KLANGSPUREN SCHWAZ – TIROLER FESTIVAL FÜR NEUE MUSIK

Magische, geisterhafte Naturerscheinung oder physikalisch klar erklärbares Phänomen des Auftreffens elektrisch geladener Sonnenwind-Teilchen auf das in den Polarregionen steil stehende Magnetfeld der Erde? Macht das Nordlicht knisternde Geräusche, die man – wie immer wieder behauptet wird – hören kann, oder ist das bloße Einbildung?

Zwei Seiten – eine nüchterne, vernunftgesteuerte, aufgeklärte und hoch entwickelte bürgerlich – gediegene Zivilisation einerseits, ausschweifende Phantasiewelten und Spinnereien anderseits, in denen alte Mythen, Märchen, Gebräuche und „Volkstöne“ lebendig geblieben sind und in modernem Gewand fortgesponnen werden, sind charakteristisch für die Kulturen der Nordischen Länder – bei aller ihrer Unterschiedlichkeit. Der Norden birgt die melancholische, existentielle Schau tief nach innen, aber auch den Bruch mit allen Konventionen, die Lust an der Farce, an drastischer Skurrilität, am unbefangenen, eklektischen Do – it – yourself. Jedenfalls ist viel Musik drin – in den Ländern des Nordens. Allerorten wird gesungen und musiziert, und das zusammen. Grenzen zwischen traditioneller Volksmusik, Pop, Jazz und Kunstmusik sind dazu da, übertreten, „dekonstruiert“ oder sogar „obstruiert“ zu werden.

Das Tiroler Festival für neue Musik KLANGSPUREN Schwaz heftet 2014 den Blick auf den Norden, und der Norden – nicht ohne selbstbewusste Distanz und Ironie – schaut auf Mitteleuropa und den Rest der Welt zurück. Die regen Musikszenen in Norwegen, Dänemark und Island stehen im Mittelpunkt und begegnen jungen Werken Tiroler, österreichischer und internationaler Herkunft. Ein Akzent liegt überdies auf der Frage nach der Anverwandlung volksmusikalischer Instrumente und Idiome aus den Nordländern und dem Alpenraum wie Hardangerfiedel, Akkordeon, Zither, Zymbalon, Yoik und Jodel.

Renommierte zeitgenössische Musiker und Ensembles des Nordens, wie Cikada aus Oslo (20.09.), AJO aus Bodø (26.09.) oder das Esbjerg Ensemble (27.09.) werden Tiroler Ensembles für neue Musik wie The Next Step (18.09.), Trio Greifer (24.09.), Tiroler Kammerorchester InnStrumenti (25.09.), TENM (27.09.), Windkraft (27.09.) und bedeutenden internationalen Formationen wie Ensemble Modern (13.09.) und Arditti Quartet (19.09.) gegenübergestellt. Das Wiener Hugo Wolf Quartett ist mit einem Abend für Otto M. Zykan (12.09.) im Rahmen des Literaturfestivals Sprachsalz dabei. Unterschiedliche künstlerische Sphären begegnen sich.

Auch die Auswahl der Composers in Residence zeigt dialogischen Kontrast: die ästhetischen Welten des dänischen Komponisten Hans Abrahamsen und des aus Tirol stammenden Composer Performers Wolfgang Mitterer unterscheiden sich radikal. Beide Komponisten tauchen nicht nur in diversen Konzertprogrammen auf, sie werden auch mit den Stipendiaten aus aller Welt bei der 11. KLANGSPUREN INTERNATIONALEN ENSEMBLE MODERN AKADEMIE arbeiten. Die Ergebnisse der Kooperation zwischen Studierenden, Dozenten und Composers in Residence werden nicht nur in zwei Abschlusskonzerten mit einem höchst anspruchsvollen und umfangreichen Repertoire präsentiert, die jungen Nachwuchsmusiker bestreiten auch die Kurzkonzerte des beliebten Formats Rent a Musician am 07.09., wenn in Tiroler Wohnzimmern Musiker und Zuhörer in lockerer Atmosphäre aufeinandertreffen.

Die Late Nite Lounges sind ein Format des KLANGSPUREN Festivals, das sich an ein junges Publikum wendet und elektronische sowie avancierte Improvisationsmusik bietet (19.09. und 26.09.). Die ebenfalls hoch beliebte musikalische Pilgerwanderung auf Tiroler Jakobswegen führt in diesem Jahr (21. 09.) im Inntal weiter nach Westen von Arzl im Pitztal über Imsterberg nach Zams und Landeck – Perjen mit Musikern aus dem Norden, aus Tirol und dem italienischen Zymbalisten Luigi Gaggero. Einzigartig ist die von Zefrey Throwell und Wolfgang Mitterer ersonnene Klangkette „One Song Across the Land – Entropy Movement IV“, die am 14.09. durch die Münder von über 6.8 00 Sängern von Kufstein und Ala aus durch Nord – und Südtirol wandert, bis sie auf der Festung Franzensfeste in einem großen finalen Crescendo zusammenläuft. KLANGSPUREN ist ein Festival in Bewegung – viele experimentierfreudige Kostbarkeiten und überraschende Abenteuer des Hörens und Sehens erwarten das Publikum.

URAUFFÜHRUNGEN IM RAHMEN DES KLANGSPUREN FESTIVALS 2014

1. Hans Abrahamsen Choral für Luigi Nono UA (11.09.2014)
2. Eduard Demetz Neues Werk für Akkordeon, Kammerorchester und Elektronik UA (25.09.2014)
3. Karlheinz Essl Neues Werk UA (21.09.2014)
4. Maria Gstättner kreiseln UA (18.09.2014)
5. Lars Petter Hagen Neues Werk UA (20.09.2014)
6. Juliana Hodkinson The Coastline Piece UA (27.09.2014)
7. Toshio Hosokawa Neues Werk UA (21.09.2014)
8. Gordon Kampe Nichts fallen lassen/Fleisch für 3 Zithern und Zuspielungen UA (24.09.2014)
9. Hannes Kerschbaumer picea.debris UA (24.09.2014)
10. Hannes Kerschbaumer luce nera. Musiktheater für zwei Tänzer, Schauspielerin, Sopran und Ensemble UA (27.09.2014)
11. Katharina Klement Neues Werk UA (24.09.2014)
12. Wolfgang Mitterer next 01 für vier Schlagwerker und tape UA (18.09.2014)
13. Jon Øivind Ness Neues Werk UA (20.09.2014)
14. Bruno Strobl Neues Werk für Zither und Kammerorchester UA (25.09.2014)
15. Zefrey Throwell / Wolfgang Mitterer ENTROPY SYMPHONY – MOVEMENT 4 UA (14.09.2014)
16. Christian Winther Christensen Chromatische Weltmusik (ohne fremde Elemente) für Violoncello, Akkordeon und Orchester UA (1 1.09.2014)

 

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