„MAN SCHREIBT JA MEISTENS DAS GLEICHE LIED“ – SON OF THE VELVET RAT IM MICA-INTERVIEW

Vier Jahre nach „Dorado“ veröffentlichen SON OF THE VELVET RAT ihr neues Album „Solitary Company“ (Fluff & Gravy) das in einem Studio in der kalifornischen Wüste und in Österreich aufgenommen worden ist. Über diese besondere Aufnahmesituation hat Jürgen Plank mit Mastermind GEORG ALTZIEBLER genauso gesprochen wie über Konzerte in Lockdown-Zeiten und warum ein Polaroid-Foto als Coverbild verwendet worden ist.

Wie war denn der Weg vom letzten Album „Dorado“ bis zu „Solitary Company“?

Georg Altziebler: Ich wollte wieder etwas anderes machen und dieses Mal habe ich das über den Aufnahmeprozess versucht. „Dorado“ ist in einer Live-Situation entstanden. Dieses Mal ist die Grundspur zwar auch live entstanden, aber ich habe den Rest als Overdubs hinzugefügt und die Arbeit am Album hat dadurch einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen.

Hast du die Basisspuren selbst aufgenommen?

Georg Altziebler: Nein, Bass, Schlagzeug und Rhythmusgitarre wurde im Red Barn Studio, bei uns in der Nähe, in der Wüste, aufgenommen. Dort wurde auch die Hammond-Orgel eingespielt.

Aber es war auch euer Band-Team aus Österreich eingebunden.

Georg Altziebler: Genau, es gibt fast keine Nummer, bei der nicht ein österreichischer Musiker eingebunden wäre. Ganz prominent ist wieder Matthias Loibner dabei, der schon auf einigen Alben von uns mitgespielt hat. An der Drehleier, Hurdy-Gurdy. Auf diesem Gebiet ist er ja sozusagen Weltmeister und hat ein wenig ein Monopol. Aber er ist einfach sehr gut. 

„Man kann den Sound der Drehleier gut in den Gesamtklang hineinmischen“ 

Was magst du an seinem Stil und warum wolltest du ihn unbedingt wieder dabeihaben?

Georg Altziebler: Das ist ein Sound, der einzigartig ist, irgendwo zwischen einer verzerrten Orgel und einer Violine. Man kann den Sound der Drehleier gut in den Gesamtklang hineinmischen. Und er ist immer einzigartig. Außerdem spielt Matthias so melodisch und einfühlsam und nimmt gut Bezug auf das Ganze, sodass es immer großartig ist.

Bild Son of the velvet rat
Son of the velvet rat (c) Marija Kanizaj

Wie habt ihr Muck Willmann, den Schlagzeuger eurer österreichischen Band, eingebunden?

Georg Altziebler: Muck Willmann ist als Perkussionist dabei. Letztes Jahr im März haben wir an dem Album in Graz weitergearbeitet und Muck hat einige Perkussions-Spuren eingespielt. Albi Klinger hat Bass und Dominik Krejan hat bei einigen Nummern Fender Rhodes-Piano eingespielt, so sind in Österreich noch einige Tupfer dazu gekommen.

Gar Robertson hat das Album mit dir gemeinsam produziert, er war dank deiner Vermittlung bereits in Österreich auf Tour. Wer ist das und warum hast du dich für ihn als Produzent entschieden?

Georg Altziebler: Erstens ist er ein großartiger Musiker und ein sehr guter Techniker. Und zweitens hat er für die Sache gebrannt. Er hat sich ohne wirklich Geld dabei zu verdienen, in die Sache hineingestürzt. Ich arbeite gerne mit Leuten zusammen, die für die Sache brennen und auch Konflikte in Kauf nehmen, die hat es in diesem Fall natürlich auch gegeben.

Hast du den Laden produktionstechnisch zusammengehalten, nachdem es ja verschiedene Produktionsorte gegeben hat?

Georg Altziebler: Den Laden in den U.S.A. hat Gar Robertson zusammengehalten, denn er ist ja hinter dem Mischpult gesessen und hat noch am ehesten einen Blick von außen gehabt. Gar hat nach jedem Take wertvolle Hinweise geben können. Das war für ihn eine Mischung aus Produzententätigkeit und Tontechniker, sozusagen Aufnahmeleitung, aber mit großem Gewicht auf der Produzenten-Seite. 

„Ich wollte immer neue Dinge entdecken, die es für mich weiter spannend machen und das ist auf diesem Album ganz gut gelungen“

Mir kam das neue Album poetisch, fröhlich und melancholisch vor. Es hat viele Facetten, wie ordnest du dieses Album in deinem Gesamtwerk ein?

Georg Altziebler: Ich glaube doch, dass es die größte Bandbreite hat, auch von den Sounds her. Ich wollte immer neue Dinge entdecken, die es für mich weiter spannend machen und das ist auf diesem Album ganz gut gelungen. Da sind für mich einige spannende Arrangements drauf. Ich habe auch versucht, mich bei den Texten nicht zu wiederholen und das ist gar nicht so einfach. Man schreibt ja meistens das gleiche Lied.

Das ist wahr.

Georg Altziebler: Das kann ins Auge gehen, vor allem dann, wenn es einen selbst nicht mehr interessiert.

Bild Son of the velvet rat
Son of the velvet rat (c) Marija Kanizaj

Ist dir das schon passiert?

Georg Altziebler: Das ist mir schon oft passiert. Dann muss man mit viel Mühe von vorne anfangen.

Heißt das, dass du dann ein Lied noch mal neu aufrollst und daran feilst und etwa eine andere Melodie ausprobierst?

Georg Altziebler: Ja, oder es stört mich irgendetwas, bei dem ich weiß, dass ich genau diesen Gedanken schon mal in einem anderen Lied formuliert habe. Das kann auch eine Melodiefolge sein. Das stört vielleicht die Leute nicht, weil sie wahrscheinlich nicht alle Lieder kennen, aber es reicht eigentlich, dass ich das weiß. 

Das Video zu „When the lights go down“ ist wie ein Kurzfilm. Wie ist das entstanden?

Georg Altziebler: Da hat Gordon Clark Regie geführt, er ist – wie wir – seit zwei, drei Jahren ein Wüstenbewohner. Er ist ein Südafrikaner, der irgendwann nach Los Angeles ausgewandert ist und dort im Filmbereich viele Sachen gemacht hat. Von Musikvideos bis zu Kurzfilmen. Gordon ist übrigens einige Zeit mit Leonard Cohens Tochter ausgegangen und hat den alten Cohen gut gekannt. Er ist auf uns zugekommen und wollte das Video mit uns machen. Dort passieren die meisten Sachen auf diese Weise.

Gedreht habt ihr in einem Beisl?

Georg Altziebler: Ja, das Lander’s Brew ist eine Bar, ein Lokal, in dem man auch live spielen kann. Die Stammgäste sind besonders, das Lokal liegt in einer Gegend, in der viele Drogen unterwegs sind. Dort kann man günstig wohnen und viele Leute, die insgesamt nicht mehr so gut zurechtkommen, siedeln dorthin. Die Lokalgäste sind zum Teil recht eigenartig, aber sie spielen im Video mit.

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Beim Track „Beautiful Disarray“ steht im Booklet, dass die Musik von dir und Josef Altziebler stammt. Wer hat dich da unterstützt?

Georg Altziebler: Das ist mein älterer Sohn. Er hat mir ein Gitarren-Thema geschickt und das war der Ausgangspunkt für das Lied. Die Riffs im Song sind aus diesem Gitarren-Thema entstanden.

Spielt er auch in Bands und habt ihr schon öfters zusammengearbeitet?

Georg Altziebler: Nein, er macht das nur zum Spaß. Aber er hat beim Album Red Chamber Music Ukulele gespielt.

Das Artwork des Albums besteht auch aus Fotografien. Wie sind diese Bilder entstanden?

Cover Solitary Company
Cover “Solitary Company”

Georg Altziebler: Die Fotos hat die Grazer Schriftstellerin Valerie Fritsch gemacht, sie ist gleichzeitig Polaroid-Künstlerin. Sie reist um die ganze Welt und schießt mit ihrer Polaroid-Kamera Fotos. Die sehen deshalb optisch ein wenig verwischt ist. Wir haben uns die zum Album passenden Fotos aus ihrem Fundus ausgesucht. Auch das Cover ist von ihr und eine Polaroid-Aufnahme.

Ihr wart letztes Jahr, kurz vor dem ersten Corona-Lockdown, auf Tour. Seitdem hat sich einiges in Bezug auf Konzerte geändert und es gibt immer mehr gestreamte Auftritte. Wie sehen eure Pläne aus?

Georg Altziebler: Unsere Pläne werden meistens von der Realität über den Haufen geworfen. So war es zumindest in letzter Zeit. Wir hätten heuer bereits die ersten Konzerte unserer Release-Tour zum aktuellen Album spielen sollen. Die sind nun verschoben und wir starten mit den Konzerten im April – hoffentlich. Letztes Jahr haben wir, in der Zeit, in der es möglich war, doch einige Konzerte gespielt. Im Sommer und auch im Herbst, bis etwa November. Bei weitem nicht so viele Konzerte wie in den letzten Jahren, aber wenigstens das eine oder andere Konzert.

„Solitary Company“ ist wieder beim US-Label Fluff & Gravy erschienen. Zu Nordamerika gehört auch Kanada und Mexiko, hat euch das Label dorthin schon vermitteln können?

Georg Altziebler: Ohne US-Label würden wir in den U.S.A. nicht unbedingt jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Nachdem wir bis voriges Jahr regelmäßig dort gelebt haben, war das schon der richtige Schritt. Die Label-Leute sind sehr entgegen kommend und hilfsbereit. Es war auch menschlich eine sehr gute Entscheidung, wir haben das nie bereut. Wir haben einen Booker, der mit dem Label assoziiert ist, aber in Kanada und in Mexiko waren wir noch nie. Fliegen kann man mit unserem Equipment nicht und die Distanzen sind irre. Wir müssen immer mit dem Auto fahren und sind froh, wenn wir nach Seattle kommen und wieder zurück. Das ist so als würde man in Europa nach Norwegen fahren.

Schreibst du ständig an neuen Liedern und bist aktuell mit neuem Material beschäftigt? Ist das ein Prozess, der nie aufhört?

Georg Altziebler: Das hoffe ich. Da ist eine gewisse Angst, dass das aufhört. Ich bin schon wieder am Schreiben, ja. Es ist das Einzige, was mich antreibt.

Herzlichen Dank für das Interview!

Jürgen Plank

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