KLITCLIQUE sind zwei Rapperinnen, Künstlerinnen und Aber-anders-als-du-denkst-Feministinnen. G-UDIT und $CHWANGER spielen Ende Juli eine Session bei FM4 und hinterher noch beim POPFEST, im Herbst gehen sie mit STEFANIE SARGNAGEL auf Tour durch Deutschland. Sie pushen ihr Umfeld, und das pusht sie. Dazu gehört nicht nur die Burschenschaft Hysteria, sondern auch Street Artists, Performerinnen und Musikerinnen. Dabei gibt es KLITCLIQUE schon ziemlich lange. G-UDIT und $CHWANGER KLITCLIQUE sprachen mit Stefan Niederwieser.
Die Projekte auf eurer Website beginnen vor sechs Jahren …
G-Udit: Ich habe erst da begonnen, alles aufzuschreiben. Wir haben immer schon gemeinsam gefreestylt, kennen uns seit ungefähr 15 Jahren, seit der späten Pubertät.
$chwanger: Wir haben uns nach der Schule getroffen und Hip-Hop gehört.
G-Udit: Berliner Rap fanden wir lustig, wir wollten aber mehr als nur ein Feature einer coolen Frau auf der zwanzigsten Platte eines Rappers sein – weil wir was zu sagen haben
Damals war Berliner Rap wahnsinnig sexistisch.
$chwanger: Ist er immer noch. Dieser lockere Umgang mit Sprache, der notwendig ist, um mit der Realität umzugehen, hat uns gefallen. Diese trashige Art, das zu produzieren, war geil. Und sie können nicht rappen.
G-Udit: Man hat eine Sandkiste voller Buben, die mit ihrem Bagger „brummbrumm“ spielen, da gehst du hin und machst mit dem Gartenschlauch alles zunichte. Der Störfaktor, da reinzugehen, taugt mir, wenn bei einem Battle zwölf Dudes angemeldet sind, die daheim in Mamas Keller Bong rauchen, Beats machen und sich für Gott halten, weil sie das Wort „Hure“ sagen. Es gibt nur drei Beleidigungen, die Rappern bei Frauen einfallen, nämlich „Du Bitch“, „Jeder fickt dich“ und „Du bist hässlich, keiner will dich ficken“. Man kann sich da selbst etwas beweisen und überwindet seine Angst. Die Musik bringt dich als Rapper in eine Stimmung, du überlegst, was du am besten antworten kannst, das ist ja gutes Training und Strategie.
$chwanger: Man kann sagen, was man will, das ist cool.
„Wir haben uns weiter entwickelt, wollen produktiv sein und jetzt passt das so“
Hat euch diese Szene angezogen, gerade weil es diese Widerstände gab?
G-Udit: Wann immer es in Clubs ein Mikro gab, haben wir uns das einfach genommen. Und genauso die Bühnen. Das waren Löcher am Gürtel, Freestyle Battles, das Einbaumöbel zum Beispiel, das rhiz hat uns früh eingeladen zu spielen. Da es so wenig Mädchen gab, hat man zwar schnell Aufmerksamkeit bekommen, aber keinen Respekt. Ich habe 2005 mit Kumpels einen Track aufgenommen, „Aggro Berlin“ war über eine Ecke interessiert, aber das Setting war nicht richtig, es ging nur darum, Geld zu produzieren. Unser Ding kommt aus dem Widerstand, nicht nur gegen die Macho-Brudi-Welt, sondern auch gegen kapitalistische Systeme.
$chwanger: Ich wollte sehr lange nicht aufnehmen. Mir hat das Stören gereicht. Wir haben uns jedoch weiterentwickelt und wollen produktiv sein. Die Szene verändert sich mit dem Internet, es gibt mehr Frauenpower. Du brauchst nicht mehr unbedingt ein Label, damit du Reichweite bekommst.
G-Udit: Die Leute nahmen das jetzt wahr. Unsere Deutschland-Tour nach dem Hyperreality ging durch viele occupied spaces und feminist run clubs.
$chwanger: Es ist lustig, mit Klitclique in Galerien zu gehen, wenn dich alle höflich ansehen – wie ein Objekt an der Wand.
G-Udit: Wir haben später ja auch Kunst gemacht. Da kann man dann in einen Rap-Club gehen und über alle abschimpfen, über die Scheißgaleristen, oida.
Wie arbeitet ihr?
G-Udit: Wir haben früher nie viel Gage bekommen, nie viel investiert, haben das mit geklauten Beats gemacht.
$chwanger: Wir waren manchmal in Studios, aber die Leute schneiden da irgendwas zusammen und am Ende war es ganz anders, als wir wollten.
G-Udit: Den Komplex, dass ich alles von meinem Set-up verstehen will, habe ich heute nicht mehr. Du müsstest ja fast Tontechnikerin werden. Wir waren aber immer eher intellectual nerds und nie tech nerds. Ich will mich live auf meine Performance konzentrieren. Im Studio hat das erstmals mit dem Mirza funktioniert, unserem Produzenten. Er kann gut mit uns umgehen.
$chwanger: Manchmal macht hat er was und wir arbeiten daran weiter, manchmal haben wir eine Idee für einen Text und überlegen, was für ein Beat dazu passt. Oder es fällt uns ein Sample ein …
Ihr habt mit Fauna zusammengearbeitet.
$chwanger: Das war ein Kompositionsauftrag von Hyperreality. Sie hat die Beats gemacht, wir die Lyrics.
G-Udit: Der erste Kontakt war vor einem Jahr. Ich meinte zu ein paar Mädels, wir müssten unbedingt einen Hooligan-Support-Track machen für die Stefanie [Sargnagel, Anm.], als sie beim Bachmann-Preis gelesen hat. Fauna ist sofort vorbeigekommen, „50 000€uro“ ist dann unter ziemlich großem Zeitdruck rausgekommen. Nach dem Hyperreality waren wir gemeinsam auf Tour.
$chwanger: Wir machen gerade ziemlich viele Projekte, fliegen nach L.A., wollen dort ein Video drehen, gehen mit Stefanie Sargnagel im Oktober auf Tour. Wir haben von SHIFT eine Förderung bekommen, um unser Album rauszubringen, das gerade stückweise veröffentlicht wird. Auf Okto wird es ein Video geben. Es macht uns aber auch Spaß, unsere eigenen Bühnen zu bauen, verschiedene Kontexte durchzuprobieren.
G-Udit: Wir werden Events machen, um die Tracks vom Album an verschiedenen Orten in Wien zu releasen. Und auf jeden Fall – weil old school yeah – muss Vinyl fließen.
$chwanger: Und online wollen wir kostenlos releasen. Warum sollen wir das auf diese ganzen Streaming-Plattformen stellen, wenn wir einen Cent bekommen und die drei Euro.
Unter welcher Shift-Förderung läuft das Album eigentlich?
$chwanger: „Klitclique, das Album“ ist der Projekttitel.
G-Udit: Wir sehen uns gerne als Förderplattform. Es ist uns wichtig, anderen Leuten eine Bühne zu geben.
$chwanger: Es gefällt uns ganz gut, diese Frauenpower zu zeigen.
Wird es eine lange Feature-Liste geben?
$chwanger: Es ist leider traurige Realität, dass Frauen meistens auf einem Track gefeaturt werden und ihre eigenen Sachen untergehen, deshalb werden wir uns da zurückhalten. Wir arbeiten lieber mit Leuten, die andere Fähigkeiten haben, für Videos, Grafik, Bühnenbild oder Performances, das soll sich ergänzen und gleichwertig dastehen. Unsere Praxis ist dafür vielfältig genug.
G-Udit: Kennst du diese Free-Jazz-Sessions im Celeste? Mit der Quehe, dem Kern [Philipp Quehenberger, Didi Kern; Anm.] und dem Franz West. Das war auch immer bisschen eine Bro-Sausage-Party, aber vom Vibe her war das cool. Ich durfte dort manchmal freestylen, obwohl alle Rap gehasst haben … „Franz West verlässt entsetzt das Celeste, weil die Klitclique rappt.“ Ja, leider, rest in peace. Ich jamme voll gern, die Energie dabei ist so cool, aber im Studio braucht es echt eine spezielle Vertrautheit.
Die künstlerischen Arbeiten, die man auf eurer Website sieht, macht ihr als Klitclique?
G-Udit: Wir haben beide immer schon gemalt, ob Dose oder Pinsel war egal. Da war es natürlich, einen „MPC 2000“ nachzubauen, wenn man einen haben möchte. Flyer oder Deko machen wir selbst und lackieren gesammelte Kartons, bis sie nach einer Million Dollar aussehen. Simulakrum, bau dir deine eigene Realität zusammen.
$chwanger: Klitclique ist ja nicht nur auf Musik beschränkt, sondern gekoppelt mit all diesen anderen Ausdrucksformen.
„Ich mein … jeder kann nach Berlin ziehen und leiwand feministisch sein, aber bleib mal in deinem Kaff und stell was auf die Beine“
Es wirkt, als wären die meisten eurer Gigs bisher in Galerien gewesen.
G-Udit: Da war viel mehr, ich habe die Liste lange nicht upgedatet.
$chwanger: Wir spielen oft in Clubs. Auch in Paris, Zürich. Nürnberg wollten wir ursprünglich nicht, weil Hitlers Lieblingsstadt, aber das war ein super female run club, den man unterstützen muss. Jeder kann nach Berlin ziehen und leiwand feministisch sein, aber bleib mal in deinem Kaff und stell was auf die Beine.
Ist Zürich nicht eine problematische Stadt? Zur Eröffnung der Manifesta meinte ein Politiker dort: „you know we have a saying, no money – no swiss.“
$chwanger: Was österreichische Politiker im Moment von sich geben, ist jetzt auch nicht besser. Warten wir mal ab, was wir hier nach der Neuwahl bei Eröffnungen hören werden. Du hast in Zürich mehr Rechte, gerade wenn du was anderes machen willst.
G-Udit: Eine Zürcher Kuratorin, die auch Expertin für besetzte Räume ist, hat sich eine Führung dazu in Wien gegeben und nur gelacht. Und liebe Leute machen jede Stadt erträglich.
Würdet ihr auch gern wie Yung Hurn bei einer Party der Galerie König spielen?
G-Udit: Also ich würde gar nichts wie Yung Hurn. Aber eh liebes Burschi. Es macht mehr Spaß, mit coolen Veranstalterinnen und Veranstaltern zu spielen und nicht bei irgendwelchen Dudes, die dich buchen, weil sie ein Line-up mit sogenannten Feministinnen brauchen.
Was ist schön an Gigs in Galerien, was ist schön an Gigs in Clubs?
G-Udit: In Galerien ist es urleiwand, weil ich jeden alten Wichser aus der Kunstszene kenne und viele Geschichten. Wenn ich dann ein Mikro in der Hand hab …
$chwanger: Man kann die Wände verwenden, hat mehr Vorlauf und Zeit, kann mit dem Raum arbeiten. In Clubs gibt es bessere Anlagen.
G-Udit: In der Kunst kannst einfach wirklich alles machen, wenn du es argumentieren kannst … oder musst du nicht mal immer, if you’re a white dude. Es gibt in der Kunst den Platz, nur Gedichte zu schreiben, oder eine Band zu sein, die nur auf Betoninstrumenten zum Playback spielt. Du kannst ganz andere Metaebenen ansprechen. In Clubs kommen Leute daher, ein Mädchen wollte mich letztens umarmen, andere sagen dir, dass es schön war. Es gibt aber auch ganz oft den verletzten MC Dude, der dann mit Verbesserungsvorschlägen daherkommt.
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Für was steht denn Vienna Neuf-Trois, also Wien 93, in „Cherie, je suis un genie“?
$chwanger: Für eine lange Freundschaft, die ich pflege. Das ist die Nummer des Département Seine-Saint-Denis, ye ye! Ich war oft in Paris, als Hip-Hop-Kiddie bin ich dort immer gefördert, empfangen und bezahlt worden. Wir haben für unser Video mit Kashink zusammengearbeitet.
G-Udit: Die ist ein Superstar, ten women who are better than Banksy. Weißt du, die Dudes pushen sich gegenseitig und Frauen wird oft so ein komisches Konkurrenz-Ding eingepflanzt.
Ist Wien ein guter Boden oder stoßt ihr an eine gläserne Decke?
$chwanger: Wir haben uns früher ja nicht bemüht, sind einfach gekommen, haben schlecht gerappt. Wir haben Klitclique lange nicht gepusht, im Moment aber macht das am meisten Spaß. Die gläserne Decke kommt noch. G-Udit wäre 2014 fast gestorben.
G-Udit: Ja, ein bissi halt. Ich bin von einem Auto angefahren worden, viele Operationen, danach keinen Bock mehr gehabt, so weiterzuleben, allein im Atelier zu stehen. Was wir gemeinsam mit Klitclique haben, hat mir so viel Kraft gegeben.
$chwanger: Wir sind gerade voll auf einer Linie. Und ja, wir fahren wahrscheinlich mehr nach Berlin, aber Wien ist eine gute Basis mit einem coolen Netzwerk.
Vielen Dank fürs Interview.
Stefan Niederwieser
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