„MAN MUSS DIE LUFTSCHLÖSSER AUF DEN BODEN BRINGEN!“ – TINA RUPRECHTER und BARBARA STILKE (Musik für Alle) IM MICA-INTERVIEW

Musik Für Alle (MuFA), so nennt sich der von TINA RUPRECHTER, BARBARA STILKE und ANNEMARIE REISINGER-TREIBER aufgestellte Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, strukturelle Ungleichheiten in der Musikbranche aufzuzeigen, unterrepräsentierte Gruppen sichtbar zu machen und Karrieren von FLINTA*-Personen zu fördern. Gerade weil das Selbstverständnis der Branche oft von einem offenen Mindset geprägt ist, ist es umso trauriger, was die absoluten Zahlen über die Gleichstellung in der Musikszene verraten. Studien wie die MALISA-Studie in Deutschland zeigen ganz konkret, wie schlecht es um die Gendergerechtigkeit in der Musik steht. Die BMKOES-Studie „Soziale Lage Kunstschaffender und Kunst-Kulturvermittler/innen in Österreich“ weist sogar auf, dass die Musik als Kunstsparte ganz besonders schlecht dasteht, wenn es um ihren FLINTA*-Anteil geht. Die drei Frauen hinter MuFA sind gerade dabei, diese Daten zu bündeln und ganz konkrete Projekte auf die Beine zu stellen, um der ungerechten Verteilung etwas entgegenzusetzen. Am 19. Oktober 2023 findet ein Netzwerktreffen statt, bei dem TINA RUPRECHTER, BARBARA STILKE und ANNEMARIE REISINGER-TREIBER ihr Projekt vorstellen; auch andere Netzwerke werden ihre Arbeit in Bezug auf Gleichstellung präsentieren. Im Vorfeld dazu haben sich zwei der drei „Branchen-Frauen“ mit Ania Gleich für ein Gespräch getroffen. Wie es zu MuFA gekommen ist, welche konkreten Ziele sie planen und wieso es auch wichtig ist, fruchtlose Diskussionen weiterzuführen, erzählen TINA RUPRECHTER und BARBARA STILKE im Interview.

Wie geht es euch gerade?

Tina Ruprechter: Seit dem Standard-Artikel über unseren Verein vor zwei Wochen ist wieder sehr viel passiert! Wir bekommen unzählige Mails, die …

Barbara Stilke: … sehr intim sind. Da kommen Musikerinnen mit ihren Geschichten und Biografien! Wir sind deswegen gerade ziemlich beschäftigt, es geht darum, eine sichere Anlaufstelle zu sein.

Tina Ruprechter: Das sind Geschichten, Anliegen und Themen, auf die wir adäquat reagieren wollen. Wir haben den ganzen Sommer damit verbracht, Zahlen für unsere Präsentation beim Waves-Festival Anfang September zu erheben. Wenn man sich die Frauenanteile in verschiedenen Radio-Charts anschaut, liegt der Frauenschnitt durchschnittlich irgendwo zwischen 5 und 20 %. Das würde jetzt niemanden wundern, wenn es um die Tech-Branche ginge. Aber für die Musikszene ist es ein trauriges Zeugnis, weil das eine Branche ist, bei der man durch ihr kreatives Potenzial meinen könnte, dass alle weltoffen sind und es dieses Miteinander schon gibt. Insofern gibt es eine viel krassere Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Image und den strukturellen Hintergrundbedingungen.

Wie ist es denn überhaupt zur Gründung von MuFA gekommen?

Barbara Stilke: Tina und ich kennen uns schon lange, weil wir bei Universal zusammengearbeitet haben und seitdem in engem Kontakt sind. Als Tina das Projekt dann angekickt und diese ganzen Zahlen zusammengestellt hat, ging es in den ersten Treffen hauptsächlich einmal darum, die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse aus unseren Jobs zu sammeln. So sind wir schnell draufgekommen, dass es einfach sehr viel Sinn macht, dass wir als „Branchen-Frauen“ so eine Initiative starten.

Tina Ruprechter: Und Annemarie [Anm. Reisinger-Treiber] und ich waren vor einigen Jahren bei dem auf europäischer Ebene ausgerollten Mentoring Programm MEWEM dabei, das in Österreich vom mica umgesetzt wurde. Da sind wir in einen stetigen Austausch zu genderrelevanten Themen gekommen. Annemarie war auch bei einem zweiten internationalen Programm (SEWEM) und verfügt hier natürlich über große Expertise. Anfangs war ich unsicher, ob sie aufgrund ihrer Schwangerschaft überhaupt Ressourcen hat, ins Gründungsteam von MuFA zu kommen und wir sind jetzt natürlich sehr happy dass sie dabei ist. Im Moment sind wir gerade dabei, auch für MuFA ein fortlaufendes Mentoring-Programm zu gestalten. Wir wollen dadurch Role-Models etablieren und junge Künstler:innen und Personen im Musikbusiness unterstützen, ein breites Wissen zu bekommen. Wir werden unser Team aber sicher bald erweitern müssen, denn bisher haben wir alles in unserer Privatzeit gemacht. Dabei ist es uns wichtig, dass die Personen so divers wie möglich sind: Wir wollen FLINTA*-Personen aus allen Bereichen, aber genauso auch Männer. Ich glaube, dass der Mix es ausmacht. Nur so schaffen wir ein adäquates Abbild der Gesellschaft und das gibt es in den meisten Institutionen nicht. Wir wollen hier eine Vorbildwirkung einnehmen.

„WENN KEINE LERNBEREITSCHAFT DA IST, KANN MAN SICH AUCH NICHT VERÄNDERN“

Barbara Stilke: Die Voraussetzung ist, dass jede:r etwas anpackt. Denn wenn wir von unseren Ideen erzählen, ist erstmal jede:r dabei. Aber wenn man dann konkret fragt: „Hey, kannst du dich vielleicht um Social Media kümmern?“, wird der Kreis der Menschen schon etwas kleiner.

Also braucht es eine gewisse Verbindlichkeit?

Tina Ruprechter: Die Bereitschaft, es zu machen, ja! Es gibt dutzende Festivals, auf denen in Panels über Gleichstellung in der Musikbranche geredet wird, aber die Zahlen zeigen weiterhin, dass sich zu wenig verändert. Man muss die Luftschlösser auf den Boden bringen und das sehen wir als unsere Hauptaufgabe.

Wieso braucht es Role-Models? 



Barbara Stilke: Als Tina einmal einen Vortrag über Gleichstellung und Diversität im mica gehalten hat, waren ganz viele junge Künstlerinnen dort. Und als wir später mit ihnen geplaudert haben, habe ich für mich das erste Mal die Erfahrung gemacht, was wir eigentlich mitbringen, weil wir schon so lange in dieser Branche arbeiten. Und die jungen Künstlerinnen dort waren sehr neugierig und haben auch viel nachgefragt. So ist uns das erste Mal bewusst geworden, dass wir wirklich etwas haben, das für andere nützlich ist – nämlich einen Schatz an Erfahrungen.

Es geht darum, die strukturellen Probleme aufzuzeigen?

Tina Ruprechter: Ja, das ist ganz wesentlich. Es geht schließlich um die Strukturen, die sich verändern müssen. Es gibt ganz viele junge Männer in der Generation Z, die mit den stereotypischen Rollenbildern gar nicht mehr zurechtkommen. Aber es sind die Strukturen darüber einfach so rigide, dass sie ihnen am Ende des Tages wieder aufgezwungen werden. Deswegen geht es um darum, das ständig bewusster und sichtbar machen. Der Finger muss immer wieder in die Wunde gelegt und gefragt werden: Wie divers ist euer Vorstand? Wer ist in euren Führungspositionen? Dabei geht es darum, Selbsterkenntnisprozesse zu fördern. Wenn man über Quoten diskutiert, geht es um ein verpflichtendes Commitment. Aber das beste Commitment ist, wenn ich die Schieflage selbst erkenne und mir deren Verbesserung als Institution auferlege. Das fehlt einfach! Zurzeit poppen diese Dinge überall auf und werden thematisiert. Und da geht es nicht nur um wirtschaftliche Zusammenhänge, sondern auch um Fälle wie Rammstein: Das löst eine Spaltung in der Gesellschaft aus. So sieht man, dass veraltete Rollenbilder und Einstellungen immer noch der Motor für Rechtfertigungen sind und mit denen gilt es aufzuräumen. Aber wenn keine Lernbereitschaft da ist, kann man sich auch nicht verändern. 



Barbara Stilke: Aber wir nehmen uns da nicht aus! Wenn wir Konzepte schreiben, merken wir oft an uns selbst wieder und wieder, wo wir thematisch und mit Formulierungen aufpassen müssen, um niemanden auszugrenzen.

Und wie geht ihr mit dem oft starken Ressentiment um, was dieses Umlernen betrifft?

Tina Ruprechter: Das sind sehr persönliche Motive und man muss ganz einfach dranbleiben. Es ist wichtig, zu versuchen, solchen Menschen diplomatisch dazulegen, dass dieses Umlernen für die Gesellschaft wichtig ist. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass Unternehmen, die die Geschlechterverteilung der Gesellschaft abbilden, viel resilienter und wirtschaftlich erfolgreicher sind. Da geht es ja auch um das eigene Image! Diversität führt zu einem offeneren Mindset. Wir wissen, dass die Gleichstellung in Österreich, wenn sie in gleichem Tempo voranschreitet, noch 240 Jahre dauert, da sind wir besonders weit hinten. Aber ich glaube daran, dass man gemeinsam an einer Beschleunigung dieses Prozesses arbeiten kann. Und ich glaube auch, dass Gleichstellung keine Frauensache ist und es zu erkennen gilt, wie wichtig sie für die Gesellschaft als Ganzes ist.

„DIE BRÜCKE VOM GESCHIRRSPÜLER IN DIE GESELLSCHAFT FEHLT!“

Warum wird die Geschlechterfrage immer noch so oft als Frauenfrage gesehen?

Tina Ruprechter: Ich glaube, dass die persönliche Betroffenheit bei vielen Personen dazu führt, dass sie das Gefühl haben, sich rechtfertigen zu müssen. Eine Frau sagt etwas, und ein Mann tendiert dazu, sich zu rechtfertigen. Aber um dieser Tendenz entgegenzuwirken, dürfen wir nicht immer mit Du-Botschaften kommen, sondern sollten eher fragen: „Was können wir gemeinsam machen? Ansonsten kommen immer wieder Aussagen wie die folgenden zu hören: „Aber ich mache doch eh …“. Weißt du, wie oft ich hören musste: „Aber zuhause wasch eh immer ich die Wäsche“ oder „Mach eh immer ich den Geschirrspüler“. Das ist zwar toll, aber ändert nichts an den strukturellen Problemen.

Barbara Stilke: Es ist lustig, dass das Geschirrspüler-Ausräumen von Männern so oft als das emanzipierte Beispiel per se genommen wird, oder?

Tina Ruprechter: Ja, aber das entspringt dieser Rechtfertigungsmentalität, denn „ich mache ja eh viel“. Natürlich muss man solche Aussagen trotzdem abholen, denn wir alle beginnen im Kleinen. Aber wenn es auf die Gesellschaft ausgerollt wird, sprechen die Zahlen im großen Stil eine ganz andere Sprache. Die Brücke vom Geschirrspüler in die Gesellschaft fehlt!

Bei der BMKOES-Studie zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich haben die Teilnehmer:inne für die Musik als Kunstsparte mit 32 % den geringsten Frauenanteil. Wieso ist das so?

Tina Ruprechter: Wenn man die Branche nur auf Österreich bezieht, ist sie vergleichsweise klein und ich habe das Gefühl, dass es eine Branche ist, in der viele Junggebliebene sind und diese sie daher ungern verlassen wollen. Viele Menschen bleiben also länger als gewöhnlich in ihren Positionen und dadurch ist diese geringe Zahl an Jobs für sehr lange Zeit besetzt. Wenn ich auf die klassischen Struktur-Player wie LSG, AKM, IFPI, Wirtschaftskammer und alle möglichen Labels schaue, dann sind die Strukturen dort sehr fest. Also ich kenne alle schon, die dort arbeiten. Und die waren vor meiner Zeit schon da!

Barbara Stilke: Wenn du dir etwa die Major-Labels anschaust: Wann war das letzte Mal eine Frau Geschäftsführerin? Bei Universal gibt es jetzt seit ewigen Zeiten wieder einmal eine weibliche Marketingchefin. Geschäftsführer:innen fallen mir eigentlich gar keine ein. Und es ist nicht so, dass es niemals jemanden gegeben hätte, der fähig war.

Dazu kommt der Age-Gap, der automatisch entsteht, weil Frauen immer noch zu größeren Anteilen die Kinderpflege übernehmen.

Tina Ruprechter: Absolut. Wir alle drei haben Kinder, weswegen das Kinder-Thema für uns aus persönlicher Erfahrung eine Priorität hat. Meine Vision wäre, dass Kinder viel mehr in den Alltag integriert sind. Denn als Frau hat man immer das Gefühl, dass man sich entscheiden muss: Entweder passt der Mann oder die Babysitterin statt dir auf, während du zu deinen Geschäftsterminen düst. Ich habe meine vierjährige Tochter etwa immer sichtbar gemacht, weil es mir am Herzen lag, dass sie sieht, was ich in meinem Berufsalltag mache. Auf der anderen Seite ging es mir aber auch darum zu zeigen, dass diese Trennung nicht stattfinden muss. Frauen verschwinden einfach gezwungenermaßen für eine bestimmte Zeit von der Karriereleiter.

Barbara Stilke: Dabei haben Frauen ja nach so einer Karenzzeit extrem starke Fähigkeiten, allein, was ihre Belastbarkeit betrifft! Aber die meisten kommen dann drei Positionen weiter unten wieder in den Job und meistens in einen administrativen Bereich. Was mir außerdem aufgefallen ist, nachdem ich schon zwei Teenager habe, ist, dass meine Kinder diese Aspekte der Gleichstellung viel natürlicher mit sich herumtragen, und das beginnt bei der Sprache und hört bei der Sexualität auf. Daraus können wir als Eltern so viel lernen. Das ist eine riesige Ressource!

Aber diese rutschen ja genau wieder in diese Strukturen …

Tina Ruprechter: Wir müssen uns bemühen, dass wir da wegkommen. Ohne den persönlichen Einsatz von allen geht es ohnehin nicht! Es ist ein Spannungsfeld, die Elternschaft mit dem Job zu vereinbaren, ohne dass auf der Beziehungsebene Defizite entstehen. Ich glaube, auch das ist eine Aufgabe, die wir als Gesellschaft leisten müssen.

„ES MUSS AUCH EINFACH MAL SEIN KÖNNEN, DASS EIN KIND EINE VORSTANDSSITZUNG CRASHT, OHNE DASS ALLE GLEICH PIKIERT SIND.“

Also müssen wir weg von der Priorisierung der Kernfamilie?

Tina Ruprechter: Ja, beziehungsweise müssen wir die gegenseitige Unterstützung in diesem Zusammenhang priorisieren. Da muss man gut hinschauen und hinspüren, denn das hat viel mit inneren Ressourcen zu tun. Andererseits ist es auch so, weil Männer einfach mehr verdienen: Der Gender-Pay-Gap liegt in Österreich bei zirka 20 %, das heißt, man kann davon ausgehen, dass bei zwei Menschen in den meisten Fällen der eine mehr verdient als die andere und dann der natürliche Reflex entsteht, dass die weniger Verdienende sich unterordnet, was fast immer die Frau ist. Ich glaube, wenn man es schafft, sich ein bisschen mehr auf Augenhöhe zu stellen und das als Familie zu lösen, kann man dieses Familienbild in die Gesellschaft hineintragen. Und es gibt viele junge Menschen, die das ganz anders sehen. Wir können unseren Beitrag leisten und hoffen, dass wir als Role-Models Vorbildwirkung haben. Das fängt schon bei den Kindern an: Meine Tochter hat sich ewig lange tragen lassen und so habe ich unendlich viel Telefonkonferenzen gehabt, bei denen sie halt an meiner Brust geschlafen hat. Aber wenn sie dann aufgewacht ist und quengelig wurde, entstand in mir so ein unangenehmes Gefühl. Und ich finde, das muss aus der Gesellschaft raus, denn wir waren alle mal Kinder und sind jemandem auf die Nerven gegangen. Kinder haben nichts darzustellen, denn Kinder müssen sich noch nicht selbst kontrollieren, wie wir es als Erwachsene tun. Es muss einfach auch sein können, dass ein Kind eine Vorstandssitzung crasht, ohne dass alle gleich pikiert sind.

Habt ihr auch konkrete Ansätze über die Sichtbarmachung von intersexuellen, nicht-binären, trans- und agender Personen?


Tina Ruprechter: Bis eine Gesellschaft eine neue Sprache lernt, braucht es Geduld. Und zum anderen geht es um eine neue Selbstverständlichkeit. Für mich war das Harry-Styles-Konzert so ein wunderschönes Beispiel, denn er hat es so toll geschafft, das ganze Publikum zu vereinen: Wir sind alle gleich, egal wer du bist und welche sexuelle Orientierung du hast. Die junge Generation muss kein neues Rollenbild definieren, weil sie das schon längst aufgebrochen hat. Sie sind eine Evolutionsstufe weiter. In dem Moment, in dem es egal ist, welches Geschlecht oder welche sexuelle Orientierung du hast, ist dieses Spannungsfeld weg.

Und habt ihr in euren Ideen zum MuFA-Programm Projekte, die sich konkret auf intersexuelle, nicht-binäre, trans- und agender Personen fokussieren?

Tina Ruprechter: Es ist für uns ein wichtiges Thema, auch anderen unterrepräsentierten Personen und Gruppen unter die Arme zu greifen und wir werden versuchen, die Geschlechterverteilung, wie sie in der Gesellschaft abgebildet ist, in all unseren Tätigkeiten abzubilden. Das Leben ist ein Lernprozess und auch wir haben hier noch einiges zu lernen.

Barbara Stilke: Wir haben etwa erst vor Kurzem mit Musiker* Lino Camilo Kontakt aufgenommen und dabei sehr positives Feedback bekommen. Denn schlussendlich wollen wir wie eine Rutsche sein, die eine Möglichkeit gibt, die bestehenden strukturellen Barrieren zu überwinden. Und gerade sind wir dabei, unsere Message dazu genauer auszufeilen. 



„ES BRINGT UNS ALS GESELLSCHAFT NICHT WEITER, UNS GEGENSEITIG ANZUFEINDEN.“

Seht ihr euch also als Organisation, die viele Einzelkämpfer:innen unter sich zusammenfassen will?

Tina Ruprechter: Wenn es uns gelingen würde, alle möglichen Vereine und Einzelkämpfer:innen zu vereinen und zu schauen, wo Parallelen sind oder man gemeinsame neue Ziele definiert, dann wäre schon viel vollbracht. Ob das jetzt so etwas Formelles wie ein Dachverband wird, das werden wir sehen. Aber auf jeden Fall soll das Netzwerktreffen am 19. Oktober dazu beitragen, Gespräche anzufangen und zu schauen, wie man wo kooperieren könnte oder helfen kann. Erst dann wird man sehen, was daraus entstehen kann. Wenn eine Bereitschaft dazu da ist, sind wir auch in der Lage, etwas Großes auf die Beine zu stellen.

Und gibt es eine Message, die euch als MuFA antreibt?

Tina Ruprechter: Es ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, die Gemeinsamkeiten zu identifizieren. Wir können nicht alleine für Gleichstellung sorgen. Es müssen alle gemeinsam etwas beitragen und deswegen ist eine gewisse Bereitschaft notwendig, mit anderen Personen zusammenzuarbeiten. Denn es ist wahnsinnig anstrengend, in diese starren Strukturen hineinzuarbeiten. Das sind oft sehr fruchtlose Diskussionen, aber man muss sie führen. Denn es bringt uns als Gesellschaft nicht weiter, uns gegenseitig anzufeinden.

Was sind die konkreten Ziele von MuFA? 



Barbara Stilke: Zuerst geht es einmal um eine gute Struktur, auf die wir diesen Verein aufbauen können, ohne dabei im Burn-out zu landen. Aber es geht auch darum, unsere Seriosität zu zeigen, um andere Leute mit ins Boot zu holen. In weiterer Folge geht es darum, Konzepte zu schreiben, mit Stellen Kontakt aufzunehmen, immer wieder darauf hinzuweisen, wo Missstände stattfinden und wo nicht genug Commitment vorhanden ist.

Tina Ruprechter: Ich glaube, dass auch viel PR- und Marketingarbeit notwendig ist, sowie viele Einzelgespräche.

Barbara Stilke: Was wir gerade hauptsächlich täglich machen, ist viel zu telefonieren und dabei zu priorisieren.

Wo seid ihr da grad dran? 



Tina Ruprechter: Jetzt sind wir gerade damit beschäftigt, drei Programme auf den Weg zu bringen. Vor allem liegt uns dabei ein Mentorinnenprogramm sehr am Herzen, an dessen Konzept wir gerade schreiben. Dazu haben auch schon Vorgespräche mit öffentlichen Stellen stattgefunden. Unser Verein heißt nicht ohne Grund „Musik für Alle“: Wir wollen den Zusammenhalt unter den Künstler:innen stärken. Darum wollen wir auch eine Gala veranstalten, für die wir gerade Sponsoren suchen. Außerdem haben wir überlegt, dass wir gerne Producer:innen und Künstler:innen in ihrer Vernetzung und mit einem Skillsharing noch mehr fördern möchten. Nebenbei laufen die Mitglieder-Akquisition und die Arbeit an unseren Social-Media-Kanälen. Anfang 2024 würden wir gerne ein Treffen mit allen Interessierten machen.

Und was hat die größte Priorität?

Tina Ruprechter: Das Wichtigste ist die Etablierung von Role-Models. Das ist fast eine politische Tätigkeit. MuFA hat zwar als Verein keinen politischen Hintergrund, aber die Arbeit fühlt sich manchmal so an. Es fällt mir dabei manchmal besonders schwer, geduldig zu bleiben. Annemarie und Barbara helfen mir immer sehr, in die Ruhe hineinzugehen.

Emotionen zuzulassen, passt halt nicht auf die glatte Oberfläche dieser Gesellschaft.

Tina Ruprechter: Ich habe doch einige Male gehört, ich sei zu emotional hinter der Sache. Es scheint, als wäre das das Argument Nr. 1, wenn Missstände in der Gesellschaft angesprochen werden.

Dann hoffe ich, dass sich das mit eurem Engagement bald ändern wird.

Tina Ruprechter und Barbara Stilke: Das hoffen wir auch. Danke dir, für das Gespräch!

Ich danke euch!

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Termin:
Netzwerktreffen zu genderbezogenen Themen in der Musikszene

Donnerstag, 19. Oktober 2023 von 9:00 – 13:00 Uhr
Depot, Breitegasse 3, 1070 Wien
(Teilnehmer:innenanzahl begrenzt) oder online (Zoom)

Anmeldung:
Bitte gebt uns bei der Anmeldung an office@musicaustria.at bekannt, ob ihr vor Ort oder online an der Veranstaltung teilnehmen möchtet. Es wird auch Raum für persönliche Vernetzung geben.

Weitere Informationen hier.

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Links:
MuFA (Website)
MuFA (Instagram)