Seit vielen Jahren lebt der britische Singer-Songwriter STEVE GANDER in Wien, in den letzten Jahren ist er als Interpret von Leonard Cohen bekannt geworden. Im Interview mit Jürgen Plank spricht GANDER über die Wienerlied-Einflüsse auf seiner neuen CD „The Book of Wasted Love Songs“, wer statt Bob Dylan den Nobelpreis bekommen hätte sollen und darüber, welche Schallplatten sein Vater einst für ihn gestohlen hat.
Wo bist du aufgewachsen und wie hat dein Musikmachen begonnen?
Steve Gander: Ich bin in einem Vorort von London aufgewachsen und an einem regnerischen, grauen Tag bin ich einen kleinen Plattenladen gegangen. Im Laden wurde eine billige Gitarre für 5 Pfund verkauft. Ich war ungefähr 13 Jahre alt, habe die Gitarre gekauft, mit nach Hause genommen und versucht, Bob Dylan-Lieder zu spielen.
Wie gut ist das gelungen?
Steve Gander: Das ist nicht gleich gelungen, aber ich habe danach mit Freunden gesungen und gespielt und das war der Beginn. Das war Anfang der 1970er Jahre.
Seitdem hast du die Gitarre nie mehr aus der Hand gelegt?
Steve Gander: Ich habe immer wieder Gitarre gespielt, aber ich war nie ein großartiger Gitarrist. In der Schule hat mich ein Freund gefragt, ob wir eine Band gründen. Das war eine richtige Garagenband, denn wir haben in einer Garage gespielt. Vom Blues beeinflusst und von The Doors und The Greatful Dead und Westcoast American Music. Und es war uns wie The Greatful Dead nicht so wichtig, wie gut wir gespielt haben, sondern es war uns wichtiger, wie lange wir spielen können. Als Teenager habe ich dann die ersten Konzerte gespielt.
Du hast unlängst bei einem Konzert erzählt, dass auch von deinem Vater gestohlene Schallplatten für deinen Werdegang wichtig gewesen sind. Wie kam das?
Steve Gander: Als ich Teenager war, hat mein Vater auf einer amerikanischen Airforce Base gearbeitet. Da sind die Waren angekommen, die nur zum Verkauf auf der Base für die amerikanischen Soldaten gedacht waren. Da waren auch viele Langspielplatten dabei. Zwei von der berühmt gewordenen Gruppe America, die einen Hit mit dem Lied „A horse with no name“ hatte, haben dort auch gearbeitet. Die haben meinem Vater empfohlen, welche LPs er für seinen Sohn stehlen soll. So habe ich damals zum ersten Mal Leonard Cohen gehört und ich habe einige Bob Dylan-Platten dazu bekommen und mit Freunden getauscht. Da war auch klassische Musik dabei, auch Rachmaninov mochte ich und mag ich noch immer. Aber: Dylan und Cohen waren die größten Einflüsse.
Warum hat dein Vater die Platten nicht gekauft?
Steve Gander: Weil, die da waren und alle in dem Laden gestohlen haben, glaube ich. Er hätte nicht gewusst, welche Platten er hätte kaufen sollen. Außerdem war er nicht reich. Er war ein Staplerfahrer und davor war er lange Zeit Arbeiter in den Londoner Docks. Er war ein ganz normaler Arbeiter.
„[…] es sind Lieder über die Liebe.“
Deine aktuelle Platte heißt „The Book of Wasted Love Songs“. Wann ist denn ein Liebeslied vergeudet?
Steve Gander: Der Titel ist ein bisschen zweideutig, denn wasted heißt auf Englisch auch so viel wie stoned. Es sind nicht wirklich love songs, sondern es sind Lieder über die Liebe. Es ist nicht: „I love you, you are so beautiful“ usw., es sind eher Geschichte über die Liebe. Da geht es auch um das Ende einer Liebe. Die Lieder sind hoffentlich auch humorvoll, hoffe ich, es ist kein Raunzen.
Wie wichtig ist dir Humor in den Texten?
Steve Gander: Es muss nicht unbedingt Humor dabei sein, aber es ist wie im Leben: Humor hilft.
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Inwieweit sind die Geschichten autobiographisch?
Steve Gander: Sie sind autobiographisch und erfunden, denn: manchmal muss man lügen, um die Wahrheit zu erzählen.
Ein Lied, das Humor zeigt, ist das Lied „Hugh Grant“. Mit der wie ich finde lustigen Zeile: „If i was James Dean, I would drive too fast for you“. Wie hast du dieses Lied gebaut?
Steve Gander: Ich weiß nicht genau, aber Hugh Grant ist eine Figur. Von ihm habe ich nicht so viele Filme gesehen, aber er spielt immer dieselbe Rolle.
Den guten Burschen von nebenan.
Steve Gander: Ja, sehr englisch. Ich erwähne andere Filmstars, die vielleicht für diese Frau nicht so passend wären. Ich habe nur gedacht: sie braucht Hugh Grant und deshalb bin ich Hugh Grant. Ich weiß nicht, wie ich auf diese Idee gekommen bin, aber es hat sich im Text alles zusammengefügt: wenn ich Tony Perkins wäre, würde ich dir sagen, dass das Motel voll ist? Das ist eine Anspielung auf den Film „Psycho“.
„Ich bin fast zum Leonard Cohen der Armen geworden“
Das Eröffnungsstück des Albums heißt „Mitteleuropa“ und das Lied „Vienna Blue“ referenziert auf Wien.
Steve Gander: Das Lied erzählt eine kleine Geschichte. Der kreative Prozess ist schwer zu beschreiben. Es beginnt oft mit einer Zeile und ein wenig Melodie und das ist dann der Anfang von einem Lied. Manche Lieder werden geschrieben und manche Lieder bleiben auf der Strecke.
Live singst du auch bei Tribute-Konzerten Lieder von Leonard Cohen.
Steve Gander: Wir haben vor ungefähr 10 Jahren zu Leonard Cohens Geburtstag begonnen, seine Lieder zu spielen. Ich mag Cohen so gerne. Ich kenne seine Lieder und habe sie immer gesungen. Wir wurden damals zu so einem Abend eingeladen und seither machen wir das jedes Jahr – ich bin fast zum Leonard Cohen der Armen geworden. Seit er gestorben ist, gibt es zwei Tage, an denen Konzerte mit seinen Liedern stattfinden. Im Jahr 2020 spielen wir an seinem Todestag im Porgy & Bess, mit einer zehnköpfigen Band, auch mit Background-Sängerinnen.
„Er ist ein großartiger Songschreiber, er ist auch ein Dichter. Eigentlich hätte Cohen statt Bob Dylan den Nobelpreis gewinnen sollen“
Wie ist das für dich, diese Lieder heute zu spielen, die du schon als Teenager gehört hast?
Steve Gander: Für mich ist es großartig, ich mag ihn sehr gerne. Er ist ein großartiger Songschreiber und auch ein Dichter. Eigentlich hätte Cohen statt Bob Dylan den Nobelpreis gewinnen sollen. Cohen hat Romane und Gedichte geschrieben, bevor er mit der Musik überhaupt angefangen hat.
Was nimmst du aus der Beschäftigung mit Cohen mit für dein eigenes Musikschaffen?
Steve Gander: Ich glaube Nick Cave hat gesagt: „Wir haben alle versucht, wie Leonard Cohen zu schreiben, aber niemand hat das geschafft.“ Ich versuche gar nicht, zu viel mitzunehmen, denn man braucht gar nicht anzufangen, Cohen zu kopieren. Aber ich bewundere ihn sehr und er hat sich für das Schreiben manchmal auch viel Zeit genommen. Er ist einfach großartig.
Zurück zu deiner aktuellen Platte: Wien ist auch als musikalischer Einfluss heraus zu hören, Ansätze in Richtung Wienerlied werden besonders vom Akkordeonisten Franz Haselsteiner und vom Violinisten Adula Ibn Quadr eingebracht. Warum wolltest du das so?
Steve Gander: Ja, besonders bei „Vienna Blue“ hört man das stark. Franz Haselsteiner und Adula Ibn Quadr stehen in dieser Tradition. Sie haben das drauf und bringen das bei einigen Liedern ein. Ich lebe schon lange in Wien und die Einflüsse sind um mich herum.
Gibst du im Studio genaue Vorgaben an die Musiker oder haben sie Freiheiten?
Steve Gander: Ich sage ihnen nicht genau, was sie machen sollen. Aber ich vermittle ihnen die Atmosphäre, die ich kreieren will. Und dann sage ich etwa: „Stelle dir vor, du blickst in der Nacht vom Himmel auf einen fahrenden Zug, der durch Österreich fährt, durch Vorarlberg und in den Tunnel in Richtung Schweiz einfährt“. Solche Dinge sage ich ihnen. Manchmal ist die Melodie auch schon in meinem Kopf fix und fertig. Auch wenn wir live spielen, gibt es immer Freiheiten. Wir spielen nie zwei Mal dieselbe Version eines Liedes. Es kann immer etwas Spontanes passieren.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Steve Gander live
29.2. Quentin, Wien
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