Eine klassische „B‘soffene G‘schicht“, wie man sie aus Österreich kennt: In einem Familienurlaub im Jahr 2014 schreiben die Cousinen Hannah und Laura Breitfuß unter dem Einfluss von griechischem Wein einen Song – ohne jeglichen Hintergedanken. Jahre später treten sie nun regelmäßig in New York und anderen Metropolen als Band auf. Dass es sich bei den beiden um keine gewöhnlichen Sängerinnen handelt, wird schnell klar, denn sowohl in musikalischer, stilistischer als auch sprachlicher Hinsicht kennen sie keine Normen und keine Tabus. Katharina Reiffenstuhl spricht mit COUSINES LIKE SHIT über die Erfolgsgeschichte einer Band, die eigentlich nie geplant war.
Ich bin mir sicher, eure Band hat eine wahnsinnig interessante Entstehungsgeschichte.
Hannah Breitfuß: Die Band ist in Griechenland bei einem Familienurlaub entstanden. Eigentlich war es ein sehr traumatischer Tag. [lacht] Es war ein Dorffest in der Nähe geplant, wo wir unbedingt hingehen wollten. Man musste mit dem Auto hinfahren, wir haben aber keines gehabt und es wollte uns auch niemand hinführen. Dann haben wir angefangen Retsina zu trinken.
Laura Breitfuß: Im Frust, natürlich. Wir waren dort praktisch gefangen. Irgendwann haben wir angefangen auf einer DIN A4-Seite jeweils abwechselnd ein Wort aufzuschreiben, bis mehrere Seiten vollgeschrieben waren. Das war die Geburt des ersten Songs und damit auch die der Band.
Hannah Breitfuß: Am nächsten Tag haben wir das erste Konzert gegeben, am Strand für die Familie.
Laura Breitfuß: In dem Song ist die Zeile “cousines sitting like shit” vorgekommen. Wir wollten dieses Konzert natürlich gleich als Band ankündigen und haben uns dann provisorisch einfach “cousines like shit” genannt.
Hannah Breitfuß: Das ist jetzt aber doch schon eine Zeit her. Ein paar Jahre lang ist das so dahingegangen, wenn wir uns gesehen haben, haben wir gemeinsam Texte geschrieben.
Laura Breitfuß: So wirklich angefangen hat es dann in der Kunstszene, dass wir bei Galerien von Freunden kleinere Auftritte gehabt haben. Irgendwie hat sich das dann verselbstständigt und mehr Größe und Struktur dazu gewonnen. Es hatte aber doch eine lange Vorlaufzeit.
Was hat es mit dem Namen auf sich? “Cousines” ist ja nicht die korrekte englische Schreibweise.
Hannah Breitfuß: Wir wollten eine weibliche Form.
Laura Breitfuß: Und ein bisschen Französisch. Einer der größten Gründe ist auch, dass es ästhetisch einfach schöner aussieht mit dem “e”. Es war aber auch gar keine bewusste Entscheidung, das ist in dem Schreibwahn so passiert und hat uns aber gut gefallen, weshalb wir das so übernommen haben.
„DIESE MISCHUNG AUS ALLEM UND NICHTS IST VOLL SPANNEND“
Eure Songs sind ja gar nicht so klassisch Musik, sondern eher Sprechgesang bzw. Poesie. Hinzu kommt auch euer besonderer sprachlicher Stil, der durch Dissonanzen geprägt ist. War das quasi die Basis eurer Band, also wolltet ihr das von Anfang an bewusst so machen?
Laura Breitfuß: Nicht bewusst oder absichtlich, aber man kann uns schon so beschreiben, dass wir mit diesem Kontrast zwischen komplettem Nonsens ohne tiefere Bedeutung und Sachen, die von unserer Kindheit oder Vergangenheit inspiriert sind, spielen. Dadurch haben sie dann irgendwo doch eine tiefere Bedeutung für uns. Gleichzeitig verarbeiten wir auch Themen, die man in der Gesellschaft oder in der Welt mitbekommen, die natürlich dann einen kritischeren Hintergrund haben. Aber diese Mischung aus Allem und Nichts ist voll spannend.
Eure Musik beschreibt ihr in eurer Instagram-Biografie als „avant-trash“. Wie seid ihr zu dieser Einordnung gekommen?
Hannah Breitfuß: Wir haben es zuerst immer als Future Pop bezeichnet. Future Pop ist eigentlich eine Musikrichtung, der wir nicht zuzuordnen sind. Aber es hat uns als Beschreibung für unsere Musik am besten gefallen. Irgendwie sind wir dann auf avant-trash umgestiegen, wobei ich sowieso finde, dass das das gleiche bedeutet.
Laura Breitfuß: Uns gefällt das auch ein bisschen, dass man bei seinem Gegenüber manchmal Ratlosigkeit auslöst. Oder auch Interesse in dem Sinne, dass sie sich nicht auskennen. Wenn wir sagen, wir machen avant-trash, dann wissen die meisten nicht wirklich, was das ist. Aber wenn man es sieht, versteh man es.
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Ein paar eurer Musikvideos sind sehr abstrakt. Gleichzeitig wirkt das aber auch sehr künstlerisch. Würdet ihr euch selbst allgemein als künstlerische bzw. kreative Personen bezeichnen?
Laura Breitfuß: Ja, auf jeden Fall. Die Hannah ist sogar am Papier Künstlerin.
Hannah Breitfuß: Ich bin selbstständig als Bildhauerin und male auch. Aber wir sind insgesamt beide sehr kreativ, glaube ich.
Laura Breitfuß: Wir sind schon in alle verschiedenen Richtungen der Kunst interessiert und probieren uns aus. Es ist cool, so viele Möglichkeiten zu haben, sich auszudrücken. In unserer Familie gibt es einige KünstlerInnen und daher war der Zugang zu Kunst und Kultur für uns immer voll da. Da sind wir schon als Babys von der Mama zum Jazz-Brunch mitgenommen worden. [lacht]
Hannah Breitfuß: Unsere Familie hat das auch immer komplett gefördert. Die haben sofort ein Musikvideo mit uns gedreht. Das haben wir aber nie veröffentlicht.
„WIR NEHMEN FÜR UNSERE SONGS OFT VON IRGENDWO IMPULSE HER“
Was fasziniert euch an Romy Schneider, dass ihr sogar einen Song nach ihr benennt?
Laura Breitfuß: Grundsätzlich: Vieles. Aber es war nicht so, dass wir gesagt haben “Wir wollen jetzt einen Song über Romy Schneider machen”, sondern wir waren bei meinem Papa daheim in Salzburg, da war dieser Biografie-Bildband von ihr. Wir haben den aufgemacht und ein paar Wörter rausgepickt. Das ist auch unter anderem eine Technik von uns beim Schreiben, Wörter aus Büchern zu nehmen und dann zu einem Text zu vervollständigen. Wir nehmen für unsere Songs oft von irgendwo Impulse her. Ich glaube auch, dass es kein Zufall war, dass wir genau dieses Buch hergenommen haben. Mein Papa hat eine riesige Bücherwand, da kann man das keinen Zufall nennen.
Was sind denn die anderen Techniken?
Hannah Breitfuß: Zuerst war das wie bei unserem ersten Song, ich schreibe ein Wort, die Laura schreibt ein Wort. Wir machen das, ohne dazwischen miteinander zu reden. Man kann probieren, die Geschichte in eine Richtung zu lenken und manchmal glaubt man, der andere versteht das – der geht dann aber in eine total andere Richtung.
Laura Breitfuß: Einmal haben wir auch auf Zetteln lauter einzelne Wörter geschrieben und die dann so hin und her geschoben, bis das für uns auch irgendetwas ergeben hat. Generell würden wir das als Assoziationspoetik beschreiben. Es ist alles sehr stark auf den Impuls ausgelegt, auf die ersten Wörter, die einem in Bezug auf andere Wörter in den Sinn kommen.
Das ist sehr spannend, als Außenstehender nimmt man das gar nicht so wahr, dass das teilweise nur zusammengewürfelte Wörter sind.
Hannah Breitfuß: Es gibt auch andere Lieder. Mir kommt es auch vor, dass es die letzten Jahre in eine bisschen andere Richtung gegangen ist, dass wir eher Lieder mit einer klaren Message haben. Vorher war es abstrakter. “Loverboy” hat zum Beispiel unser Handy geschrieben, mehr oder weniger. Bei Nachrichten werden einem auf der Tastatur ja immer drei Wörter vorgeschlagen. Wir haben uns dann immer für eines davon entschieden und dann noch ein bisschen umgeschrieben. Aber das Grundkonstrukt davon haben wir mit dieser Technik erstellt.
Wann ist bei euch der Punkt erreicht, wo ihr sagt „So, jetzt ist der Song fertig und wir können ihn veröffentlichen“?
Laura Breitfuß: Irgendwie ist uns das dann schon immer klar, wenn es so weit ist. Wenn man das öfter macht und es sich nicht mehr verändert, dann ist es fertig. Wir sind uns da meistens auch sehr einig, aber das liegt vermutlich daran, dass wir schon sehr eingespielt sind. Wichtig ist auch, dass es den Text immer als erstes gibt. Die Melodie kommt erst, wenn der Text schon steht.
„MANCHMAL BRAUCHT MAN SONGS, WO ES KEINE REGELN GIBT UND WO MAN MACHEN KANN, WAS MAN WILL“
Ihr habt auch einen Song, der aus wirklich nur einer einzigen Line besteht: „Atlantis mon amour“. Trotzdem ist der Song über 5 Minuten lang.
Hannah Breitfuß: Den spielen wir meisten am Ende bei Konzerten. Der kann kurz, aber auch total lang sein, je nachdem, wie das Publikum reagiert oder wie wir gerade drauf sind. Je nachdem, ob wir wollen, dass das Konzert bald vorbei ist oder nicht.
Laura Breitfuß: Entstanden ist er in der ADA, das ist die Artistic Dynamic Association, eine Galerie in Wien. Wir sind da einmal als Gäste gewesen und an der Wand ist dieser Spruch gestanden, “atlantis mon amour”. Das war das Überbleibsel von einer Vernissage, die dort mal stattgefunden hat. Das haben wir dann praktisch geklaut, muss man ehrlich sagen.
Hannah Breitfuß: Aber die Künstlerin weiß davon und findet das gut.
Laura Breitfuß: Der Song ist wie eine Meditation. Man kann sich entweder voll gehen lassen oder man haut alles raus und schreit. Manchmal braucht man Songs, wo es keine Regeln gibt und wo man machen kann, was man will. Das ist sehr befreiend.
Ihr habt jetzt schon relativ lange nichts Neues mehr rausgebracht. Könnte sich das eventuell demnächst wieder ändern?
Laura Breitfuß: Ist geplant, ja. Coronabedingt war da etwas länger Pause.
Hannah Breitfuß: Beziehungsweise eigentlich war Pause, weil unsere Produzenten nicht im Lande sind. Einer ist nach Deutschland gezogen, mit dem haben wir die ersten Songs aufgenommen. Dann haben wir noch mit einem aus New York gearbeitet, der ist entweder nach Wien gekommen oder wir nach New York. Das war jetzt nicht möglich. Aber wir sind trotzdem aktiv und machen viel, aber die neueren Projekte sind eben nicht aufgenommen. Wir haben aber Material für ein Album. Da sind wir gerade am Planen, wie wir das Album aufnehmen und wollen das Ende des Jahres rausbringen.
Wie wird dieses Album sein?
Laura Breitfuß: Ich würde sagen, wir bleiben uns und unserem Stil schon treu. Aber es wird musikalisch ein bisschen komplexer, nachdem wir ja doch dazulernen. Wir haben jetzt seit Kurzem auch eine Drummerin dabei, das macht alles natürlich ein bisschen fetziger. Wir wollen immer, dass die Band zu zweit funktioniert, weil wir auch spontan auftreten wollen, wenn wir mal auf Urlaub sind. Aber natürlich ist es aufregender, wenn mehr Leute dabei sind, musikalisch und für das Bandgefühl.
Spielt ihr regelmäßig spontane Konzerte, wenn ihr auf Urlaub seid?
Hannah Breitfuß: Immer, jedes Mal eigentlich. Auch wenn wir nur ein paar Tage wo sind, organisieren wir uns irgendetwas, auch wenn es nur etwas ganz Kleines ist.
Laura Breitfuß: Es kommt meistens ganz gut an in anderen Ländern. Manchmal stößt unsere Musik ein bisschen auf Unverständnis, aber das ist unsere größte Motivation. Dann erst recht.
Hannah Breitfuß: Es ist einfach immer spannend, vor Leuten zu spielen, die einen nicht kennen.
Laura Breitfuß: Man muss auch sagen, wenn man in einem anderen Land auftritt, dann ist das wie, wenn man mit einem Hund Gassi geht – man lernt sofort tausende Leute kennen. Da kommen danach dann Leute zu dir und wollen darüber reden oder dir Feedback geben, dann hat man schon Kontakte. Sonst würde man vielleicht in der Bar neben denen sitzen und nie miteinander reden.
„ES GEHT BEI UNS SCHON VIEL UM GEFÜHL UND SPONTANITÄT“
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Wenn ihr euch als Band in drei Worten beschreiben müsstet, welche wären das?
Laura Breitfuß: Vielleicht intuitiv. Es geht bei uns schon viel um Gefühl und Spontanität. Darum würde ich sagen, intuitiv ist auf jeden Fall schon einmal gut.
Hannah Breitfuß: Also ich hätte jetzt einfach “cousines like shit” genommen. [lacht]
Wie seid ihr eigentlich zu dem “like shit” gekommen?
Hannah Breitfuß: Das ist im ersten Song vorgekommen. Ich glaube, wir haben damals irgendwas Provokantes für unsere Familie gebraucht.
Laura Breitfuß: Wir wollten sie wieder mal schockieren. Und der Retsina war da einfach eine gute Inspirationsquelle für uns. Manchmal sieht man auch erst im Nachhinein, was für eine Bedeutung gewisse Dinge haben können.
Hannah Breitfuß: Uns ist auch sehr oft von allen Seiten geraten worden, dass wir unseren Namen ändern sollten. Unter anderem von unserer Oma, damit sie im Ort von uns erzählen kann. Aber so bleibt man halt irgendwie im Gedächtnis.
Vielen Dank für das Gespräch!
Katharina Reiffenstuhl
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Cousines like shit
Cousines like shit (Instagram)