Konzentration als wichtige Komponente – WOLFGANG SUPPAN im Porträt

Wolfgang Suppans Kompositionen wird oft und immer wieder eine besondere Klangsinnlichkeit nachgesagt. Einer seiner wichtigsten Lehrer an der Wiener Hochschule war der Französischschweizer Michael Jarrell, und so könnte man der Versuchung erliegen, in Suppans Musik eine französisch-klangsinnlich-spektrale Herkunft hineinhören zu wollen.

Gerade aber in Paris – nämlich am berühmten IRCAM – hat Wolfgang Suppan seine Kenntnisse in einem Bereich erweitert und verfeinert, der einen ganz entschieden anderen Aspekt seiner Musik ausmacht: die Elektronik am und mit dem Computer. Für die Erstellung eines Porträts von ihm muss man wohl nachfragen, was Elektronik für ihn bedeutet und was ihn derzeit umtreibt.

Der 1966 in Vöcklabruck geborene Komponist Wolfgang Suppan entzieht sich einfachen Einordnungen, seine Musik jedenfalls bleibt im Gedächtnis: Da sind die Stücke aus der Zeit um 1996–98 wie das „Duett 2“ für Harfe und Klavier oder das Klavierstück „Grounds“, die Serie „Idyll 1–4“ (1998–2004,  mit „Drift“  2002) und auch seine grandiose Bearbeitung der Oper „Engel aus Feuer“ von Sergej Prokofjew, die Marino Formenti mit dem Ensemble Phace zur Aufführung brachte.

„Standlicht“ kam zustande, als der Trompeter Franz Hautzinger zu einer „Tanzkomposition“ mit Orchester durch Christian Scheib und das RSO Wien beauftragt wurde und Hautzinger Wolfgang Suppan bat, dieses Werk mit ihm zu realisieren. An improvisatorischem Spiel interessierte Suppan immer auch besonders, welche kompositorischen Ansatzpunkte es bietet. Er gibt auch zu, dass er Schwierigkeiten gehabt hätte, wäre ein Auftrag für ein tanzbares Stück an ihn allein ergangen. Mit Franz Hautzinger als Jazzer und Improvisator aber versuchte Suppan, eine weitere Facette einzubringen, „die irgendwie sehr gebrochen kommt“.  Ob man dazu tanzen konnte? – „Naja, in der Presse stand dazu ‚Lamourhatscher‘ …“ Suppan grübelt nach: „Vielleicht würde das Werk in eine Barszene in einen Film von David Lynch wunderbar hineinpassen … Im Untergrund brodelt etwas, an der Oberfläche ist so etwas Smoothes, Cooles“ zu hören.“ So würde er es als „Deutung im Nachhinein“ formulieren.

Technik und Elektronik in der Komposition

Er gilt auch unter seinen Komponistenkollegen als ausgezeichneter Elektroniker. Wie verträgt sich Komponieren und Elektronik? „Elektronik will ich seit einiger Zeit generell nur mehr einsetzen, wenn sie wirklich gut ist.“ Er habe ein Gespür dafür bekommen, was Verstärkung bedeute, etwa wenn er jemanden verstärkt reden hört. „Es ist mir viel lieber, wenn jemand in einem  Saal unverstärkt spricht, was mich zwingt, beim Zuhören aufmerksamer, wacher zu sein. Einen ähnlichen Effekt gibt es in der Musik. Ich habe bei meinem Komponieren oft sehr feine, leise Klänge. Eine für mich ganz wichtige Komponente ist Konzentration.“ Was die Technik und Elektronik betrifft, will Wolfgang Suppan vermeiden, dass Technik zu sehr in den Vordergrund rückt.

Suppans Impulsstücke: „Idyll“ und „Ulam“

Welche Ihrer Stücke erachten Sie als wichtig und gut gelungen? – Suppan antwortet, ohne gleich länger Vergangenes wie die „Idyll“-Serie zu erwähnen, mit dem, was ihn derzeit am meisten beschäftigt. Begonnen werden soll hier trotzdem mit den „Idyll“-Stücken. Man denkt unwillkürlich an einen Kommentar einer Aufführung bei den Minoriten: „Wenn es etwas gibt, das die Ausgangspunkte (!) seiner Arbeiten zusammenfasst – zumindest seit er im Jahr 1998 das erste Werk der Reihe ‚Idyll’ nannte – dann könnte es der bewusste Versuch einer Voraussetzungslosigkeit sein, sich immer wieder freimachen von Verengungen: So sieht er seine Stücke als Wegmarkierungen, wobei hier keineswegs die Assoziation auf Geradlinigkeit oder eindeutige Teleologie gerichtet sei.“ „Idyll“ beschreibe „nicht die Vorstellung einer friedvollen Landschaft, sondern eine gewisse Form des Loslassens“.

In Donaueschingen, wo „Phase (Idyll IV)“ 2005 als Werk des Jahres bezeichnet wurde, schrieb Suppan einen Werkkommentar: „Der Begriff ‚Phase‘ verweist auf die physikalische Beschreibung von Wellenformen und deren Amplitude. Als Analogie dazu verwandte ich in diesem Stück eine begrenzte Anzahl von Klängen, die in unterschiedlichen Abständen – von simultan bis weit auseinander liegend – erklingen […] Sehr kurze Klangereignisse haben für mich eine besondere Eigenschaft, da hier erst mit Hilfe der Erinnerung der Klang in all seinen Facetten erfasst werden kann – sozusagen „rückwärts“ gehört wird. Anders als bei langen statischen Klängen, bei denen unsere Wahrnehmung das Gegenwärtige allmählich „ausblendet“, wird bei sehr kurzen Klangeinheiten durch die Erinnerung Gegenwart suggeriert.

Die verwendete Elektronik – im Titel nicht extra erwähnt, da ich es mittlerweile als selbstverständlich erachte, die Elektronik als Teil des gängigen Instrumentariums zu sehen – wird auf zweierlei Weise in diesem Stück eingesetzt. Zum einen als Klangzuspielung: Leise Klangflächen bilden einen kontinuierlichen Hintergrund aus sich ständig überlappenden Sinusakkorden; des Weiteren in Form von zugespielten Samples, die die Charakteristika der Instrumentalklänge (Hüllkurve, Klangfarbe, Spektrum …) beeinflussen. So klingt zum Beispiel ein Streicherakkord, nahe dem Steg gestrichen – also mit wenig ausgeprägter Grundtonhöhe und großem Rauschanteil – plötzlich ungewohnt hart.

Die 1998 begonnene Werkreihe „Idyll“ ist eine fortlaufende Auseinandersetzung mit dem 1762 erschienenen Erziehungsroman „Emile“ des Schweizer Philosophen und Musikers Jean-Jacques Rousseau. Ursprünglich als Stoff für eine Oper gedacht, wurde dieses Buch für mich zu einem Impulsgeber für eine Reihe von Instrumentalstücken, die in der Besetzung von Solo-Schlagzeug bis zu großem Sinfonieorchester reichen.“

„Mein meistgespieltes Stück ist zurzeit das nur kurze Bläserduo ‚Ulam‘ von 2008 für zwei Bassklarinetten, das ich für das Duo StumpLinshalm geschrieben habe. Das wurde jedenfalls ein thematischer Impulsgeber für mich.“ Entstanden ist das Bläserduo in Berlin, wo Suppan Gast beim Berliner Künstlerprogramm war. „Das Stück hat zu tun mit dem polnischen Mathematiker und Physiker, der die ‚Ulam-Spirale‘ der Primzahlen entwickelt hat. Er hat zwar dadurch das Problem nicht geknackt, wie die Primzahlen entstehen (das hat man bis heute nicht); aber ich finde, man steht da einem Phänomen gegenüber, wo man etwas erkennt, aber man es nicht lösen kann. Das ist auch in der Musik so: Wenn man etwas von Bach hört und irgendetwas Großartiges spürt, lässt es sich doch nicht entschlüsseln.“

Information über musikalische Entwicklungen der Vergangenheit in die Zukunft

Für Wolfgang Suppan ist die Beschäftigung mit historischer Satztechnik im Unterricht genauso wichtig wie elektronische Techniken. Traditionelle Anknüpfungspunkte bei Komponisten, die er für Verschiedenes bewundert, gibt es durchaus. „Haydn, für seinen unglaublichen Esprit und seine klare Themenverarbeitung. Schubert, weil er eine so eigenständige Sprache gefunden hat, dass man ihn schon nach der ersten Akkordverbindung erkennt. Und Guillaume de Machaut, der in seinen extrem artifiziellen, strengen Konstruktionen eine wunderbare Rauheit entstehen lässt.“ So wird er in einem Artikel des Kulturzentrums bei den Minoriten in Graz anlässlich eines Konzertes mit Werken von ihm vor zehn Jahren zitiert.

Und weiter: „Ich glaube, man sollte sich sehr gut über die verschiedenen musikalischen Entwicklungen informieren, Werke analysieren, wann immer es geht, Stücke live in Konzerten hören. Bei der eigenen Arbeit aber suche ich einen Nullpunkt, einen Punkt, wo das Wissen um die Musik nicht zum Hilfsmittel wird, sondern mich antreibt, einen eigenen, persönlichen Ausdruck zu finden.“

Christian Heindl

http://www.wolfgangsuppan.com/
http://phace.at/de/news/
http://konzerthaus.at