„Man betritt ein ganz eigenes Universum“ – PARASOL CARAVAN im mica-Interview

Im Herbst 2015 veröffentlichten PARASOL CARAVAN ihr erstes Album „Para Solem“ (Panta R&E). Das oberösterreichische Stoner-Rock-Quartett bespielte rund um die Veröffentlichung emsig den europäischen Raum. Neben bestechenden Riffs, einem satten Groove und einem authentischen Sound überzeugt die Band mit einer grandiosen Stimme. Sebastian J. Götzendorfer sprach mit BERTRAM KOLAR (Gitarre) und VINCENT BÖHM (Schlagzeug) über den Entstehungsprozess des Albums, das Leben auf Tour und darüber, wie man sich bewusst und unbewusst von anderen Bands des Genres abhebt.


Sie haben Ihr Debütalbum „Para Solem“ im Herbst 2015 veröffentlicht. Was hat sich seitdem getan?

Bertram Kolar: Wir haben das Album aufgenommen und sind dann eigentlich gleich damit auf Tour gegangen. Das war eine zehntägige Tour durch Österreich und Deutschland, auf die wir sehr gute Rückmeldungen bekommen haben. Der offizielle Album-Release war erst Ende Oktober, wir waren aber schon im September mit dem Album auf Tour und konnten damit gleich das ganze Material live ausprobieren. Was die Publikumsresonanz betrifft, war das – bis jetzt jedenfalls – unsere beste Tour. Wir haben gemerkt, dass es bei uns einfach an der Zeit war, ein Album zu veröffentlichen, und dass da einige Leute waren, die darauf gewartet haben. Für unsere Verhältnisse hat es sich bis jetzt auch recht gut verkauft.

Vincent Böhm: Man merkt halt jetzt auch dadurch einen Unterschied, dass wir auf einem Label sind.

Bertram Kolar: Dadurch ist halt die Außenwirkung eine ganz andere. Davor hatten wir alles in Eigenregie veröffentlicht. Die Außenwirkung erschließt sich über die ganzen Reviews und Zeitungsberichte, auch der ORF sendete ein Beitrag.

Sie haben vorhin gemeint, dass es schon an der Zeit war, ein Album zu veröffentlichen. Wie alt ist der älteste Song auf dem Album? Wann wurde der geschrieben?

Bertram Kolar: Das dürfte „Veneer“ aus dem Jahr 2013 sein. Ja, es hat schon eine Zeit lang gedauert.

Vincent Böhm: Man verwirft halt viel und schmeißt viel wieder raus. Wir haben alle Nummern kurz vor dem Aufnehmen noch einmal verändert.

Sie sind im Jänner im RadioKulturhaus in Wien aufgetreten, einer doch eher ungewöhnlichen Location für eine Band wie Parasol Caravan. Haben Sie sich dort eher fremd gefühlt oder machte es Ihnen auf so einer Bühne umso mehr Spaß?

Bertram Kolar: Also ich habe es eigentlich total cool gefunden, dass eine Band, die so eine Art von Musik macht wie wir, dort auftreten kann. Es ist eine Halle, die tatsächlich für Musik gemacht wurde. Man kommt da rein und hat natürlich einen gewissen Respekt vor dem Ganzen, aber es hat irrsinnig Spaß gemacht, dort zu spielen. Im ersten Moment war es aufgrund des Sitzpublikums vielleicht ein bisschen schräg, aber dafür haben die Leute dann umso lauter geklatscht. Das Feedback war echt gut.

Vincent Böhm: Man weiß nicht, was einen erwartet, aber die Resonanz war so gut und die Leute haben geschrien. Es war ziemlich voll. Wenn das Publikum dabei ist, funktioniert alles wie von selbst. Das ist dann nur ein Zehntel der Arbeit.

Im Bereich der Subkulturmusik ist die Stoner-Rock-Szene womöglich die dankbarste. Ist es beruhigend zu wissen, dass für das eigene Genre generell ein gewisses Publikum vorhanden ist?

Bertram Kolar: Ich glaube, wenn das Publikum für dieses Genre nicht da wäre, wäre es generell nicht möglich, so viel unterwegs zu sein. In erster Linie besteht das Publikum aus vielen Leuten, die auch selbst Konzerte veranstalten. Mir kommt vor, als sei es eine Musik von Fans für Fans. Die ganze Szene ist sehr gut vernetzt. Sonst wäre es gar nicht möglich gewesen, dass eine kleine Band, wie wir sie sind, schon von Anfang an nach Deutschland fährt. Man fährt Tausende Kilometer und es sind trotzdem Leute da, die das feiern und unterstützen.

Vincent Böhm: Man betritt ein ganz eigenes Universum. Wenn man auf Tour ist und diese ganzen Leute trifft, die so unglaublich nett sind und einfach für die Musik leben, kommt einem das teilweise wirklich ein bisschen abgekoppelt von der Realität vor, die ja viel strenger ist und mehr nach Regeln funktioniert.

Also hat die Szene schon einen unterstützenden Charakter?

Bertram Kolar: Ja, auf jeden Fall.

„Er hebt das mit seiner Stimme schon ein bisschen auf eine andere Ebene.“

Ein weiteres Plus bei Parasol Caravan ist womöglich, dass Sänger Alexander Kriechbaum extrem authentisch klingt und auch ein bisschen amerikanisch. Er fällt auf jeden Fall sehr positiv auf.

Bertram Kolar: Das sehen wir auch so.

Vincent Böhm: Der Alex mit seiner Stimme ist ein riesiger Pluspunkt. Wir spielen alle gerne und viel und wir spielen auch gut zusammen, aber da gibt es einige Bands, die das können. Aber der Alex holt uns eben aus dem Einheitsbrei ein bisschen raus, ohne das abwerten zu wollen. Er hebt das mit seiner Stimme schon ein bisschen auf eine andere Ebene.

Parasol Caravan
hebt sich auch von anderen Bands ab, weil neben der für den Stoner Rock typischen Rifflastigkeit und neben dem Groove auch immer wieder progressive Einsprengsel vorkommen. Ist das ein bewusster Schritt?

Bertram Kolar: Nein. Wir waren nie eine Stoner-Rock-Band, die die ganze Zeit nur auf einem Ton „dahinnudelt“ und die Gitarren möglichst tief stimmt. Wir hatten schon immer einen gewissen musikalischen Anspruch an uns selbst. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass wir die Songs immer absichtlich wahnsinnig komplex gestalten wollen, sondern in erster Linie muss uns das, was wir spielen, Spaß machen und auch ein bisschen fordern.

Vincent Böhm: Man will ja auch immer weiterkommen. Wir kommen musikalisch schon alle aus ein bisschen verschiedenen musikalischen Richtungen.

Bertram Kolar: Außerdem gibt es schon sehr viele Stoner-Rock-Bands, die alle komplett gleich klingen. Mehr oder wenig bewusst haben wir versucht, uns von dem Ganzen ein bisschen abzusetzen.

Für welche Band möchten Sie am liebsten den Supporting Act machen?

Bild Parasol Caravan
Parasol Caravan (c) René Huemer

Bertram Kolar: Vielleicht Tool.

Vincent Böhm: Wobei wir da wahrscheinlich alle so nervös wären, dass wir absolut nicht mehr spielen könnten [lacht]. Früher hätten wir gesagt: Truckfighters. Mittlerweile haben allerdings schon öfter mit denen gespielt, und dann hat es nicht mehr diesen bestimmten Charakter.

Bertram Kolar: Graveyard wäre heute vielleicht auch so eine Band.

Vincent Böhm:
Wobei der Alex vermutlich lieber vor irgendeiner Country-Band spielen würde. Weil das mit dem amerikanischen Charakter vorhin angesprochen wurde: Der hört wirklich sehr gern solche Sachen.

„Plötzlich kam ein Typ mit einer Kettensäge in unser Zimmer.“

Apropos Support-Gigs und Touren. Gibt es eine Anekdote, die Ihnen zu diesem Thema einfällt?

Bertram Kolar: Das war auf jeden Fall in Leuven in Belgien 2013 [lacht]. Normalerweise will man nach einem Konzert wissen, wo man schlafen kann. Zuerst hat es geheißen, wir sollten in einem Hostel schlafen, dann ging es um eine WG, die uns aber nicht reingelassen hat, und dann hat der Veranstalter gemeint, sein Vater habe außerhalb von Leuven ein altes Jagdhaus, in dem wir schlafen könnten. Also sind wir in den Wald gefahren.

Vincent Böhm: Es war de facto eine Baustelle.

Bertram Kolar: Es war schon Ende Oktober und relativ kalt. Mitten in der Nacht, es war stockdunkelt, haben wir das Rattern einer Motorsäge gehört. Plötzlich kam ein Typ mit einer Kettensäge in unser Zimmer. Wir sind komplett durchgedreht. Der Typ hat dann ein Radio aufgedreht und ist wieder gegangen. Es hat sich dann herausgestellt, dass das der Vater des Veranstalters war, der am Wochenende ein bisschen Holz schneiden wollte.

Vincent Böhm: Niemand kannte sich aus, wir waren irgendwo in Belgien, es war stockdunkel und plötzlich kam dieser Typ mit der Motorsäge. Das war schon ziemlich heftig.

Bertram Kolar: Er hat uns schlussendlich seine Karte gegeben und gemeint, dass wir uns melden sollten, falls wir einmal ein Konzert für die Band seines Sohnes organisieren könnten.

Also die etwas andere Art, Kontakte zu knüpfen. Um auf „Para Solem“ zurückzukommen: Das Album war Ihre erste Veröffentlichung auf einem Label. Würden Sie generell sagen, dass dieser Schritt Ihre Professionalisierung als Band beflügelt hat?

Bertram Kolar: Auf jeden Fall. Wir hatten das Album vorher schon in Eigenregie aufgenommen und waren mit unserer persönlichen Leistung überhaupt nicht zufrieden. Einfach auch deshalb, weil wir uns zu wenig mit den Songs auseinandergesetzt haben. Georg Gabler von Panta R&E war dann der Produzent des Albums. Er hat sich mit uns zusammengesetzt und uns dabei geholfen, dass wir uns bewusst werden, was wir eigentlich mit den Songs aussagen wollen. Insbesondere auf der textlichen Ebene, die für uns bis dahin immer ein bisschen im Hintergrund war. Das hat das Endergebnis sicher stark beeinflusst.

Vincent Böhm: Die Songs sind zu diesem Zeitpunkt erst richtig persönlich geworden. Jede Passage der Songs wurde noch einmal durchdacht. Georgs Blick von außen, der zwar kritisch war, aber überhaupt nicht unangenehm, hat den Songs und auch uns als Band unheimlich geholfen.

Bertram Kolar: Wenn wir heute live spielen, dann kennt jeder aus. Jeder von uns kann plötzlich die Texte und versteht, worum es bei dem Ganzen geht. Das wirkt sich auch positiv auf die Präsentation dem Publikum gegenüber aus.

Wie ist es zur Zusammenarbeit mit dem Fotografen René Huemer, der beispielsweise schon mit Motörhead und ZZ Top zusammengearbeitet hat, gekommen?

Bertram Kolar: Der René ist einfach ein guter Freund von mir – und mittlerweile auch von der ganzen Band. Er hat von Anfang an gesagt, dass er unsere Musik wirklich gut findet und er unendlich gern Fotos machen würde, sollten wir mal ein Album aufnehmen. Wir haben dann gemeinsam die Idee ausgearbeitet und sind wirklich froh, dass er sich die Zeit genommen hat, diese extrem geilen Fotos umzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sebastian J. Götzendorfer