Klangforum Wien – Programmpräsentation 2010/11 und ein Fest

Die Jahrespressekonferenz des Klangforum Wien war am vergangenen Freitag im Cafe Jelinek – das Hauptquartier in der Diehlgasse war nämlich von Musikern „besetzt“, die für Nachmittag probten. Sven Hartberger stellte die schön gestaltete „Agenda 2010/2011“ vor – das ist das komplette (auch internationale) Saisonprogramm, weiters die Konzertzyklen in Wien, er nannte die Person des Preisträgers des Erste Bank Kompositionspreises im nächsten Jahr (Gerald Resch) und verteilte „Medienschelte“. Ab 15.30 Uhr wurde dann ein Fest in der Diehlgasse gefeiert – mit Konzertprogramm, ubuntu-Ausstellung und Auktion dieser Werke.

„Schluss mit traurig“ heißt der neue Zyklus des Klangforum Wien im Wiener Konzerthaus und: Bereits seit Juni ist dieser vollständig ausabonniert, sodass weitere Abonnementwünsche nicht mehr erfüllt werden können. Was nicht heißt, dass man nicht versuchen kann, Einzelkarten zu ergattern. Am 22. Oktober geht’s los – unter dem Motto „Regen“ (mit Regenstücken von Ernst Krenek, Toru Takemitsu, Hanns Eisler, Claude Vivier, und Peter Ablinger). Adrian Eröd wird der Bariton-Solist sein.

Rausch, Reisen, Jugend, gute alte Zeit, Tanz und Poesie sind die weiteren Stationen und die Programme sind auf der Website nachzuschlagen (http://www.klangforum.at/index.php?idcat=98) – wir wollen sie daher hier nicht herbeten.

Natürlich eröffnete Hartberger seine Programmpressekonferenz mit einer zu Recht stolzen Bilanz der Jubiläumssaison: Es gab 2009/10 30 Uraufführungen von Ablinger über Cerha, Dienz, Furrer, Haas, Klaus und Bernhard Lang, Olga Neuwirth, Jorge Sánchez Chiong, Staud bis Zender. Vorwiegend bei kairos gab es auch etliche neue CD-Releases. Um bei den Uraufführungen zu bleiben: 2010/11 werden immerhin 14 neue Werke aufgeführt werden.

Und es konnte auch ein toller Entschluss des Ensembles verkündet werden. Zum ersten Mal in der Geschichte des Klangforum Wien gibt es in Wien zwei Zyklen, der zweite heißt Spontanzyklus und kann ab sofort bestellt werden. Am 11. Jänner 2011 feiert man den 85. Geburtstag von Friedrich Cerha (17.2.) vor. Zu hören sind im Konzert im Klangforum-Haus in der Diehlgasse „Acht Sätze nach Hölderlin-Fragmenten“ und „Eine Art Chanson“ mit Martin Winkler (Bariton), der damit bereits in Witten begeistert hatte. Schon am 28. Jänner steigt im RadioKulturhaus Giorgio Battistellis Musiktheater „Der Präparator“ mit dem Schauspieler Martin Schwab. Er wird als Alexej Mischin, dem für die Erhaltung von Lenins Leichnam zuständigen Balsamkünstler, ein einseitiges Zwiegespräch mit dem Objekt seiner Bemühungen führen. Wolfgang Holzmair (Bariton) tritt zu Frühlingsbeginn (21. März) bei den „Festlichen Tagen alter Musik“ im Theater an der Wien auf – der Teil I wird sich mit Berg, Schönberg/Mahler und Schönberg, Wien widmen, der Stadt, wo alles begonnen hat. Am 25. des Monats blickt man „… nach Osten…“ zu Leos Janacek, Strawinsky, Mussorgsky und Nikolay Obukhov. Der nächste Bariton, der für diesen Teil II der „Festlichen Tage“ im Theater an der Wien vorgesehen ist, heißt Dimitrij Solowjow, ihm zur Seite Marisol Montalvo (Sopran). „Nach Westen“ geht der Teil III am 30. März . Von Jolivet, Poulenc, Antheil, Milhaud, Debussy sind spannende kammermusikalische Werke auf dem Programm, der Dirigent des Festivals ist jedes Mal Emilio Pomárico.

Im April ist dem Klangforum dann nach Grenzüberschreitung zumute, nach einem Ausflug ins große Orchester: Stücke von Peter Ruzicka, Jorge E. Lopez und Beat Furrer (Neues Werk). Am 30. Mai – abermals im Mozartsaal des Konzerthauses – wird das Ensemble intercontemporain aus Paris als Gast im Mozartsaal aufspielen, unter einer Dirigentin (Susanna Mälkki) spielt es als Erstaufführungen zwei Werke von Michael Jarrell, weiters Tristan Murail und Matthias Pintscher.

Bleiben wir bei den Auftritten des Klangforums in Österreich: Am 8. Oktober spielt es beim Musikprotokoll in Graz „as in a mirror darkly“, das ist die UA des Auftragswerks der heurigen Preisträgerin der Erste Bank, Joanna Wozny, für das Klangforum Wien. Dann folgen die Konzerte bei Wien Modern mit Portraitkonzerten für Roman Haubenstock – Ramati, weiters Morton Feldman, am 18. November dann die Wiederholung des Werks von Joanna Wozny in Wien und eine Uraufführung: „… vom gesang der wasserspieler …“ von Wolfram Schurig. Am 5. Februar 2011 spielt man das Eröffnungskonzert von „impuls“ in der Grazer Helmut-List-Halle. Im Februar begleitet das Klangforum dann sechs Vorstellungen im Theater an der Wien: Benjamin Britten – The Rape of Lucretia (in der Inszenierung von Keith Warner). In zwei Konzerten im März feiert Salzburg abermals den Salzburg-Preis-Preisträger Friedrich Cerha. Im Juni erlebt man bei den Wiener Festwochen Beat Furrers Musiktheater „Wüstenbuch“ in der Inszenierung von Christoph Marthaler. Ja, und am 28. Juni gastiert das Grazer MUMUTH mit „Professor Klangforum“ bei den Wiener Festwochen.

Bereits angekündigt (und zu hoffen, dass es schon nächstes Jahr wieder zustande kommt). Das Festival Arcana in St. Gallen/Gesäuse mit zwei Konzerten des Klangforum Wien am 27. Juli  (Clay Theory) und am 7. August 2011 (Quaderno di strada). Der Preisträger des Kompositionspreises 2011 wird übrigens Gerald Resch sein. Bei Wien Modern 2011 – mehr wurde nicht verraten – wird sein neues Auftragswerk in dramatischer Aufstellung in allen Sälen des Wiener Konzerthauses gespielt werden.

Das internationale Saisonprogramm ist komplett und übersichtlich nachzuschlagen in der Broschüre Agenda 2010/2011 (auf der Umschlagseite ein Foto des Klangforums von Judith Schlosser, auf dem das Ensemble mit überraschend vielen Brillenträgern abgebildet ist): Besonders jetzt gleich im September und Oktober ist die „Veranstaltung zu Verbesserung der Welt“ sehr viel auf Tournee. In der nächsten Saison gastiert sie (alphabetisch gereiht) in Alicante (Teatro Principal), Amsterdam (im Concertgebouw, Grote Zaal und beim Holland Festival), Athen (Onassis Cultural Center), Berlin (Konzerthaus Berlin), Darmstadt (Internationales Musikinstitut), Eppan (Lanserhaus), Köln (Philharmonie), Krakau (Festival Sacrum-Profanum), Pannonhalma (Festival Arcus temporum), Parma (Festival Traiettorie), Porto (Casa da Musica), Prag (La Fabrika), Strasbourg (Citè de la musique), Triest (Festival Trieste Prima) und Weimar (Kunstfest Weimar).

Letzter Punkt der Pressekonferenz war eine Medienschelte, diesmal bezogen auf Österreichs Tageszeitungen. 25 neue Werke in der Jubiläumssaison im Zyklus „Vorwärts/Rückwärts“ im Wiener Konzerthaus wurden großteils nicht erwähnt, geschweige denn rezensiert. Es erschienen gezählte 8 (in Worten: acht) Rezensionen der Klangforum-Zykluskonzerte dieser Saison in den Tageszeitungen (Kronen-Zeitung (2), Die Presse (1), Wiener Zeitung (3), Kurier Wien (1), Der Standard (1) (!)). Die Salzburger Nachrichten (0) berichteten diesen Sommer immerhin ausführlich über den Salzburger Musikpreis für Friedrich Cerha – die anderen nicht, so Hartberger. Während große deutschsprachige Qualitäts(tages)zeitungen diesem Ereignis große Essays widmeten: Die FAZ, die Süddeutsche, die Neue Zürcher Zeitung. So schaut`s aus (umso notwendiger, dass die mica-Musiknachrichten ihre Berichterstattung zur Neuen Musik in Österreich beibehalten und verstärken). Den Abschluss der Konferenz bildete eine traurige Wortmeldung von Marion Diederichs-Lafite zum voraussichtlichen Ende (Finalnummer erscheint in Kürze) der ÖMZ („Österreichische Musikzeitschrift“). – Dem Vernehmen nach gibt es Bemühungen um die Gewinnung eines Verlags dafür, aber dies ist noch sehr unsicher. Der neuen Redaktion, die sich neben Lafite darum bemüht, gehören Daniel Ender, Frieder Reininghaus und der Nachfolger des Musikwissenschaftlers Jürg Stenzl an der Uni Salzburg & Mozarteum  an …

Das Fest begann um 15.30 Uhr in der Diehlgasse mit der Vernissage „Kunst für ubuntu“, einer Kulturinitiative von SOS-Kinderdorf. Bei der Auktion der respektablen Kunstwerke (am Abend) gab es spannende Wettsteigerungen, es waren jedenfalls „Schnäppchen“ zu ergattern, auch der „Top 10“ der österreichischen Szene der modernen bildenden Kunst (u. a. Jakob Gasteiger, Elke Krystufek, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Hubert Scheibl, Valie Export, Herbert Brandl, Anna Stangl, Roman Scheidl …).

Das Musikprogramm der Klangforer im bummvollen Auditorium gab einen Vorgeschmack auf kommende Auftritte. Zu hören waren Werke von Claude Vivier, Fausto Romitelli, Rolf Wallin und Toru Takemitsu (um 3/4 11 wars dann nicht mehr so bummvoll, aber Vera Fischer, die Harfenistin Virginie Tarrête, Florian Müller und Benedikt Leitner (jetzt hab’ ich die genaue Besetzung nicht mehr im Kopf) spielten umso schöner. (Heinz Rögl)

Informationen zu den erwähnten KomponistInnen finden sie in der mica-Musikdatenbank.

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Klangforum Wien