Der KULTURRAT ÖSTERREICH richtet bezüglich der Existenzsicherung in der Corona-Krise einen offenen Brief an die österreichische Bundesregierung.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel, sehr geehrter Herr Vizekanzler Mag. Werner Kogler, sehr geehrte Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck, sehr geehrte Frau Staatssekretärin Mag.a Ulrike Lunacek,
Bereits die allerersten Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie ab 10. März haben den Kunst- und Kulturbetrieb hart getroffen. Das anschließende schnelle Agieren, um über Unterstützungsfonds Einnahmenausfälle abzufedern, war zunächst vielversprechend. Doch jetzt stellen wir einen beunruhigenden Stillstand fest.
- Die Phase 2 beim Covid-19-Fonds im KSVF steht dringend an, wann ist mit einer Veröffentlichung zu rechnen?
- Wann folgt eine Unterstützungsstruktur für Kunst- und Kulturvereine (NPOs)?
- Warum werden Kunst- und Kulturschaffende und ihre Interessenvertretungen nicht in den Gestaltungsprozess der Unterstützungsfonds involviert?
Dringender Handlungsbedarf bei Unterstützungsfonds
Speisen Sie den Kunst- und Kultursektor nicht mit Almosen ab. Setzen Sie das Versprechen der Regierung, niemanden zurücklassen zu wollen, koste es was es wolle, in die Tat um! Denn es hakt massiv bei den bestehenden Unterstützungsstrukturen, so sie bislang überhaupt existieren:
Kunstschaffende, die die Anspruchskriterien für den Härtefall-Fonds (WKO) nicht erfüllen, konnten aus dem Covid-19-Fonds (KSVF) bis heute nur die sogenannte „Soforthilfe“ von 500 oder 1.000 Euro erhalten, manche hatten noch nicht einmal dazu Zugang oder warten noch immer auf die Erledigung ihres Antrags zur „Soforthilfe“. Wann die Phase 2 des Covid-19-Fonds (KSVF) starten wird, ist bislang vollkommen offen.
Auch beim Härtefall-Fonds (WKO) stellt sich die am 20. April gestartete Phase 2 ernüchternd dar: Die nun errechneten Unterstützungsbeträge für den ersten Monat sind oftmals grenzwertig niedrig oder sogar bei null Cent, weil bereits durch die Soforthilfe ausgeschöpft. Gut und schön, dass immer mehr Personen potenziell Zugang zum Härtefall-Fonds (WKO) bekommen ‒ jetzt braucht es aber dringend eine Unterstützungshöhe, von der zumindest die nackte Existenz und die laufenden betrieblichen Kosten gesichert werden können. Erst dann kann der Härtefall-Fonds (WKO) von sich behaupten, den Nettoeinkommensentgang weitestgehend abzufedern (Punkt 5 der Richtlinie). 1.500 Euro zum Überleben für sechs Monate – und länger – ohne Einkommen sind keine Perspektive. Unsere Erfahrungen zeigen, dass nicht mehr als dieser Betrag für viele Kunst- und Kulturschaffende aus dem Härtefall-Fonds zur Verfügung stehen wird.
Für die gemeinnützigen Kunst- und Kulturvereine gibt es bis dato gar keine Unterstützung. Seit sieben Wochen werden sie damit vertröstet, dass eine „Soforthilfe“ auch für Non-Profit-Organisationen (NPOs) in Vorbereitung sei. Dass sie durch laufende Fixkosten bei gleichzeitigem Wegbrechen sämtlicher Einnahmen ebenso vor dem finanziellen Ruin stehen wie profit-orientierte Unternehmen, liegt auf der Hand. Während andere Branchen wieder schrittweise öffnen dürfen, gibt es für gemeinnützige Kultureinrichtungen weder eine zeitliche noch finanzielle Perspektive.
Wir fordern daher:
- Zahlungen zur Abfederung von Einnahmenausfällen müssen auf den gesamten Zeitraum der Einschränkungen im Kunst- und Kulturbetrieb ausgedehnt werden und auch längerfristige Nachwirkungen abdecken.
- Die monatliche Mindestpauschalzahlung zur Existenzsicherung von Kunst- und Kulturschaffenden muss auf mindestens die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden (aktuellster Wert derzeit 2019: 1.259 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt).
- Die Phase 2 im Covid-19-Fonds (KSVF) darf keine Kopie des Härtefall-Fonds (WKO) werden. Die Unterstützungsleistung in der Phase 2 muss sich an den laufenden Kosten oder wahlweise am realen Einnahmenausfall orientieren. Die separate Antragstellung je Monat ist hier keine praktikable Lösung, die Zeiträume sollten zusammengefasst abgewickelt werden können.
- Grundsätzlich muss der Covid-19-Fonds (KSVF) die Erwerbsrealitäten der Antragsteller_innen berücksichtigen und als Ergänzung zum Härtefall-Fonds (WKO) abdecken, was dieser (berufsspezifisch und perspektivisch) im Moment nicht zu leisten vermag.
- Der Covid-19-Fonds (KSVF) soll nicht nur für Künstler_innen und Kulturvermittler_innen da sein: Eine Ausdehnung der Zugangsberechtigten auf alle im freien Kunst-, Kultur- und Medienbereich Tätigen ist notwendig.
- Der Fonds für NPOs muss so schnell wie möglich starten.
Künstler*innen, Kulturschaffende und gemeinnützige Trägerorganisationen der freien Kulturszene brauchen eine reale und schnell wirksame Existenzsicherung. Hierzu sind ernsthafte Gespräche mit allen Entscheidungsträger_innen und den Betroffenen und ein Austausch über den aktuellen Stand unerlässlich. Wir bieten unser genre- und fachspezifisches Knowhow über die tatsächliche Situation der Betroffenen und die Knackpunkte, an denen es aktuell scheitert, an und bringen uns gerne mit Lösungsvorschlägen ein, etwa zur Gestaltung der Phase 2 im Covid-19-Fonds (KSVF). In diesem Sinne pochen wir auf eine Einbeziehung in den Gestaltungsprozess ‒ jetzt.
Wir ersuchen um Ihren Terminvorschlag.
Mit freundlichen Grüßen,
Clemens Christl, Kulturrat Österreich
Yvonne Gimpel, IG Kultur Österreich
Maria Anna Kollmann, Dachverband der Filmschaffenden
Daniela Koweindl, IG Bildende Kunst
Ulrike Kuner, IG Freie Theaterarbeit
Brigitte Rapp, IG Übersetzerinnen Übersetzer
Rikki Reinwein, Berufsvereinigung bildender Künstler_innen
Günther Wildner, Österreichischer Musikrat
Agnes Zenker, Assitej Austria
Links:
Kulturrat Österreich