„MEIN HERZ IST SCHON EHER IM POP-BEREICH“ – PHIORA IM MICA-INTERVIEW

Im Jahr 2021 ist ihre erste Single „Too Late“ erschienen, eben hat SOPHIE LAURA SCHMIDT a.k.a. PHIORA ihre neue Single „Happier“ veröffentlicht. Die aus Oberpullendorf stammende Sängerin hat schon einiges erlebt und Jürgen Plank in diesem Interview davon erzählt: sie war beiVoice Of Germany“ dabei und ist gerade auf Tour in Japan. Außerdem hat sie eine toxische Beziehung überstanden, die sie im Lied „Too Late“ thematisiert. Gerade arbeitet PHIORA an ihrer ersten EP und erzählt, wie die EP musikalisch ausgestaltet und welche Inspiration George Michael und Wham dabei liefern könnten.

Anfang August 2024 ist deine neue Single „Happier“ erschienen. Was ist die Idee hinter diesem Song?

Phiora: Im Lied heißt es: „I am happier than ever“, also „Ich bin glücklicher als je zuvor“. Ich bin ein Mensch, der immer auf der Suche nach Neuem ist, ich möchte immer Neues erkunden und erleben. Sobald ich etwas erlebt habe, halte ich schon nach dem Neuen Ausschau und manchmal stolpert man dann, wenn man nicht gut fokussiert ist. Das Lied soll eine Hymne dafür sein, dass man stolz auf sich sein kann und mal zurückschaut und sagt: du hast schon so viel erreicht. So viel wie bisher eben möglich war. Schaue zurück, sei stolz auf dich und mache dann den nächsten Schritt: „I am searching but i am happier than ever.“

Zielst du auf den einzelnen Menschen und somit auch auf dich selbst?

Phiora: Das Lied zielt auf mich selbst, aber jeder kann das Lied auch auf sich beziehen. Viele Lieder von mir sind autobiographisch und oft geht es um Beziehungen. In diesem Lied nehme ich inhaltlich das Thema Beziehung hinein, dabei geht es aber nicht um eine bestimmte Beziehung, sondern um die Beziehung zu meinen Mitmenschen. Oft ist es so, dass Leute sich in einem down befinden und ich versuche, dann ihnen da heraus zu helfen. Ich helfe sehr gerne, aber manchmal muss man schauen, dass man aufsteht und mit eigener Kraft weiterkommt.

Wie siehst du deine Single „Happier“ angesichts der Weltlage, zu der aktuell neben Klimawandel auch Krieg in Europa gehört, um nur zwei Aspekte zu nennen.

Phiora: Dazu kann ich nicht viel sagen, außer dass dieser Song die Menschen kurz mal aus diesen Problemlagen herausholen soll. Der Text sagt: sei trotzdem im Moment glücklich, es ist dein Leben. Alles, was rundum passiert, ist schrecklich genug. Aber nehmen wir uns mal kurz Zeit und zelebrieren wir unser Leben und das, was wir selbst erreicht haben. Auf den Klimawandel kann die Menschheit natürlich nicht stolz sein und nicht zurückschauen und sagen, dass wir das super gemacht haben. Eher kann die neue Generation darauf stolz sein, dass sie versucht dagegen zu kämpfen.

Was inspiriert dich zum Songwriting?

Phiora: Der Prozess des Songwritings passiert bei mir andauernd. Ich denke sehr viel über Dinge nach, etwa darüber, dass man sich immer klar machen muss, wer man eigentlich ist und wohin man will. Meine Lieder entstehen, weil ich Dinge manchmal auch „zerdenke“, würde ich mal sagen. Überhaupt wenn es kühler wird, wenn es Herbst wird, mache ich mir viele Notizen. Ich versuche beim Songwriting die Dinge einfach zu halten und auf den Punkt zu bringen. Texte entstehen, wenn ich zur Ruhe komme, bei einem Spaziergang etwa oder wenn ich in einem Flugzeug sitze und keine Möglichkeit habe, etwas anderes zu tun. Ich rede gerade viel über das Fliegen, weil ich morgen nach Tokio fliege und dort mit einer Band unterwegs bin, die für eine Veranstaltung im Shiba-Park gebucht wurde, um dort Pop-Songs in englischer und deutscher Sprache zu singen. Ich werde für zwei Wochen Tokio erleben, dort war ich noch nie und es werden sicher neue Eindrücke und neue Songs entstehen.

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Deine erste Single „Too Late“ ist im Jahr 2021 erschienen, wie war dieser Moment, in dem du dich zum ersten Mal mit einem eigenen Song der Öffentlichkeit präsentiert hast?

Phiora: Das war eine sehr große Überwindung, weil es in diesem Song um eine langjährige toxische Beziehung geht, die mir sehr viel Leid, aber auch sehr viel Glück gegeben hat. Das macht Toxizität auch irgendwie aus. Ich habe versucht, diese Erfahrung in diesem Lied zu verarbeiten und ich wollte auch wieder zurück in diese Beziehung und dann auch wieder nicht. Im Lied kommt die Zeile vor: „I tried to make you stay and I try to get away.“ Damals habe ich viele Rückmeldungen bekommen, dass sich viele Leute mit dem Song identifizieren können. Mit diesem Song habe ich die meisten Streams erreicht, er ist also gut angekommen. Für mich war diese Veröffentlichung bis jetzt die größte Überwindung, weil es meine erste Single war und der Text so persönlich war. Die Leute im Burgenland, die mich und den Ex-Freund kennen, haben das Lied genau analysiert und zerlegt und gefragt, welchen Fehler ich denn gemacht habe.

Inwiefern war der Song für dich eine Art Befreiung? Bei toxischen Verbindungen wird man getäuscht und oft rasch in ein Beziehungsgeflecht hineingezogen, versucht sich zu befreien, wird wieder hineingezogen und hängt mitunter in einer Schleife aus Anziehung und Zurückweisung fest. Ist das Lied ein Schritt zur Loslösung gewesen?

Phiora: Leider gab es einen Rückschritt, denn um den Song so zu produzieren, wie er ist, habe ich mich in die ganze Situation wieder hineingefühlt. Im Nachhinein tut es mir jedes Mal gut, wenn ich das Lied live spiele. Während des Songwritings war es nicht leicht und es gab in dieser Beziehung sogar noch ein kurzes Comeback, sozusagen. Aber das ist jetzt Gott sei Dank alles wieder ad acta gelegt.

Unter dem Video zu „Up“ hat jemand in einem Kommentar einen Vergleich mit Tina Turner angestellt. Wie findest du das, kannst du damit etwas anfangen?

Phiora: Mein Lieblings-Coversong von Tina Turner ist „Simply The Best“, das Lied liebe ich. Vielleicht habe ich mir da etwas abgekupfert. Meine Idole sind eher Lady Gaga und Jess Glynne, starke Frauenstimmen.

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Lady Gaga ist neben ihrer Musik für ständig wechselnde und extravagante Outfits bekannt – Stichwort: Fleischkleid – und sie ist auch eine Aktivistin für die LGBT-Community. Inspiriert dich auch dieser Aktivismus?

Phiora: Mich inspiriert einfach ihre Stimme. Diese Stimme geht mir durchs Blut, wenn ich mir die Musik von Lady Gaga anhöre, spüre ich die Musik richtig. Ich weiß, wo sie singt, ich spüre das auf einer Frequenz, sozusagen. Und ich finde es super, wie sie sich verkauft, wie sie ihre Stimme erhebt. Es ist wichtig, dass sie ihren Status nutzt und etwas zu sagen hat. Die Kleidung war von Anfang an dafür da, Aufsehen zu erregen. Das ist natürlich sehr wichtig. Beim Video zu meinem Song„Perfect Confusion“habe ich ein pompöses Outfit gewählt, das bereue ich inzwischen. Da habe ich ein rosarotes Plüsch-Outfit an, wie Conchita Wurst bei der Moderation des Eurovision Songcontests.

„IN MEINER MUSICAL-AUSBILDUNG HABE ICH MICH IMMER FÜR DIE POP-SONGS ENTSCHIEDEN“

Neben der Pop-Musik bist du in einem Bereich unterwegs, der in Österreich sehr populär ist: Musical. Wie kam das?

Phiora: Das hat begonnen, weil meine Gesangslehrerin Musical-Darstellerin war. Damals war ich 14 Jahre alt und Musical war mein erster Eindruck von Musik. Ich habe mir gedacht, dass ich in einer Gesangs- und Tanzschule in Eisenstadt die Ausbildung für Gesang, Tanz und Schauspiel mache, weil das eine kompakte Ausbildung ist, die genau richtig für die Bühne ist. Denn ich wollte gerne live auftreten und Schauspiel ist ohnehin eine große Leidenschaft von mir. Vor kurzem habe ich auch eine Ausbildung als Werbesprecherin gemacht. Das sind interessante Themen, aber ich muss sagen: In meiner Musical-Ausbildung habe ich mich immer für die Pop-Songs entschieden. Mein Herz ist schon eher im Pop-Bereich. Deswegen mache ich momentan auch keine Auditions im Bereich Musical.

Bild Phiora
Phiora (c) Carina Antl

Du hast bei Voice Of Germany teilgenommen, wie war diese Erfahrung?

Phiora: Ich hatte damals noch keine eigenen Songs, habe einen zirka fünf Zentimeter dicken Vertrag vor mir liegen gehabt und mir gedacht: ich unterschreibe den jetzt einfach, weil ich da unbedingt dabei sein und ein Mal im Fernsehen sein will, um es allen zu zeigen. Ich habe fünf Runden geschafft und bin vor den blind auditions leider rausgefallen, weil da die Corona-Pandemie begonnen hat. Deswegen durfte ich nicht nach Berlin reisen. Ich habe dann meinen Beitrag zu Hause aufgenommen und hingeschickt und wenn du selbst aufnimmst, dann nimmst du viele Versionen auf und ich war mit dem Ergebnis unzufrieden und so hat es nicht mehr gereicht, um weiter zu kommen. Von Voice Of Germany nehme ich zum Beispiel mit, dass man nicht einfach irgendeinen Vertrag unterschreiben soll.

Was war für dich ein prägendes Live-Erlebnis?

Phiora: Das war Anfang September 2024 am Wiener Rathausplatz beim Film Festival. Wir haben eine halbe Stunde lang gespielt und es hat sich zum ersten Mal so angefühlt, dass wir wertgeschätzt werden. Ich habe nur meine Songs mit Band gespielt, wir wurden auch bezahlt und das ist ja auch nicht immer so. Das war mein schönstes Erlebnis und vor dem Auftritt war ich nervöser als sonst.

Bild Phiora
Phiora (c) Carina Antl

Du unterrichtest inzwischen auch Gesang, welchen Tipp gibst du deinen Schülern und Schülerinnen, wenn sie dich auf Lampenfieber ansprechen?

Phiora: Man darf nie seine eigene Leidenschaft vergessen und man sollte einen Auftritt so sehen, dass man glücklich darüber ist, etwas vortragen zu dürfen. Man hat dafür gearbeitet und gelernt, mein Tipp geht also eher in die wertschätzende Richtung: danke, dass ich auftreten darf.

Vermittelst du im Unterricht auch Wissen zum Musikbusiness, du hast da ja bei Voice Of Germany hinein geschnuppert.

Phiora: Wir reden schon darüber, es gibt zwei Schüler:innen, die wirklich eigene Songs veröffentlichen. Die anderen machen Musik eher als Hobby und um sich selbst zu verwirklichen. Manche sehen Musikmachen und Gesangsunterricht fast wie eine Therapie. Das sehe ich selbst auch so, es tut einfach gut, Gesangsunterricht zu nehmen. Wir tauschen uns zu einzelnen Fragen natürlich aus.

Seit einigen Jahren agierst du von Wien aus, davor warst du in Oberpullendorf. Wie war die Szene dort?

Phiora: In Oberpullendorf war es nicht so leicht, ich war dort im Gymnasium und wir hatten eine Schulband, bei der ich die Sängerin war. Das war super und schön für mich, aber viel mehr hat es dort nicht gegeben. Bei uns ist die kroatische Minderheit im Musikbereich gut vertreten und gut vernetzt. In der KUGA in Großwarasdorf sind auch viele Freunde von mir verortet. In Oberpullendorf gibt es eine Musikschule, aber dort ist alles eher distanziert und es gibt kein Miteinander.

Sind die KUGA oder die Cselley-Mühle in Oslip mögliche Auftrittsorte für dich?

Phiora: In der Cselley-Mühle habe ich meine letzten Musical-Stücke gespielt, die wurde jetzt umgebaut und das ist ein guter Tipp. Ich werde da mal für nächstes Jahr anfragen. Das gilt auch für die KUGA, dort gibt es das Festival „Croatisada“ und das werde ich für nächstes Jahr anpeilen.

Da du schon von der Zukunft sprichst: was wäre eine gute Entwicklung für deine Karriere in den nächsten 5 Jahren?

Phiora: Momentan bin ich motiviert, eine Typ-Veränderung zu machen und eine EP genau so zu gestalten, dass der Sound entsteht, den ich will. Das kann auch in Richtung Soul gehen und in Richtung Jazz. Die Covers, die ich spiele, etwa Lieder von Amy Winehouse oder „Just The Two Of Us“ liegen mir so gut und die Leute hören dabei immer aufmerksam zu. Sobald ich da den ersten Ton singe, schaut das Publikum auf. Meine Leidenschaft geht ohnehin in diese Richtung und ich denke, ich sollte daraus etwas machen. Ich würde zum Beispiel gerne ein Saxophon dabeihaben. Die Band Wham mit George Michael ist für mich auch eine Ikone und wurde in meiner Familie viel gehört und er hatte oft ein Saxophon dabei. Das würde mir richtig gut gefallen. Wichtig ist für mich in den nächsten Jahren meinen eigenen Sound zu finden und Songwriting mit verschiedenen Leuten auszuprobieren.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Phiora live
03.10.2024: Kramladen, Wien, gemeinsam mit: Livin’ Vintage

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