„LASSEN WIR UNS IN RUHE, WIR HABEN NICHTS MITEINANDER ZU TUN” – DA STAUMMTISCH IM MICA-INTERVIEW

DA STAUMMTISCH hat wieder mal ein Album gemacht. Keine Überraschung: Die Linzer Crew macht immer noch Hip-Hop. Weil der Punchline-Dreier inzwischen mehr Zeit am Spielplatz als im Studio verbringt, haben sich die Themen aber der Lebensrealität angepasst: Kreuzweh statt Kieferbruch, letzter Tag statt erster Morgen, Apfel und Birnen statt Hopfen und Malz. „Nirwana” (via Tonträger Records) ist wahrscheinlich deswegen eine gute Platte geworden. Warum sich die harten Jungs trotzdem anscheißen sollten, haben ANDREAS STAUDINGER und HANNES PUCHNER ohne ROLAND GLOCKNER besprochen.

Auf „Kreiz min Kreiz” geht’s konsequenterweise ums Kreuz. Wer hat’s am Rücken?

Hannes Puchner: Der Roleee und ich. Den Bandscheibenvorfall hab ich mir Gym aufgerissen – beim Tischtennisspielen in der Pause. Deshalb hab ich gefühlt immer schon Kreuzweh gehabt, manchmal sogar auf dem Niveau: Sanitäter heben dich in den Krankenwagen, um dich zum Orthopäden zu führen, der dich wieder einrenkt, damit du halbwegs gehen kannst.

„Es macht Knacks und i fühl mi wie im Garten Eden.”

Hannes Puchner: Die Idee dafür kommt von mir! Dem Roleee geht’s aber ähnlich. Früher hat der Basketball auf Fast-Bundesliga-Ebene gespielt. Dann hat ihm das Kreuz reingeschissen. Deshalb sag ma: Des Kreuz is a Luada!

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Physio statt Rap?

Hannes Puchner: Na ja, wir wollen ja auch nicht nur aufs Älterwerden anspielen. Das Kreuz ist aber ein Thema, das ich mindestens einmal in der Woche von irgendwem in meinem Alter zu hören bekomme. Kann ja nicht sein, dass da niemand eine Nummer drüber macht. 

Gut, ihr seid’s dem 40er näher als dem 30er.

Hannes Puchner: Sehr viel näher! 

Andreas Staudinger: Der Refrain steht aber schon länger, weil da heißt’s: Host amal die 30 erreicht, fehlt die Leichtigkeit. 

Also …

Andreas Staudinger: Steht die Sache eh schon seit dem Vorgängeralbum. Damals haben wir uns aber noch nicht getraut, das Ding zu bringen. Der Average [Markus Ebner, Rapper aus Linz; Anm.] hat nur gesagt: Was, ihr macht’s eine Nummer übers Kreuzweh, was ist des für an Schas?

Hannes Puchner: Zum Konzept von „Zucker”, dem Thema unseres letzten Albums, hätt das eh nicht gepasst. Wir wollten ja das Leben genießen und nicht über den Ischias rappen.

Jetzt heißt die Platte „Nirwana” – also ist Kreuzweh das erstrebenswerte Ziel, die Erlösung?

Andreas Staudinger: Na, im österreichischen Sprachgebrauch vielleicht, so auf die Art: I drah mi ham ins Nirwana. 

Hannes Puchner: Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Leut uns deswegen schon gefragt haben, ob das jetzt unser letztes Album sei. Na, ist es nicht. Ich seh das Nirwana als körperlosen Zustand, wo’s nur noch deine Seele und die Unendlichkeit gibt.

Du kennst dich aus.

Hannes Puchner: Ich interessier mich dafür, aber ich bin kein Buddhist.

Das Nirwana kann man auch anders erreichen, da muss man sich nicht stundenlang auf die Knie hauen.

Andreas Staudinger: Weißt, wieso das so heißt? Weil Nirvana damals in der Kapu gespielt haben und heute alle sagen, dass sie dort gewesen waren.

Hannes Puchner: Na, geh, natürlich nicht. Im Endeffekt ist es ein pures Album geworden, unsere Albumtitel sind ja immer ein bissel unser Mindstate, in dem …

Andreas Staudinger: Merkst, wie er sich gerade rechtfertigt?

Ja, jetzt kommt die ZIB2-Antwort.

Andreas Staudinger: Jo eh, Sie weichen meiner Frage aus!

Hannes Puchner: Na, goar net! 

Also führen Sie fort.

Hannes Puchner: Schaut’s, ich kann mich aus der Welt schießen und das Nirwana nennen, aber …

Dafür simma dann zu alt.

Hannes Puchner: Jo … äh, na! Letzten Samstag beim Release hättest uns sehen sollen!

Das reicht dann für die nächsten zwei Jahre.

Hannes Puchner: Hast eh recht. Jedenfalls haben wir in den letzten Jahren gemerkt, dass Da Staummtisch größer geworden ist als die Band selbst. Manchmal kommen Leut daher, die teilen einem dann mit, durch welche Lebenslage wir sie begleitet haben mit unsern Liedern – auf einmal checkt man, wie viel Zeit vergangen ist. 

Andreas Staudinger: 20 Jahre simma fast am Start.

Hannes Puchner: Deshalb haben wir gesagt, wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollen – ein paar Spuren hinterlassen, sich auf lokaler Ebene in die Geschichtsbücher eintragen, und …. Na, des ist jetzt viel zu pathetisch.

Geh, sag.

Hanns Puchner: Na jo, halt … unsterblich sein oder sonst wie, weil: Man stellt sich ja schon irgendwann die Frage, wofür man das alles macht. Für Kohle sicher nicht. Wofür also sonst? Früher waren die Antworten klar: Wir haben die Szene in Linz gefeiert, die Musik hat uns getaugt, es war ein Hobby, mit dem man in der Crew Quality Time gehabt hat. 

„ICH BIN SCHON VERLETZT, ABER MAN TIRFFT SICH BEIM FORTGEHEN EH.”

Und jetzt?

Hannes Puchner: Kommen halt strategische Überlegungen dazu. Da meinen manche Leute dann …

Andreas Staudinger: Switcht auf Hochdeutsch, dann kommt’s auf ein Major!

Hannes Puchner: „Nirwana” ist für uns aber die Bestätigung, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, schon der richtige war – auch wenn uns die ganze Sache mit dem Ausstieg von Concept [langjähriger DJ und Produzent bei Da Staummtisch; Anm.] ein bisserl eingeholt hat. 

Andreas Staudinger: Wir könnten sagen, dass das eine Chance ist, sich musikalisch weiterzuentwickeln. In Wahrheit hat ein Freund unseren Kreis verlassen.

Der Ausstieg ist eine persönliche Zäsur, oder?

Andreas Staudinger: Genau, die ist viel markanter als die musikalische.

Ging das ungut auseinander?

Andreas Staudinger: Ich bin schon verletzt, aber man trifft sich beim Fortgehen eh.

Hannes Puchner: Böses Blut gibt’s nicht. Es sind mittlerweile einfach verschiedene Lebensrealitäten, die beim Staummtisch aufeinandertreffen – allein schon wegen des Altersunterschieds. Wir haben Family, manchmal wenig Zeit. Da entstehen Missverständnisse, weil: Wir können nicht mehr sechs Stunden über eine Snaredrum diskutieren. 

Es funktioniert trotzdem, irgendwie?

Hannes Puchner: Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder wir ordnen uns den neuen Bedingungen unter und arbeiten effektiver als früher, um immer mit Output aus einer Studiosession zu kommen. Oder wir scheißen drauf und schauen Netflix. 

Bild Da Staummtisch
Da Staummtisch (c) Robert Maybach

Andreas Staudinger: Aufgeben tut man aber einen Brief. 

Hannes Puchner: Außerdem ist die Leidenschaft immer noch da. Trotzdem versteh ich es, wenn sich andere fragen, wofür man es dann noch macht. Weil: Kohle gibt’s keine. Die Quality Time mit der Crew wird auch immer weniger. Vor allem …

Andreas Staudinger: Erzählen wir dann von den Kindern und dem Kreuzweh.

Und die Freundschaften sterben langsam.

Hannes Puchner: Oft ist es auch ein Boomerang. Nach Jahren der Entfremdung kehren diese Freundschaften zurück. 

Andreas Staudinger: Des kennen wir aber noch nicht.

Hannes Puchner: Ich seh es aber bei Freunden, die älter sind als ich! Die Kids sind draußen, auf einmal trifft man sich wieder. Na ja … derweil schauen wir halt, dass wir zwischen unseren Alben nicht wieder bei null anfangen müssen, was eh schon schwer ist, weil man ja dauernd was machen müsste.

Unter den Vorzeichen müsstest ja gar kein Album mehr machen.

Andreas Staudinger: Genau, wer macht denn heute noch ein Album? Und dann horch dir unsere Tracks an – jeder einzelne dauert mindestens vier Minuten. Das ist ja fast so, als wären wir in den 90er Jahren hängengeblieben. 

Dazu kommt dann der ein oder andere unterschwellige Diss

Andreas Staudinger: Du meinst: angriffslustig?

Ich mein: Manchmal klingt’s so, als wüsstet ihr’s ein bisserl besser als die anderen.

Andreas Staudinger: Das ist die alte Hip-Hop-Schule, das Battle-Ding!

Oder: Old men yelling at the clouds.

Hannes Puchner: Na, das ist der Generationenkonflikt, den gibt’s, seit es Generationen gibt. Dabei werden wir auch ganz gern in eine Schublade gesteckt, so à la Rucksack-Rapper. 

Andreas Staudinger: Das erfüllen wir damit ja eigentlich.

Hannes Puchner: Jein, ich mein …

Die Frage ist, über wen sagt es mehr aus, auf TikToker abzuhaten: die Absender oder die Adressaten?

Hannes Puchner: Deshalb sagen wir ja, Äpfel oder Birnen – wir wollen uns gar nicht mit denen vergleichen, weil man uns gar nicht vergleichen kann. Das ist eine andere Generation, eine andere Szene, ein völlig anderer Zeitgeist. Du hörst da vielleicht einen Diss, eigentlich ist es aber ein Friedensangebot.

Ein Friedensangebot?

Hannes Puchner: Nach dem Motto: Lassen wir uns in Ruhe, wir haben nichts miteinander zu tun!

Also eigentlich ein … Distanzierungsangebot? 

Hannes Puchner: Genau das! Gleichzeitig positionieren wir uns dadurch natürlich noch einmal stärker dagegen, weil: Wir biedern uns nicht an, wir wissen, was wir tun.

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Andreas Staudinger: Ein paar Leute greifen uns an, indem sie sagen, dass wir Oldschooler seien.

Hannes Puchner: Dabei sind wir darauf stolz! 

Andreas Staudinger: Obwohl wir nicht einmal Oldschooler sind, weil die Oldschool mit „3 Feet High and Rising” von De La Soul aufhört. Oder mit „Paul’s Boutique” von den Beastie Boys, weil da Hip-Hop-Künstler zum ersten Mal für Samples gezahlt haben.

Hannes Puchner: Die ersten Alben von De La Soul sind ja seit Kurzem auf Spotify. Denen geht es aber gar nicht darum, dass die damit jetzt junge Leute erreichen. Sie wollen einfach nur, dass die Leute Zugang haben könnten

„DAS IST ZWAR EINE GNACKWATSCHEN, ABER ALLE 15-JÄHRIGEN HÖREN DAS!”

Ihr habt vorhin den Generationenkonflikt angesprochen. Eure Kids werden euren Sound aber auch nicht mehr hören, oder?

Hannes Puchner: Es gibt für die nix Uncooleres. Meine hören Raf Camora – das ist zwar eine Gnackwatschen, aber: Alle 15-Jährigen hören das. Man orientiert sich halt nicht mehr an den Eltern, spätestens ab der Pubertät. 

Da will man dann dagegen sein, nur: Gegen was ist man heute?

Andreas Staudinger: Letztens am Spielplatz haben die Kids plötzlich die 80er-Sachen gespielt. Ich denk mir: Aha, das findet ihr cool? Das ist doch genau die Musik, die sie bei uns in den Beisln spielen, wo irgendwelche 55-jährigen Renates abchilllen.

Hannes Puchner: Na ja, mittlerweile werden manche Artists zu Memes – das mag hin und wieder cool sein und dazu führen, dass junge Leute alte Sachen neu entdecken. Trotzdem wird fast ausschließlich der Mainstream abgehandelt. 

Andreas Staudinger: Jetzt reden wir schon wieder über die Kinder!

Dabei hängen eben nicht nur die Kids auf TikTok rum.

Andreas Staudinger: Ich bin mittlerweile froh, wenn ich’s schaff, einen ganzen Film anzuschauen, weil …

Hannes Puchner: Fast food, fast fashion, fast forward!

Ihr seid’s das Gegenteil: 20 Jahre dabei, beständig, das find ich ehrlich beeindruckend.

Hannes Puchner: Wir kommen halt aus der Competition im Cypher. 

Andreas Staudinger: Battlerap war unsere Rebellion.

Hannes Puchner: Irgendwann war das weg und wir haben angefangen, über kleine Facetten des Lebens zu rappen. 

Andreas Staudinger: Auch weil wir nie Schauspieler, sondern die Normalen waren. Von mir aus kannst du uns auch Fettes Brot des österreichischen Raps nennen.

Hannes Puchner: Dabei sind wir eh härter drauf, als es uns manche von den harten Jungs zutrauen würden – trotzdem weit weg von prekären Vorortsituationen.

Außerdem haut’s ihr euch nicht die Goschn in der Kapu ein.

Hannes Puchner: Na jo, is auch schon passiert, aber: Wir haben das aber nie gestartet, dafür sind wir zu sehr Pazifisten! Unsere Stärke waren immer die Punchlines.

Also die verbalen?

Andreas Staudinger: Eh auch anders.

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Zum Schluss: „In Da Nocht” geht’s um einen Taxler, der durch die Nacht fährt – ein Track über den Kroko Jack, oder?

Andreas Staudinger: Na, eigentlich nicht, aber: Nach dem Schreiben hab ich mir gedacht … Oida, das ist ja der Kroko Jack!

Der fährt noch Taxi, oder?

Andreas Staudinger: Sicher, ich bin aber noch nie mit ihm gefahren. Jedenfalls ist der Track mit Ohvo von Brotlose Kunst entstanden – die beiden haben sich früher gerne mal künstlerisch befruchtet. Deshalb war es uns wichtig, dass der auf dem Album ist. 

Danke für eure Zeit!

Christoph Benkeser

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Links: 
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