Für die Reihe [cross:depot] wurde das Klangforum Wien vom Festival ImPulsTanz und dem Theater an der Wien eingeladen, zwei Konzerte im Semper Depot zu gestalten. Am 19.7. spielen daher dort fünf Solisten des Ensembles Kammermusikalisches, am 9.8. hat man die Gelegenheit eine Art vorgezogene Scelsi-Generalprobe des Ensembles für die Projekte bei den Salzburger Festspielen zu erleben.
Kammermusik von Cerha, Gander, Klaus Lang, MundryProgramme zu zaubern, die nicht unmittelbar etwas mit Tanz zu tun haben, dennoch zu den Aufführungsorten passen und zudem auch die Besucher eines Tanzfestivals anlocken können, an Orten außerhalb von herkömmlichen Konzertsälen zu spielen: darin ist das Klangforum Wien schon geübt.
Gerade in seinen heroischen Anfängen – 1985 von Beat Furrer zunächst unter dem Namen “Société de l’Art Acoustique” gegründet – schuf sich das Klangforum außerhalb der sakrosankten Musikhochkulturtempel ein neues Publikum, das wiederum nicht nur ausschließlich aus Neue Musik-Aficionados bestand, sondern auch aus aufgeschlossenen, neugierigen, an allen Kunstgenres interessierten Menschen. Man verfolgte damals etwa Musik von Iannis Xenakis zwischen Schüttbildern von Hermann Nitsch oder hörte eine neue Komposition von Wolfgang Rihm, die von diesem eigens für eine der letzten Ausstellungen von Kurt Kocherscheidt komponiert worden war. Das von jeher schon anders zusammengesetzte Wiener Klangforum-Publikum, dass dem Ensemble am Anfang in die Museen und Galerien folgte – in die Secession etwa oder in das ehemalige Museum Moderner Kunst im Palais Liechtenstein – hat dem Ensemble bis heute die Treue gehalten.
Auch im Semper Depot, sonst häufig Spielstätte für freie Operngruppen, ist das Klangforum in seiner nunmehr über zwanzigjährigen Geschichte wohl schon mehrfach in Erscheinung getreten. Der Prospekthof mit seinen offenen Galerien, der die gesamte Gebäudehöhe einnimmt, bildet eine atemberaubende Kulisse, für spezielle Konzerte. Auch für Musiktheater bietet er tolle räumliche und akustische Möglichkeiten.
Feine kammermusikalische und solistische Beiträge von großer stilistischer Bandbreite sind für das intimere erste Konzert geplant: Bahnbrechendes von einst (von Friedrich Cerha, dem Altmeister der Neuen Musik, steht mit “Deux Eclats en Reflexion” ein Schlüsselwerk für Violine und Klavier aus dem Jahr 1956 auf dem Programm, das man vielleicht doch irgendwann mal gehört haben sollte). Brandneues gibt es von Bernhard Gander (für Akkordeon solo) und Klaus Lang (für Akkordeon, Klavier, Flöte und Violine) sowie das Stück “Spiegel Bilder” von Isabel Mundry.
Scelsi in Wien, Salzburg und bei der Ruhr Triennale
Das zweite Konzert am 9. August steht dann ganz im Zeichen des legendenumwobenen italienischen Komponisten Giacinto Scelsi (1905-1988), in der Musik nach 1945 heute so etwas wie eine Kultfigur, einst einzelgängerischer Außenseiter.
Scelsi bildet heuer einen gewichtigen Schwerpunkt bei den Festivals in Salzburg und bei der Ruhr-Triennale. Das Wiener Konzert im Prospekthof bietet darauf einen Vorgeschmack, auch für alle, die nicht vorhaben, im August extra in die Mozartstadt oder gar Anfang September nach Gladbeck bei Essen zu reisen. Wenn doch: Im Rahmen der von Markus Hinterhäuser ausgerichteten “Kontinent Scelsi”-Konzertreihe in Salzburg werden vom Klangforum Wien in der Kollegienkirche und auch beim Projekt mit Christopg Marthaler einige der in Wien vorab zu hörenden Scelsi-Kompositionen (Anahit, Okanagon, Quattro pezzi, Mantram, To the master, Maknongan) interpretiert werden.
Auf der Halleiner Perner Insel und im September in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel beschäftigt Christoph Marthaler, der musikalischste aller Regisseure, seine Sänger und Schauspieler und das auch szenisch mitwirkende Klangforum Wien bei seiner musikalisch-theatralen Annäherung” an diesen Komponisten. Sie nimmt die Frage der einst von einem seiner Adepten bestrittenen künstlerischen Urheberschaft der Werke Scelsis zum Ausgang, der für die Niederschriften seiner (auch kollektiven) Improvisationenund Kompositionen versierte Transkriptoren, darunter auch Komponisten, beschäftigte: “Sauser aus Italien. Eine Urheberei” ist der Titel dieser neuen Produktion Marthalers, der in der Vergangenheit, besonders als er in Zürich noch Theaterleiter war, immer wieder gerne mit dem Klangforum Wien zusammengearbeitet hatte.
Heinz Rögl
Programm 19.7., 21 Uhr , Semper Depot:
Isabel Mundry: Spiegel Bilder
Friedrich Cerha: Deux Eclats En Réflexion
Bernhard Gander : fluc´n´flex (UA)
Klaus Lang: Wenn wir in höchsten Nöten seyn
Solisten:
Krassimir Sterev, Akkordeon solo
Eva Furrer, Flöte
Bernhard Zachhuber, Klarinette
Gunde Jäch-Micko, Violine
Florian Müller, Klavier
Programm 9.8., 21 Uhr, Semper Depot:
Scelsi (s. o.)
Solisten:
Bernhard Zachhuber, Kontrabaßklarinette
Anders Nyqvist, Trompete
Benedikt Leitner, Violoncello
Uli Fussenegger, Kontrabaß
Virginie Tarrête, Harfe
Lukas Schiske, Schlagzeug
Florian Müller, Klavier
Dirigent: Emilio Pomárico
Giacinto Scelsi © Fondazione Isabella Scelsi