kleinabaoho macht authentischen, queeren Deutsch-Pop, von dem die Welt noch zu wenig hat. Ihre Songs bilden persönliche Liebesgeschichten ab und malen „bilder“, wie sie auch ihre im Juni erschienene EP genannt hat. Das Video zu ihrer neuesten Single hat sie in einem Möbelhaus am Wiener Westbahnhof gedreht, wo sie sich auch mit Katharina Reiffenstuhl zum Mica-Interview verabredet hat. Ein Gespräch über Popkultur, mangelnde queere Repräsentation in der Branche und Zukunftsmusik.
Du hast IKEA als unseren Treffpunkt ausgewählt – und ich nehme an, das ist kein Zufall. Welche Bedeutung hat dieser Ort für dich?
kleinabaoho: Oh ja, das ist kein Zufall. Ich dachte mir das ist top on brand. Also lustigerweise hatte es eigentlich gar nicht so viel Bedeutung, bevor ich den Song “ikea” rausgebracht habe. Mittlerweile ist es schon anders, da zu sein.
Ist das Video genau hier gedreht worden?
kleinabaoho: Ja. Es gibt aber auch Outdoor-Szenen, die sind in Ansfelden, also Oberösterreich, gedreht worden. Die Indoor-Szenen sind alle hier gedreht worden.
Wie bekommt man für sowas eine Drehgenehmigung?
kleinabaoho: Ich arbeite mit einem Label zusammen, und die machen ziemlich viele Management-Sachen für mich. Wir haben uns dann halt überlegt, was man im Zuge des Releases machen kann. Ich wollte unbedingt ein Video hier drehen und dann waren wir einfach sehr hartnäckig und haben 10.000 verschiedene Menschen angeschrieben – in der Hoffnung, dass irgendwer dafür verantwortlich ist uns erlaubt, da ein Video zu drehen. So ist das entstanden. Die Menschen vom IKEA waren aber sehr supportive, alle sehr süß.
Wie war dieser Dreh? War das zu Zeiten, wo der IKEA nicht geöffnet war?
kleinabaoho: Nein. Es war ganz normaler Betrieb. (lacht) Ein bisschen akward, vor allem, wenn man da so intime Szenen hat und dann gehen da die ganze Zeit Menschen vorbei. Da wurde halt auch nichts abgesperrt, wir haben uns einfach dort in diesem Zimmer eingenistet. Wir waren zwar sehr wenige, aber die Leute haben trotzdem viel geschaut, weil da eben Kameras aufgestellt waren.
Dein Song „grüne Augen lügen“ divergiert mit dem bekannten Song der Band JEREMIAS. Eine bewusste Verknüpfung?
kleinabaoho: Ja. Also die Person, über die ich das Lied geschrieben habe, unser gemeinsamer Song war “grüne Augen lügen nicht”. Im Schreibeprozess ist das dann miteingeflossen. It didn’t age well.
Oh ja. Da gab es Schlagzeilen. Was sagst du dazu?
kleinabaoho: Ich würde gerne sagen, es kam unerwartet. Aber kam es wirklich unerwartet?
Hast du gerne JEREMIAS gehört?
kleinabaoho: Schon, also vor allem in der Anfangsphase, wo sie groß geworden sind. Das “golden hour”-Album fand ich sehr toll. Dann wieder ein bisschen weniger. Kurz vor dem Skandal habe ich den Song “meer” ganz schön gefunden.
„AUF DEUTSCH KANN ICH VIEL LEICHTER MIT WORTEN VARIIEREN UND HABE MEHR SPIELRAUM“
Du hast eigentlich auf Englisch begonnen zu schreiben. Dein erster veröffentlichter Song, “sophie“, ist aber auf Deutsch. Warum hast du zu Deutsch geswitcht?
kleinabaoho: Warum das so war, weiß ich gar nicht mehr. Aber ich habe dann währenddessen gemerkt, dass es mir viel leichter fällt. Auf Deutsch kann ich viel leichter mit Worten variieren und habe mehr Spielraum.
Warum hast du nie einen deiner englischen Songs veröffentlicht?
kleinabaoho: Also now looking back waren es vielleicht nicht meine besten Songs. (lacht) Begonnen, ernsthafte Musik zu machen, habe ich mit der deutschen Musik.
Was war der springende Punkt bei “sophie“, dass du beginnen wolltest, Songs rauszubringen?
kleinabaoho: Der springendste Punkt war vermutlich, dass ich fast fertig mit meinem Studium war. Ich habe das Gefühl gehabt, ich tu die ganze Zeit nur herum mit Studieren. Was eh wichtig ist, aber es war irgendwie auch nicht ganz das, was ich will. Da war es die perfekte Zeit, um dann nach dem Studium vielleicht schon ein bisschen drin zu sein in dem Ganzen. Im letzten Studienjahr habe ich dann entschieden, dass ich damit jetzt anfange.
Was hast du studiert?
kleinabaoho: Musikbusiness. Am Vienna Music Institute. War mega interessant. Das Studium hat mir schon auch sehr geholfen, ich bin mir sicher, dass ich nicht so den Drive dahinter hätte, wenn ich wirklich von Null begonnen hätte. Durch das Studium habe ich jetzt schon viel Vorwissen. Ich glaube, was ganz viele Musiker:innen nicht haben, ist, dass sie das Planen und diesen Business-Teil vom Musikmachen auch mögen. Ich habe das sehr lieben gelernt, ich mag das total, mir Strategien zu überlegen. Es gelingt trotzdem nicht immer alles perfekt, aber es macht zumindest Spaß.
„ES BRAUCHT BEI QUEEREN ARTISTS EINFACH MEHR AUSWAHL“
Auch wenn deine Musik thematisch sehr queer ist, betonst du immer wieder, dass sie nicht ausschließlich für queere Menschen geschaffen ist. Wer ist deine Zielgruppe?
kleinabaoho: Ich würde sagen, dass ich meine Musik hauptsächlich für queere Menschen machen will, aber nicht, weil sie queer sind, sondern weil ich aus persönlicher Erfahrung weiß, dass queere Menschen oft nicht so viel haben in der Hinsicht. Es gibt in Deutschland vielleicht vier, fünf große queere Artists, BECKS, LUNA und WILHELMINE. Es braucht bei queeren Artists einfach mehr Auswahl. Ich möchte mit Musik Platz für queere Menschen schaffen. Trotzdem sind es einfach Liebeslieder – ich hör mir auch an, wie Frauen über Männer heulen. Also kann sich auch jeder anhören, wie ich über meine Ex-Freundin heul’. (lacht) It’s not that deep. Ich möchte mich da aber auch nicht eingrenzen und sagen “Oh du bist hetero, du darfst meine Musik nicht hören”. Das macht ja auch keinen Sinn. Ich will einfach, dass das Thema Queerness kein queeres Thema ist, sondern ein Weltthema, mit dem sich jeder beschäftigt.
Hattest du früher ein queeres musikalisches Vorbild?
kleinabaoho: Ja, aber in der Retrospektive ist die Musik, die ich früher gehört habe, die queercoded war, echt nicht so geil. Jetzt höre ich die eher so zum Spaß. HAYLEY KIYOKO habe ich gehört, oder FIFTH HARMONY war irgendwann so ein queeres Ding, weil jeder gesagt hat, dass Lauren und Camila Cabello zusammen sind. Das ist nie passiert. Aber es war so eine conspiracy theory. Es hat mir halt irgendwie ein bisschen Halt gegeben, deswegen habe ich das dann gehört. Heute ist FLETCHER ein großes musikalisches Vorbild von mir, würde ich sagen.
Queerness nebensächlich – welche Musik hat dich in deiner Kindheit geprägt?
kleinabaoho: Lustig, dass du das fragst. Ich habe früher viele Interviews geschaut, und wirklich jeder erzählt “Mein Papa oder meine Mama hat xy, irgendeine uralte Band, gehört und das hat mich total geprägt”. Ich habe das nicht. Ich bin nicht so cool. (lacht) Früher wollte ich das immer sagen können, aber ich bin sehr geprägt von Popmusik. Wir habendaheim immer Radio gehört, also Ö3. Das ist das, was ich kenne. Ich hatte eine sehr große Phase mit YUNGBLUD und BILLIE EILISH. Das wären die ersten, die mir da einfallen. Da habe ich leider keine coolen Antworten.
Also bist du voll into Popkultur?
kleinabaoho: Oh ja. Mitten drin. Und ich stehe dazu! (lacht) Aber ich habe das Gefühl, dass Artists viel mysteriöser wirken, wenn sie einen Artist aus den 70ern nennen, den keiner kennt. Aber ich bin voll fein damit, ich liebe Popmusik und Popkultur, den Gossip, den Tea.
Hast du ein Instrument gelernt als Kind?
kleinabaoho: Nein. Also meine Stimme, ich habe Gesangsunterricht gehabt, weil ich früher Musical gespielt habe. Da hatten wir immer Gruppengesangsunterricht, und irgendwann war es Einzelgesangsunterricht.
Warum bist du keine Musicaldarstellerin geworden?
kleinabaoho: Das ist eine gute Frage. Tatsächlich habe ich das Gefühl, ich bin ein bisschen zu bad of an actor. Und – ich glaube, das ist für andere Menschen total unverständlich – ich habe für mich entdeckt, dass ich einfach richtig gay bin und seitdem kann ich nicht mehr tanzen. (lacht) Ich weiß nicht was es ist, aber für mich ist Tanzen jetzt einfach richtig akward. Ich habe es eh immer am meisten geliebt, zu singen, deswegen passt das jetzt auch so. Aber wer weiß, vielleicht irgendwann einmal.
„MUSIK IST JA IRGENDWO EIN OUTLET. WENN ICH GLÜCKLICH BIN, BRAUCHE ICH KEIN OUTLET“
Deine Lieder sind alle eher negativ geprägt und handeln von Herzschmerz. Wird es ein Happy End im Anschluss an „bilder“ geben?
kleinabaoho: Ich habe vor ein “end” daran zu hängen, ob es happy wird, weiß ich noch nicht.
Menschen tendieren dazu, melancholisch über Dinge zu schreiben und zu singen.
kleinabaoho: Ja, für mich ist es auch viel einfacher, über etwas Trauriges zu schreiben. Musik ist ja irgendwo ein Outlet. Wenn ich glücklich bin, brauche ich kein Outlet. Aber ich habe schon öfter versucht, mich hinzusetzen und glückliche Musik zu schreiben. Es ist wirklich, wirklich schwer.
Wie sieht es mit einem Album aus?
kleinabaoho: Also irgendwann bestimmt. Aber mein großes Ding mit Alben ist halt, dass ich Konzeptalben liebe. Wenn ich ein Album release, muss das auch wirklich eine Story haben. Ich möchte keine random zusammengewürfelten Lieder in ein Album packen. Und ein Konzept habe ich noch nicht, deshalb kann ich nicht sagen, ob das bald kommt. Wenn ich wirklich so etwas Großes rausbringen möchte – und das klingt jetzt vielleicht ein bisschen egoistisch –, will ich darauf warten, bis es mehr Leute hören. Das ist auch einfach ein bisschen ein Geldgedanke, Musik zu machen ist scheiße teuer. Ich freue mich natürlich auch über eine Person, die mir zuhört, aber für ein Album bräuchte ich dann ein bisschen mehr Budget. Solange ich keine Hallen fülle, werde ich das vorerst als Newcomer-Act wahrscheinlich nicht finanzieren können. Plus wäre ich – um brutally honest zu sein – ein bisschen traurig, wenn ich da voll viel Zeit und Geld in ein Konzeptalbum investiere, und dann hört’s keiner. Meine Musik ist mir voll wichtig und ich will mir da wirklich für jeden einzelnen Song Mühe geben.
Wie stehst du zu Features?
kleinabaoho: Ich hab’ richtig Bock. Ich hab’ richtig Bock, nächstes Jahr ein paar Features rauszuhauen. I am prepared.
In welche Richtung?
kleinabaoho: In alle Richtungen. Ich hätte voll Lust auf irgendwas, was so gar nicht zusammenpasst und was man sich gar nicht erwartet. Aber ich bin da offen für alles.
Was wäre dein best-case-scenario?
kleinabaoho: Kennst du LARA HULO? Das ist ein Newcomer-Act aus Deutschland und ich finde ihre Musik richtig geil. Das wäre ein Riesen-Wunsch von mir.
Danke dir für das Interview!
Katharina Reiffenstuhl
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