KLANGSPUREN SCHWAZ 2024: “KONSPIRATIONEN”

Die diesjährige Festivalausgabe der KLANGSPUREN SCHWAZ (05. bis 22. September 2024) steht unter dem Motto “Konspirationen” und will in Zeiten zunehmender gesellschaftlich-politischer Spaltung den Fokus auf Verbindendes richten. Konspiration wird dabei als Einladung zum kollektiven Erleben verstanden – im Gegensatz zum landläufigen Verständnis des Begriffes als Verschwörung. Denn die ursprüngliche Bedeutung von „Conspiratio“ meint nämlich ein „Miteinander-Atmen” und bedeutet positiv gewendet „Gemeinschaft und Verbundenheit“.

Als künstlerischer Leiter der Klangspuren Schwaz bestätigt: Christof Dienz
Als künstlerischer Leiter der Klangspuren Schwaz bestätigt: Christof Dienz (c) Astrid Ackermann
Bild Eva Reiter
Eva Reiter 8c) nafezerhuf.com-Wien Modern

Ganz diesem Verständnis folgend wurde das Programm aus dem schöpferischen Potenzial der Zusammenarbeit entwickelt, indem der Künstlerische Leiter Christof Dienz und Eva Reiter als „Curating Artist“ gemeinsam und im engen Austausch diese Festivalausgabe gestalten. Wie sehr sich die Verbindung von lokaler Vernetzung und internationaler Perspektive gegenseitig „konspirativ“ befruchten kann, möchte KLANGSPUREN SCHWAZ 2024 besonders akzentuieren. Das Festival präsentiert in diesem Jahr künstlerisch sehr unterschiedliche Formate zwischen musikalischer Performance und Installation, Musiktheater und hybriden Programmen an der Schnittstelle von Alter und Neuer Musik, von kreativen Kooperationen und Improvisationen.

„Kreativität fördert das Verbundensein“, schreibt Kae Tempest in dem bemerkenswerten Buch On Connection über die Kraft kreativen Schaffens, das Räume der Verbundenheit trotz aller Differenzen und über sie hinweg entstehen lässt. An anderer Stelle heißt es: „Zwischen dem Publikum und der Bühne, zwischen Veranstaltungssaal und Menge. Zwischen dem Tag, den alle Anwesenden mit in den Saal gebracht haben, und der Aussicht auf die kommende Nacht. Wenn die Verbindung hergestellt ist, ist alles miteinander verknüpft und bewegt sich auf einen Moment der gemeinsamen Empfindung zu, einer kreativen Verbindung, die den gesamten Saal an eine geeinte Gegenwart bindet.” Bedeutung erfährt eine musikalische Komposition, ein Tanzstück oder ein literarischer Text tatsächlich erst durch die vielfältigen Weisen ihrer Rezeption. In diesem Sinne ist Konspiration – das gekoppelte Atmen im gemeinsamen Raum – als Inspiration zur Verbundenheit trotz oder vielmehr gerade aufgrund aller unterschiedlichen Sicht- und Hörweisen zu verstehen. Nicht die Diversität unserer Gesellschaften oder die Verschiedenheit der einzelnen Betrachtungsweisen stellen die Herausforderung dar, sondern die oftmals unüberwindbaren traditionellen Polaritäten, die uns daran hindern, offenere Formen von Gemeinschaft zu verstehen und anzuerkennen. Es geht um Arten und Formen der Geschichte(n), die wir erzählen.

Bild Tiroler Symphonieorchester Innsbruck
Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (c) Emanule Kaser

PANORAMEN DER KONSPIRATION

Das Festival wird altem Brauch gemäß vom Tiroler Symphonieorchester Innsbruck eröffnet (05.09.). Das Programm unter Leitung der griechischen Dirigentin Zoi Tsokanou vereint eine große Bandbreite an Stilen und musikalischen Praktiken. Das Panoptikum aktueller Schreibweisen für den großen Orchesterapparat reicht von einem neuen Werk Beat Furrers, der 2024 seinen 70sten Geburtstag feiert, über eine neue Arbeit der jungen türkischen, aktuell in Frankreich lebenden Komponistin Didem Coşkunseven bis hin zu Six Scenes for Turntables and Orchestra (2023), entstanden in enger Zusammenarbeit von Mariam Rezaei (Komposition und Turntables) und Matthew Shlomowitz (Komposition).

Rebecca Saunders
Rebecca Saunders (c) Astrid Ackermann

Beat Furrers extrem fein ausgehörte Musik bildet auch die Brücke zum Konzert mit dem Frankfurter Ensemble Modern (06.09.). Sein linea dell’orizzonte kontrastiert mit Rebecca Saunders’ fesselndem Triptychon Skull, Skin und Scar und den schillernden monochromen Klangflächen der litauischen Komponistin Justė Janulytė, deren Unanime in einer Kooperation mit Studierenden des Landeskonservatoriums Innsbruck reizvollerweise in zwei Versionen erklingt – einmal mit acht Trompeten und dann mit acht Streichern.

Den Abschluss des Eröffnungswochenendes gestaltet das Wiener Ensemble PHACE, das unter anderem ein nagelneues Stück des Tiroler Komponisten Bernhard Gander zur Uraufführung bringen wird (07.09.).

Münchener Kammerorchester
Von Schwaz aus startete 1998 der damals 24-jährige Johannes Maria Staud eine beachtliche internationale Laufbahn, die den Komponisten mit vielen bedeutenden Klangkörpern zusammenbrachte und auf renommierten Festivals gastieren ließ. In diesem Sommer feiert Staud seinen 50. Geburtstag – und KLANGSPUREN feiert ihn mit einem neuen Werk für Streichorchester, das das Münchener Kammerorchester aus der Taufe heben wird. Neben Stauds Premiere erklingt als weitere Novität im Programm das Violinkonzert von Chaya Czernowin – gespielt von dem Ausnahmegeiger Ilya Gringolts (18.09.).

Bild Lichtenberg Figures
Lichtenberg Figures (c) Mark Rietveld

MUSIKALISCHES STORYTELLING

Eine besondere Form des Storytellings begegnet uns in The Lichtenberg Figures, einer Komposition der diesjährigen „Curating Artist“ Eva Reiter für das belgische Ictus Ensemble. Im physikalischen Sinne bezeichnen Lichtenberg–Figuren jene farnartigen Verästelungen, wie sie elektrische Hochspannungsentladungen auf isolierten Flächen und Materialien hinterlassen – eine Hommage an den berühmten Aphoristiker Georg Friedrich Lichtenberg, der in seiner Zeit gleichfalls als Experimentalphysiker wie Naturforscher hoch anerkannt war (12.09.).

Bild Georg Friedrich
Georg Friedrich (c) Ricordi I Harald Hoffmann

In einer erneuten Koproduktion mit dem Tiroler Landestheater loten Komponist Georg Friedrich Haas und Librettist Händl Klaus in ihrer Oper Liebesgesang die unendlichen Nuancen einer Beziehung aus. Äußerst ungewöhnlich ist dabei die Aufführungssituation: Ohne Orchester oder Dirigent:in – lediglich eine Sängerin und ein Sänger agieren (13.+15.09.)

Erstens – ein gemeinsames Projekt von Martin Siewert und Christian Reiner – macht Improvisationskunst von unglaublicher Präzision und höchster Virtuosität erlebbar – Ausdruck bemerkenswerter kognitiver Schnelligkeit und konzeptueller Zweisamkeit. Gitarrenklang und gesprochenes Wort bedingen einander wechselwirkend und werden, wie durch die Reflexion eines Spiegels gegenseitig verzerrt und transformiert zurückgeworfen (08.09.).

Gunter Schneider gehört zu jenen Menschen, deren Geschichten, Anekdoten und musikalische Projekte nicht nur von luzidem Geist gekennzeichnet sind, sondern denen zudem eine illustre Note innewohnt. Mit Gunter Schneider & Friends feiert ein Gesprächskonzertabend in geselliger Atmosphäre seinen 70sten Geburtstag nach (19.09.).

IM SPIEGEL DER ZEIT

In Florentin Ginots Kontrabass-Solokonzert fur and bone bietet der Spiegel wiederum das passende Bild einer Schnitt- und Projektionsfläche unterschiedlicher Klangwelten: alt (Johann Sebastian Bach, Heinrich Ignaz Franz Biber) versus neu (Félicia Atkinson, Georges Aperghis), analog versus digital, akustisch versus elektronisch (11.09.).

Das belgische Ensemble Nadar entwickelt in seinem Programm I’ll Be Back gemeinsam mit dem australischen Pianisten Anthony Romaniuk eine weitere Schnitt- und Trennfläche von einer Klangsprache der Gegenwart hin zur Alten Musik – in diesem Falle zur Musik Johann Sebastian Bachs (20.09.).

In einem weiteren Soloprogramm bringt im beeindruckenden Dachstuhl der spätgotischen Stadtpfarrkirche Schwaz der Tiroler Kontrabassist Matthias Pichler seine über 20-jährige Tätigkeit als Musiker, Improvisator und Komponist auf einen höchst anregenden Nenner – ein musikalischer Abend, bei dem sich Pichlers vielseitige künstlerische Tätigkeit und Identität widerspiegeln (19.09.).

Bild Ictus Ensemble
Ictus Ensemble (c) Christophe Urbain

SOUNDING MOVEMENTS – MOVING SOUNDS

Holding Present, eine Performance des belgischen Ictus Ensembles in Zusammenarbeit mit der Choreographin Ula Sickle, spürt der Frage nach, inwieweit eine individuelle Geste zu einem kraftvollen kollektiven Akt werden kann. Tänzer:innen und Musiker:innen arbeiten hier zusammen, um sowohl die musikalische als auch die choreografische Partitur umzusetzen (14.09.).

Auch Growing Sideways – eine Kooperation der Performerin und Choreografin Brigitte Wilfing mit dem Komponisten und Turntablisten Jorge Sánchez-Chiong – zeigt eine neue Form des Musiktheaters: eine „choreografische Komposition“ zum „Seitwärts Wachsen“, ein faszinierendes Experiment an den Übergängen von Choreografie, Komposition und neuen Medien (22.09.).

INSTALLATION – DER BEGEHBARE KLANG

Maxime Denuc und Kris Verdonck laden zu einem außergewöhnlichen Orgel-Clubbing ein. Denuc entwickelte in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Sinua ein System, das es ermöglicht, alle Klaviaturen und Klangfarben der Orgel mittels eines Computers über eine MIDI-Schnittstelle anzusteuern. Die Orgel wird so zu einem leistungsstarken Synthesizer mit „Originalton-Ästhetik“ (12.09.).

Die unterschiedlichen künstlerischen Beiträge der Klangwanderung gestalten sich heuer ebenfalls als konspirativ-inspirative Räume. Der Fokus aller Stationen liegt auf dem interaktiven und experimentellen Hörerlebnis. Die einzelnen Konzerte – mit Mike Schmid, Tom Pauwels, Eva Reiter, Ensemble Lautstark, Carolina Schutti – werden dabei in Zusammenarbeit mit Carmen Gratl, Schüler:innen des Paulinum Schwaz und dem Kinderchor KidZ Only (Landesmusikschule Schwaz) gestaltet. Die Besucher:innen sind in den einzelnen Showrooms dieser Hör-Wanderung eingeladen, sich frei durch den Raum zu bewegen und zum Teil auch selbst zu den Instrumenten zu greifen. Den Abschluss dieses Ausflugs bildet das Konzert von Windkraft – der Kapelle für Neue Musik – mit Werken von Wolfgang Mitterer und Johannes Maria Staud, mit zwei Uraufführungen von Christian Spitzenstätter und Petra Stump-Linshalm und – als internationale Farbe – einer österreichischen Erstaufführung der Britin Joanna Bailie (15.09.).

Bild Names
NAMES (c) Andreas Hechenberger

SHARING KNOWLEDGE – VERMITTLUNGSPROJEKTE

Future Lab I

Seit jeher ist der Workshop- und Akademiegedanke bei den Klangspuren fest verankert und bildet auch 2024 wieder einen eigenen Schwerpunkt. Das Composers Lab richtet sich an internationale junge Komponist:innen und bringt sie in diesem Jahr mit Chaya Czernowin und Francesco Filidei als prominente und erfahrene Kompositionscoaches zusammen. In enger Zusammenarbeit mit dem Ensemble NAMES – dem diesjährigen Ensemble-in-Residence aus Salzburg – werden neue Werke erarbeitet, die im Abschlusskonzert des „Composers Lab“ zur Aufführung kommen (17.09.).

Von NAMES wird zudem ein Konzertabend gestaltet, der mit Stücken von Angélica Castelló, Marco Döttlinger, Francesco Filidei und Bernhard Lang die ganze Bandbreite der musikalisch-künstlerischen Aktivitäten dieses Musiker:innenkollektivs präsentiert (10.09.).

Future Lab II

Das Konzert von „konsTellation plus“, der zweiten Säule des „Future Lab“ in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landeskonservatorium unter der Leitung von Ivana Pristašová Zaugg, wird diesmal als Hörparcours gestaltet. Das Publikum ist eingeladen, sich auf Erkundungsreise zu begeben und den einzelnen Stücken aus Georges Aperghis’ Zyklus Strasbourg instantanés auf individuelle Weise zu nähern. Als ungewöhnlicher und spannender Aufführungsort wurde das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck gewählt, der den Konzertbesuchern, unter der musikalischen Leitung von Michael Wendeberg, ermöglicht, die Werke aus selbstgewählter, variabler Hörperspektive wahrzunehmen (21.09.).

Der Ticketverkauf für die 31. Festivalausgabe startete am 24.06.2024

Das gesamte Programm finden Sie unter https://klangspuren.at/festival/festival-programm/

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