„Hardcore Workout Queen”: Ein Album, das verkörpert, was ANNA FRIEDBERG ausmacht: Humor, Energie und den liebevollen Blick auf den Wahnsinn unserer Selbstoptimierungskultur. Im November (VÖ: 8.11.24) erscheint das Debütalbum der Londoner Indie-Band FRIEDBERG, deren Frontfrau ANNA im mica-Interview über ihre Wahlheimat London, amerikanische Hardcore-Fans und darüber spricht, warum sie sich manchmal nach Myspace zurücksehnt. Im Gespräch mit Ania Gleich erzählt die österreichische Musikerin, wie spontane Entscheidungen und das Vertrauen in die Ungewissheit ihre Karriere geprägt haben und was es bedeutet, „einfach immer zu machen“.
Du hast dich in London niedergelassen, oder?
Anna Friedberg: Davor war ich länger in Berlin. Aber London finde ich viel geiler. Die Stadt hat kulturell so viel zu bieten, dass ich gar nicht wüsste, wo man nach London noch hingehen sollte. Vor allem finde ich die Engländer cool – die haben einen guten Humor!
Was sagt es über dich aus, dass du gerne in London lebst?
Anna Friedberg: Dass ich mich von äußeren Umständen stark beeinflussen lasse. Außerdem finde ich die Energie in London ansteckend. Die Leute arbeiten extrem viel, um ihre Existenz zu sichern. Das spornt mich an! In Berlin fand ich das Rumhängen schlimmer. Dort chillt man ein paar Jahre, bekommt ein schlechtes Gewissen und zieht dann nach London.
Also Schnelligkeit ist deins?
Anna Friedberg: Ja, voll. Ich bin ungeduldig. Je schneller, desto besser. Aber ich wohne in einem Teil Londons, der entspannter ist. Ich kann also rein in den Stress, mich aber auch jederzeit rausnehmen.
Bist du deswegen eine „Hardcore Workout Queen”?
Anna Friedberg: Manchmal ja, manchmal nicht. Als ich den Song geschrieben habe, war ich es nicht. Da war ich eher im „wake-and-bake“-Modus. Der Song ist ein humorvoller Blick auf den Selbstoptimierungswahn. Bildlich gesehen habe ich gerade mein zweites Frühstück reingehauen, während die anderen schon ihr drittes Workout und fünf Meetings hinter sich haben. Trotzdem habe ich einen liebevollen Blick auf die Workout Queens. Man feuert sie an, während man selbst noch im Bett liegt und Mannerschnitten und Apfelchips futtert.
„WIR SCHAUEN AUF DIE WELT, WIE DURCH UNSER INSTAGRAM-GRID!”
Ich habe gehört, du spielst viel Fußball?
Anna Friedberg: Ja! Ich bin eben alles! Mal so, mal so. Man tauscht diese Rollen. Einmal feuerst du mich an, dann umgekehrt. You do you, I do me!
Kokettierst du im Song mit der Idee, dass man durch Social Media Hobbys nur mehr für ein Publikum macht?
Anna Friedberg: Wie alles im Leben, oder? Ich habe noch nie etwas von meinem Fußballteam oder meinem Essen gepostet. Man sieht etwas Schönes und denkt sofort, das wäre ein cooles Bild für Instagram. Wir schauen auf die Welt wie durch unser Instagram-Grid.
Bist du privat auf Social Media?
Anna Friedberg: Ich habe kein privates Instagram, nur den Bandaccount. Aber auch da denke ich: Muss man das unbedingt?
Ich frage mich immer, wie man das umgehen kann.
Anna Friedberg: Das Problem ist, dass die Leute private Einblicke wollen, die niemand anders für einen machen kann.
Aber die Frage ist eben: Muss man das?
Anna Friedberg: Mit der Band sind wir dann auch im Tourbus und machen Storys von dort. Ich finde es aber eigentlich besser, ein Mysterium aufrechtzuerhalten. Meistens bin ich enttäuscht, wenn ich problematische Storys von Leuten sehe, die ich cool fand. Dann denke ich mir: Hättest du das mal lieber gelassen!
Wenn sozusagen das wahre Gesicht ans Licht kommt.
Anna Friedberg: Ja, genau.
Du warst mit Placebo auf Tour, die eine strikte Policy haben, dass niemand bei Konzerten filmt. Seid ihr da auch streng?
Anna Friedberg: Ich bin immer genervt, wenn Leute in der ersten Reihe stehen und filmen. Wie kann man sich da hinstellen und den ganzen Gig aufnehmen? Oft bin ich kurz davor, etwas zu sagen. Dadurch landen dann auch schlechte Videos von uns auf YouTube. Mir wäre es lieber, wenn die Leute nicht mitfilmen würden. Aber als Supportact kann ich das nicht wirklich einfordern. In unserer Position ist es sogar ganz gut, wenn ein paar Leute etwas posten. Aber wenn wir mal größer sind, fände ich es cool, keine schlechten Videos mehr von mir im Internet zu sehen.
„SCHNELLE ENTSCHEIDUNGEN FÜHREN DAZU, DASS MAN MEHR MENSCHEN TRIFFT”
Es gab noch kein Album von euch, trotzdem wart ihr die ganze Zeit unterwegs. Wie ist das möglich?
Anna Friedberg: Gute Frage! Erst war zwei Jahre Covid, dann kam unsere EP. 2021 hat alles lange gedauert, weil ich viel allein gemacht habe und kein Management hatte. Dann kam die Hot Chip-Tour, die finanziell schwierig war, und ich musste Förderungen finden. Das war viel Arbeit! Ich habe drei Monate Tag und Nacht daran gearbeitet, die Tour möglich zu machen. Danach kam AnnenMayKantereit, und im Sommer waren jedes Wochenende Festivals. Gleichzeitig habe ich jemanden gesucht, der das Album mit mir finalisiert. Ich arbeite aber auch sehr langsam und mache immer super viele Versionen von jedem Song. Ohne Management und Plattenfirma hat das alles gedauert. Aber jetzt ist alles in place, und wir sind jederzeit bereit, auf Tour zu gehen.
Aber du musst ziemlich umtriebig sein, dass solche Gelegenheiten immer wieder aufkommen?
Anna Friedberg: Zum Beispiel die Hot Chip-Tour: Ich hatte eine Songwriting-Session mit Alexis, dem Sänger von Hot Chip, und so hat er mich kennengelernt. Drei Monate vor ihrer Tour hat er mir dann erzählt, dass LA Priest als Support abgesprungen ist: Ob wir mitgehen wollen? Wir haben sofort „Ja“ gesagt, ohne zu wissen, wie wir das schaffen sollen. Durch Hot Chip habe ich auch im Studio aufgenommen und wir haben uns mit der Band angefreundet. Dann haben wir LCD Soundsystem kennengelernt. Jede Entscheidung hat die nächste beeinflusst. So habe ich auch Oli Bayston getroffen, der jetzt unser Album fertig produziert hat. Man muss einfach immer machen! Schnelle Entscheidungen führen dazu, dass man mehr Menschen trifft.
Heißt das, du hast Vertrauen in die Ungewissheit der Zukunft?
Anna Friedberg: Ja, voll! Ich plane nicht viel voraus. Was mir schwerfällt, ist, dass ich mich manchmal in Details verliere. Aber vor großen Sachen habe ich keine Angst, da bin ich mutig. Dann ziehe ich eben nach London oder gehe mit jemandem ins Studio. Dann mache ich eine Tour auf eigene Faust, bin danach pleite und habe keine Ahnung, wie ich das restliche Jahr überlebe. Aber ich denke mir immer: Es wird schon klappen!
Bisher sind drei Singles erschienen. Wie war die Resonanz und wie fühlst du dich dabei?
Anna Friedberg: Bei der USA-Tour im April haben wir neunzehn Shows in einundzwanzig Tagen gespielt. Wir waren ständig im Sprinter, saßen täglich acht bis zehn Stunden im Auto und kamen oft fast zu spät. Die Leute, die bei diesen Konzerten waren, sind jetzt unsere Hardcore-Fans. Einige haben sogar unsere Cowbell oder Lyrics tätowieren lassen. Die flippen schon jetzt komplett aus, dass “Hardcore Workout Queen” bald rauskommt.
Wusstest du von diesen Hardcore-Fans in den USA?
Anna Friedberg: Überhaupt nicht! Eigentlich waren sie Fans von Giant Rooks, dann sind sie auch unsere geworden.
Und in Europa?
Anna Friedberg: Schwer abzuschätzen. Hier geht es viel um Spotify-Playlists, wodurch man den Bezug zu den Fans verliert. Von Spotify-Streams kann man nicht auf Konzertbesucher schließen. Wir haben hier noch keine Tour gespielt, also keine Ahnung, ob überhaupt jemand kommt.
Macht diese Abstraktion das Geschäft schwieriger?
Anna Friedberg: Viele Leute fangen an, Influencer-Zeug zu machen, obwohl sie Musik machen wollen. Aber die Follower interessieren sich nicht dafür, was wir wirklich tun. Es gibt ja Statistiken, dass kaum jemand auf Links zur Musik klickt. Deshalb plädiere ich: Myspace! Bring it back!
Wie wirkt sich der Stress auf dich aus, den du in den USA erlebt hast?
Anna Friedberg: Ich finde es gar nicht so stressig, solange niemand krank wird. Nur wenn ich ein paar Nächte nicht schlafen kann, bin ich durcheinander. Vor allem am Anfang der Tour, weil ich für alles verantwortlich bin. Da bin ich schon mal on the edge.
Den kreativen Part fürs Album machst aber nur du, oder?
Anna Friedberg: Genau, das war von Anfang an so. Ich hatte schon zehn fertige Songs, als ich die Band kennengelernt habe. Im Proberaum spielen wir dann die Live-Versionen ein. Live sind die Songs dann viel energetischer. Wir machen oft lange Percussion-Breaks, da geht es dann richtig ab!
„VIELE SONGS STARTEN GANZ KLEIN UND WERDEN AM ENDE IMMER GRÖßER!”
Wie ist die Energie auf der Bühne, wenn vier Leute zusammen spielen?
Anna Friedberg: Die Energie ist krass! Ich habe letztens eine Freundin auf die Bühne geholt, und sie meinte, es sei richtig heftig gewesen. Diese Energie macht uns aus.
Friedberg wird also erst auf der Bühne zu Friedberg?
Anna Friedberg: Es ist selten, dass man ein Album live einspielt, bevor man ins Studio geht, aber das wäre eigentlich auch mal interessant!
Wie hat sich der Drive der Songs seit der ersten EP verändert?
Anna Friedberg: Das Album jetzt klingt anders. Es gibt mehr krautrockige Elemente. Viele Songs fangen klein an und werden am Ende immer größer. Krautrock-mäßig eben – da fängt es auch immer klein an und wird immer psychedelischer. “Hardcore Workout Queen” klingt aber gleichzeitig minimalistischer als die EP. Ich liebe aber auch die Drums und den verträumten Touch.
Ab November geht ihr auf Tour. Wie sieht eure Fan-Demografie in Europa aus? Wo geht’s am meisten ab?
Anna Friedberg: Bisher haben wir in Europa nur Support-Shows gespielt. England, besonders der Norden, war am euphorischsten. In London sind die Fans cooler. In Wien weiß ich es noch nicht, da hatten wir noch keine eigene Show.
Abschlussfrage: Mit welchem Act würdest du gerne als nächstes auf der Bühne stehen?
Anna Friedberg: LCD Soundsystem!
Danke für das Gespräch!
Anna Friedberg: Danke dir auch
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Friedberg live
10. Dezember – Salzburg, Rockhouse
11. Dezember – Dornbirn, Conrad Sohm
12. Dezember – Linz, Posthof
13. Dezember – Graz, PPC
14. Dezember – Wien, Flex
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