KREISKY – „Blitz“

Lasst ihn vorbei – der Wutbürger ist zurück. Diesmal allerdings hedonistischer. Nachdem KREISKY vergangenes Jahr gemeinsam mit der deutschen Autorin SIBYLLE BERG etliche Aufführungen lang am Wiener Rabenhof Theater VIEL GUT (gege)ESSEN haben, erscheint nun nach 11-jährigem Bestehen, das fünfte Album der Wiener Bandformation. „Blitz“ (Wohnzimmer Records) ist als Essenz zu verstehen, als logische Fortsetzung bisheriger Beobachtungen gesellschaftlicher Vorgänge, kombiniert mit viel Sprachwitz, Skurrilität und – nicht zu vergessen – Pop. Denn produziert hat das neue Werk kein Geringerer als ALEX TOMANN, der einst gemeinsam mit ZEBO ADAM „Schick Schock“ von BILDERBUCH herausbrachte und sich somit seit 2015 Protagonist der österreichischen Hipness nennen darf.

„Blitz“ ist über neue Leichtigkeit und Prägnanz hinaus inhaltlich gewohnt aktuell-zeitlos, profund-banal und komisch-traurig. Wenn sich Frontmann Franz Adrian Wenzl im Musikvideo zu „Veteranen der vertanen Chance“ aus dem Sesselkreis einer Selbsthilfegruppe erhebt und vom versäumten Einsendeschluss singt, der Deadline, dem nicht gegebenen Kuss oder der Packung Wein vor dem Bewerbungsgespräch, liegt wie so oft die Träne dem Lachen ganz nahe. Wobei das Lachen meist stärker ist.

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„Die Emotion, die die Musik transportiert, soll sich auch in den Texten widerspiegeln. Daher geht es eben schärfer und emotionaler zur Sache. Natürlich darf dabei der Humor nicht fehlen,“ meint Wenzl selbst dazu.

Das neue Kreisky-Album „Blitz“ ist, verglichen mit früheren, sehr langwierigen Aufnahmeprozessen der Band, auch blitz-schnell und unkompliziert in Matthias Kastners Kellerstudio (GoldlackStudio Wien) eingespielt worden. So unverkrampft wie das Prozedere klingt auch der Sound: gleich die erste Nummer „Bauch Bein Po“ persifliert zackig und rockig die Yoga-Society und formuliert gleichzeitig ein Allerweltsthema, nämlich Abschied und Trennung: „Du bist beim Bauch Bein Po/ mindestens bis vier/ und ich starte den Renault / und ich bin dann nicht mehr hier.“

Liebe oder generell zwischenmenschliche Beziehungen ziehen sich durch alle Songs: in „Oh nein, die verlieben sich!“ wünscht sich der beste Freund von Hanna endlich von ihr gesehen zu werden, weil er sie doch so liebt. Und in „Autokaufen ist Maennersache“ kennt „mann“ sich zwar selbst nicht mit dem Hubraum aus, gesteht aber: Ich wollte einfach mithalten, auf deine Kosten.“

Ruhig und melancholisch à la Element of Crime wird es bei „Ich löse mich auf“. „Es gibt Tage, da vertrage ich keinen Menschen/Den Briefträger grüßen/ das geht gerade noch.“ Während sich hier das musikalische „Ich“ seiner Sinnkrise hingibt, fallen wir verträumt in den akustischen Fauteuil des fragilen Unglücks – aber immer noch schmunzelnd.

„Geld kann man essen, also doch“

Albumcover Blitz
Albumcover “Blitz

Und dann kommt er endlich, Kreiskys Wutbürger, der sich laut einem der Song-Titel in den „Depp des 20. Jahrhunderts“ transformiert hat. Zu elektronischen Rhythmen beklagt er unsere Zeit: „Autos und Rauchen und Fernsehen und CD-Sammlungen – das ist alles weg.“

Wobei doch gerade in Österreich das Rauchen bis zum Zerfall des Erdplaneten möglich sein wird – oder zumindest noch ein paar Jahre. Das hat Kreisky wohl nicht prophezeien können, schließlich wurden die Songs von „Blitz“ schon vor rund zwei Jahren aufgenommen. Aber politisch agieren oder reagieren möchte die Band ohnehin nicht, denn Wenzl sagt: Wenn ich jemand wäre, der etwas politisch bewegen wollte, würde ich nicht den Umweg über einen Proberaum wählen oder Konzerte vor maximal ein paar hundert Leuten spielen.“ Demnach solle man die Texte besser nicht überbewerten, schon gar keine möglichen Parallelen zur Tagespolitik ziehen.

Und in diesem Sinne schließt auch die letzte Nummer „Sudoku“ mit eingängiger Gitarre und Computer-Sounds: 

„Danke vielmals
Wir haben alles im Griff
Wir gehen jetzt“

Julia Philomena

Kreisky live
12.04.18 Graz, PPC
13.04.18 Innsbruck, PMK
14.04.18 Linz, Stadtwerkstatt
19.04.18 Wien, WUK
07.05.18 München, Milla
09.05.18 Hamburg, Häkken
10.05.18 Berlin, Berghain Kantine
11.05.18 Köln, Subway
12.05.18 Stuttgart, Merlin

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Wohnzimmer Records