Ein spannendes Konzert des Ensemble reconsil, das neben dem Klangforum Wien auch mit dem von mica-music austria mitorganisierten RE:Newmusic-Programm betraut ist: Die im Rahmen dieses Projekts von reconsil nominierten und am 24. März realisierten Werke stammen von Julia Purgina („Flashroom“) und von dem Polen Pawel Szymanski („Appendix für Piccoloflöte und andere Instrumente“). Auf dem Programm weiters Stücke von Roland Freisitzer sowie eine UA von Karlheinz Essl („Chemi(s)e“). Ebenfalls auf dem Programm Arnold Schönberg sowie Alban Bergs Violinkonzert mit Ernst Kovacic als herausragendem Solisten.
Im ersten Teil zunächst Schönbergs „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene“, op. 34 aus dem Jahr 1929. Gebracht wurde eine Ensemblefassung von Johannes Schöllhorn, einem derzeit im Köln lehrenden Komponisten, der mit dem Stuttgarter Ensemble ascolta bei den Berliner Festspielen am 28. März ein neues Stück von ihm uraufführen wird – neben weiteren UAs (neue Werke von Meng-Chia Lin, Eduardo Moguillansky, Saskia Bladt, Isabel Mundry) wird er dort auch ein Werk Beat Furrers aus 1991 leiten.
Es folgte – mit Alexander Wagendristel als Solist an der Piccoloflöte – Pawel Szymanskis „Appendix für Piccoloflöte und andere Instrumente“ (1983). Das reizvolle und virtuose Stück steckt voller kontrapunktischer Texturen zwischen idyllischen und tragischen, trauermarschartigen Situationen. Für Re:New hat Szymanski folgende Pogrammnotizen geliefert: ‘Appendix’ for solo piccolo and chamber ensemble, is a work rich in contrapunctal texture. An idyllic dialogue between piccolo and strings (reminiscent of birdsong) gives way first to a nostalgic waltz tune, then to a funeral march which gets more and more pathetic towards the end of the piece, only to be stopped abruptly by a caustic tutti chord; its authority, however, is impaired by the pitiful glissando of the violas which closes the work.” Pawel Szymanowski ist der vielleicht wichtigste Komponist seiner Generation in Polen.
Nächster Solist in der Uraufführung von Karheinz Essls „Chemi(s)e für E-Gitarre und zwei Ensemblegruppen“ war an der E-Gitarre Stefan Östersjö, einer der bekanntesten Solisten Neuer Musik in Schweden. Der Eindruck der Verschmelzung der akustischen Instrumente und deren „Kommentaren“ zum auch virtuell erweiterten Klangraum der E-Gitarre, die Essl auch in seiner Jugend spielte und seit einigen Jahren für sich „wiederentdeckt“ hat, war durchaus gegeben. Den Werkkommentar von Christian Heindl kann man mittels Link „Verwandte Artikel“ genau nachlesen.
Bereits 2001 hatte Roland Freisitzer sein „viola concerto“ auch für einen schwedischen Solisten (an der Bratsche) und dem Ensemble GAGEEG komponiert. Diesmal war Julia Purgina, die sonst auch im Ensemble Viola spielt, die Solistin. Das zweisätzige Stück (der 2. Satz ist „quasi ein Scherzo“) lässt die Solistin als virtuosen „Primus inter pares“ agieren, es gibt aber auch ständig solistische Beiträge anderer Instrumente aus dem Ensemble, etwa besonders auch der Tuba. Der Gesamteindruck eines Sich – Festbeißens in „Loops“ – auch im Schlagwerk – entsteht ständig, vielleicht ein wenig zu viel.
„Flashroom“ ist ein sehr gutes Stück von der Komponistin Julia Purgina, das als vollständige Uraufführung zu verstehen war, indem Purgina früher entstandene Miniaturen für tiefes Streichtrio („Herbarium“) mit Überleitungen und thematischen Veränderungen versehen und neu komponiert hat. Hier die RewNew-Programmnotizen:
„Flashroom“ was composed in spring 2008. A main feature of the piece is a seemingly loose compilation of a number of miniatures, which derive from another piece of mine („Herbarium“). This miniatures are held together by rhythmical structures which remind of morse signals. At the same time I worked with cutting and overlapping techniques used by film makers. As none of these miniatures have a duration of more than 30-40 seconds, similar to the average duration of a news block, one could say that „Flashroom“ is a news reel set in music, which was the main formal aspect of this composition.
Additional notes: ‘Flashroom’ was commissioned by Ensemble Reconsil (conductor Roland Freisitzer) for their concert series 2008/2009. But the premiere of the piece was cancelled, which is also the reason why we cannot supply a recording. The piece will be premiered in March 2010 – as agreed with Roland Freisitzer; should any other ensemble choose the piece for a performance before March 2010 this would be no problem with Ensemble Reconsil, Roland Freisitzer and the commission conditions.
Das anspruchsvolle, herausfordernde Programm wurde von einem besonderen Highlight der Musik beendet, ja „getoppt“, denn keines der zuvor gespielten Werke könnte Alban Bergs „Dem Andenken eines Engels“ gewidmeten Violinkonzert das Wasser reichen. Die Erinnerung Bergs an den tragischen Todesfall von Manon Gropius, der achtzehnjährigen Tochter von Alma Mahler, wurde zu Bergs eigenem Requiem vor seinem Tod 1935. Ernst Kovacic spielte wunderschön, aber auch das (solistisch besetzte) Ensemble reconsil, das die gute Ensembleversion des aserbeidschanischen Komponisten Faradsch Karaev, das den Originaltext unverändert ließ, in Uraufführung vorstellte. Roland Freisitzer hat bei ihm 1999 in Baku sein Studium abgeschlossen, bevor er nach Österreich zurückkehrte.
Von Faradsch Karaew hat Patricia Kopatchinskaja mit der basel sinfonietta 2004 übrigens dessen Konzert für Orchester und Sologeige geboten („Dem Andenken meiner Mutter. Für Patricia Kopatchinskaja“) . „Faradsch Garayev (im Original kyrill. Фарадж Kapaeв, wegen verschiedener Umschriftsysteme auch als Faraj/
Faradzh Karaev/Karajew/Garajew gebräuchlich) ist 1943 in Aserbaidschan geboren. Angesichts der relativen Isolation der ehemaligen Sowjetunion hielt er sich vorwiegend in östlichen Gefilden auf; erst nach der Perestroika verschlug es ihn in den Westen, unter anderem einmal als «Composer in Residence» an die Essener Folkwang Hochschule. Schon in den mittleren 80er Jahren hat sich Garayev, zu dessen Leitfiguren vor allem – man beachte den Gegensatz – Anton Webern und Igor Stravinsky gehören, in seinem Heimatland für die westliche Avantgarde eingesetzt. Im Rahmen eines nach seinem Vater Gara Garayev benannten Festivals erklangen neben Schostakowitsch oder Sofia Gubaidulina auch Werke von Charles Ives, Olivier Messiaen, Witold Lutoslawski, John Cage und George Crumb“ (Text: basel sinfonietta).
Heinz Rögl
24.03.2010
19 Uhr 30
ENSEMBLE RECONSIL WIEN
Ernst Kovacic, Violine
Julia Purgina, Viola
Alexander Wagendristel, Piccoloflöte
Roland Freisitzer, Dirigent
Arnold Schönberg: Begleitmusik zu einer Lichtspielscene op.34 (Bearbeitung: Johannes Schöllhorn)
Pawel Szymanski: Appendix für Piccoloflöte und andere Instrumente (1983, ÖEA)
Karlheinz Essl: Chemi(s)e für E-Gitarre und zwei Ensemblegruppen (2009, UA)
Roland Freisitzer: viola concerto für Viola und 12 Instrumente(2001)
Julia Purgina: Flashroom (2008/2010, UA)
Alban Berg: Violinkonzert »Dem Andenken eines Engels« (Bearbeitung: Faradsch Karaew [UA])