„MAN MUSS NICHT KAPUTT SEIN, UM MUSIK ZU MACHEN” – PARKWAECHTER HARLEKIN IM MICA-INTERVIEW

„Heute geht’s mir eigentlich ganz gut”, sagt der PARKWAECHTER und ist HARLEKIN. Das ist gut, weil es dem Badener Rapper und Producer zuletzt „nicht so gut” gegangen ist. Sein fünftes Album erschien. „gebraucht” heißt es, aber „verbraucht bin ich aber noch nicht”, grinst der Bärtige aus seinem Blaumann, von dem eine Social Battery baumelt. Wohin sie ausschlägt und wieso der PARKWAECHTER auch in Zukunft nicht fünf Wochen auf den Malediven rumliegen wird, hat er bei ein paar Tschick im Weidingergarten ausgeführt.

„Mir geht es nicht gut”, hast du zum Release deines fünften Albums geschrieben. Was ist los?

Parkwaechter Harlekin: Eh nix Neues. Depressionen halt. Ich hab es nur unverklausuliert formuliert. Das war keine bewusste Entscheidung, weil: Das Album ist fertig geworden und mir ist es super gegangen. Jetzt kommt es raus und es geht mir genauso wie während der Zeit, in der ich es geschrieben hab. Es dreht sich im Kreis, die Scheiße wiederholt sich. 

Erkennst du ein Muster?

Parkwaechter Harlekin: Voll, das begleitet mich seit meiner Kindheit. Ich hab alles Mögliche ausprobiert, von Therapie bis Medikamente. All das hilft und ist wichtig, aber: Es geht nicht weg.

Mir hat letzthin jemand erklärt, dass sich gefühlt jede dritte Albumkampagne um Mental-Health-issues dreht. Bei dir ist das kein Promoscheiß.

Parkwaechter Harlekin: Ich hab Instagram Stories gepostet über meinen Release und das Konzert und so weiter. Darauf haben ein paar Leute reagiert. Dann hab ich den ehrlichen Text von Facebook auf Instagram gestellt – plötzlich haben sich viel mehr Leute gemeldet und mir erzählt, dass ihnen das Album was bringt. Das hat sich schon so angefühlt, als würde mich der kapitalistische Algorithmus mich dazu zwingen, meine Depressionen für Fame auszubeuten. 

Also ist da was dran.

Parkwaechter Harlekin: Ja, eh. Ich fühl mich von diesem Phänomen unter Druck gesetzt, mich wieder dazu zu äußern. Gleichzeitig hab ich keine Kraft dafür. Ich werd es trotzdem probieren, weil es Leute erreicht, die sonst nicht darüber reden. Das ist nicht nur reine Selbstlosigkeit, weil ich merke: Ich bin nicht allein.

Fühlst du dich davon bestärkt?

Parkwaechter Harlekin: Es ist ein gib-nicht-auf-mäßiges Bestärken. Wenn man drin ist in seiner Phase, hilft das gar nix, aber es ist trotzdem wichtig, es manchmal zu hören – von jemand anderem, nicht von sich selbst.

Du hast das Album geschrieben, während es dir schlecht ging, oder?

Parkwaechter Harlekin: Ende letztes Jahr kam der Einbruch, der sich über eine längere Zeit angeschlichen hatte, aber: Ich hab es verdrängt, weil es mir von Mitte bis Ende 30 ganz gut gegangen ist. Dann hab ich zum ersten Mal regelmäßig Panikattacken bekommen, bin in Therapie gegangen und so weiter. Irgendwann bin ich allen mit dem Oarsch ins Gsicht gfahren und hab Musik darüber gemacht.

Ich find es beeindruckend, dass du in solchen Momenten Musik machen kannst.

Parkwaechter Harlekin: Es gab eine Person, die mir Publikum und Stütze war. Dieses Außen hat mich rausgezogen. Ich war nicht mehr gefangen in mir und hab gesehen, dass ich wahrgenommen werde.

Brauchst du diese Wahrnehmung?

Parkwaechter Harlekin: Es ist fast so, als würde ich jemanden brauchen, der mir zuhört, was ich sage, damit ich glaube, was ich gesagt habe.

Ein ewiger Loop.

Parkwaechter Harlekin: Ja, dabei ginge es darum, aus dem Loop auszubrechen. In schlechten Phasen kann ich mir aber keinen Ausbruch vorstellen, weil es keine Zukunft gibt. Ich bin gefangen im Zustand.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Du schreibst: „Ich kotze Depressionen über Beats und nenn es Harlekin.”

Parkwaechter Harlekin: Deshalb versuche ich mir zu merken, dass es immer weiter geht. Ich mag noch nicht die Werkzeuge gefunden haben, um nicht wieder in grenzenlose Überforderung zurückzufallen. Aber ich habe die Hoffnung, dass ich diese Werkzeuge finde, wenn ich nur weitermache.

Du hast vorhin von einem Muster gesprochen. Wie verhält sich das?

Parkwaechter Harlekin: In der Depression brauche ich etwas, an dem ich mich festhalten kann. Das ist die Gewissheit, dass es besser werden wird. Gleichzeitig ist es unvorhersehbar, wie es mir morgen oder in einer Woche geht. Das Unvorhersehbare kann Stabilität bedeuten, an der man sich festhält, weil man merkt: Das Leben verändert sich andauernd.

Es gibt Ausschläge nach oben, nach unten, zur Seite …

Parkwaechter Harlekin: Bei den verschiedenen Psychopharmaka, die ich in meinem Leben verschrieben bekommen hab, war eines dabei, dass mich auf eine Linie gebracht hat. Mir ging es nicht mehr schlecht. Es war mir aber auch unmöglich, dass es mir gut geht. Alles war einfach egal. Das hab ich irgendwann nicht mehr ausgehalten. Ich weiß aber auch: Glück ist wie Trauer ein Extremzustand, der kein Dauerzustand sein kann. Deshalb strebe ich Zufriedenheit an, weil das ein Dauerzustand sein kann. Zufriedenheit dort zu finden, wo es nur dahinplätschert, funktioniert für mich aber nicht.

„WENN DU WAS GUTES GEMACHT HAST UND ES HÖREN 15 LEUTE – STATT 15.000 – IST DAS ERNÜCHTERND.”

Das Gleichmäßige geht nicht zusammen mit der Zufriedenheit?

Parkwaechter Harlekin: Ich weiß nicht, ob ich das gut finden kann, weil mich das Klischee des leidenden Künstlers stört. Man muss nicht kaputt sein, um Musik zu machen. Ich merke aber: Wenn ich meine schreibe, wie scheiße es mir geht, melden sich mehr Leute, weil es ihnen auch scheiße geht. Das sind nicht nur Künstler:innen. Viele aber schon.

Es zeigt …

Bild Parkwaechter Harlekin
Parkwaechter Harlekin (c) bornabirdinstead

Parkwaechter Harlekin: Dass uns das System krank macht. Es fängt damit an, dass wir eine Redewendung haben, die sagt: Man muss seinen Lebensunterhalt verdienen. Wer das nicht macht, hat im Umkehrschluss nicht verdient, zu leben. Das ist absurd.

Für die Kunst heißt das: Man muss sie sich leisten können?

Parkwaechter Harlekin: Ich gehe einer Lohnarbeit nach, damit ich mir erlauben kann, Musik zu machen. Auch wenn ich Leute kenn, die keine Kunst machen, frage ich mich immer: Wozu gehen Leute eigentlich arbeiten, wenn sie so was nicht haben?

Um fünf Wochen auf den Malediven rumzuliegen?

Parkwaechter Harlekin: Alle suchen nach ihrer Erfüllung, aber die Mehrheit geht bei dieser Suche kaputt, weil: Das gegenwärtige System macht es fast unmöglich, Ressourcen aufzubringen, um sich zu mit der Frage auseinanderzusetzen, was man eigentlich machen will. Dass ich seit meiner Kindheit weiß, was ich  machen will, ist ein Privileg. Keine Ahnung, wie ich damit umginge, wenn ich neben meinem Lebensunterhalt noch draufkommen müsste, was ich mit meiner restlichen Zeit machen will.

Vielleicht würdest du beim zweiwöchigen Regenwaldretreat im Amazonasdelta draufkommen.

Parkwaechter Harlekin: Ich wär eher drogensüchtig.

Weil einen das System hineintreibt in die Sucht. Das checken die sogenannten Leistungsträgersager ja nicht.

Parkwaechter Harlekin: Weil ihnen das System in die Hände arbeitet. Ich bin mir aber sicher: Viele von ihnen haben auch psychische Probleme. Und auch sie haben es verdient, dass es ein System gibt, das ihnen dabei hilft, mit ihnen umzugehen.

Dabei könnten sie sich die Psychotherapie ja leisten.

Parkwaechter Harlekin: Und das ist gut, solange es sich alle leisten können. 

Cover gebraucht
Cover “gebraucht”

In der Hinsicht ist „gebraucht” ein paradigmatischer Titel für dein aktuelles Album.

Parkwaechter Harlekin: Das stimmt, da schwingen mehrere Bedeutungen mit.

Aber gebraucht ist nicht verbraucht.

Parkwaechter Harlekin: Wenn man was gebraucht bekommt, ist es meistens nicht mehr so toll, trotzdem bin ich nicht verbraucht, weil mir ja nach wie vor was gelingt.

Ein Grund gegen die Drogensucht.

Parkwaechter Harlekin: Ich bin eh dagegen. 

Weil du ohnehin den Willen hast, weiterzumachen.

Parkwaechter Harlekin: Selbst wenn es wie mit der Musik öfters auf die Probe gestellt wird, denn: Wenn du was Gutes gemacht hast und es hören 15 Leute – und nicht 15.000 – ist das ernüchternd. Es ändert aber nichts daran, dass ich es machen will. Unbedingt! Mit einer Trauerphase geht es trotzdem einher, sobald es draußen ist – und wieder nicht dafür sorgt, dass mein Lebensunterhalt gedeckt ist.

Du trägst heute einen Pin mit einer Skala, was ist das?

Parkwaechter Harlekin: Meine Social Battery.

Die ist heute …

Parkwaechter Harlekin: Eigentlich immer …

Nicht sehr hoch.

Parkwaechter Harlekin: Ich wollt sie heut eher in der Mitte haben, aber der Schieber ist sehr locker und dann rutscht es wieder nach unten. 

Du hast außerdem ein Kapperl von Drinnies.

Parkwaechter Harlekin: Das ist ein guter Podcast, durch den ich realisiert hab, dass ich nach der Interaktion mit vielen Leuten einen Sozialkater haben darf. Lange hab ich ja geglaubt, dass das nicht normal ist. Inzwischen fühl ich mich wohler damit, dass es so ist.

Dass du einen Sozialkater haben darfst?

Parkwaechter Harlekin: Ja, weil die suggerierte Norm noch immer ist: Sei unter Menschen, verpass nichts, teil dich jeder und jedem mit. Es muss aber nicht so sein. Genauso wenig muss man den Umständen gewachsen sein – man muss sich darin nur zurechtfinden. 

Das ist die nüchterne bottom line.

Parkwaechter Harlekin: Die Dinge betreffen mich trotzdem, auch wenn ich viele Privilegien genieße, denen ich mir bewusst bin. Trotzdem: Auch mich macht das Patriarchat kaputt – obwohl ich so viel davon hab.

Das lassen wir so stehen – vielen Dank für deine Zeit!

Christoph Benkeser

++++

Links:
Parkwaechter Harlekin (Homepage)
Parkwaechter Harlekin (Facebook)
Parkwaechter Harlekin (Soundcloud)
Parkwaechter Harlekin (Bandcamp)
Parkwaechter Harlekin (Instagram)