Die rumänische Komponistin, die bereits fast 20 Jahre in Wien lebt, wurde mit Stücken, die zwischen 1989 und 2012 von ihr komponiert wurden, in der fast familiären Atmosphäre im Musiksalon der Österreichischen Nationalbibliothek (Palais Mollard, Salon Hoboken) in einem Konzert vorgestellt. Zu Beginn wurde auch darauf hingewiesen, dass das veranstaltende Institut für österreichische Musikdokumentation am 17. November das 40-jährige Jubiläum im Musiksalon feiern wird. Die Moderation übernahm der rührige langjährige Pianist des Altenberg Trios Claus-Christian Schuster.
Familiär war das Konzert auch deshalb, weil Probsts Mann, aber auch ihre Schwester und ihre Tochter bei den musikalischen Darbietungen mitwirkten. Die in Bukarest geborene, seit 1993 in Wien lebende Komponistin, die in den Musiknachrichten vergangene Woche bereits kurz portraitiert wurde, schließt kompositorisch durch Verwendung modaler Skalen an die alte rumänische Volksmusik an, auch asymmetrische Rhythmen und Überschichtungen verschiedener Tempi sind Charakteristika ihres Stils. Zu hören waren von ihr kammermusikalische Werke.
Doch bevor es zu den im Programm vorgesehenen Aufführungen kam, und auch zwischen den einzelnen Stücken, wurde Dana Cristina Probst vom Moderator in launiger Weise befragt, etwa, warum sie sich in Wien für den Namen Probst entschieden hat. Den erhielt sie durch die Verehelichung mit dem Pianisten Otto Probst, erzählte sie, und den Namen habe sie gern angenommen. Das klinge doch sehr musikalisch: Dana Cristina Probst. Sodann erzählte sie, dass sie in einem Dorf 80 km von Bukarest aufgewachsen sei, wobei ihr Vater, ein Ingenieur, sehr musikinteressiert war und von einer Großmutter ein Pianino geerbt habe. Das war für sie natürlich auch interessant. Wichtige musikalische Impulse erhielt sie aber auch durch die Gesangstradition, wie sie in orthodoxen Kirchen gepflegt wird.
Und schon kamen Otto Probst und ihre Schwester dazu, um einen rumänisch-orthodoxen Dreigesang zu singen. Dieser mehrstimmige Gesang hat unverkennbar starke orientalische Anklänge und erklärt mehr als Worte die Tradition, aus der Dana Cristina Probst kam. Mit Otto Probst am Klavier und dem ebenfalls in Bukarest geborenen Bariton Sorin Coliban, der ab 2004 auch an der Wiener Staatsoper viele Rollen gesungen hat und singt, hörte man dann als erstes das Stück “Am Orte des Lichts“ (2010). Es entstand zum Andenken an den Vater der Komponistin. Der Text stammt aus der Parastasis, dem Gottesdienst für die Verstorbenen in der orthodoxen Kirche. In dem Stück, in dem nicht die Stimme, sondern das Klavier im Vordergrund steht, verwendet Probst Phoneme aus dem 23. Psalm David in hebräischer Sprache, um dadurch eine bestimmte Sprach-(Klangfärbung zu erreichen. Da heißt es etwa: „Bin’ot deshe yarbitzeini, ´al-mei menuchot yenahaleini – (übersetzt:] He leads me resting beside waters He makes me lie down of grass in pastures.“ Die Klavierakkorde sind wie in einer Spektralmusik stark durch die Verwendung von Obertönen bestimmt und werden zu multiphonicsartigen Gebilden. Im zweiten Teil folgt ein Stundengebet der (rumänisch-) orthodoxen Kirche in deutscher Übersetzung: „… die Ruhe der Seele am Orte des Lichtes, am Orte des Ergrünens, am Orte der Erquickung, wo entflieht aller Schmerz, alle Trübsal und alle Klage“…
Das Projekt “Der Klang Brâncuşi”.
Bei dem Stück “…et une flûte“, für Flöte solo (2007), aufgeführt von Sylvie Lacroix, ist man dann mitten drin im von Dana Cristina Probst mit drei anderen rumänischen Komponistinnen betriebenen Projekt “Der Klang Brâncuşi”. Constantin Brâncuși (* 1876 in Rumänien, † 1957 in Paris) war ein rumänisch-französischer Bildhauer der Moderne, der neben Auguste Rodin die Skulptur nachhaltig beeinflusste, indem er mit der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe von Objekten durch Reduktion brach. Nach einem traditionell-akademischen Werkbeginn bildete sich ab 1907 sein individueller Stil heraus, der von afrikanischer und rumänischer Volkskunst beeinflusst war. Der Begründer der modernen Bildhauerei spielte fluier, eine Art Holzflöte, auch Geige und Kontrabass. Mit ihrem Werk wollte die Komponistin die Beziehung des Bildhauers zur Musik und ganz besonders zur Flöte hervorheben. Bewundernswert schaffte Sylvie Lacroix es, das nicht einfache Stück zu interpretieren, sie musste nämlich zusätzlich zu ihrem Spiel einen frühen autobiographischen Text von Brâncuşi, den dieser 1907 in Paris verfasste und der seine anfänglich harten Lebensumstände reflektiert, bruchstückhaft und gleichzeitig mit dem Flötenklang skandieren, oft mit gedämpfter Stimme: „Après sept ans de travaux d’Hercule, …il s’en alla dans une autre ville plus grande…“ Der Flötenklang „entsteht – vermischt sich, ergänzt oder ersetzt das gesprochene Wort“, schreibt Probst über ihr Stück.
Auch die Uraufführung am Ende des Programms („Maître du marteau II“ für Sprechstimmen, Flöte, Klarinette, Klavier und Video) ist Teil des Brâncuşi-Projekts. Claus-Christian Schuster erinnerte sich wie viele andere Musikfreunde an das berühmte „Le marteau sans maître“ von Pierre Boulez. Für Dana Cristina Probst hingegen ist der „Marteau“ als Bildhauerhammer wichtig für die konkrete physische Arbeit eines Bildhauers. Diese Hammerschläge entstehen in der Musik langsam zu Beginn, während der ersten vier Minuten des Stücks, aus dem Vorlesen von Texten, die – fast alle im Jahr 1907 geschrieben – aus der Hand von Freunden von Brâncuşi stammen. Es handelt sich um James Joyce, Henri Bergson, Anne de Noailles, Rainer Maria Rilke und Pablo Picasso. Später kommen Motive aus einem Klavierstück von Erik Satie hinzu. Nicht genug damit, werden auch einige wenige Fotografien von wichtigen Skulpturen Brâncuşis („Der Kuss“, „Der Schlaf“ u. a.) von einem Video projiziert. Tatsächlich gelingt es Probst, das Atmen, den Rhythmus der Hammerschläge, in eine durch Sprache ergänzte Musik zu bannen.
Den Mittelteil des Programms widmete Dana Cristina Probst eine Monodie für Männerstimme und Klarinette aus der Oper „Jonas“ von ihrem verehrten Kompositionslehrer Anatol Vieru, bei dem sie in Rumänien ausgebildet wurde. Zuvor bereits Universitätsassistentin in Bukarest, hat sie in Wien dann übrigens noch bei Michael Jarrell studiert. Anatol Vieru, der 1998 starb, hatte in Moskau bei Aram Chatschaturjan studiert und war Studienkollege von Edison Denissow, Alfred Schnittke, Sofia Gubaidulina und Tiberiu Olah. Bei der Figur des “Jonas“ handelt es sich um eine „dreifache Figur“ (Vieru), vereinsamt „leistet er sich selbst Gesellschaft, fragt sich und antwortet sich selbst – gleichsam mit drei Stimmen“. Deswegen also „Monodie“.
Aus der Anfangszeit ihrer Erfolge wurde weiters auch das Trio „Sanftes Licht“ aus dem Jahr 1989 für Flöte, Klarinette und Violoncello (Sylvie Lacroix, Reinhold Brunner, Maria Frodl) gespielt. Komponiert für einen Kompositionswettbewerb, hatten ihr die Verantwortlichen des Komponistenverbands, bei dem sie ihr Stück vorzulegen hatte, gesagt, es sei „Keine Musik für Deutschland“. Nun, 1990, also nach der „Wende“, wurde es aber dann in Darmstadt aufgeführt. Das Trio weist hohe Qualität auf, beginnt ruhig und meditativ, mit vielen lange ausgehaltenen Tönen, kennt später aber auch durchdringend hohe, grelle Töne (aus dem „sanften“ wird ein gleißendes Licht), wird wieder ruhevoll, erinnert gegen Ende an einen multiphonen Choral mit engen Reibungen der Stimmen. Zuweilen gibt es auch Soloabschnitte, in denen etwa im Cello ausgiebig Multiphonics zu bewältigen sind. Kein Zweifel: Dan Cristina Probst konnte damals schon sehr viel.
Heinz Rögl