„Meine musikalische Vorstellung hat etwas sehr Räumliches“ – Jakob Schauer im mica-Interview

JAKOB SCHAUER ist ein Multitalent. Er ist gleichzeitig Musiker und Klangkünstler, Veranstalter und Festivalmacher und bewegt sich dabei gekonnt zwischen den Genres und Sparten. Sein letztes Jahr erschienene Album „In Death I Am Caressing You“ (Forwind) spannt den Bogen von Post-Club zu Elektro-Akustik, von computergenerierten Sounds zu Dark Ambient. Im Gespräch mit Shilla Strelka erklärt der Musiker was ihn inspiriert, welchen Stellenwert taktile Wahrnehmung für ihn einnimmt und wie wichtig Räumlichkeit in seinem Schaffen ist.

Du kommst ursprünglich aus Wels. Wie bist du musikalisch sozialisiert?

Jakob Schauer: Die Musikszene in Wels beschränkt sich stark auf den Schlachthof, eine der wenigen noch lebenden Kulturinitiativen in der Stadt. Wir haben damals mit Freunden Bands formiert und dort unsere ersten Konzerte gespielt.

In welchem Genre habt ihr euch bewegt?

Jakob Schauer: Das war Death Metal, aber wir hatten verschiedene Formationen. Den ersten großen Gig hatten wir bei einem Bandcontest. Da war ich, glaube ich, 16.

Wie ging es dann weiter?

Jakob Schauer: Dann war ich ein Jahr in Prag und habe einen Auslandszivildienst gemacht und hatte dort neben der Arbeit viel Zeit, um Musik zu machen. Ich wollte mich eigentlich für den Tonmeister in Wien vorbereiten und habe sehr viel produziert und geübt. Damals habe ich noch Gitarre und Klavier gespielt. Das war ein Jahr lang intensives, autodidaktisches Musiklernen, üben, produzieren.

Du wusstest also schon relativ früh, dass du dich auch professionell mit Musik auseinandersetzen willst?

Jakob Schauer: Ja, das war schon immer so ein Traum. 

Du hast dich dann aber von den klassischen Instrumenten entfernt und dich der elektronischen Musikproduktion zugewandt.

Jakob Schauer: Ja, wobei mich die Gitarre sehr lange begleitet hat. Sie verstaubt zurzeit ein bisschen, aber sie hat mich sehr geprägt. Ich merke erst jetzt mit der Zeit, wie sich diese Einflüsse wieder zueinanderfügen.

An der Elak hast du Computermusik und elektronische Medien studiert.

Jakob Schauer: Ja, das habe ich abgeschlossen. Mittlerweile bin ich auf der Angewandten, um digitale Kunst zu studieren. 

Kommt daher dein A/V-Bezug?

Jakob Schauer: Ja, ich glaube schon. Ich habe hier Marian Essl kennengelernt. Wir wussten gleich, dass wir etwas zusammen machen wollen. Ich habe dort auch Jakob Hüttel von Hand mit Auge kennengelernt, mit denen ich mein Studio teile. Somit hatte ich Beziehungen zu Visualist*innen aufgebaut. Auch der Digital-Arts Einfluss kommt von dort.

„(I)ch weiß, dass mein Ansatz extrem visuell ist“

Würdest du sagen, dass dein Ansatz interdisziplinär ist?  

Jakob Schauer: Das kann ich nicht genau sagen, aber ich weiß, dass mein Ansatz extrem visuell ist. Meine musikalische Vorstellung hat etwas sehr Räumliches und in diesem imaginierten virtuellen Raum komponiere ich dann auch meine Sounds, die mal größer und mal kleiner werden, verschiedene Intensitäten haben, und auch einen gewissen physischen Eindruck vermitteln — eine Präsenz im Raum bekommen. Das ist grob der kompositorische Ansatz: einerseits sehr visuell, andererseits sehr räumlich.

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Was mich auch an Computerspiele erinnert — die Vorstellung, dass du dich durch eine Landschaft bewegst und unterschiedliche Räume aufgehen. 

Jakob Schauer:
Da hast du völlig Recht. Ich habe auch eine Zeit lang mit Soundscapes herumexperimentiert, die an verschiedenen Orten einer 3D-Welt eingebettet sind. Ich habe in einer Software ein Virtual Reality Game designed, in dem Sounds als 3D Objekte visualisiert waren. Man konnte dann die Sounds einfangen und woanders hintragen, Soundscapes im 3D-Raum umpositionieren und vermischen und so eine eigene räumliche Komposition bauen. Das Projekt ist leider irgendwo unfertig auf meinem Laptop vergraben. Aber es war eine Idee, diesen kompositorischen Ansatz zu visualisieren und erfahrbar zu machen.

„Für mich haben Sounds immer etwas Skulpurales oder Objekthaftes“

Wie würdest du für dich das Verhältnis von Sound, Raum und Komposition definieren?

Jakob Schauer: Für mich haben Sounds immer etwas Skulpurales oder Objekthaftes, mit der tollen Eigenschaft, dass sie sich verändern können — somit verändern sie auch ihre Präsenz. Objekte stehen immer in einer räumlichen Beziehung zueinander und werden zu einer Komposition.

Deine musikalische Sprache ist nicht eindeutig einem bestimmten Raum zuordenbar. Sie funktioniert sowohl im seriösen Konzertraum als auch im Clubraum. Wenn du sagst, dein Zugang ist ein räumlicher, inwieweit spielen diese unterschiedlichen Räume eine Rolle?

Jakob Schauer: Was ich ungern mache, ist mein Setup überall hin mitzunehmen und meine Sounds dort einfach rauszuballern. Ich bespiele unterschiedliche Orte unterschiedlich. Dadurch, dass ich alles so räumlich denke, muss man die akustische Situation auch im Realraum erst einmal fassen und versuchen das in diesen Raum zu transferieren. Und wenn der Realraum kein Clubsetting ist, sondern ein konzentrierter Konzertraum oder eine große Halle, dann versuche ich das auch anzupassen und auf diese Räume einzugehen. Ich finde es furchtbar, wenn sich die Musiker*innen überhaupt nicht mit den Räumen in denen sie spielen, beschäftigen. Das ist schon sehr wichtig für mich. 

Du arbeitest auch gern im Mehrkanalton. Welche Settings machen das möglich? 

Jakob Schauer: Es gibt manche Veranstalter*innen oder Veranstaltungsräume die solche Settings für Konzerte anbieten, z.B. die Alte Schmiede oder der echoraum. Manchmal hatte ich auch schon das Vergnügen mit einem Akusmonium zu performen. Das ist von Situation zu Situation sehr unterschiedlich. Gerade im Installationskontext finde ich es auch recht spannend mehrkanalig zu arbeiten, da es oft genug auch die Zeit gibt, um sich mit den Räumen akustisch zu beschäftigen. Ich arbeite z.B. gerade an einer 5-Kanal-Klanginstallation im Metro Kinokulturhaus für eine Oskar Werner Retrospektive. 

„Mir ist es beim Komponieren sehr wichtig (…) jedem Stück einen emotionalen Kontrapunkt zu verpassen.“

Du hast vor einigen Monaten dein drittes Album „In Death I Am Caressing you“ herausgebracht. Der Titel ist einigermaßen abgründig, die Zeiten sind es auch. Fast alle Nummern haben etwas Düsteres, Bedrohliches, Dunkles. Beziehst du darin Stellung zur Gegenwart?

Jakob Schauer: Ja, das stimmt. Es hat in der Tat etwas Düsteres und Bedrohliches, was sich sicher aus mancher Perspektive meiner Weltsicht ableitet, oder einem pre-eskalativen Gefühl, das sich in mir breit macht, wenn ich mich mit unserer Welt beschäftige. Aber mehr noch hat es emotionale Extreme mit einem viel breiteren Spektrum als dunkel und düster. In fast allen Nummern glaube ich auch etwas Schönes, Sanftes, Versöhnliches, oder sogar Heiteres versteckt zu haben.   

Mir ist es beim Komponieren sehr wichtig mehr als nur eine Stimmung zu verpacken und jedem Stück einen emotionalen Kontrapunkt zu verpassen. Ich glaube nur so kann sich Musik oder Sound auch wohin entwickelt und dich mit auf eine Reise nehmen.

Jakob Schauer (c) Jacqueline Korber / WirLiebe

Deine Soundpalette speist sich nicht nur aus elektronischen Klängen, sondern auch elektro-akustischen Artefakten, wenn mich nicht alles täuscht. Was war dein Ausgangsmaterial, mit welchen Geräten arbeitest du? 

Jakob Schauer: Ich habe einen Modular Synthesizer, mit dem ich arbeite, und es kommen Sounds vor, die ich in den letzten fünf Jahren gesammelt habe. Da sind ganz viele Klänge dabei, auch Materialaufnahmen, die ich dann in Max MSP weiterverarbeitet habe.  Die meiste Arbeit war es, die ganzen Sounds, die ich gesammelt habe zu schneiden und so zu komponieren, dass genau das daraus wird, was es sein soll. Es gibt an manchen Stellen ganz viele Layers, die aus unterschiedlichen Audiorecordings, oder Synthesizer oder Max MSP Patches bestehen. Da steckt ganz viel Fitzelarbeit drinnen.

Du setzt dich auch mit algorithmischen Verfahren auseinander. Auf diesem Album haben die aber keine Rolle gespielt, oder?

Jakob Schauer: Eigentlich nicht, weil die Kompositionen des Albums schon sehr handmade sind. Die Dramaturgie der Stücke ist nicht von einem Algorithmus bestimmt, sie entspringt in dem Fall wirklich meiner Imagination. Obwohl ich den Ansatz sehr spannend finde und auch sehr viel damit arbeite. Gerade bei Performance- oder Theaterprojekten, wo ich auch andere Dinge, z.B. als Performer, zu tun habe, ist es super, wenn man Dinge laufen lassen kann, ohne Soundfiles loopen zu müssen.

Wie bist du kompositorisch vorgegangen? Arbeitest du intuitiv?

Jakob Schauer: Ja, diese kompositorischen Bögen, wie sich die Stücke aufbauen und wieder zersetzen, sind wirklich sehr intuitiv gebaut. Sehr selten gibt es eine stückübergreifende Form, die genau bestimmt, wohin welche Teile kommen. Es gibt zwar schon Wiederholungen und Elemente, die wiederkehren, aber die Komposition ist nicht sehr starr. Es gibt kaum musikalische Takte, die etwas vorgeben — es ist nach Gespür designed.

„(D)as Bedürfnis, mehr zu bewegen als nur das Trommelfell“

Wenn du von Intuition sprichst — was inspiriert dich? Was leitet deine Intuition?

Jakob Schauer: Ich interessiere mich für Physikalität, für Präsenz und Nichtpräsenz im Raum und die Stücke haben etwas sehr Physisches für mich. Vielleicht ist es auch das Bedürfnis mehr zu bewegen als nur das Trommelfell.  

Dann muss es ja sehr befriedigend sein, Live-Shows zu spielen.

Jakob Schauer: Ich liebe es, Live-Shows zu spielen. 

Du hast früher auch Drum’n’Bass-Shows mitveranstaltet. Inwiefern spielen Genres, die einen starken Körperbezug haben, eine Rolle für dich? 

Jakob Schauer: Ich glaube schon, dass mich die Zeit im Club sehr geprägt hat. Der Einfluss aus der Clubmusik ist sehr stark gegeben — dass man die Sounds auch wirklich spüren muss.

Du hast erwähnt, dass du auch für Theater und Performance Sounddesign machst. Könntest du dazu etwas erzählen? 

Jakob Schauer: Konkret gibt es mit den Leuten vom Setzkasten, also mit Maria Koller und Stefan Voglsinger das Projekt TTTOXic Paradise. Da gab es letzten April eine dreistündige Multimedia-Performance mit vielen Performer*innen und Musiker*innen. Ich war Performer und Sound Operator. Wir haben Lautsprecher in der Steinergasse aufgebaut und meine Aufgabe war es, das akustische Ambiente für die Performance zu formen und auch als Performer aufzutreten. Das war sehr schön, weil es sehr Disziplin-übergreifend war. Gerade bei solchen Projekten versuche ich mit Mehrkanalton zu arbeiten, da die Räume die wir bespielen oft mehr zulassen als eine frontale Bühnensituation.

Kollaborationen sind für dich generell wichtig. Du bist in einige gemeinschaftliche Projekte involviert. Vielleicht kannst du über das Projekt mit dem Visualisten Marian Essl sprechen? In dieser Formation bist du ja öfters zu erleben.  

Jakob Schauer: Ja, als wir uns damals kennengelernt und angefangen haben, miteinander zu experimentieren, war das ziemlich einfach, weil wir ästhetisch ziemlich gut zusammenpassen. Das war nach dem ersten Album „Antlitz”, das sehr sphärisch und flächig ist, auch sehr filmhaft, nicht so gestisch. Damals waren Marians Visuals Echtzeit-generativ, haben sich langsam verändert und hatten viele Details, wie meine Musik. Es war sehr leicht, das zusammenzuführen, und hat nicht viel gebraucht, um das miteinander funktionieren zu lassen, weil Sound und Bild schon sehr ähnlich waren.

Jakob Schauer (c) Jacqueline Korber / WirLiebe

Du bist nicht nur als Musiker aktiv, sondern hast 2016 auch die Veranstaltungsreihe Wow! Signal ins Leben gerufen. Aus welchem Bedürfnis heraus?

Jakob Schauer: Es war mein letztes Jahr auf der Elak, und ich war total begeistert, was es da alles gibt und wie das klingt — ich war Feuer und Flamme dafür. Damals hatte ich keine Ahnung von der Wiener Szene und was da schon gemacht wird. Ich habe mir einfach gedacht, man muss Konzerte veranstalten. Man muss das an die Leute bringen und dann war ziemlich schnell klar, dass wir unser eigenes Event machen. Dadurch habe ich die Leute aus der Szene erst kennengelernt. Am Anfang stand nur das Bedürfnis zu präsentieren woran wir arbeiten.

Wenn du wir sagst, von wem sprichst du da? Gibt es ein Kernteam? 

Jakob Schauer: Ich organisiere und kuratiere bisher vieles im Alleingang, aber alles geht von unserem Kulturverein TURBA aus, der in der Öffentlichkeit nicht präsent ist und aus Tobias Leibetseder, Julian Rubisch, Patric Redl, Michael Mikolasek und mir besteht. Das ist ein Teil meines Jahrgangs aus der Elak.

Wo liegt der musikalische Fokus von Wow! Signal?

Jakob Schauer: Der ist sehr breit gefächert. Am Anfang war uns Niederschwelligkeit extrem wichtig, deshalb wollten wir auch im Kramladen veranstalten, da gab es viel Laufpublikum und Publikum aus anderen Musikszenen. Wir wollten eine Vermischung provozieren und das ist uns zum Teil auch gelungen. Der Fokus liegt auf Experimentalmusik, Improvisation und Klangkunst im weitesten Sinn.

Und dann gibt es da auch noch das gleichnamige Festival, das einen Fokus auf A/V-Projekte hat.

Jakob Schauer: Genau, ja. Das Wow! Signal Festival fand letztes Jahr in seiner zweiten Ausgabe in der Steinergasse 8 statt. Wir hoffen auch dieses Jahr wieder etwas veranstalten zu können.

Und abschließend: woran arbeitest du derzeit?

Jakob Schauer: Ich arbeite zurzeit an einer Ausstellung im Metrokino. Da gibt es eine Oskar Werner Retrospektive und ich entwerfe eine Mehrkanal-Soundinstallation, eine Soundcollage aus Interviews von und über Oskar Werner. Die wird am 24. März eröffnet. Außerdem ist im echoraum meine Arbeit „Bewegungen“ zu sehen — eine Installation, die aus vielen kleinen Lautsprecher an der Wand besteht, die in einer Reihe montiert sind und eine Komposition von Click-Sounds wiedergeben. Die hängt jetzt fix im Stiegenaufgang.

Vielen Dank für das Gespräch!

Shilla Strelka

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Termine:

24.3. Retrospektive Oskar Werner – Metro Kinokulturhaus // Sound installation
6.4. Sonic Territories – rhiz // Solo
11.5.-14.5. TTTOXic Paradise – Zacherlfabrik // Performance

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