Alfred Vogel, international bekannt als Perkussionist, Labelchef und Kurator der Jazzfestivals „Bezau Beatz“ wird in Zukunft die Konzerte der Reihe „Jazz&“ am Dornbirner Spielboden künstlerisch betreuen. Als Nachfolger von Peter Füßl, der der Konzertreihe auch über die Landesgrenzen hinaus ein individuelles Profil verliehen hat, will er vor allem im Hinblick auf die Qualität der Darbietungen Kontinuität walten lassen. Schon das erste Saisonsprogramm zeigt die eigene Note von Alfred Vogel. Unter anderem gibt es ein Schwerpunktwochenende mit Schweizer Bands, in weiterer Folge sollen unterschiedliche Landesszenen porträtiert werden. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt Alfred Vogel von seinen Beweggründen, die Jazzreihe weiterzuführen, er macht einen Rundblick zu anderen Konzertveranstalter, spricht die Vorarlberger Szene an und stellt diesen neuen Wirkungsbereich in Zusammenhang mit seinen anderen Tätigkeitsbereichen.
Was hat dich bewogen, als Nachfolger von Peter Füßl die Jazzreihe am Dornbirner Spielboden zu kuratieren?
Alfred Vogel: Peter hat das Thema schon vor zwei Jahren „angekündigt“. Damals lehnte ich dankend ab, weil ich einfach nicht sah, wie ich diese Tätigkeit mit meinen eigenen Zielen als Musiker vereinbaren kann. Inzwischen ist viel Positives passiert und meine musikalischen Aktivitäten sind derzeit gut aufgegleist. Allerdings ist mir schon länger bewusst, dass es nicht nur um mich als Musiker geht, sondern im Allgemeinen auch um die Vermittlung dieser Kunstform an sich, nennen wir sie der Einfachheit halber eben „Jazz&“. In Zeiten von Castingshows und der Monopolisierung, Kommerzialisierung und totalen Verflachung künstlerischen Inhalts im Musikgeschäft stehe ich voll und ganz hinter der Philosophie des Spielbodens. In diesem Sinne sehe ich auch eine gewisse Verantwortung, die mich reizt
Eigenständige Künstler präsentieren
Inwieweit möchtest du Kontinuität walten lassen und welche neuen Akzente in die Konzertreihe einbringen?
Alfred Vogel: Kontinuität bei Qualität und Vielfalt der Darbietungen. Neues kommt einfach schon dadurch, dass ich einen anderen Filter habe als Peter. Die Tätigkeit als Kurator ist immer subjektiv, und trotzdem ist man auch dem Publikum gewissermaßen verpflichtet. Ich bin überzeugt davon, dass Jazz& großen Spaß und viel Freude bereitet. Die Türen sind offen für viele Dinge und alle Menschen, die sich an intelligenter Unterhaltung erfreuen und eine offene Geisteshaltung mitbringen. Ich möchte vor diesem Hintergrund vor allem eigenständige Künstler präsentieren, die einen zeitgemäßen Ansatz verfolgen, die überraschen, herausfordern, berühren und unterhalten können. Das Kreativgewerbe ist unheimlich inflationär geworden. Ich hoffe es gelingt mir, entsprechend authentische und integere Künstler für den Spielboden zu gewinnen.
Kein Konkurrenzdenken
Wie beurteilst du die Konkurrenz zum Spielboden und in welcher Form möchtest du dich gegenüber anderen Kulturanbietern abgrenzen?
Alfred Vogel: Konkurrenz? Das Moods in Zürich, das Porgy&Bess in Wien … das Treibhaus in Innsbruck? Die sind alle weit genug weg. Mit den hiesigen Konzertveranstaltern klärt man sich so gut wie möglich ab. Und es ist nun mal so, dass jeder Künstler seine Bühne findet. Dass es manchmal auch Musiker geben wird, die ich vielleicht gerne am Spielboden präsentiert hätte, die dann im „Spielboden-Radius“ auf einer anderen Bühne auftreten – damit muss ich wohl leben, denn ich mache nur zwölf bis fünfzehn Konzerte übers Jahr. Außerdem freue ich mich, wenn auch andere Veranstalter guter Musik zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Die Abgrenzung zu anderen hiesigen Kulturanbietern ist schon mal seitens der hervorragenden Infrastruktur und der bestens abgestimmten technischen Mannschaft gegeben. Und letztlich haben wir ja alle diese Filter-Funktion: Jeder Veranstalter zeigt doch das, was er eben zeigen will.
Vorlieben und Freunde
Peter Füßl hatte meiner Wahrnehmung nach im Rahmen seiner Programme eine gewisse Vorliebe für „Tieftöner“ und außergewöhnliche Besetzungen. Kannst du auch so etwas wie einen Faible für dich selbst artikulieren?
Alfred Vogel: Eindeutig auch die Tieftöner! Spaß beiseite: Ich habe zahlreiche Konzerte am Spielboden gehört und konnte bei Peter Füßl einzig und allein ein Faible für großartige Musik feststellen. Und außergewöhnliche Besetzungen findet man nun mal bei Jazz& – das liegt an der Kreativität der Musiker und am Genre – ist das außergewöhnlich? Ein Faible habe ich allerdings: heiße Eisen.
David Helbock und sein „Random|Controll“ eröffnet die Jazzreihe im Frühjahr. David Helbock ist ein Musikerfreund, der auch aus dem musikalischen Kreis rund um Peter Madsen kommt. Willst du damit ein Zeichen setzen oder ist das Zufall?
Alfred Vogel: Weder noch – es handelt sich um ein Erbe. David hat diesen Termin grundsätzlich mit Peter Füßl besprochen. Aber es ist ein schönes Erbe. Random Control präsentieren an diesem Abend ihr neues Album, David feiert seinen 30. Geburtstag und darüber hinaus entspricht die Band voll und ganz unseren Kriterien. Und ja, wir kommen alle aus dem musikalischen Kreis von Peter Madsen und werden mittlerweile international wahrgenommen. Das ist doch mal was Schönes für die hiesige Szene. Um ein Zeichen wahr zu nehmen, bitte ich vorerst, die ganze Spielsaison zu beobachten.
Die wirklich relevanten Sachen berücksichtigt
Peter Füßl hat aufgrund seiner klaren Haltung mitunter Jazzmusiker und Bands beleidigt und er ist auch als arrogant bezeichnet worden, weil er nach rein qualitativen und sehr wenig nach pragmatischen Gesichtspunkten Programm gemacht hat. Wie möchtest du es in Zukunft mit den Vorarlberger Bands und Jazzmusikern halten?
Alfred Vogel: Offensichtlich hat man es als Kurator von maximal zwölf bis fünfzehn Konzerten jährlich nicht leicht. Aber mal ehrlich: Sind nicht alle Jazzmusiker aus Vorarlberg, die wirklich relevante Sachen machen, in den letzten fünf Jahren einmal zum Zug gekommen? Jeder, der sich bereit fühlt, kann sich gerne bewerben, die Kriterien sind doch eindeutig. Und vielleicht gibt es irgendwann einmal so etwas wie ein Vorarlberg Weekend … aber 2014 wird das noch nicht sein.
Vernetzung kann Objektivität schaffen
Als Labelchef, aktiver Musiker und Leiter von „Bezau beatz“ könntest du auch in Interessenskonflikte kommen. So nach dem Motto, „ich spiele bei dir, du spielst bei mir“. Wie wirst du die Bereiche abgrenzen?
Alfred Vogel: Mein einziger Interessenskonflikt liegt darin, dass ich hoffe, an allen Konzerten, die ich programmiere auch wirklich anwesend zu sein. Und leider kenne ich im Moment nicht so viele Personen, die Musiker, Labelchefs und Leiter von Festivals sind. Ach wie wäre das schön, dann hätte ich vermutlich schon fünfzehn Festival-Gigs 2014 in der Tasche. Die Sache mit den BEZAU BEATZ ist so, dass es zeitlich in der Spielboden Pause liegt. 2014 werden die BEATZ übrigens als Festival stattfinden, und zwar vom 7. bis zum 9. August in der Remise des Wälderbähnles.
Jazz ist Musik von Individualisten für Individualisten. Er braucht leidenschaftliche Persönlichkeiten, die bereit sind, Impulse zu setzen, sonst geht in dieser Szene gar nichts. Vernetzung kann meines Erachtens auch Objektivität schaffen, sofern man ein halbwegs kritischer Mensch ist. Von morgens früh bis abends liegt auf meinem Schreibtisch das Thema „Musik“. Ich erkenne daran keinen Interessenskonflikt. Mittlerweile freue ich mich über eine gelungene Veranstaltung so, wie über ein eigenes Konzert.
Mich interessiert der Sound einer Stadt
Knüpft das Wochenende mit den Schweizer Bands an die „Profile“ an, wo sich ein Musiker jeweils mit mehreren Bands vorgestellt hat?
Alfred Vogel: Wenn man so will – ja. Allerdings stellt sich hier ein Ausschnitt einer Landes-Szene vor und nicht ein einzelner Musiker. Im Herbst möchte ich ein Berlin-Wochenende machen, mit einem Kontakt in Belgien bin ich auch schon dran. Diese regionalen Szenen sind im Moment sehr trendy im internationalen Business, weil Jazz immer stark von seiner unmittelbaren Umgebung geprägt ist. So war das schon mit dem Eastcoast und Westcoast Jazz in den USA im vergangenen Jahrhundert. In Europa gibt es zahlreiche Regionen, in denen es derzeit nur so brodelt an jungem und kreativem Geist. Zusätzlich zwingt die wirtschaftliche Situation diese Kunstform zur Kollektivierung von Gleichgesinnten. Ganz nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“! Mich interessiert immer der Sound einer Stadt, denn da liegt viel Information über das Leben andernorts drin. Natürlich sind das abstrakte Codes, aber die gehen über das Gehör direkt ins Herz, und das ist es doch, was Musik eben kann.
Danke für das Gespräch.
Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Februar 2014 erschienen.
Alfred Vogel (Facebook)
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