„Man kann sagen, dass ich mit Tape Moon eine Art Schatztruhe geöffnet habe.“ – MICHAEL NAPHEGYI (TAPE MOON) im mica-Interview

Bisher war der in Wien lebende Musiker MICHAEL NAPHEGYI in Formationen aktiv, die man mehr oder weniger dem Jazzkosmos zuordnen kann. Wobei, mit Jazz im klassischen Sinn hatten Bands wie ROSI SPEZIAL, TELEPORT COLLECTIVE und MAMMA FATALE auch nicht wirklich etwas zu tun. Mit seinem Debüt „Absent“ (Mattalon Records) tritt der 29-Jährige als TAPE MOON nun erstmals als Soloartist in Erscheinung. Und das in einer deutlich stärker dem Pop zugewandten Art, als man es von ihm bisher gewohnt war. MICHAEL NAPHEGYI verbindet in seinen Songs in wunderbar stimmungsvoller Form Melodien mit Klangexperimenten, er bringt einen Sound zu Gehör, der gleichzeitig zum Träumen und Reflektieren einlädt. Im Interview mit Michael Ternai erzählte der experimentierfreudige Musiker über die „Schatzkiste“, die er mit seinem Soloprojekt geöffnet hatte, seinen minimalistischen Zugang bei der Albumproduktion und seine Liebe zu atmosphärischen Retro-Sounds.

Du spielst in verschiedenen Projekten, die alle zusammengenommen vermuten lassen, dass du eher den ungewöhnlichen Klang schätzt. Auch als Soloartist beschreitest du die eher ungewöhnlichen musikalischen Wege. Vielleicht zum Einstieg, wann reifte ihn dir der Wunsch, es auch einmal solo zu versuchen?

Michael Naphegyi: Ich spielte eigentlich schon lange mit dem Gedanken, ein Soloprojekt zu machen und hatte relativ konkrete Ideen, wohin es musikalisch und sound-ästhetisch gehen sollte. Mir schwebte eine Mischung aus Psychedelic, Lo-Fi, Pop mit viel Raum für Experimentelles vor. Auch wollte ich für dieses Projekt etwas weg vom Jazz, oder besser gesagt meine ‘Homebase’ erweitern. Aber es hat sich schlicht und einfach nie die Zeit dafür ergeben.

Dann kamen im letzten Jahr die Lockdowns, die mir die Möglichkeit boten, dieses Projekt nun endlich in Angriff zu nehmen. Ich hatte ja etwas an Equipment zu Hause stehen und so konnte ich relativ rasch loslegen. Ich war zeitgleich zum ersten Lockdown mit dem Studium fertig geworden, hatte die Zeit und bekam für mein Vorhaben ein Stipendium. Also beste Voraussetzungen.

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Bei dir bedeutet Soloalbum tatsächlich Soloalbum. Du hast, so wie ich es verstanden habe, alles selbst gemacht.

Michael Naphegyi: Genau. Soloalbum auch in diesem Sinne, dass neben der Musik auch die gesamte Gestaltung des Artworks von mir stammt. Auch das Mixing habe ich, bis zum finalen Schliff im Studio, selber gemacht. Der gesamte Prozess war für mich auch eine wertvolle Erfahrung.

Das Album ist in einem Zimmer bei dir zu Hause entstanden. Ein großes Studio hattest du also nicht zur Verfügung.

Michael Naphegyi: Ich hatte eigentlich nur das zur Verfügung, was ich in meinem Zimmer so liegen gehabt habe. Einen Synthesizer, ein Schlagzeug, Percussions und ein paar andere Geräte. Ich habe mir das Ziel gesetzt, den Tonträger nur mit diesem Equipment zu realisieren. Und ich denke, dass gerade diese Limitierung zu neuer Inspiration führte und meine Kreativität gefördert hat. Zudem habe ich mich, als die Grenzen des Machbaren feststanden, auch viel leichter getan. Weniger Auswahl bedeutet auch weniger Ablenkung. Insgesamt war es eine sehr angenehme und unkomplizierte Arbeitsweise.

Was man den Songs anhört, ist, dass du sehr viel herumexperimentiert hast. Vor allem die Sounds, die du gefunden hast, klingen sehr eigen.

Michael Naphegyi: Da habe ich tatsächlich sehr viel herumgespielt. Ich musste schauen, dass ich mich – sei das mit Effektgeräten oder dem Synthesizer – sehr weit von den Presets wegbewege, um meinen eigenen Sound zu kreieren.

TAPE MOON (c) Fabiola Hagen

„Ich hatte öfters eine verlassene Filmkulisse vor Augen, eine Art diffuse Traumwelt zwischen Alptraum und schönem Traum.“

Deine Songs und Instrumentals sind allesamt sehr atmosphärisch. Eine Assoziation, die mir beim Hören deiner Musik sofort in den Kopf schoss, war die zur Science-Fiction bzw. Horrorfilm-Musik der 1980er-Jahre à la John Carpenter. Vermute ich richtig, dass dich diese auch inspiriert hat?

Michael Naphegyi: Ja, das trifft es sehr gut. Generell war der visuelle Aspekt auch während dem Produzieren der Songs präsent. Ich hatte öfters eine verlassene Filmkulisse vor Augen, eine Art diffuse Traumwelt zwischen Alptraum und schönem Traum. Auch in Richtung David Lynch, von total atmosphärisch oder unheimlich zu fast kitschigen Szenen in kurzer Zeit. Ich kann mir dieses Album auch gut als Soundtrack zu einem Film vorstellen.

Auf der einen Seite die Kulisse einer verlassenen, unheimlichen Geisterstadt – auf der anderen Seite eine verträumte, nostalgische Szenerie, die eine eigenartige Sehnsucht nach Momenten erweckt, die man nie erlebt hat.

Was für eine Musik hat dich inspiriert?

Cover “Absent”

Michael Naphegyi: Von Unknown Mortal Orchestra, Ariel Pink, Tame Impala, John Maus bis hin zu Boards of Canada, BadBadnotGood, auch ganz vieles aus diversen Krautrock-Bands oder zum Beispiel Filmmusik von den früheren Jim Jarmusch Filmen. Um ein paar Sachen zu nennen.

Hast du dir eigentlich von anderen Leuten Feedback geholt oder hast du tatsächlich alles allein durchgezogen?

Michael Naphegyi: Vom ersten bis zum letzten Track habe ich eigentlich alleine gearbeitet und das Ganze recht isoliert gehalten. Teilweise war ich schon etwas unsicher, so ganz ohne Feedback von außen. Ich wollte es zwar so, aber dennoch wusste ich nicht so richtig, wo ich mit meiner Musik stehe. Soll ich die Songs überhaupt releasen?

In einer Band ist man ja eine Person von mehreren und kann sich hinter den anderen ‘verstecken’. Da verteilt sich alles. Bei einem Soloprojekt trifft alles zu hundert Prozent auf einen selbst. Das war für mich etwas Neues und eine ziemlich krasse Erfahrung. Ich bin aber froh, diesen Schritt gemacht zu haben.

Du hast erwähnt, dass du allein im stillen Kämmerlein sehr viel experimentiert hast. Hast du nicht die Gefahr gesehen, dass du dich eventuell in deiner eigenen Welt verlierst und nicht zum Schluss kommst?

Michael Naphegyi: Ich habe mir gleich am Anfang klare Deadlines gesetzt. Das Schwierigste an eigenen Projekten ist, dass man Gefahr läuft, irgendwann den Fokus zu verlieren. Man will da noch etwas perfektionieren, hier noch etwas hinzufügen, obwohl der Mix bereits perfekt ist und durch das ewige Weiterproduzieren nur noch schlechter wird. Die Deadlines waren für mich daher sehr hilfreich. Ich wusste, wann die Mixes fertig sein müssen, wann ich die erste Single release, oder wann ich das Musikvideo liefern muss.

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Welche Stellung nimmt dein Soloprojekt unter deinen vielen Projekten ein? Wo steht es?

Michael Naphegyi: Man kann sagen, dass ich mit Tape Moon eine Art Schatztruhe geöffnet habe. Da ich auch das Eigenlabel Mottalon Music gegründet habe, kann ich nun unabhängig neue Musik veröffentlichen, wie und wann ich will.

Ich werde jetzt erstmal beobachten, wie sich alles entwickelt, ob Konzerte zustande kommen und inwieweit es Sinn macht, eine Live-Band zusammenzustellen. Gleichzeitig bedeutet Tape Moon aber nicht, dass ich die anderen Projekte vernachlässigen werde. Mit Rosi Spezial oder Teleport Collective sind beispielsweise schon neue Aufnahmen geplant.

Herzlichen Dank für das Interview!

Michael Ternai

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Links:
TAPE MOON (Facebook)
TAPE MOON (bandcamp)