„MEINE MUSIK HAT KEINEN ANSPRUCH AUF VOLLENDUNG – CONNY FRISCHAUF IM MICA-INTERVIEW”

CONNY FRISCHAUF kennt keine Töne und kennt sie doch, um sie wieder nicht kennen zu müssen. Denn muss man etwas können, um etwas zu machen? Diese und andere Gedankenketten knüpft die Künstlerin in ihrem neuen Album “Kenne Keine Töne” (VÖ: 28. Juni 2024) und schwimmt dabei in einem konstanten In-Bewegung-Sein. Von ganz klein, bis ganz groß: FRISCHAUFS Musik nimmt unterschiedliche Räume an und wird haptisch, wo sie am meisten berührt. Wie dabei die Auseinandersetzung mit Gewässern und ihre künstlerische Arbeit zusammenlaufen, und wieso sie denkt, dass “Community” heutzutage oft zu einem Buzzword verkommt, erzählt die Musikerin im Gespräch mit Ania Gleich. 

Was hat sich bei dir seit dem letzten Album getan? 

Conny Frischauf: Die letzten drei Jahre waren für mich sehr bewegend. Zuerst war ich ein halbes Jahr in Litauen und als ich dann nach Wien zurückgekommen bin, hatte ich die Gelegenheit, bei einer Performance von Veza Fernández im Brut den Sound beizusteuern. Kurz darauf kamen knapp aufeinanderfolgend Covid und ein Bandscheibenvorfall, wodurch ich eine Weile keine Konzerte spielen konnte. Gleichzeitig musste ich mich dadurch das erste Mal fragen: Wie kann ich mit so einer physischen Einschränkung mit Öffentlichkeit umgehen? Also, kurz gesagt, die letzten drei Jahre waren intensiv: Eine Herausforderung und ein Potenzial, dass sich etwas Neues eröffnet, was auch ganz stark passiert ist.

Was hast du aus deiner temporären Einschränkung für Schlüsse gezogen? 

Conny Frischauf: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich bin einfach froh, wenn ich mich bewegen kann und die Kapazitäten habe, an bestimmten Dingen teilnehmen zu können. Es ist ja so, dass durch körperliche Einschränkungen auch soziale Partizipation schwierig wird. Wenn man lange sitzen oder stehen muss, geht das mit einem Bandscheibenvorfall einfach nicht. Es ging darum, sich zu adaptieren. Als selbstständige Künstlerin geht es aber immer darum, wie man sich an gewisse Situationen anpassen kann. Und das ist mit physischen und mentalen Herausforderungen genau so. Dieses „Wie kann man sich in der Welt situieren“ würde ich auch auf politische Situationen umlegen, weil sich auch dahingehend in den letzten drei Jahren so viel verändert hat. Das beeinflusst natürlich den Zeitgeist von Künstler:innen. 

„ES GIBT TENDENZEN, DEN BEGRIFF ‘GEMEINSCHAFT’ ODER ‘COMMUNITY’ FÜR ETWAS ZU VERWENDEN, DASS ES GERN SEIN WILL, ES ABER KONZEPTUELL NICHT ERFÜLLEN KANN.”

Und wie hat sich dein Verhältnis zur Öffentlichkeit verändert? Auch, was die sozialen Medien betrifft? 

Conny Frischauf: Vor drei Jahren wollte ich auf keinen Fall Instagram oder Social Media verwenden. Ich empfinde es immer noch als Herausforderung , aber will Inhalte auch mit Menschen teilen, die sich darauf bewegen und deren Themen mitbekommen. Über Instagram und Social Media äußert sich vieles: Die meisten Veranstaltungen oder Veröffentlichungen bekommt man hauptsächlich so mit.   

Wird der Dialog nicht verkürzt durch Tools wie Instagram? 

Conny Frischauf: Ja, und deswegen suche ich immer noch am liebsten den direkten Dialog. Ich bin eine direkte Person und habe keine Scheu, auf Menschen zuzugehen und Dinge in einem respektvollen Umfang anzusprechen, anzuhören und sich dadurch auszutauschen. Social Media ersetzt auf keinen Fall diese persönlichen Interaktionen. Es fällt mir schwer auf dieses Monologische, das soziale Medien suggerieren, einzugehen, weil es mir oft wie ein bloßes  ein Rein- oder Rausballern vorkommt . Das fördert das Dialogische nicht. Es ist ein gutes Mittel, um gewisse Situationen anzusprechen oder aufzuzeigen, aber ich glaube nicht, dass der Dialog so stattfindet. Es entfremdet einen eher, wenn man glaubt, dass dadurch eine Form von Gemeinschaft entstehen kann. Das Thema Gemeinschaft ist gerade im zeitgenössischen Kunstkontext sehr präsent. 

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Inwiefern ist es für dich präsent?

Conny Frischauf: Das ist eine gute Frage und ich müsste darüber ein bisschen länger nachdenken, um eine ausgewogene Antwort zu geben. Grundsätzlich würde ich mit diesem Begriff ein bisschen vorsichtig umgehen, denn meines Empfindens wird er so herumgeworfen, gerade so Worte wie „Community-Building.“ Ich glaube, dass Gemeinschaft nicht nur durch einmalige Events entsteht, sondern dass es dieses In-Dialog-Treten braucht. Es geht um das Sich-aufeinander-beziehen-können. Das macht Gemeinschaft aus. Es gibt Tendenzen, den Begriff „Gemeinschaft“ oder „Community“ für etwas zu verwenden, das es gern sein will, es aber konzeptuell nicht erfüllen kann. Nicht falsch verstehen: Oft geht eine Handlung von einer Idee aus und das ist auch gut, deswegen finde ich Konzepte nicht generell verwerflich. Oft bleiben solche Konzepte dann aber in diesem kleinen institutionellen Rahmen, wo sich nur eine gewisse Personengruppe aufhalten kann. Und das finde ich schwierig. 

Community-Arbeit ist auch nur Beziehungsarbeit und die wollen viele nicht machen.

Conny Frischauf: Das ist vielen Menschen zu anstrengend und ich kann es auch verstehen! Es gibt gerade generell so viele Herausforderungen. Wenn man sich denkt, um wie viele Dinge man sich Gedanken machen muss, von Finanzen bis Weltpolitik: Dann auch noch ständig diese Konfrontation über Social Media zu haben, wo nicht mehr klar ist, welche Meinung man haben darf. Klar, dass es den Menschen so schwerfällt, sich auf diese Dinge einzulassen. 

Deine Lyrics fangen auch viele Stimmen ein. Wie arbeitest du an Texten? 

Conny Frischauf: Ich habe keine Vorstellung davon, wie ich das beschreiben kann, denn es passiert einfach! Ich denke nie, dass ich jetzt einen Text schreibe, der dann die und die Melodie hat. 


Wie „passiert“ es bei dir? 

Conny Frischauf: Unterschiedlich. Es kommt vor, dass es etwas gibt, wo ich eine A4-Seite durchschreibe. Manchmal sind es aber nur ein paar Wörter, aus denen dann viel später erst ein Zusammenhang entsteht. Es ist ein konstantes In-Bewegung-sein. Und wenn das jetzt noch nicht das finale Album wäre, würden sich die Texte vermutlich nochmal ändern. Meine Arbeit hat keinen Anspruch auf Vollendung. 

„WENN ICH MIR GEWISSE KLÄNGE UND TÖNE SCHON ANGEEIGNET HABE, WERDEN DIESE ZU ETWAS MATERIELLEM, DAS ICH DENKE BESITZEN ZU KÖNNEN. ‘KENNE KEINE TÖNE’ HINGEGEN IST WIE EINE LEERE, DIE GANZ VIELE MÖGLICHKEITEN BIETET.”

Was bedeutet es dann für dich, wenn ein Album fertig ist? 

Conny Frischauf: Es gibt immer Momente, wo klar ist: So kann und will das jetzt stehen bleiben. Ich glaube nicht, dass ich das alleine entscheide. Mit dieser Form von Fixierung und dem Vollenden in der Abstraktion wollte ich auch darauf hinaus, dass ich in meiner textuellen Arbeit bewusst viel offen lasse. Gleichzeitig umschließt sie etwas. Ambivalenz und Gleichzeitigkeit spielen dabei für mich eine Rolle. Ich glaube, dass, wenn sich etwas äußert, es so stehen bleiben will – dann habe ich keinen Einfluss mehr drauf. Irgendwann sagt der Text einfach: Hallo, ich bin’s! 

Ist das auch ein Grund, warum du das Album „Kenne keine Töne“ genannt hast? 

Conny Frischauf: Auf der Platte wird es ein Label geben, auf dem steht: „Kenn’ ich keine Töne oder kenn’ ich welche, ist doch gleich wie ungleich und weit wie dazwischen.“ Die Frage ist also: Wenn ich sage, dass ich keine Töne kenne, kenne ich dann nicht schon Töne? Das impliziert weiter, was man können muss, um etwas zu machen. Und muss man etwas können, um etwas zu machen? Wenn ich keine Töne kenne, können sie nicht trotzdem kommen? Vor allem in diesem Prozesshaften, in dieser Nicht-Aneignung. Wenn ich mir gewisse Klänge und Töne schon angeeignet habe, werden diese zu etwas Materiellem, das ich denke besitzen zu können. „Kenne keine Töne“ hingegen ist wie eine Leere, die ganz viele Möglichkeiten bietet. 

Wenn ich mir gewisse Klänge und Töne schon angeeignet habe, werden diese zu etwas Materiellem, das ich denke, besitzen zu können. „Kenne keine Töne“ hingegen ist wie eine Leere, die ganz viele Möglichkeiten bietet. 

Man muss also die Töne kennen, um sie wieder verlernen zu können?

Conny Frischauf: „Verlernen“ ist auch so ein Begriff. Ich habe viel autodidaktisch gelernt. Es braucht immer auch das Wissen darüber, dass es Töne gibt, um sie nicht kennen zu können. Aber genauso kann es sein, dass ich sie nicht kennen muss, um sie kennen zu können. Das sind die zwei Ebenen für mich. 

Wasser ist auch ein großes Thema bei dir. Was ist dein Zugang dazu und gibt es einen Zusammenhang mit dem Album? 

Albumcover Kenne keine Töne
Albumcover “Kenne keine Töne”

Conny Frischauf: Gewässer sind für mich omnipräsent. Das ist etwas, mit dem ich mich auf ganz vielen Ebenen auseinandersetze. Ich arbeite dieses Jahr viel an der Donau, denn ich habe das Kompositionsstipendium der Stadt Wien bekommen. In dieser Arbeit geht es viel um Fieldwork und die Auseinandersetzung mit Gewässern in verschiedenen Kontexten. Dann gibt es noch ein Langzeitprojekt „Waters and Borders“, das ich letztes Jahr begonnen habe. Da geht es um Gewässer und Grenzgebiete. Gerade eben bin ich für zehn Tage an der Thaya, an  der tschechisch-österreichischen Grenze, um zu arbeiten. Im Vordergrund stehen künstlerische Feldforschung und Soundaufnahmen, wie auch Fieldnotes.

Ich bewege mich dabei über die Grenze und entlang der Grenze, denn mich interessieren geopolitische und historische Fragestellungen und Fragen zur nationalstaatlichen Identitätsbildung, genauso wie die Auseinandersetzung mit Ökologie und Klimaschutz. Wenn man sich mit Gewässern und Grenzgebieten auseinandersetzt, dann passieren ganz viele Dinge. 

Wie fließt das in das Album? In „Test“ hast du etwa auch historische Aufnahmen ineinander geblendet, wo es um Grenzen und Identität geht, oder? 

Conny Frischauf: Ich habe ein Archiv an Library-Sounds. Einerseits Vertonungs- und andererseits Archivplatten. Sie werden oft auch Tondokumente genannt. Das hat mich schon immer interessiert. Diese spezifischen Aufnahmen haben einfach so gut zum restlichen Text in „Test“ gepasst. Außerdem bezieht sich die Einspielung ja gut auf aktuelle politische Ereignisse in Österreich. 

Es sind ja auch zwei verschiedene Zitate, die ineinanderfließen, nicht? 

Conny Frischauf: „Ich bin jetzt zum ersten Mal in Wien“ und „Wir erleben hier einen erregenden Augenblick“. Ich habe die beiden Zitate auch deswegen ausgekoppelt, weil sie für das Lied eine eigene Bedeutung bekommen. Mir war es wichtig, da in eine historische Verkörperung hineinzugehen und einen Bezug zur Stadt herzustellen. In dem einen Zitat geht es um die Grenzöffnung um 1989. Und ich glaube schon, dass in diesem Jahr – das ein wichtiges Wahljahr in Österreich ist – diese Identitätsfrage eine Rolle spielt. Das Lied ist für mich ein sehr politisches! 

„FÜR MICH IST MUSIK AUF JEDEN FALL IMMER ETWAS SEHR RÄUMLICHES UND HAPTISCHES.”

Du wurdest ja unter Anderem eingeladen, im Geografie-Institut einen Vortrag zu halten. Wie kommst du als Künstlerin dazu?

Conny Frischauf: Das hat alles mit diesem Stipendium zu tun. Da begegnet man sich zufällig und über mehrere Ecken. Ich habe letztes Jahr begonnen, Workshops zu organisieren. Etwa zur Wahrnehmung von Raum als künstlerische Praxis, weil ich finde, dass das eine spannende Möglichkeit ist, sich in einer Gruppe auszutauschen. So bin ich dann zu diesem Herrn vom Geografie-Institut gekommen. 

Ich finde, Raum nimmt eine wichtige Rolle in deinem Album ein. 

Conny Frischauf: Welcher Raum genau? 

Ich finde, jeder Song hat eine eigene Oberfläche und nimmt unterschiedlich viel Raum ein.

Conny Frischauf: Interessant. Ich finde es immer sehr spannend, wie Menschen unterschiedliche Wahrnehmungen haben. Ich habe ja keine Distanz mehr zu dem Album. Für mich ist Musik auf jeden Fall immer etwas sehr Räumliches und Haptisches. Ich kann das aber gar nicht so genau benennen. Eigentlich ist es absurd, über den Prozess von etwas zu sprechen, das schon abgeschlossen ist. 

Die Reflexionen, die wir hier anstellen, passieren immer erst im Nachhinein.

Conny Frischauf: Man kann sich aber immer aussuchen, wie man etwas beantwortet und wie man darauf zugehen mag.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Coverart vom ersten und zweiten Album? 

Conny Frischauf: Nein, eigentlich war das ein ganz offener Prozess. Beim letzten Album war es von der Künstlerin Anna Weisser. Bei diesem Album ist es von Anna Wacławek. Das ist eine polnische Künstlerin, die ich in Litauen kennengelernt habe. Sie ist spezialisiert auf Buchgrafik und arbeitet mit psychogeografischen Elementen. Wenn man das Albumcover dann in der Hand hat, wird das nochmal ganz anders ausschauen. Ich verstehe aber, wie man mit diesem Fragmentalen und den Farben, einen Zusammenhang vermuten kann, doch es gibt keinen geplanten. 

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Auf den Pressefotos posierst du mit einer Flöte: Was ist dazu die Hintergrundgeschichte? 

Conny Frischauf: Die kommt auf dem Lied „Röte“ vor und sie ist eine wichtige Flöte für mich. Ich habe sie auf einem Tourist*innenmarkt in Litauen gekauft. Mir gefällt sie vor allem, weil sie so einen hohen Anteil an Luft hat. Sie klingt nicht nur, sondern „aired“ auch. Es gibt ja Leute in der elektronischen Musik, die mit ihren Synthesizern posen, deswegen fand ich die Flöte symbolisch ganz spannend. Statt mit einem fetten Synth zu posen, mache ich das eben mit einer Flöte. Man sieht sie auch nicht gleich. Beim nächsten Mal wird es vielleicht eine Maultrommel! 

Danke für das Gespräch! 

Conny Frischauf: Danke dir!

Ania Gleich 

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