„Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben ist gespalten.“ – HUI YE im mica-Interview

HUI YE pendelt als elektroakustische Musikerin und Medienkünstlerin zwischen Wien und dem südchinesischen Guangzhou. In den letzten Jahren verlagerte sich der Fokus der klassisch ausgebildeten Komponistin hin zu Videoinstallationen – sie stellte in Galerien und Kunsthallen auf der ganzen Welt aus. Trotzdem versteht sich YE, die u.a. an der Angewandten und ELAK studierte, als Computermusikerin. Die Konstruktion des Sounds und die Konzeption des Klanges seien ihr wichtig. Die Frage, was Sound auf politischer Ebene bedeuten kann, rückt in den Mittelpunkt. Zuletzt reiste HUI YE als Teil eines künstlerischen Forschungsprojekts auf eine taiwanesische Insel. Was sie dort erlebt hat, warum sie sich von ihrer klassischen Kompositionsausbildung entfernen musste und wieso es auch zukünftig keine Hologramm-Performances von ihr geben wird, erzählt HUI YE im Gespräch mit Christoph Benkeser.

Was beschäftigt dich aktuell?

Hui Ye: Ich bezeichne mich oft als Teilzeitmusikerin, weil ich in den letzten Jahren zunehmend mehr in der bildenden Kunst und speziell an Kurzfilmen, Video und Videoinstallationen gearbeitet habe. Kommenden September stehen einige Ausstellungen an. Außerdem bekomme ich Anfragen, um Performances online umzusetzen. Das ist komplett neu für mich. Und ungewohnt, weil ich bisher nicht von der Online-Umsetzung solcher Kunstformen überzeugt wurde. Ich habe Bedenken an der Qualitätsübertragung. Die Medien, die man verwendet, müssen einbezogen werden. Sonst funktioniert es meiner Meinung nach nicht.

Man muss ein neues Konzept entwickeln, weil sich die Performance nicht einfach abfilmen und streamen lässt.

Hui Ye: Zwei Beispiele: Bei einer Performance haben die Veranstalter*innen zu einem bestimmten Zeitpunkt mein voraufgenommenes Video freigeschalten und zur gleichen Zeit ein Live-Interview mit mir auf Instagram geführt. Ihre Idee war, dass man nach meinem Interview die Performance sieht. Oder sie sich zuerst ansieht und dann das Gespräch hört. Schließlich konnte das Interview für 24 Stunden auf Instagram-Live bleiben. Bei einer zweiten Performance habe ich ebenfalls mit einem voraufgenommenen Video gearbeitet. Die Veranstalter*innen haben es allerdings in Form eines offiziell angekündigten Streaming-Events präsentiert und in einem Offspace in Hong Kong übertragen, das zu einem Kino umgebaut wurde. Ich wurde online zugeschalten und das Publikum konnte mir Fragen stellen. Dadurch war ich vor Ort präsent. Das ist interessant.

Zwei unterschiedliche Ansätze. Trotzdem …

Hui Ye: Suchen alle die Lösung, klar! Es gibt keinen idealen Ersatz, man muss es als eigene Kunstform verstehen. Was heißt es schließlich, zu einem Konzert zu gehen? Das Zusammenkommen, das Austauschen und Interagieren. Das funktioniert vor dem Computer nicht.

Ja, das Element des Dabeiseins lässt sich nicht ersetzen.

Hui Ye: Außerdem möchte ich die Soundqualität nicht dem Zufall überlassen. Deswegen ist das Aufgenommene eine Möglichkeit, das Risiko des Qualitätsverlusts zu verringern. Man steckt mehr Arbeit hinein, bearbeitet und schneidet das Material vorab. Der Output ist aber kontrollierter. Und kann – wie im gerade beschriebenen Kino – auch kontrolliert abgespielt werden. Das setzt voraus, dass Leute zusammenkommen können, ja, zeigt aber eine Möglichkeit auf, die für mich ganz neu ist.

Wednesday, June 9th 2021 48.197857N, 16.35726E by Hui Ye from The Ceramic House on Vimeo.

Das erinnert mich an Hologramm-Konzerte. Du könntest gleichzeitig in vielen Kinos dieser Welt auftreten. Und online trotzdem an allen Orten dabei sein.

Hui Ye: Es ist wie ein Konzert, das im Fernsehen übertragen wird, ja. Das schau ich aber eigentlich nie, weil es viel zu ernst ist. Ich versuche eher, die Aufnahme lustig zu gestalten und zu experimentieren. Ein Set nahm ich zum Beispiel in meiner Küche auf – hinter mir stand der Herd, an den Wänden hingen die Messer. Es sollt ein ungewöhnlicher Ort sein, der für mich trotzdem vertraut ist. Schließlich kann ich allein zu Hause sitzend besser konzentrieren als vor Publikum im Saal. Die Situation bedingt, dass ich ganz bei mir selbst bin. Ich habe Kontrolle, die ich live nicht spüre.

Die Konstruktion der Sounds und die Konzeption des Klanges sind für mich also wichtig.“

Kontrollierst du gerne?

Hui Ye: Ich bin Computermusikerin, fast alles entsteht bei mir über Max/MSP, die Sounds kommen aus dem Rechner. Die Konstruktion der Sounds und die Konzeption des Klanges sind für mich also wichtig. Dadurch kann ich mein Setup schlank halten und mich trotzdem in einem kontrollierten Rahmen bewegen. Trotzdem bin ich kein Bühnenmensch. Auch weil ich nicht weiß, ob die Leute wissen, was ich mache. Es passiert bei mir nicht so viel auf der Bühne. Ich bin keine Geigerin, die ihre Präsenz durch die Körpersprache vermittelt. Ich kann nur kleine Bewegungen an Reglern anbieten.

Wie hat sich der Fokus auf die kontrollierte Konstruktion von Sounds entwickelt?

Hui Ye: Vor zwölf Jahren begann ich mit No-Input-Mixing. Später studierte ich an der ELAK bei Wolfgang Musil, der mir – genauso wie Volkmar Klien – den Programmierwahnsinn näherbrachte. Mit meinem Kompositions-Background und dem elektroakustischen Zugang fing ich an, eigene Stücke zu schreiben. Das graphische Programmierungskonzept von Max hat geholfen. Es erleichtert den Einstieg zum Programmieren. Trotzdem hat es Jahre gedauert, um meine eigenen Patches zu entwickeln. Das war die Zeit, die mich mehr und mehr zum Computer brachte.

Und die dich weiter und weiter von der klassischen Kompositionsausbildung entfernt hat.

Hui Ye: Mir gefiel der musikalische Zugang, den ich über den Computer erreichte. Meine Ausgangsposition besteht aus dem Gedanken, dass die computer-generierten Klänge ihre Position im Raum durch einen Algorithmus, der die verschiedenen Parameter der Klänge zu Positionsdaten transformiert, selbst zuordnen können. Aus dem Patch, den ich vor Jahren selbst geschrieben habe, hat sich über die Zeit und den dazu addierenden Bausteinen ein eigenen Organismus entwickelt. Daher verliere ich immer mehr die Übersicht und weiß manchmal nicht mehr, wie der Grundstein des Algorithmus funktioniert. Es braucht dann einige Tage, bis ich herausfinde, wie er aufgebaut ist.

Weil sich der Algorithmus verselbstständigt?

Hui Ye: Deswegen sind meine Live-Performances gar nicht so interessant, ja! Ich verändere Kleinigkeiten und warte, was passiert. Das hört sich nicht spannend an, fasziniert mich aber.

Die Kontrolle zu haben, meinst du?Hui Ye: Nein, den Bereich zwischen Kontrolliertem und Nicht-Kontrollierbarem auszuloten. Als Komponistin und durch Jahre der Ausbildung in der klassischen und instrumentalen Musik möchte ich mich den Klängen immer weiter annähern. Das funktioniert nie ganz, es bleibt eine gewisse Distanz. Man schreibt Noten, die in der Vorstellung anders klingen als in der instrumentalen Umsetzung.

Äqidistanz Festival 2020 (c) Markus Gradwohl

Lassen sich Klänge in der elektroakustischen Musik direkter umsetzen als in der klassischen Komposition?

Hui Ye: Live habe ich gar nicht die Absicht, die Musik nach meinen Noten zu kontrollieren. In der elektronischen Musik stelle ich mir eher vor, wie der Klang zu klingen hat und weniger, wie er sich organisieren muss. Schließlich setzt die Organisation selbst einen Rahmen voraus, den ich geschrieben habe. Ich kann ihn verändern oder erweitern, aber seine Struktur bleibt bestehen.

Du hast in Wien Komposition studiert und bist später an die Angewandte gegangen.

Hui Ye: Ich war nicht sicher, ob ich das Studium an der Angewandten beenden will. Ich wusste nur, dass ich außer der Musik noch etwas anderes machen möchte. Für mich war das ein Spagat. Ich konzentrierte mich einerseits auf die Musik, wurde aber andererseits zur Hobby-Studentin.

Trotzdem hast du in TransArts abgeschlossen. Man sieht diese künstlerische Ausdifferenzierung in deinem Werkregister – es spannt von der Musik bis zur audiovisuellen Installationsarbeit und Filmvertonungen.

Hui Ye: Dass ich mit Video arbeiten musste, war kein Zufall. Schließlich bin ich zeitbasierte Medien gewohnt, habe eine Nähe zum Film, gleichzeitig ein Interesse für Sounds. Deshalb wollte ich den Soundaspekt mit der visuellen Kunstverbinden. Das war zu Beginn nicht einfach. Für die Szene der bildenden Kunst war ich Soundartist, während mich meine Bekannten aus dem Sound-Umfeld gefragt haben, ob ich noch Musik mache.

Du hast dich in einen Zwischenraum bewegt.

Hui Ye: Ja, wenn sich die Leute nicht auskennen, ist es schwierig. Deshalb habe ich zuletzt bewusst weniger Musik gemacht, weil ich meinen Fokus auf zeitbasierte Medien legen wollte. Nach einigen Jahren verwischen sich die Grenzen nun wieder.

„Als Asiatin ist man nicht erst seit der Pandemie mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert.“

Ja?

Hui Ye: Was Sound auf politischer Ebene bedeuten kann, interessiert mich derzeit in der bildenden Kunst. Ich bin Teil von Mai Ling, einer Künstler*innengruppe von Frauen und Trans-Personen mit asiatischem Hintergrund. Wir engagieren uns politisch, arbeiten gegen Rassismus und ermächtigen uns online. Als Asiatin ist man nicht erst seit der Pandemie mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert. Es war immer schon so – Corona ist für viele nur eine willkommene Gelegenheit, sie öffentlich auszutragen. Das beginnt schon bei dem Gedanken, dass Asiatinnen nur im Chinarestaurant arbeiten. Wenn sie mich in der Kunst sehen, sind viele erst einmal überrascht. Das ist alltäglicher Rassismus, über den man schwer reden kann, weil die Leute sofort meinen, man sei zu sensibel.

Wie wirkt sich das auf deine künstlerische Arbeit aus?

Hui Ye: Sound hat immer eine Rolle bei politischen Umbrüchen gespielt, kann aber noch vielschichtiger sein. Weiya Lin, eine befreundete Ethno-Musikologin an der Musik-Uni Wien, promoviert über den Gesang einer Aborigines-Gruppe – sogenannte Tao – auf einer abgelegenen taiwanesischen Insel namens Lanyu. Ich bin Teil des künstlerischen Forschungsprojekts unter der Leitung von Lin und Johannes Kretz und hatte die Möglichkeit, dorthin zu fahren. Allerdings wollte ich mich nicht nur auf die musikalische Ebene beschränken, weil diese Klänge vor Ort eine andere Funktion haben als jene, die wir kennen. Musik ist dort eher ein Medium der Sprache. Sie ist ritualisiert. Bei wichtigen, traditionellen Feiern singen Menschen. Sie improvisieren und komponieren den gesungenen Inhalt in einer alten Taoistischen Sprache andauernd live. Wenn man die Sprache nicht versteht, dreht man durch.

Ich stell mir das wie ein ritualisiertes Gebet vor. In Mantra-artiger Wiederholung.

Hui Ye: Das besteht in vielen Kulturen, ja. Es geht nicht um die Musik, sondern um das Format, in dem die Musik eingebettet ist. Und um die Sprache, mit der wir uns nicht ohne Übersetzung auseinandersetzen können. Im Falle dieser Insel – sie ist eine der am weitesten abgelegenen Inseln von Taiwan – spricht die Bevölkerung eine Sprache, die Ähnlichkeiten mit der malaiischen aus Indonesien hat. Zu Zeiten der japanischen Herrschaft sandte man Ethnologen hin, um zu recherchieren, wer dort lebt. Die Forscher fanden eine Bevölkerung vor, die ohne Einfluss von außen lebte – und empfahlen, sie zu erhalten. Japan isolierte daraufhin die Insel. Nachdem die japanische Kolonialherrschaft unter die Verwaltung der taiwanesischen Nachkriegsregierung gestellt wurde, etablierte China dort correctional farms für politisch Abtrünnige. Später wurden daraus Gefängnisse für Schwerverbrecher. Es kam zu Diebstählen und Vergewaltigungen. Eine Katastrophe für die Inselbewohner.

Songs of oblivions (2020) | Trailer from Hui Ye on Vimeo.

Woher weißt du das alles?

Hui Ye: Durch Chien-Ping Kuo. Er ist einer der projektbeteiligten Forscher, stammt selbst aus der Tao-Gruppe und erforscht und übersetzt seit Jahren das Gesangsrepertoire der Tao.  Außerdem engagiert sich Kuo politisch und hat uns viel über die Gesangstradition der Eingeborenen erzählt. Aber auch von eigenen Erinnerungen an seine Kindheit. Er beschrieb das Geräusch, das er früh morgens wahrnahm, wenn die politischen Gefangenen ihre Fußketten über den Boden schleifen mussten. Ich merkte, welch große Rolle der Klang für diese Menschen spielt. Und dass ihre Beschreibungen von Dingen oft auf der Wahrnehmung basieren, wie sie diese Dinge hören.

Der Klang wurde zur Erzählung.

Hui Ye: Ja, die Erinnerungen an seine Kindheit sind an den Klang gebunden. Das war der Ausgangspunkt für unser letztes Projekt. Eine dokumentarischer Kurzfilm mit drei Kanälen, der den Fokus nicht nur auf die Bilder, sondern auf den Klang legt. Der Sound ist die Umgebung, das Bild der Fokus. Du kannst die Augen schließen oder fokussieren, aber die Ohren hören – unterschiedliche Geräusche, gleichzeitig und immer. Gerade bei dem Projekt in Taiwan wird das wichtig. Manche Sektionen bestehen nur aus Klängen. Das Geräusch der Ketten habe ich dafür bei Christoph Amann im Garten seines Tonstudios aufgenommen. Es geht also nicht darum, das exakte Geräusch einer fremden Erinnerung zu reproduzieren, sondern es als Symbol zu verstehen, das ich fiktionalisieren kann.

Die Erinnerung, die diese Person an das Geräusch hat, aktualisiert sich auch in der Gegenwart. Sie verändert sich über ein Leben. Die Fiktionalisierung von einem Moment im Gedächtnis ist deshalb wohl spannend, oder?

Hui Ye: Oft geht es im filmischen Bereich um die Synchronisation von Bildern mit Sound. Dabei gibt es das gar nicht, Synchronisation! Unser Gehirn schiebt Bilder und Ton zusammen. Es ist eine Halluzination, die man sich aneignen kann. Um politisch zu arbeiten. Oder Identitäten zu schaffen. Die Geschichte jedes Menschen ist mit Musik verbunden. Der Mensch ist, was er hört, weil die eigene Lebensgeschichte mit dem Hören verbunden ist.

Du bist in China aufgewachsen und in deinen frühen 20ern nach Wien gezogen. Wie hat sich das auf deine Lebensgeschichte ausgewirkt?

Hui Ye: Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben ist gespalten. Es ist nicht nur das Balancieren zwischen bildender Kunst und Musik. Sondern auch mein Leben zwischen China und Europa. Ich switche dauernd hin und her – bin ein Mensch im Dazwischen.

Wie zeigt sich das bei dir?

Hui Ye: Früher war ich oft traurig, weil ich dachte, dass mich niemand versteht. Mittlerweile ist es anders. Wenn ich Menschen mit ähnlichen Hintergründen treffe, freue ich mich, weil es sofort eine Grundlage gibt. Man muss nichts erklären, das Gegenüber weiß, was ich meine.

Du bist schon lange in Wien. Weißt du noch, welche erste Erinnerung du an die Stadt hast?

Hui Ye: Ich kann mich an einen Moment im Flugzeug erinnern. Wir waren im Anflug, man sah Wien aus dem Fenster und ich dachte: Wow, Wien ist so klein! Es war für mich eine andere Dimension, eine viel kleinere als in China, wo jede Stadt riesig ist. Allein in Guangzhou, wo ich herkomme, leben über 15 Millionen Menschen.

Wir finden wahrscheinlich mehr Unterschiede als Gleichheiten. Aber gibt es etwas, das sich für dich zwischen den Kulturen gleich anfühlt?

Hui Ye: In den letzten 200 Jahren dominiert die europäische Kultur im System der musikalischen Ausbildung in China – ich bin mit einer europäischen Musikbildung aufgewachsen. Ich lernte Klavier, hatte Gehörbildung und Harmonielehre zwischen Bach und Beethoven. Mit dem Umzug nach Wien merkte ich auch, dass an der Universität viele Asiat*innen Musik studieren.

Hast du dir an der Universität leichtgetan?

Hui Ye: Nicht nur ich, auch alle anderen Asiat*innen. Weil wir eine strenge Maßnahme bei der Ausbildung von Tonsatz und Musiktheorie wie Gehörbildung und Harmonielehre haben. Das prägt. Allerdings finde ich die heutige Musikausbildung fragwürdig. Der Kanon ist nicht mehr zeitgemäß. Warum verbringt man zwei Jahre mit dem Schreiben von Kontrapunkten? Vielen Leuten, die gute Musiker*innen sind, wird so der Weg zur Ausbildung versperrt.

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Hui Ye: Daran musste ich speziell während der Pandemie denken. 2017 fanden wir das noch lustig. Plötzlich hat die Fiktion die Realität eingeholt.

Du hast damit etwas vorweggenommen.

Hui Ye: Nein, in China ist Internet weiter fortentwickelt. In Artificial Intelligence ist das Land inzwischen Weltführer. Kein Wunder, schließlich lässt es sich als Propaganda-Tool verwenden. Die Leute lassen es sich gefallen, weil sie keine andere Wahl haben. Deshalb verfolge ich das mit Besorgnis. Was in China passiert, kann auch in Europa passieren.

Obwohl ein zentralistisches System einem liberal demokratischen gegenübersteht?

Hui Ye: Auf dem Papier wird China kommunistisch regiert, aber das stimmt nicht. Es ist eine Diktatur – besonders seit der neue Präsident regiert –, die vom Kapitalismus gesteuert wird. Außerdem gibt es in China keine freie Information. Das Internet wird zensiert. Während in Europa politische Freiheit hochgehalten wird, kennt man das in China gar nicht. Man wird anders erzogen. So lange der ökonomische Aufstieg anhält, sind die Menschen zufrieden. Sobald es stagniert, kollabiert das System. Allerdings befürchte ich, dass es noch länger funktionieren wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Christoph Benkeser

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