mica focus: „Ist Adorno tot? Eine Ästhetikdiskussion (fast) ohne ‚Philosophie der neuen Musik’“

Am Montag, den 27. September, wollen ExpertInnen der Neuen Musik im Rahmen des vom mica-music austria veranstalteten mica focus einmal mehr den Begriff der Ästhetik und deren Bedeutung für die Neue Musik einer näheren Betrachtung unterziehen. Ort der Veranstaltung ist das mica – music information center austria, Stiftgasse 29, 1070 Wien. Beginn ist 19.00 Uhr.

Teilnehmer:
Impulsreferat: Prof. Dr. Claus-Steffen Mahnkopf (Leipzig)
Univ.-Ass. Mag. Dr. Stefan Jena (Musikuniversität Wien)
Dr. Hans Dieter Klein (Universität Wien, Archiv für Systematische Philosophie)
Prof. Kurt Schwertsik (Komponist, Wien)
Diskussionsleitung: Mag. Dr. Nikolaus Urbanek (Musikuniversität Wien/Universität Wien)

„Neue Musik gehört zu den befremdlichsten kulturellen Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. Während Musik für den Liebhaber immer noch die ‚klassische’ ist und der Massenkonsument alle möglichen Arten der Popmusik als einzig richtige Form des gegenwärtigen Musizierens betrachten dürfte, spielt die Kunstmusik am Ende des zweiten Jahrtausends eine Sonderrolle, die kaum mit einer anderen Kunstsparte verglichen werden kann.  Ab und an hört man von ihr – im Feuilleton oder im Gespräch mit solchen, die an der ‚Szene’ teilhaben, doch meist kann sich selbst derjenige, der sich offen um das ihm Unverständliche bemüht, nur wenig darunter vorstellen. Ihr Name, der das stolze Prädikat der Neuheit mit sich führt, ist so alt wie das Jahrhundert selbst, nachdem Schönbergs Übergang zur Atonalität im ersten Jahrzehnt sich als ihre Geburtsstunde eingebürgert hat. Während jedoch Neuheit in der abendländischen Geschichte sich immer wieder als Gegengewicht überholten Konservativismen entgegen warf – so als ars nova am Ende des Mittelalters oder mit dem neuartig vitalen Lebensgefühl des Barockzeitalters –, wurde der ‚neuen’ Musik zum Dauerschicksal, dass sie stets aufs Neue ‚neu’, d. h. innovativ, umstürzlerisch, ‚avantgardistisch’ sein musste – eine Paradoxie, die in die verhängnisvollsten Sackgassen führen sollte […]“ (aus: Claus-Steffen Mahnkopf, Kritik der neuen Musik. Entwurf einer Musik des 21. Jahrhunderts. Bärenreiter, Kassel 1998)

In Fortsetzung des mica focus 2009, der verschiedene Aspekte zum Thema Musik und Öffentlichkeit zum Inhalt hatte, widmet sich die Reihe mica focus 2010 dem Feld der „Ästhetik“. Diese bildet einen der vielschichtigsten Begriffe in den philosophischen Ansätzen von Gesellschaft, Kunst und Musik. Er ist innerhalb der Kunstmusik ebenso mit verschiedensten Ansichten und Wertungen behaftet, wie im Gegenüber der teil künstlich getrennten Welten von Kunstmusik und Popularmusik. Im Gespräch zwischen Experten musikalischer und philosophischer Fachrichtungen wird der Begriff „Ästhetik“ in seiner historischen Dimension und seinem Einwirken auf die Praxis des Musikbetriebs beleuchtet. Dabei wird auch dem häufigen Auseinanderdriften von philosophischer und musikwissenschaftlicher Denkweise einerseits und dem Anspruch des Interpreten und des Hörers auf ein Musikverständnis Rechnung getragen. Wie kaum ein zweiter hat Theodor W. Adorno den musikalischen, ästhetischen und philosophischen Diskurs über Musik und insbesondere über Neue Musik im Zwanzigsten Jahrhundert geprägt. Beide möglichen Antworten auf die Ausgangsfrage, ob Adorno tot respektive ob seine Theoriebildung obsolet sei, erfüllen den musikästhetischen Diskurs daher mit einer gewissen Bangigkeit.

Eingeleitet von einem Impulsreferat des deutschen Komponisten, Musikwissenschaftlers, Soziologen und Philosophen Claus-Steffen Mahnkopf diskutiert der mica focus unter der Leitung von Nikolaus Urbanek das Aktualisierungspotential der musikästhetischen Theorie Adornos. Das Gespräch zielt zum einen auf die Möglichkeit einer an Adorno anknüpfenden Weiterführung, wirft zum anderen jedoch – in der Reflexion der Entwicklungen der neuesten Musik die Grenzen einer Philosophie der neuen Musik im Sinne Adornos thematisierend – auch gleichzeitig die Frage nach der Notwendigkeit einer über Adorno hinausgehenden Neuformulierung einer Musikästhetik auf, die den Herausforderungen der Neuen und neuesten Musik theoretisch gewachsen ist.

Der Eintritt zum mica focus ist frei!

 

Die Diskussions- und Vortragsreihe micafocus /Kunstmusik und Öffentlichkeit wird unterstützt durch die Abt. für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.