Klangdusche in der Säulenhalle

„Der Raum ist unser Instrument.“ – Ein Satz, der einen wesentlichen Zugang der Klangkünstlerin Martina Claussen offenbart, in dem der Klang eine ganz zentrale Rolle einnimmt. Dabei ist sekundär, ob dieser künstlich-elektronisch erzeugt aus dem Synthesizer entspringt, oder die Quelle aus einem aufgezeichneten Geräusch stammt, wenn sie etwa die Laute der Natur eines Parks, das Rattern von LKWs über die Stadtautobahn oder der menschlichen Stimme bezieht. Letztere nimmt für Martina Claussen jedoch eine Sonderstellung ein, stand die Wahl-Wienerin doch selbst als klassisch ausgebildete Mezzosopranistin auf vielen Bühnen und ist gegenwärtig Professorin für Gesangspädagogik mit besonderem Schwerpunkt auf Einbezug erweiterter digitaler und räumlicher Musikpraxis an der mdw-Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Darüber hinaus ist sie Mitglied des von Thomas Gorbach ins Leben gerufenen „Akusmoniums“, einem elektro-akustischen, experimentellen Lautsprecherorchester, das auch in ihrem neuen Stück eine zentrale Rolle spielt. 

Der Erhalt des „Publicity Preises“ des SKE Fonds 2020 gab den Ansporn, die Komponenten Stimme, Raum, Performance und Lichtarchitektur zu verbinden und in ihrem neuesten Projekt „Blackboxed Voices – I am Here“ in Einklang zu bringen, welches nun im Rahmen von Wien Modern im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien uraufgeführt wird. 

Mit dem Begriff der „Blackbox“ verwendet Claussen ein Synonym für die Verwendung von Lautsprechern. „I am Here“ bezieht sich hierbei auf den Gegensatz zwischen Nähe und Distanz und die Unmittelbarkeit der Performance. Die insgesamt 32 im Raum verteilten und speziell ausgerichteten Lautsprecherboxen mit unterschiedlichen Frequenzgängen sowie das räumlich zentral platzierte Mischpult, von dem aus diese angesteuert werden, bilden den klanglichen Kern der Aufführung. Der musikalische und räumliche Eindruck wird zudem um eine performative Komponente, verkörpert durch vier Performende, erweitert, die teils entlang einer Choreografie, teils improvisatorisch agieren. Kostüme, eine spezielle Lichtshow sowie die Innenarchitektur der Säulenhalle verbinden des Geschehen zu einem vollendeten Gesamtkonzept. Musik, Lichtarchitektur, Raum und Performance werden miteinander verwoben und bilden die Eckpfeiler eines Konzerts neuer Musik, das gleichzeitig mit dem ritualisierten und institutionalisierten Prozess, der vor, während und nach einem klassischen Konzert für gewöhnlich stattfindet, brechen soll. Der Ort der Uraufführung soll dabei die Intention des Werkes widerspiegeln, kann sich doch das Publikum frei im Raum bewegen. Die Zuhörenden werden Teil des Momentes und können so auch durch den sich bewegenden Lichtkegel während des Konzertes zwischenzeitig in den Fokus der Komposition rücken. 

Die Lautsprecher, die zur Klangverteilung beitragen, werden nicht nur als rein technische Audioschnittstellen, sondern als eigenwertige Instrumente angesehen, was den klangorientierten Zugang Martina Claussens zusätzlich verdeutlicht.Blackboxed Voices“ bildet eine Symbiose aus den besagten vier Ebenen, bei denen laut der Komponistin die Möglichkeit besteht, dass diese miteinander in Konflikt geraten. Die eingangs bereits erwähnte Stimme ist neben anderen synthetisch erzeugten Klängen und Feldaufnahmen, sowohl als aufgezeichnetes als auch live mikrofoniertes, performatives Element bei der Vorstellung zu erleben. Neben Claussen selbst finden sich mit Tobias Leibetseder, Patric Redl, Alex Franz Zehetbauer und Brigitte Wilfing vier performativ agierende Mitwirkende. Brigitte Wilfing, mit der Claussen vergangenes Jahr bereits zusammenarbeitete, ist auch hier für die Choreografie zuständig. Conny Zenk steuert das von ihr entworfene Lichtdesign und Patrizia Ruthensteiner übernahm die Gestaltung der Kostüme und der Ausstattung.

Das im Rahmen von Wien Modern zur Uraufführung gebrachte Werk ist ein Zusammendenken verschiedener musikalischer Schwerpunkte und das Suchen und Finden nach neuen Ausdrucks- und Klangmöglichkeiten. Claussens elementeübergreifendes Denken in der Komposition findet in erster Linie den Zugang über den Klang, bieten dem Publikum aber darüberhinaus ein multimediales Sinneserlebnis. 

Valeska Maria Müller, Maximilian Hassler, Lukas Brunner