„LIVE PASSIERT, WAS EBEN PASSIERT“ – THE VELVET SWING IM MICA-INTERVIEW

Schon seit einiger Zeit geistern THE VELVET SWING als Geheimtipp nicht nur durch die Salzburger Musikszene. Unterscheiden sie sich doch mit ihrer ganz speziellen Herangehensweise an Surf, Psychedelic und Garage-Rock auch deutlich von diesbezüglich allzu traditionalistischen Retro-Bands. Hinzu kommt ein Gespür für griffige Popsongs, mit denen es dem Kern der Band (PHILIP PAULUS und MICHAEL ZAGOREC) immer wieder gelingt auch vermeintlich ausufernde Psychedelic-Anklänge kongenial innerhalb des klassischen Drei-Minuten-Pop-Song-Formats unterzukriegen. Anlässlich der Veröffentlichung ihrer ersten LP hat sich Didi Neidhart für mica mit PHILIP PAULUS von THE VELVET SWING zum Interview getroffen.

Wie und wann kam es zur Gründung von The Velvet Swing?

Philip Paulus: Das war im Jahr 2017. Zuerst war es noch ein Solo-Projekt von mir und Ende 2018 wurde daraus eine Band. Wir haben dann im Juni 2019 unser erstes Konzert als The Velvet Swing gespielt.

Wird bei Google nach „Velvet Swing“ gesucht, spuckt die Suchmaschine u.a den Film „The Girl in the Red Velvet Swing“ aus 1955 mit Joan Collins und Ray Milland aus. Gibt es da irgendwelche zusammenhänge, oder wie ist der Name sonst entstanden?

Philip Paulus: Mit dem Film hat der Name gar nichts zu tun. Dann eher schon mit der Gleitgel-Firma namens Velvet Swing aus Los Angeles. Meine erste Band, die ich 2016 gegründet habe, hieß Mood Swing. Leider wurde daraus nichts und da The Velvet Underground eine riesige Inspiration für mich waren und noch immer sind, wurde daraus The Velvet Swing.

Neben den Velvet Underground scheinen die US-amerikanische Neo-Psychedelic-Band The Brian Jonestown Massacre (BJM) für The Velvet Swing absolute Vorbilder und quasi die Inspirationsquelle an sich zu sein. Was ist das Besondere an gerade dieser Band und wie seid ihr auf sie gestoßen?

Philip Paulus: Als ich BJM vor 19 Jahren das erste Mal in einem Skate-Video gehört habe, war ich fasziniert von dieser Band. Der Song in dem Video war „Open Heart Surgery“. So ein simpler Song, aber für mich persönlich, so viel Aussage und Raffinesse. Ein wahnsinnig guter Liebes-Song. Alleine die Anzahl der Mitglieder in der Band und deren Erscheinungsbild auf der Bühne, finde ich faszinierend. Und vor allem die Instrumente die sie spielen. Ich wusste davor nicht, dass die Firma VOX auch Gitarren hergestellt hat. Aber nicht nur BJM inspirieren uns, weil da gäbe es ja auch nicht The Black Angels, die jedoch wiederum auch schon von BJM geprägt worden sind.

„Ich denke, was uns an den amerikanischen Psychedelic/Surf/Garage Bands fasziniert ist der Sound und deren Attitude.“

Auf FM4 seid ihr ja mal so beschrieben worden: „Wunderschöne Popsongs mit psychedelischem Einschlag“. Jetzt stecht ihr in Sachen „Psychedelic“ mit eurem Sound, der eher an Surf-Instrumentals und Garage-Punk aus den Sixties erinnert, schon etwas heraus aus dem groß der Bands, die damit vor allem Pink Floyd assoziieren. Was fasziniert euch gerade an diesen älteren, vor allem auch US-amerikanischen Psychedelic-Spielarten?

Philip Paulus: Ich denke, was uns an den amerikanischen Psychedelic/Surf/Garage Bands fasziniert, sind der Sound und deren Attitude. Viel Hall und Delay auf den Gitarren und vor allem auf der Stimme. Dazu gehört auch, sich zu überlegen welcher Gitarren-Effekt wo und wann eingesetzt wird usw. Auch die DIY-Mentalität ist uns wichtig. Selber Konzerte veranstalten, T-Shirts bedrucken oder ein Horror/Slapstick Musikvideo zu dem Song „Visions Of The Night“ zu gestalten, macht uns großen Spaß.

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Habt ihr eigentlich gewusst, dass viele, die in den frühen Sixties in Surf-Bands gespielt haben, später in Psychedelic- und Acid-Punk-Band gelandet sind? ist doch irgendwie auch logisch, oder?

Philip Paulus: Stimmt. Vielleicht war das früher der Trend? Zuerst mal mit Surf-Rock anfangen und dann entwickelt man sich als Band weiter und die Reise führt an andere Ufer. Bei uns hat sich der Sound auch vom „klassischen“ Psychedelic Rock in Richtung Garage Rock entwickelt. Mit Punk-Einflüssen.

Eine Parallele zwischen euch und dem BJM scheint ja auch der Umstand zu sein, dass auch The Velvet Swing besetzungstechnisch ein eher offenes Konzept verfolgen. D.h., es gibt neben Philip als „Mastermind“ immer wieder andere Mitstreiter:innen, sowohl Live wie auf Tonträgern. Hat sich das so ergeben, oder steckt da doch ein Konzept dahinter? Ich denke, der Pool für Musiker:innen, die zu The Velvet Swing passen, dürfte jetzt auch nicht ganz so groß sein.

Cover Visions Of The Night
Cover “Visions Of The Night”

Philip Paulus: Die erste Kollaboration entstand zum Song „Voyage Au Nord“, der eigentlich als Instrumental gedacht war. Aber der liebe Daniel Ohr-Renn, der unter anderem bei der Band The Holy Spirit Of Nothing spielt, hat mir dann seinen schönen Text vorgeschlagen. Das hat dann sofort gepasst. Bei dem Song „The Curse“ hört man die Stimme von Julia Hummer von Juleah. Nachdem mir ihre Stimme sehr gut gefällt und sie auch bei dem Song „Sermon“ von den New Candys mitgesungen hat, dachte ich mir, ich frag sie einfach mal, ob sie Lust hat. Der aktuelle Pool ist zwar klein, aber wenn es mit jemanden passt und es sich anbietet, dann sind wir auch offen dafür.

„Ich habe mich mit der Gründung der Band sehr schnell davon verabschiedet, so klingen zu wollen, wie die Bands, die wir hören.“

Auch wenn Songs wie „Dreamland“ durchaus Erinnerungen an Neo-Psychedelic-Heroen wie Spacemen3 wachrufen, oder ihr bei „For Good“ sogar Buddy Holly zitiert, würde ich euch (auch sound- und songtechnisch) nicht unbedingt als Revival/Retro-Band bezeichnen, auch weil da überall dezente Anklänge an die 70s/80s (Joy Division, The Jesus & Mary Chain) wie an die 90s (Grunge) mitschwingen, ohne jedoch direkt ausgespielt zu werden. Wie ist eure Herangehensweise an die pop-musikalische Vergangenheit, um all dem eine gewisse Aktualität zu geben?

Philip Paulus: Ehrlich gesagt, machen wir uns über solche Sachen wenig Gedanken. Es ist natürlich schön zu hören und freut uns sehr, wenn TVS an Spaceman 3 und Co. erinnert, aber das passiert eher unbewusst. Ich habe mich mit der Gründung der Band sehr schnell davon verabschiedet, so klingen zu wollen, wie die Bands, die wir hören. Wir klingen einfach, wie wir klingen, und spielen die Musik, die uns Spaß macht.

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Wie entstehen eigentlich eure Songs? Die haben ja alle einen sofort erkennbaren Pop-Appeal. Gleichzeitig schlagen sie aber manchmal auch überraschende Haken, die sich dann aber dennoch zu einem logischen Ganzen fügen. Wird da viel herumgebastelt?

Philip Paulus: Die Songs entstehen eigentlich ganz simpel: Derjenige, der mit einer Song-Idee kommt, singt dann auch meistens den Song und „bestimmt“ die Struktur. Das läuft bei uns sehr demokratisch ab, da wir alle unsere Ideen äußern und sie dann ausprobieren. Da wird dann ganz schnell klar, ob was funktioniert oder eben nicht. Der Song „Suicide Stu“ hat uns dabei wohl am meisten gefordert.
Der hatte zuerst ein ganz anderes Ende, was wir am Anfang gut fanden, aber irgendwie doch nicht ganz gepasst hat. Da haben wir dann auch bemerkt, dass zu viel Herumbasteln am Song sehr nervig und anstrengend sein kann.

Die CDs und die Cassetten haben wir gemacht, weil wir uns lange kein Vinyl leisten konnten.“

Aktuell spielt ihr ja u.a auf typischen Fender Jaguar-Surf-Gitarren und verwendet klassische Sixties-Effekte. Wie wichtig sind euch bei all dem gewisse Sounds und Instrumente, die zwar schon auch in eine spezielle Richtung (Surf, Psychedelic, Garage-Punk) weisen, aber dann doch eher in einem Patchwork von Stilmixen aufgehen, anstatt sich damit zu begnügen, authentische Sounds von Früher nachzustellen?

Philip Paulus: Uns hat der Sound von einer Fender Jazzmaster und Jaguar schon immer gefallen, da diese Gitarren ja auch von den Bands benutzt werden, die wir selber gerne hören. Diese Modelle haben sich einfach bewährt und auf die ist auch Verlass. Für die Aufnahmen der Songs für unser neues Album „Visions Of The Night“ wurden auch eine Gretsch und eine Fender Coronado verwendet, aber eine Hollowbody Gitarren macht auf der Bühne einfach zu viel Feedback – die eignen sich eher fürs Aufnehmen. Ich persönlich würde ganz gerne mal in eine Rickenbacker oder eine VOX-Phantom investieren, aber diese Gitarren kann sich ja fast niemand mehr leisten.

Was mir bei euren Tonträgern sofort aufgefallen ist, ist ein mitunter ultraklassischer Stereomix, wo die beiden Gitarren wirklich radikal zwischen Links und Rechts aufgeteilt sind. Ist das eine bewusste Referenz an die HiFi-Stereo-Zeit?

Philip Paulus: Das war bewusst so gemacht, da es eine interessante Sound-Landschaft erzeugt. Wenn eine sechssaitige Gitarre eher nach links gemischt und eine 12-Saitige Gitarre, die die gleichen Noten oder Akkorde spielt eher nach rechts gemischt ist, dann könnte es besser nicht sein. Das hört man sehr gut in dem Song „Dreamland“. Der Effekt ist wahninnig gut und erinnert unter anderem an Echo And The Bunnymen.

The Velvet Swing
The Velvet Swing (c) Susanne Garber

Ihr habt bisher Singles und EPs herausgebracht und jetzt kommt eure Debüt-LP. Das sind jetzt aber großteils Formate, auf die aktuell gar nicht mehr so viel Wert gelegt wird. Die LP als kompakte Sammlung von Songs oder gar als „Konzept“ hat ja auch schon länger ausgedient. Wieso haltet ihr an diesen Formaten fest?

Philip Paulus: Die CDs und die Cassetten haben wir gemacht, weil wir uns lange kein Vinyl leisten konnten, aber trotzdem Merchandise anbieten wollten. 2022 haben wir unsere erste Förderung von der Stadt Salzburg bekommen und dazu unsere komplette Bandkasse geplündert um endlich auf Vinyl pressen lassen zu können. Wir hören alle gern Schallplatten und uns gefällt der haptische Aspekt. Das Format ist toll und ich konnte mich bei der künstlerischen Gestaltung der Kastentasche austoben, wie ich wollte.

„Wir nehmen am liebsten selber auf und lassen es dann mischen und mastern.“

Gerade über Kopfhörer sind mir sehr viele kleine Studiotricks und Einfälle aufgefallen, die alle sehr überlegt und gut arrangiert daherkommen. Wie wichtig ist für euch die Arbeit im Studio?

Philip Paulus: Das Einzige, was wir für das neue Album im Studio aufgenommen haben, waren die Gitarren-Spuren für den Song „TV Screen“. Das war im Sonic Flow Studio von Wolfgang Schramml. Und die Schlagzeug-Spuren für den Song „No One Likes You“ wurden bei den Spycats im Proberaum/Studio aufgenommen. Den Rest haben wir selber in unserem Proberaum aufgenommen. Den Gesang meistens bei mir im Schlafzimmer. Ich habe mir über die Jahre einige Mikrofone zugelegt und einfach selber viel ausprobiert. Im September 2021 hat uns der Wolfgang Spannberger angeboten, mal bei ihm im Studio live aufzunehmen. Wir haben dann an einem Tag drei Songs bei ihm aufgenommen und waren nicht wirklich zufrieden damit. Zu viel Druck, zu wenig Zeit. Wir nehmen am liebsten selber auf und lassen es dann mischen und mastern.

Was sind für euch die Unterschiede zwischen Studio und Live?

Philip Paulus: Nach meiner Erfahrung ist es im Studio eher stressig und es bleibt wenig bis kaum Zeit für Experimente. Live passiert, was eben passiert. Wir proben viel und wollen immer eine gute Show bieten, aber es ist unmöglich, sich auf alles vorzubereiten. Der Energie-Austausch der beim Live-Spielen zwischen Band und Publikum entstehen kann, ist schon was Besonderes. Immer wieder ein gutes Gefühl und eine schöne Erfahrung.

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Ein spannendes Phänomen habe ich ja bei euren Live-Auftritten beobachten können. Während ich die Studioaufnahmen von der Länge her optimal finde (auch was die Soli betrifft), erscheinen mir bei euren Live-Auftritten die Songs manchmal als fast zu kurz. D.h., da könnten längere Versionen schon bei dem einen oder anderen Song gut zu einer Art psychedelischer Krautrock-Surf-Music führen. Vor allem, weil ihr ja keine Gitarrenvirtuosen sein wollt, sondern es eher um eine gewisse coole Attitude geht. Seid ihr darauf schon mal angesprochen worden, oder habt ihr selber schon mal darüber nachgedacht „längere Fahrten“ auszuprobieren?

Philip Paulus: Da hast du absolut Recht. Wir haben schon öfter überlegt, den einen oder anderen Song in die Länge zu ziehen. Vielleicht waren wir aber auch zu vorsichtig und dachten, dass es schnell langweilig sein könnte. Da wir meistens als Support-Band gespielt haben, war unsere Spielzeit begrenzt. Somit wollten wir in 30 Minuten eher die Songs so belassen, wie sie sind. Das möchten wir aber gerne ändern. BJM haben das z.B. mit dem Song „Yeah Yeah“ exzellent gelöst. 10 Minuten, drei Akkorde. Prost, Mahlzeit!

Gab es finanzielle Unterstützung für die Produktion?

Philip Paulus: Bis auf die Förderung der Stadt Salzburg haben wir alles selber finanziert. Wir haben sehr viel Arbeit in die Platte gesteckt und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Jetzt freuen wir uns sie am 20. Oktober zu veröffentlichen und ein paar Konzerte zu spielen.

Wie schaut es überhaupt mit Live-Konzerten bei auch aus?

Philip Paulus: Wir haben diesen Sommer vergeblich versucht, eine kleine Tour für den Herbst oder Winter zu organisieren, aber leider ohne Erfolg.
Ohne Booking-Agentur oder Ähnlichem geht da überhaupt nichts – das kommt zumindest uns so vor. Wir haben unzähligen Bands geschrieben, ob wir sie supporten könnten, aber die haben da leider meistens selber nicht viel zu sagen. Alles läuft über den Veranstalter oder über die Agenturen. Und die schauen dann eher darauf wie viele „Follower“ man auf Instagram hat oder wie viele Streams man auf Spotify aufweisen kann…
Das ist schon sehr frustrierend. Wir sind höchst motiviert und haben ein wirklich cooles Set konzipiert. Einen kleinen Erfolg gab es im Sommer aber trotzdem: Wir haben uns The Black Angels beim Poolbar Festival in Feldkirch angesehen und konnten nach dem Konzert unser neues Album erfolgreich bei Christian Bland, einem der Gitarristen der Black Angels, anbringen. Mal gucken, ob sie uns nach Austin, Texas zum Levitation Festival einladen. Vielleicht gibt es für The Velvet Swing im Ausland mehr Resonanz als in Österreich?

Danke für das Interview.

Didi Neidhardt

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The Velvet Swing: LP-Präsentation „Vision Of The Night“
Special Guests: Bad Weed, Spycats
20.10.2023 – 19.30 Uhr
Rockhouse Bar
Schallmooser Hauptstraße 46
5020 Salzburg

The Velvet Swing: LP-Präsentation „Vision Of The Night“
Feat. TV Nights
21.10.2023
Kramladen
U-Bahnbogen 39-40
Wien

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Links:
The Velvet Swing (Instagram)
The Velvet Swing (bandcamp)