"Kunst hat Recht.": Positionen der Parteien zum Urheberrecht

Wien (OTS) – Die umfangreiche gesellschaftliche Diskussion der vergangenen Monate über das Urheberrecht ist in der österreichischen Geschichte bei diesem Thema wohl beispiellos: Die heimischen Interessensverbände, zahlreiche NGOs und die politischen Parteien befassen sich mit den Anliegen der UrheberInnen und suchen nach eigenen Positionen. Dazu berufen sie Diskussionsrunden ein, beauftragen ExpertInnen mit Studien und veranstalten parlamentarische Enqueten, wie etwa vor kurzem Die Grünen.

Für rund 20.000 UrheberInnen in Österreich ist das Urheberrecht die Grundlage für ihr wirtschaftliches Überleben. Im Wahljahr 2013 ist es für Kunstschaffende besonders wichtig, welche zum Nationalrat kandidierende Parteien die Interessen der Kreativen und damit aller UrheberInnen vertritt.

Als Service für alle UrheberInnen hat die Initiative “Kunst hat Recht.” die politischen Parteien darum gebeten, zu wesentlichen Fragen der aktuellen Urheberrechts-Debatte Stellung zu beziehen. Das Ergebnis liegt nun vor:
Kunst hat Recht: Positionen der Parteien zum Urheberrecht

Nachdem das Urheberrecht für die Parteien bisher kein Kernthema der politischen Arbeit war, sind (fast alle) Parteien in einer Orientierungsphase. Die nachfolgende Zusammenstellung ist daher eine Momentaufnahme. VertreterInnen mehrerer Parteien haben angemerkt, dass eine Schärfung der Parteienposition im Gange ist. Sobald eine Partei ihre Position in einem oder mehreren Punkten ändert, wird “Kunst hat Recht.” die Aufstellung der Website http://www.kunsthatrecht.at/category/blog/ ergänzen.

“Kunst hat Recht.” hat die Partei-Skretariate kontaktiert und um Antworten auf fünf Fragen gebeten. Leider hat die Beantwortung der Fragen durch einzelne Parteien mehr Zeit in Anspruch genommen als erhofft. Wir führen das darauf zurück, dass in den Parteien zu diesem Thema derzeit Positionsfindungen im Gange sind. Antworten sind von SPÖ, ÖVP, FPÖ, den Grünen und der Piratenpartei eingelangt. Das BZÖ hat bisher nicht geantwortet.

Die Ergebnisse im Überblick:

Frage 1: In der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte heißt es (Artikel 27 Absatz 2): “Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.” Befürwortet Ihre Partei das in der Deklaration der Menschenrechte definierte Recht auf geistiges Eigentum?

Die SPÖ sieht als entscheidend die Art der Umsetzung dieses Rechts und den Ausgleich mit den Interessen der Nutzer und deren Recht auf freie Meinungsäußerung an. Für die ÖVP ist der Schutz des geistigen Eigentums “von zentraler Bedeutung”. Die FPÖ bekennt sich zum Recht auf geistiges Eigentum. Die Grünen sehen es als vorrangig, dass “für möglichst viele Menschen der freie Zugang zu Wissen und Kultur ermöglicht werden soll”. Die Piraten stufen das Recht auf den freien Empfang und die freie Verbreitung von Informationen höher ein.

Frage 2: Sollen KünstlerInnen über die Verwendung ihrer Werke frei verfügen können? Die freie Verfügung über das eigene Werk bedeutet beispielsweise, dass KünstlerInnen selbst entscheiden können, ob sie für die “Nutzung” ihres Werks (z. B. durch KonsumentInnen) eine Bezahlung der Leistung einfordern oder nicht – und ob sie das rechtlich durchsetzen können.

Die SPÖ sieht “Nachjustierungen erforderlich”. Ein ausgewogenes Urheberrecht müsse “Nutzungsarten im privaten oder im Bildungsbereich auch ohne Rückfrage bei RechteinhaberInnen erlauben”, andererseits sei die Einkommenssituation der Kreativen zu stärken. Von der ÖVP kommt ein eindeutiges JA: “Jeder, der ein geistiges Werk schafft, muss selbst entscheiden können, ob er dieses veröffentlichen und davon in Folge wirtschaftlich profitieren will.” Von der FPÖ kommt ein “JA”, mit dem Zusatz, “dass der Gesetzgeber aufgrund der neuen technischen Entwicklungen Anpassungen vornehmen müsse”. Die Grünen lehnen eine “restriktive Auslegung” des Urheberrechtes ab und sehen in Creative Commons eine gute Alternative. Die Piraten trennen den “kommerziellen und den privaten Bereich”. Im Letzteren soll Freiheit für die Nutzung von Inhalten und Werken bestehen.

Frage 3: Falls Sie eine freie Verfügung der Kunstschaffenden über ihr Werk befürworten: In welcher Weise sollen UrheberInnen bzw. InterpretInnen angesichts der weit verbreiteten Missachtung des Urheberrechts (Stichwort: Filesharing) ihr Recht auf geistiges Eigentum durchsetzen können?

Die SPÖ will “einen gerechten Ausgleich der Interessen der UrheberInnen, VerwerterInnen und NutzerInnen schaffen.” Als wesentlich sieht sie dabei ein Urhebervertragsrecht. Die ÖVP sieht als “notwendig eine entsprechende Bewusstseinsbildung dafür, auch für kreative Leistungen eine faire Gegenleistung zu erbringen, weit über gesetzliche Maßnahmen hinaus.” Die FPÖ will “Experten einsetzen, um gerechte Lösungen zu erarbeiten” und fordert zu diesem Thema eine parlamentarische Enquete. Die Grünen sehen “Filesharing als eine Realität” und sehen als Lösung eine Pauschalabgabe für Breitbandanschlüsse (Flatrate). Die Piraten plädieren für alternative Vergütungsmodelle, mithilfe derer “Urheber bei gleichzeitiger Stärkung ihrer Rechte gegenüber den Verwertungsgesellschaften und Medienkonzernen gerechter entlohnt werden können.”

Frage 4: Befürwortet Ihre Partei die seit 1980 in Österreich geltende Leerkassettenvergütung und die damit aktuell zur Diskussion stehende Festplattenabgabe als pauschale Vergütung des Rechts auf Privatkopie für KonsumentInnen?

Die SPÖ legt sich nicht fest, “ob eine Aktualisierung in Form einer Festplattenabgabe stattfinden muss, oder ob andere Formen einer Pauschalabgabe, die auch neueste technische Entwicklungen wie z. B. die Cloud berücksichtigen, nicht sinnvoller wären…”. Sie lehnt eine rasche Umsetzung der Festplattenabgabe ab. Für beachtenswert hält die SPÖ Abgaben auf Breitbandanschlüsse. Die ÖVP ist “der Auffassung, dass der Gesetzgeber den infolge der technischen Entwicklung geänderten Nutzungsgewohnheiten Rechnung tragen muss” und befürwortet die Festplattenabgabe. Die FPÖ fordert aufgrund der “rasanten Entwicklung neuer Technologien ein neues rechtliches Konstrukt.” Die Grünen sehen keine Rechtssicherheit für Konsument/innen und fordern daher ein “internationales Abgabesystem, das die Rechtsunsicherheit beim digitalen Kopieren beseitigt und Wissen wie Kunst für alle zugänglich macht.” Die Piraten bevorzugen “einen flexiblen Verteilungsschlüssel, der von allen Abgabeverpflichteten nach demokratischen Prinzipien gemeinsam erstellt wird” und verweisen auf das Konzept der “Kulturwertmark” des deutschen Chaos Computer Clubs.

Frage 5: Gibt es nach Auffassung Ihrer Partei für das in Österreich derzeit geltende Urheberrecht Anpassungsbedarf und falls ja, in welchen Bereichen (sofern nicht in Ihren Antworten auf die Fragen 1-4 bereits behandelt)?

Die SPÖ verweist auf ihr Positionspapier “Netzpolitik” und sieht als vorrangig die Einführung eines Urhebervertragsrechts. Der ÖVP ist es ein besonderes Anliegen, das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu schärfen und das Urheberrecht weiter zu entwickeln. “Es geht um Sensibilisierung, nicht um Kriminalisierung.” Die FPÖ sieht “enormen Anpassungsbedarf des Urheberrechts”. Künstler dürften dabei nicht auf der Strecke bleiben. Eine breite Diskussion zu diesem Thema wäre auf parlamentarischer Ebene notwendig. Die Grünen wollen “vor allem die Rechte von UrheberInnen gegenüber den Verwertern mit einem entsprechenden Urhebervertragsrecht stärken. Dazu gehören ein Verbot von Buy-out Verträgen, ein Bestsellerparagraf und die Aufhebung der cessio legis. Die Piraten “werden einen Konsens der europäischen Piratenparteien suchen, der ein EU-weit harmonisiertes Urheberrecht auch im österreichischen Urheberrechtsgesetz abbilden soll”. An erster Stelle stehen für die Piraten Rechtssicherheit sowohl für NutzerInnen als auch UrheberInnen gegenüber der Unterhaltungsindustrie.

Informationen:
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