„Liebe ist nie trivial!“ – OEHL im mica-Interview

OEHL hat ein Album über die Liebe in all ihren Facetten aufgenommen, von der überwältigenden ersten Verliebtheit über flüchtige Momente bis hin zu bitteren Enttäuschungen. „Lieben wir“ heißt es schlicht, ist auf Groenland Records erschienen, und es ist nicht nur ein Album über die Liebe geworden, sondern auch eines, in das man sich wegen seiner gefühlvollen Texte, verspielten Sounds und großen Melodien auch verlieben kann. Mit Markus Deisenberger sprach er über mystisches Fühlen, Momente, in denen es sich anfühlt, als wäre alles vorbei, und die positiven Werte der Swifties.

Was hat dich dazu veranlasst, ein Konzeptalbum über die Liebe zu machen? Ein Album also, in dem es nur um die Liebe geht?

Oehl: Es ist eher so, dass man über die Jahre Material sammelt und es kuratiert. Wie bei einer Ausstellung. Die Lieder, die für mich stimmig waren, kamen dann auf das Album. Aber warum ich mich zum ersten Mal getraut habe, so ganz konkret über die Liebe zu singen, ist, weil ich, nachdem unsere EP damals Kritik an den Arbeitsverhältnissen übte und es im letzten Album „Keine Blumen“ um Abschiede von Privilegien, aber auch von Menschen ging, in den letzten Jahren und erst recht Monaten das Gefühl bekommen habe, dass „What the world needs now, is love, sweet love.“ Der Titel „Lieben wir“ ohne Rufzeichen und auch ohne Fragezeichen ist „in your face“ gedacht.

In Anlehnung an den weltberühmten Song von Burt Bacharach ist die Liebe also die Antwort auf die großen Verwerfungen da draußen?

Oehl: Unbedingt. Es fing mit Corona an, dass sich die Leute im Internet zerfleischt haben und der Diskurs nicht mehr angenehm war. Wenn es wirklich nicht mehr besser wird, ist doch das das Einzige was uns bleibt: Das Festhalten an persönlichen, an privaten Beziehungen, das Festhalten an Schönem, an Kindern, an der Liebe. Der Wert dieses irrationalen Dings genannt Liebe ist stärker denn je.

Klingt naiver als es ist, oder?

Oehl: Nein, es ist naiv. Nur naiv. Wenn du eine beliebige Person nach der Liebe fragst, dann sagt sie ja nicht: „Ich habe drei Frauen kennengelernt, die eine ist besonders gescheit, die andere besonders hübsch und die dritte hat viel Geld. Ich habe mich für die mit Geld entschieden.“ So funktioniert Liebe nicht. Liebe hat immer diesen mystischen Charakter. Sie ist irrational. Man kann sie nicht rationalisieren. Und genau das finde ich schön: Dass es so ein mystisches Fühlen bleibt. Wir haben ohnedies nicht mehr so viel Platz für Mystik. In der Religion ist es ja ähnlich: Kaum jemand wird Christ, weil er sich vorher alle Weltreligionen angeschaut, sie miteinander verglichen und sich dann ganz rational für das Christentum entschieden hat. Lieben ist nie eine rationale Entscheidung. Das schätze ich sehr.

Wir sind heute Bedrohungen ausgesetzt, die noch schlimmer sind, wenn wir Verantwortung für jemanden übernommen haben. Ich habe keine Lust, meinem Sohn einmal eine Waffe in die Hand zu drücken. Die Liebe ist auch ein Risiko, und die Schwere, die mit ihr mitkommt, wird schwerer, wenn die Welt schwerer wird. Aber genauso wie man gegen manche Politiker:innen aufstehen muss, muss man auch gegen dieses Gefühl aufstehen, dass alles eh immer nur schlechter wird. Wenn wir uns darauf konzentrieren, uns zu lieben, ist das oftmals schon echt genug. Und es hat natürlich eine politische Komponente: Es ist ein Auftreten gegen die Leute, die an die Macht kommen und tyrannische Züge haben. Vermutlich sind das Leute, die Traumata erlitten haben und zu wenig Liebe erfahren haben, als sie Kinder waren. Für das eigene Kind, aber auch für die ganze Gesellschaft ist es gefährlich, nicht genug zu lieben.   Menschen, die nicht genug geliebt werden, sind gefährlich für die Gesellschaft.

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Hast du für den Titel „lieben wir“ lange überlegt oder war schnell klar, dass es so klar und einfach sein muss?

Oehl: Das war ein längerer Prozess. Ich wollte eigentlich einen komplexeren Titel, der ein bisschen intellektueller daherkommt. Aber irgendwann hab´ ich mir gedacht: „Fuck it! Das Gefühl ist nicht rational und auch nicht intellektuell erklärbar.“ In den letzten Jahren ist es ja auf Instagram aufgekommen, dass Leute etwas, das sie mögen, mit „lieben wir“ kommentieren.  Ich fand diesen inflationären Einsatz lächerlich. Das großartige Gefühl wird dadurch verwässert. Alles wird gleich geliebt, manches auch gleich gehasst. Wenn man ernst nimmt, was man liebt, ist es nicht mehr trivial und auch nicht lustig. Liebe ist nie trivial, wenn sie echt ist.

Jochen Distelmeyer hat vor einigen Jahren auch ein Konzeptalbum über die Liebe eingespielt, das damals „Gefühlte Wahrheiten“ hieß.

Oehl: Schöner Titel.

Ich fand den Titel auch schön, weil zweideutig. Worum geht es dir? Um gefühlte Wahrheiten? Um besondere Momente, in denen einem etwas über die Liebe klar wird? In denen einem das Leben etwas über die Liebe erzählt?

Oehl: Ich würde es eher Berührungspunkte mit Liebe nennen. Es gibt zwei Songs, die die erste Liebe verhandeln. Beim Song „Eine Umarmung“, der den Arbeitstitel „Eine Umarmung, die genau die richtige Temperatur hatte“ trug, geht es genau darum: Die Temperatur. Die richtige Temperatur macht für mich einen großen Faktor aus. Wenn die Temperatur stimmt, passt alles. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Wenn man sich verliebt und die Temperatur stimmt, ist das ein ungewöhnlich gutes Gefühl und überhaupt nicht trivial. Je älter man wird, desto mehr erlebt man aufgewärmte Gefühle. Das erste Verlieben ist nicht mehr so stark wie mit Siebzehn. Das Pendel schlägt weniger stark aus. Das Abschwächen der Gefühle verstärkt die Grundsehnsucht: Ich will wieder etwas fühlen – eine Sehnsucht, die uns zu den verschiedensten Substanzen treibt, weil sie uns stärker fühlen lassen und Negatives verdrängen. Oxytocin etwa (Oxytocin ist ein Neuropeptid, das aufgrund seiner angstlösenden und bindungsfördernden Wirkung oft als „Liebes- oder Kuschelhormon“ bezeichnet wird; Anm.) macht süchtig. Wenn man länger Single war und wieder jemand trifft, wird man schnell süchtig. Das sind menschliche Züge. Der Song „Facebook (Demo)“ handelt vom ersten Verliebtsein und der Frage: Ich bin verliebt, darf ich das denn überhaupt? Die ersten Berührungspunkte mit Liebe sind nicht trivial. Man erinnert sich an diesen Moment ein Leben lang. Was bleibt übrig, wenn man älter wird und einen Job hat, der einen einnimmt? Erinnerungen an starke Gefühle.

Worum geht es im Lied „Weltenuntergang“, in dem es heißt: „So also entliebt man, was man nicht mehr länger halten kann“ Ist damit dieser Moment gemeint, in dem man merkt, dass es vorbeigeht und man das eigentlich nicht aushalten kann, weil es so weh tut?

Oehl: Nicht, dass es vorbeigeht, sondern dass es vorbei ist. Es gibt diesen Moment, in dem man plötzlich weiß, dass es von nun an nur noch bergab geht. Ich habe versucht, weniger Lieder über Abschied und Liebeskummer zu schreiben, aber es passiert natürlich, weil man die damit verbundenen Gefühle auch gut abrufen kann. Für jemanden, der verlassen wird oder gehen muss, fühlt es sich auch manchmal so an, als wäre alles vorbei. Wenn jemand stirbt oder sich trennt, werden im Körper ganz ähnliche Reaktionen hervorgerufen. Da geht die Welt schon einmal unter. In der Liebe geht sie halt auch wieder auf.

„Dort, wo die Liebe beginnt und dort, wo sie endet, spürt man sich am meisten“ hast du einmal in einem Interview gesagt, was einen automatisch ein wenig wehmütig werden lässt, denn meistens sind wir ja mittendrin und damit genau da, wo das Gefühl schon ein wenig schwächelt, aber besser mittendrin als gar keine Liebe, oder?

Oehl: Eine junge und eine alte Liebe – das sind die Dinge, nach denen man sich sehnt. Ein junges Paar, das im Park Händchen hält, oder ein altes Paar, das noch immer verliebt wirkt.

Aber das ist ein enormer Brocken Arbeit. Meine längste Beziehung dauerte fünf Jahre, mit der Mutter meines Sohnes, zu der ich immer noch eine sehr gute Beziehung habe. Aber ich habe offenkundig noch nicht die Liebe fürs Leben gefunden. Ich weiß auch gar nicht, ob es das überhaupt sein muss. Ich habe schon ein Kind. Vielleicht ist es auch okay, jemanden nur für ein paar Jahre zu finden. Es gibt da diesen Spruch: „In einer langjährigen Beziehung versucht man Probleme zu lösen, die man nicht hätte, wenn man die Beziehung nicht hätte.“

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Aber wenn man keine Beziehung hat, hat man andere Probleme und sehnt sich danach. Es gibt keine einfache Antwort darauf. Ich bin nicht sehr gläubig, aber der Gedanke, an etwas zu glauben, an dem man auch zweifelt und mit dem man auch kämpfen muss, ist schön und tröstlich, weil dann zumindest irgendeinen Sinn übrigbleibt, wenn alles andere nicht funktioniert. Für viele ist es Gott. Für mich ist es die Liebe zu Menschen. Ich finde den Gedanken, Menschen zu lieben, ein Kind oder einen Partner, am schönsten. Dafür würde ich bis zum Schluss kämpfen.

Weil du über Berührungspunkte mit Liebe gesprochen hast. Neulich ging ich an einem italienischen Feinkostladen vorbei, an dem das „Closed“-Schild hing. Drinnen aber brannte noch Licht und ich konnte dem Ladenbesitzer dabei zusehen, wie er engumschlungen mit seiner Frau tanzte. Ein Moment inniger Liebe im eigenen Laden. Den Job, der einen einnimmt, kurzerhand ausgesperrt. Ein schönes Bild, das ich seitdem nicht mehr loswerde. In deinem Lied „I Love You“ geht es auch um Tanz. Liebe und Tanz gehören ja zueinander wie Geschwister.

Oehl: Tanz spielt eine große Rolle, ja. Da sind wir auch bei der Selbstliebe. Der Tanz geht meistens von einer Person aus. Der Impuls zu lieben, muss von einer Person kommen. Wenn es keinen Impuls gibt, kann die Liebe nicht zünden. In der Küchenpsychologie heißt es ja auch, dass man sich erst selbst lieben muss, um andere zu lieben. Da ist schon was dran. Es gibt auf dem Album auch einen Song, der „Nett hier, aber waren sie schon einmal in Therapie?“ heißt.

Darin geht es um das Thema, das wir in den letzten Jahren wohl alle hatten: Eigentlich würde es uns guttun, uns mit uns selbst zu beschäftigen, die Beziehung zu den Eltern zu reflektieren etc. Wenn man es schafft, mit sich in den Groove zu kommen, kann man den auch teilen. Wenn es Leute schaffen, durch Hass und indem sie andere aufstacheln, schlechte Gefühle zu verstärken, muss das Gegenteil auch möglich sein. Positive Gefühle können ebenso ansteckend sein. In „Kleinigkeiten, die keine sind“ gibt es den Satz: „Es gibt kein Glück, das je so glücklich macht wie das Unglück unglücklich macht.“

Das Unglück bleibt stärker zurück. Da möchte ich dagegenhalten: Leute gehen auf ein Konzert, weil sie dort einen Raum haben, in dem sie mit Tausenden anderen ein positives Gefühl teilen können. Das wäre der Gegenentwurf zu schlechter Stimmung im Net: Es gibt im realen Leben Räume, in denen wir uns treffen und in denen sich die positiven Gefühle verstärken. So wenig ich musikalisch mit Taylor Swift anfangen kann, so sehr respektiere ich, dass viele Menschen Geld ausgeben, um einfach gemeinsam ihre Werte feiern zu können. Und die sind positiv. Deshalb sehe ich das nicht zynisch oder negativ. Das ist unbedingt positiv. Wenn man es schafft, gemeinsam in den Groove zu kommen, kann man den auch teilen.

Weil du „Nett hier, aber waren Sie schon einmal in Therapie?“ erwähnt hast, müssen wir auch über den Sound des Albums sprechen. Da fühle ich mich am Anfang der genannten Nummer in die 1960er zurückversetzt. Eine wärmende Brise Deep Soul umfängt einen. War es dir wichtig, einen warmen, organischen Sound zu finden, mit dem man auch etwas assoziiert?

Oehl: Ja. Ich beschäftige mich mit zwei Jahren intensiv mit KI-Musik. Ich war neulich im OBI-Baumarkt, und in den vierzig Minuten, die ich dort war, wurde nur KI-Musik gespielt. Beim LIDL das Gleiche. Der Reiz, mit KI zu arbeiten, ist groß. Mittlerweile sind die Tools so gut, dass man sich fragt: Wenn ich statt acht Songs pro Jahr 50 machen kann, warum soll ich dann in einer Ökonomie, die auf viel schnellen Content ausgerichtet ist, acht machen? Mittlerweile laufen Streaming-Plattformen ähnlich wie Instagram: Viel Content wird rausgespielt und bewertet. Je mehr Content ich also mache, desto größer ist die Chance auch, dass das, was ich mache algorithmisch an die Leute kommt. Der Algorithmus wertet nicht. Der schaut sich nur an, wie viele Leute das liken. Mehr zu machen, ist daher eine gute Chance.

Vielleicht ist dieses Album, eben weil mich KI so reizt, auch das letzte Album, auf dem ich bewusst Saxophon selber spiele, obwohl ich´s kaum kann, Trompete und ein bisschen Geige spiele und Leute eingeladen habe, die Geige spielen können. Ich spiele auch Gitarre, obwohl es immer ein bisschen falsch ist und knarzt. Wir machen bewusst etwas, das vielleicht mein letzter Gegenentwurf dazu ist, was eh schon da ist und immer mehr kommen wird: Musik, die uneckiger wird. Jede Kunstdefinition endet bei KI-Musik, denn ich kann natürlich etwas Neues schaffen, aber definitiv nicht mit einem Tool, das nicht neu denken kann. Versteh mich nicht falsch: Ich glaube nicht, dass meine Musik etwas komplett Neues in die Welt bringt, aber zumindest ist es das Festhalten an dem Gedanken, dass wir mehrere Leute in einen Raum bringen und etwas passieren lassen, auch wenn es am Ende ein bisschen schief ist.

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Wie entstehen deine Songs?

Oehl: Früher habe ich Songs geschrieben und die dann vertont. Mittlerweile ist es oft so, dass ich aus dem Spielen raus Instrumentals entwickle und dann da drauf was schreibe. Da gibt sich KI mit dem, was ich mache, die Hand, weil ich viel mit Udio und Suno probiere. Bei Udio kann man wunderbar die Stems  – Schlagzeug, Bass Gitarre und Keyboard – separat runterladen und dann was Eigenes draus machen. Es ist verführerisch. Ich sitze im Zug und kann Musik machen, brauche nicht mehr die vielen Leute dazu. Dieses Album ist vielleicht das letzte Mal, dass ich mit anderen Leuten Musik machen möchte. Das ich möchte, dass man die Fehler hört.

Wirklich das letzte Mal?

Oehl: (Denkt eine Weile nach) Vielleicht das letzte Mal. Nimm „Espresso“ von Sabrina Carpenter, einen der meistgespielten Songs aus 2024. Das ist ein Beat und ein Splice-Instrumental. Das heißt: Der Wert dessen, wie die Musik eigentlich klingt, wird immer weniger, weil man alles konstruieren kann.

Was bleibt übrig?

Oehl: Übrig bleibt: Welche Persönlichkeit sing da, was singt sie und kauf ich ihr das ab, was sie da singt? Die Authentizität bleibt. Da sehe ich auch keine große Gefahr. Aber im Instrumentalbereich ist es vorbei. Übrig bleibt der Spaßfaktor: Soll heißen: Ich mache echte Musik, weil es Spaß macht, nicht weil ich muss.

Und weil es ein Zeichen setzt?

Oehl: Genau. Es zeigt, dass wir das gemeinsam können. Es klingt vielleicht zynisch, wenn ich sage, dass ich das das letzte Mal mache. Und vor allem live ist es natürlich etwas anderes: Da geht es ja ums Spielen. Aber es könnte wirklich das letzte Mal gewesen sein. Vielleicht wird es ja so wie in der bildenden Kunst: Dass nur noch 0,0irgendwas Prozent davon leben können, weil es weniger Leute im Studio braucht. Spielen, aufnehmen, mastern… – da sitzen heute immer noch zehn Leute daran. Das werden einfach weniger Jobs werden. Außer für die Hand voll, die live gut performen kann, wird es zum Hobby. Es ist dystopisch, aber wir werden uns damit anfreunden müssen.

Und du?

Albumcover Lieben Wir
Albumcover “Lieben Wir”

Oehl: Ich finde Musikmachen etwas Schönes und werde es auch machen, wenn es nur noch ein Hobby sein sollte. Mehr Leute denn je singen in Chören, weil sie merken, dass sie das Gefühl von Gemeinschaft brauchen. Andererseits wird der Markt immer kompetitiver. Wir stehen schon jetzt am Bug des Schiffes und überlegen, wie wir abspringen können. Die großen Ideen, wie man die Musikindustrie retten kann, sehe ich nicht. Die Musikindustrie wächst, mehr verdienen tun die Monopole. Die Gesellschaft muss sich etwas überlegen. Wenn es dazu führt, dass wieder mehr Leute in den Kellern zusammenkommen, um gemeinsam Musik zu machen, fände ich das etwas Schönes. Wie gesagt: “What the world needs now is love, sweet love”.

Hast du eigentlich jemals bereut, deinen Autismus publik gemacht zu haben?

Oehl: Nein überhaupt nicht. Ich werde immer wieder darauf angesprochen.

Und nervt das nicht, immer wieder darauf angesprochen zu werden?

Oehl: Nein, ich glaube, es ist vor allem im Kontext meiner Arbeit wichtig, dass, wenn ich auf Touren gehe, Strukturen habe. Es führt dazu, dass gewisse “Ich fühle mich jetzt nicht wohl, weil…”- Situationen besser verstanden werden.

In einem Interview hast du gesagt, was in diesem Zusammenhang nervt, sei das kategorische Absprechen von Empathie. War es deshalb besonders reizvoll für dich, ein Album über die Liebe zu machen?

Oehl: Gute Frage. Ja, vielleicht ging es mir auch darum, dass zu challengen und zu zeigen: „Moment, ich kann auch ganz schön viel fühlen.“ Es kann durchaus sein, dass das eine Rolle gespielt hat, ja. Es gibt schon Situationen in meinem Leben, in denen ich mich frage, warum ich apathisch bin. Warum berührt mich das jetzt nicht so? Und warum muss ich vorher drüber nachdenken, ob es mich berühren soll, damit es mich berührt? Vielleicht habe ich einen Start-Nachteil, aber Empathie kann auch erlernt werden. Wenn man einer Person die Empathie abspricht, spricht man ihr eigentlich auch ab, lieben zu können. Das wäre traurig und zynisch. Mein Bedürfnis, Liebe zu bekommen ist nicht schwächer. Im Gegenteil: Oft ist das Bedürfnis nach Empathie größer, wenn man sich komisch fühlt.

Lass uns noch über Guilty Pleasures sprechen: Deine erste Kassette waren die Gipsy Kings?

Oehl: (lacht) Ja. Für mich ist die Kindheit sehr stark damit verbunden, gemeinsam mit meiner alleinerziehenden Mutter im alten Pajero nach Kroatien zu fahren und laut die Gipsy Kings zu hören. Rauf und runter. Vielleicht traue ich mich auf dem Album auch wieder, Kind zu sein und zuzugeben, dass mich Gitarrenmusik immer schon sehr berührt hat.

Vielen Dank für das Gespräch.

Markus Deisenberger

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