompass – durchaus sinnvoll, aber hat auch seine Tücken…

Der Begriff “Intuition” hat es im populären Diskurs ja nicht gerade leicht. Da wird weniger von einer Technik oder einer Methode geredet, sondern eher von Gefühlen (dem bekannten “Bauchgefühl” diverser Talk-Show-PsychologInnen), dem unmittelbaren Erkennen (etwas wenn es darum geht, was nun Kunst sein und was nicht) und vom Glauben (z. Bsp. bei ungeklärten Vaterschaften). Wie will basics dieses Bild korrigieren?
Cornelia Anhaus: basics will und kann diese Auffassungen nicht korrigieren, aber andere Blickwinkel wählen und so andere Perspektiven und Möglichkeiten der Kontextuierung schaffen.

Marcel Proust war bekanntlich stark von Henri Bergsons Theorie der “unwillkürlichen Erinnerung” beeinflusst. Bei Bergson finden wir ja auch die Intuition als “eine der höchstentwickelten Methoden der Philosophie”, wie es Gilles Deleuze in seinem Bergson-Band anmerkt. Kann es überhaupt Kreativität bzw. künstlerische Produktion ohne Intuition geben?
Hildegard Fraueneder: Ich denke schon, dass eine künstlerische Produktion abseits von Intuition, verstanden als ein unbedingter Kreativitätsanteil, nicht nur möglich ist, vielmehr auch permanent praktiziert wird, was wir in den Statements der Künstler_innen zu ihren Arbeiten auch nachlesen können; wesentlich ist hierbei aber, dass man sich darüber verständigt, was man jeweils unter Intuition versteht.
Kreativität und Intuition haben – historisch betrachtet – den Mythos des Künstlers mit geschrieben, des Künstlers, der ausschließlich qua seiner inneren Fähigkeiten und äußeren Begabungen Großartiges schaffen kann, und dies vor allem unbeeinflusst von allen äußeren Gegebenheiten, wie den gesellschaftlichen Praxen und Diskursen. Darüber hinaus wurde Intuition als ein “unbewusst richtiges Fühlen” vor allem den bildenden Künstlerinnen in der Moderne insofern zum Verhängnis, da ihnen damit eine professionelle Zielsetzung ihres künstlerischen Tuns abgesprochen werden konnte – Das vermeintlich “weiblich Intuitive” verfestigte sozusagen die Geschlechterdichotomie in Bezug auf die Kreativitätsvorstellungen, weshalb von Beginn an die feministische Kritik genau hier ansetzte und das Mythenbündel rund um den Künstler zu dekonstruieren begann. Der Widerspruch von einerseits “unbewusst” und andererseits die damit verbundene Destabilisierung der Selbstgewissheit des Künstlersubjekts war allerdings unauflösbar, weshalb die kritische Theorie sehr rasch die feministischen Positionen aufnahm und das Künstlersubjekt in seiner (vor-)modernen Fassung obsolet werden ließ.
Intuition verstanden als ein “Gefühlswissen” hat in der Philosophie viel Beachtung gefunden und ist gerade in letzter Zeit im Zusammenhang mit der Emotions-, aber auch Affektforschung wieder aktualisiert worden, auch in Hinsicht auf die heute stark verhandelten Begriffe wie Präsenz, Atmosphäre, Gefühle.
Das bedeutet, dass wir uns vor allem in Bezug auf künstlerische Arbeiten wieder darauf besinnen sollten, dass Produktions- und Rezeptionsmodi nicht als grundlegend getrennte betrachtet werden dürfen, vielmehr die Interpedenzen (auch dahingehend, dass Produzierende auch Rezipierende sind und vice versa) beachten sollten und auch Opposition z.B. von Kopf und Bauch ad acta legen sollen, da auch spontane Einfälle, Inspirationen, Intuitionen usw. von einem verinnerlichten gesellschaftlichen Habitus, von unseren kulturellen Memotechniken mitbestimmt werden, d.h. eine Unmittelbarkeit des Gefühls niemals gegeben ist, es geht vielmehr um zirkuläre Kräfte.
Zu Bergson: Er hat ja bereits äußerst klug darauf verwiesen, dass Intuition der seiner selbst bewusst gewordene Instinkt ist, der über seinen Gegenstand reflektiert und ihn ins Unendliche erweitert.
Damit ist der Bereich eines schöpferischen Werdens angesprochen, und zwar in einem Oszillieren von Gestaltgebung und Gestaltentzug (Vorläufigkeit, das Prozessuale, die Dauer des Werdens…).
In diesem Verstehen von Intuition kann sowohl der Produktions- als auch der Rezeptionsprozess durchaus gewinnbringend reflektiert werden.

Das Erkennen von Zusammenhängen mittels (abgespeicherten) Erinnerungen scheint ein zentrales Thema zu sein. Um ein quietschende Türe als Musik zu hören, muss ich mich bei diesem Türquietschen ja zuerst an etwas erinnern (etwa an das Saxophonspiel von Albert Ayler). Wie steht es jetzt aber um das Erinnern angesichts immer grösserer Datenmengen, die fast nur noch gespeichert und verwaltet werden?
Gianni Stiletto: Entsprechend des in der ersten Frage erwähnten Prinzips, das eine aktuelle Variante der Methode ‘lieber Klotzen als Kleckern’ beschreibt, oder auch angesichts der Dichte täglicher Sensationierungen steht es um das Erinnern wohl eher schlecht.

Marius Schebella: Hmm.., wird nicht generell bei jedem Türquietschen, bzw. bei jeglichem (instrumental oder nicht) erzeugten Geräusch und Ton die ZuhörerIn emotional und intellektuell angesprochen? Ich kann das immer in einen musikalischen Kontext stellen. Wieso muss mich das erst an ein Saxophon erinnern?
Es ist ja auch nicht so, dass einen ein Klang oder eine Melodie wirklich an konkrete Erlebnisse “erinnern”. Das Gehirn arbeitet da mit Erzeugung und Verstärkung von Mustern über Synapsenverbindungen. Erinnerungen werden quasi aufsummiert, so dass ein erneutes Triggern durch ähnliche Sinneseindrücke Assoziationen auslösen kann. Ich glaube nicht, dass es Erinnerungen gibt, die nur im Hirn abgelegt werden und dann nicht mehr aktiviert werden könnten.
Der Mensch kann möglicherweise heute schneller und mehr Reize verarbeiten, das zeigt sich unter anderem an der durchschnittlichen Geschwindigkeit von Schnittabfolgen in stinknormalen Hollywoodfilmen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens die Frage, wie sehr Maschinen eine Art Erinnerung entwickeln können. Verfahren der Bilderkennung beruhen auf Prinzipien der Mustererkennung, die anhand von trainierten Testdaten auch in zuvor noch nicht gesehenen Bildern Personen und Gegenstände erkennen können. Ähnlich wie bei menschlichen Assoziationen wird die Entscheidung dabei aufgrund von Ähnlichkeiten des neuen Eindrucks mit bereits bekannten getroffen.

Intuition kann ja als Chiffre für Prozesse und Praktiken definiert werden, bei denen durch ständige (Neu-)Verknüpfungen sowie Re-/De-Kontextualisierungen in Form von Überschneidungen und Verknüpfungen mehrerer Erinnerungsschleifen etwas Neues, Anderes entsteht. Wie verhält sich das zu den aktuellen Debatten um Copyright, ACTA, PIPA, SOPA und dem Begriff des “geistigen Eigentums”?
Marius Schebella: Lawrence Lessig thematisiert das Problem des Copyright schon seit einigen Jahren und hat mit der Creative Commons License auch einen sehr guten Lösungs-/Gegenansatz entwickelt. Es ist leider so, dass die Unterhaltungsindustrie in den letzten Jahren so mächtig war (und noch ist), dass sie ihre persönliche Vorstellung von Verwertungsrecht durchsetzen konnte. Was ACTA, PIPA und SOPA betrifft, wird nun zusätzlich zum gesellschaftlichen Schaden, den ein zu rigides Copyright Law verursacht, auch noch ein unabsehbarer Schaden bei der Exekution dieses Gesetzes verursacht. Hier wird eine Kultur der Offenheit und des Teilens aber auch persönliche Freiheiten und der Schutz der Privatsphäre mit Füßen getreten.

Im basics-Programm finden sich u.a. ja auch ein paar auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Veranstaltungen. Theresa Schubert arbeitet bei ihrer Video-Installation “Bio:Logic Speculations” auf mikroskopischer Ebene mit den Plasmaflüssen von Schleimpilzen und leitet auch einen “Bio-Art-Hacking-Workshop, ebenso wie Selena Savic unter dem Titel “DIY Energy Hacking”, wo es um “Energiegewinnung aus organischen Stoffen und Gebrauchsmaterialien” gehen wird, ebenso eine von subnet organisierte Medien-Werkstatt für Kinder mit der Medienkünstlerin Elisabeth Leberbauer dem Team des Instituts für Medienbildung Salzburg. Wie hängen das alles (bzw. Biologie im Speziellen) mit dem Thema Intuition zusammen?
Marius Schebella: In die Auswahl dieser Veranstaltungen spielten mehrere Aspekte mit hinein. Zuerst wollten wir das Publikum mit Situationen konfrontieren, denen es nur intuitiv begegnen kann. Das geschieht beim Thema Bio-Hacking, wo es um die Manipulation von Organismen geht, um die Überschreitung von ethischen Grenzen, letzlich um die Frage, wie weit Veränderung von Leben gehen soll. Das kann man nicht logisch beantworten, weil weder die Chancen noch die Gefahren eingeschätzt werden können. Intuition macht einerseits Lust, Neues auszuprobieren und warnt uns andererseits vor den unabsehbaren Folgen. Das wissenschaftliche Fortschreiten scheint hier by the way auf Autopilot gestellt, d.h. ist mehr oder weniger nicht zu stoppen.
Des weiteren gehen wir der Frage nach dem Wesen der Intuition nach. Wo beginnt Intuition? Beim Menschen, bei Tieren, bei Pflanzen? Gibt es eine Achse Instinkt – Intuition – Verstand? Die Schleimpilze in Theresa Schuberts Installation und Workshop sind Organismen mit sowohl pflanzlichen als auch tierischen Merkmalen.
Sie können dazu “programmiert” werden, einfache logische Aufgaben zu lösen. Wenn so primitive Lebensformen es schaffen, komplexe Probleme zu lösen, ist dann am anderen Ende des Spektrums die Intuition und der Intellekt des Menschen dazu verdammt, in Wirklichkeit nur eine Ansammlung von Instinkten zu sein?
Was ebenso die Programmierung der Workshops beeinflusste, war die besonders stark von Intuition geprägte Arbeitsweise der beiden Künstlerinnen. Selena Savić macht Energiegewinnung aus Alltagsgegenständen zum Thema. Sie sagt, die Auswahl der Materialien passiere dabei in erster Linie intuitiv und erfolgt nicht nur nach Gesichtspunkten der Energie-Maximierung. Und schließlich gibt es heuer erstmals ein Event für Kinder. Nicht zuletzt weil man ihnen von Haus aus einen intuitiven Zugang zum Leben nachsagt. Im Workshop geht es speziell darum ihnen als Aufwachsende in einer digitalen Welt einen analogen und direkten Zugang zu Medienproduktion zu bieten.

Georg Hobmeiers Performative Installation hat den Titel “Errors, Glitches And Other Mistakes In The Life Of An Unredeemed Technology Lover”. Technologie beinhaltet ja das Versprechen quasi fehlerfrei zu funktionieren. Welche Funktion haben besagte “Errors, Glitches And Other Mistakes” im künstlerischen Schaffen überhaupt?
Georg Hobmeier: Das Technologie fehlerfrei funktionieren sollte, ist ein Fehler vergangener Jahrzehnte. Verdanken tun wir das den Marketingabteilungen von Ford, Volkswagen, Apple und Hewlett&Packard. 
Was das Scheitern angeht: Ob’s nun das Probieren mit der Triangel ist, das Aufsagen romantischer Gedichtlein oder das Erstellen gewaltiger Codekonstrukte in C++, es gelten nach wie vor Beckett’s Worte “Fail. Fail again. Fail better.”

Während des Festivals wird es in der ARGEkultur auch einen Tubeklub (u.a. mit Bong-Ra, Limewax, Thrasher, Synthakt und der Audiovisuelle Surround Performance “Short Stories” von Gianni Stiletto) geben sowie einen multimedialen Abend mit einem “Filmkonzert” von Naked Lunch zu Thomas Woschitz’s “Universal Love”. Auch gibt es in der galerie5020 eine Performance von Billy Roisz und auf der FH ein Konzert von Skylla (Silvia Fässler & Billy Roisz).  Welche intuitiven Interaktionen und Interventionen erwarten uns dabei?
Hildegard Fraueneder: Im Anschluss an die Eröffnung werden zwei Live-Auftritte stattfinden, bei denen in ganz unterschiedlicher Weise interagiert wird: während Billy Roisz mit analogen und digitalen Schnittstellen und Gerätschaften intuitiv Soundspuren verfolgen wird, tritt der Komponist und Schlagzeuger Rudi Fischerlehner mit dem Medienkünstler Rainer Kohlberger zum ersten Mal live auf, wobei sich beide jeweils gegenseitig in der Bild- und Klangerzeugung beeinflussen werden.

Gianni Stiletto: Die Performance ‘Shorts Stories’ inszeniert audiovisuelle Anmutungen und Handlungsfragmente, die Assoziation stimulieren aber eindeutige Aussagen vermeiden und intuitive Interpretation herausfordern.

Cornelia Anhaus: Der Abschlussabend mit Naked Lunch wird sich stark der emotionalen Dimension des Begriffs widmen, Zentralmotiv im Film ist auch die Liebe. Abgesehen von der Dimension der künstlerischen Symbiose dieses Filmkonzerts, finde ich es spannend, wie diese Gitarrenmusik, die audiodigital in eine Leinwand gepackt wurde, nun “entpackt” wird und live gemeinsam mit dem Film “Universalove” zu sehen und zu hören ist.

Intuition wird ja auch immer wieder als ganz wichtiger Faktor erwähnt, wenn es um Musik geht, die sich auch durch Improvisation definiert. Das reicht vom Jazz bis zur DJ-Culture. Wie aber funktioniert das mit Musik, die hauptsächlich mittels Maschinen und Computern produziert wird?
Gianni Stiletto: Natürlich erlauben elektronischen Werkzeuge kaum einen derart hoch aufgelösten Echtzeitzugriff auf die Feintextur wie analoge bzw. physikalische Instrumente.
Intuitive Herangehensweisen sind aber ebenso in der elektronischen Domäne anzutreffen, wenn der/die Autor/in lange genug mit seinem/ihrem Instrumentarium vertraut ist und dessen spezifischen Eigenheiten als Gestaltungspotenzial zu nutzen weiß. Hohe Chancen diese Ausdrucksformen zu erleben bieten Events für Jazz- und experimentelle Musik, wobei die Maschinen meist mit akustischen (mikrofonierten) Instrumentarien verbunden werden bzw. interagieren.

Welchen Stellenwert hat Musik bei einem “Medienfestival” wie basics?
Hildegard Fraueneder: Die Medienkunst – sie hieß damals zwar noch nicht so – war von Beginn an, also in den 60er Jahren, vor allem eines: interdisziplinär. Es war vor allem die elektronische Musik, von Stockhausen über Cage, die ganz wesentliche Parameter entwickelt hatte. Insofern ist mir bei „basics“ in jeder Festivalausgabe Musik ein Anliegen, und nur in Ausnahmefällen werden auf Grund der Struktur des Hauses, in das die galerie5020 eingemietet ist, keine Konzertveranstaltungen gemacht. Für dieses Jahr habe ich aber ganz bewusst die eingeladenen Künstler_innen interdisziplinär ausgewählt und zusammengestellt, auch um den Workshop, den ich im Vorfeld der Ausstellung veranstaltet hatte, nicht nur produktiver zu halten, auch um Kooperationen und temporäre Zusammenarbeit zu befördern, was sich auch im Programm der Ausstellung zeigen wird, für die beinahe alle Teile gemeinsam erarbeitet worden sind.

Auf dem Programm steht auch eine “Twitterlesung”. Was kann man sich darunter vorstellen?
Cornelia Anhaus: Über Twitter lassen sich online kurze, intuitive Messages verbreiten. Wenn solche Tweets dann vorgetragen werden, ist das eine Twitterlesung. (141 Zeichen und damit eines zuviel für das Limit eines Tweet.

Mit dem “Basics. Symposium” auf der FH Salzburg gibt es auch einen diskursiven Teil, wo der Begriff Intuition anhand verschiedener Felder thematisiert werden wird. Das reicht von “minoritären Medienkulturen” (Marcus S. Kleiner) über “Intuition als Werkzeug der musikalischen Komposition” (Katharina Klement) bis hin zu Aspekten der “künstlerische Forschung” (Jens Badura) und von “Design, Kunst, Kreativität” (Thomas & Martin Poschauko). Wie wichtig sind solche theoretischen Programmpunkte grundsätzlich für Festivals wie das basics?
Gianni Stiletto: Sie bilden einen wesentlichen Teil der thematischen Perspektive mit Fokus auf aktuelle Gestaltungsmethoden und deren Wirkungen auf die Lebenswelt.

Hildegard Fraueneder: Von Beginn an war das Festival so strukturiert, dass Vorträge und Symposien einen zentralen Platz eingenommen hatten, nicht nur um auch seitens der theoretisch-wissenschaftlichen Bearbeitung von Themenfeldern ein Sur-plus zu generieren, auch weil dieses Zusammenspiel von Kunstproduktion und Wissensproduktion gerade in Medienkünsten eine zentrale Rolle spielt.

Im Vorwort des basics-Programmhefts findet sich ein Zitat von Nietzsche, wo er ein stets aktuellen Problem dialektisch umreisst: “Der vernünftige Mensch” sei zu “unkünstlerisch” und der “intuitive Mensch” zu “unvernünftig”. Geht es Nietzsche dabei nicht auch um die Idee einer “anderen” Vernunft und Kunst, die diese Dichotomie aufbricht, hinter sich lässt? Unter dem Titel “Die Klugheit des Augenblicks” startet in der galerie5020 zur Festivaleröffnung ja auch eine Ausstellung um “Kreativitätsmythen” zwischen “Bestätigungsabsichten” und “verborgenen Strukturen” in der Kunst.
Hildegard Fraueneder: Ja, genau um dieses Angehen der dichotomen, oppositionellen Les- und Verständnisarten geht es, um das, was ich oben mit Oszillieren meinte. In Bezug auf die bildende Kunst ist wichtig zu bedenken, dass Kunst immer auch eine Gestalterin von Erfahrung ist. 
Indem aber Intuition zur Erfahrung, die prä-rational ist, also einer unaufhebbare Vorgängigkeit gehört, ist sie ja – als an Erfahrung, Erinnerung usw. maßgeblich beteiligt – nicht als das Gegenteil von Rationalität anzusehen. Denn Erfahrungen als produktive Einbildungskraft bedeutet erstmal nur, dass sie, will man Kunst machen, zunächst geordnet werden müssen…
Das hat aber nicht unbedingt mit den irrationalen Formen der Intuition zu tun, das wären die so genannten Bauchgefühle, insgesamt Gefühle, die man hat oder eben nicht hat.
Die Ausstellung versucht nicht, die Kreativitätsmythen zu thematisieren, vielmehr ginge es im Gegenteil darum, Intuition als Anteil bzw. das Beteiligtsein von Intuition in einer offenen Form befragbar zu machen, sowohl seitens der Produktion als auch Rezeption, d.h. die „unbefragte“ wechselseitige Bestätigungsstruktur zu durchbrechen.

Ist Intuition eine neue Medientechnologie oder eine Technologie im Umgang mit Medien?
Cornelia Anhaus: Weder noch und sowohl als auch. Ich finde die interessantere Frage im Zusammenhang von neuen Medientechnologien ist, wie und ob diese die Intuition beeinflussen? Der italienische Politiker und Schriftsteller Tommaso Marinetti fürchtete schon vor etwa 100 Jahren die Einflüsse der “neuen” Kommunikations-, Verkehrs- und Informationsformen auf die Psyche. Bis heute weiß man nicht definitiv, welche Auswirkungen die technische Revolution, geprägt durch das Internet, auf den Evolutionsprozess des Gehirns hat. Und wenn Intuition als (sinnliche) Anschauung definiert wird, stellt sich die berechtigte Frage wie die daraus gewonnene Erkenntnis sich verändert, wenn der Blick hauptsächlich auf Bildschirme gerichtet ist.

Marius Schebella: Intuitive Antwort? Letzteres. …Und nach Nachdenken? Zuerst verstellt schon mal das Wortspiel den direkten Zugang zur Bedeutung der beiden Begriffe. Erst bei längerer Betrachtung offenbart sich der Inhalt der Fragestellung und der Gegensatz der beiden Phrasen verliert sich: Beschreiben Medientechnologien nicht Verfahren und Prozesse (also Technologien) zum Umgang mit Medien (Aufnehmen, Wiedergeben, Schneiden, Editieren, Remixen, Signalverarbeitung, Programmieren…)? Intuition zählt da eigentlich nicht unbedingt dazu…
Nach einer weiteren analytischen Wiederholungsschleife setzt sich allerdings eine weitere Bedeutung von “Umgang mit Medien”, nämlich im Sinne von Rezeption und  Stellenwert von Medien(-inhalten). Dieser Umgang kann zwar durchaus intuitiv geschehen, ist aber nicht wirklich eine “Technologie”. “Oder?”, sagt die Intuition.

Wie muss man sich das Zusammenspiel der einzelnen basiscs-InitiatorInnen – ARGEkultur, FH Salzburg (MultiMediaArt), galerie5020, subnet – vorstellen? Erarbeitet ihr alles gemeinsam, oder geht ihr themenspezifisch arbeitsteilig vor?
Hildegard Fraueneder: Die Kooperation in der Programmgestaltung ist von Beginn an grundgelegt, das bedeutet, dass nicht nur der jeweilige thematische Schwerpunkt, das Festival-Motto sozusagen, gemeinsam beschlossen wird, auch die “Verteilung” der Veranstaltungen in den Institutionen. Klar ist aber, dass jede/r mit dem Profil der Institution und der je eigenen Profession die Vorschläge einbringt und dass für jede Festivalausgabe eine Institution/Person die thematische “Führungsrolle” übernimmt. So habe ich mich am Beginn der Erarbeitung 2011/12 für “Intuition” nicht wirklich begeistern und engagieren können, habe aber, so denke ich, wesentliche Qualitäten einbringen können.

Wie finanziert sich das basics-Festival?
Cornelia Anhaus: Das basics festival finanziert sich durch die Eigenleistungen der einzelnen KooperationspartnerInnen [, deren SubventionsgeberInnen wie z. B. die Stadt Salzburg und (Sponsoring-)PartnerInnen] und zusätzlicher Fördergelder, v. a. durch das Land Salzburg (“Innovative Sonderprojekte mit neuen Medien”), aber auch dem bm:ukk.

Welchen Anspruch habt ihr bzw. was soll Ergebnis des Festivals sein?
Cornelia Anhaus: Anspruch des Festivals ist sowohl uns selbst als auch das Publikum durch ein Thema (heraus) zu fordern, den Blick und das Denken zu schärfen, KünstlerInnen und Beiträge vorzustellen, die abseits von diesem jeweiligen Festivalschwerpunkt so wohl kaum im laufenden Programm der einzelnen Institutionen vorkommen würden. Das Festivalprogramm kann man als Endprodukt dieses Prozesses ansehen. Ein messbares Ergebnis wird sich aber nicht mal anhand von Publikumszahlen einstellen, so speziell sind die Fragmente z. T., wie z.b. die installative Performance von Georg Hobmeier, in der ohnehin nie mehr als maximal 30 BesucherInnen im Raum sein sollten.
Ein “Ergebnis” könnte ich nur als gegeben sehen, wenn Diskussionen, Ideen- und Gedankenaustausch bzw. weitere Vernetzung, ob zwischen KünstlerInnen, diesen und dem Publikum oder nur den BesucherInnen stattfinden, auch unabhängig von der Initiierung über basics hinaus.

Marius Schebella: Ich sehe das Basics-Festival als offenen Raum für Kunstproduktionen, die sich mit den Themen Gesellschaft und Technologie auseinander setzen. Die zeitliche Fokussierung auf wenige Tage erlaubt es sowohl den beteiligten Organisationen als auch dem Publikum das Festival, seine Veranstaltungen und Themen als gemeinsames Erlebnis bewusst zu erfahren und in Erinnerung zu behalten.

Hildegard Fraueneder: Wie bei allen Programmerstellungen in der galerie5020 spielt die Ergebnisorientierung bei mir absolut keine Rolle. Mir ist ein “Ergebnis” deshalb suspekt, weil es einen Abschluss darstellt, ein Fazit sozusagen. Doch weder das Denken noch das künstlerische Tun kann sich mit solchen Enden herumschlagen. Auch kein Festival, das ja im eigentlichen sinn was aufmachen soll!!!

Danke für das Gespräch.

Gesamtes Festival-Programm: www.basics-festival.net

http://www.argekultur.at/
http://www.fh-salzburg.ac.at/
http://www.galerie5020.at/
http://www.subnet.at/