Die Rapperin KITANA hat bosnisch-kärntnerische Wurzeln, lebt aber schon seit Jahren in Wien. Hier hat sie auch ihr Album „LORBEEREN”, das 2022 erschienen ist, entwickelt. „LORBEEREN ist das Persönlichste, was ich je geschrieben habe,“ meint die Rapperin auf Instagram. Ihre Inspirationen und Einflüsse sind klar erkennbar in ihren Texten und ihren Melodien: Die Anfänge des Gangster-Rap werden hier zitiert, 90er-Hip-Hop herangezogen, aber auch zeitgenössische Popmusik findet ihren Weg in KITANAs Musik. Auf LORBEEREN verarbeitet KITANA zudem ihre eigene Geschichte und erzählt von ihrer Herkunft und ihrer Selbstfindung. Im Interview mit Itta Francesca Ivellio-Vellin spricht die Rapperin darüber, warum Authentizität und Originalität ihr so wichtig sind und wie sie versucht, ihre Panikattacken zu bewältigen.
Du wirst momentan von vielen Medien, Youtuber:innen sehr gefeiert. Dein Name fällt immer öfter.
Kitana: [lacht] Ja, ich kann mich an dieser Stelle nur bei diesen Leuten bedanken! Ich freu mich natürlich extrem darüber und bin super dankbar.
Vor einiger Zeit hast du in deiner Insta-Story über Frauen im Rap gesprochen – speziell über den Unterschied zwischen Interpret:innen und Rapper:innen. Kannst du da ein bisschen drauf eingehen? Wo siehst du da Probleme?
Kitana: Es gibt gewisse Urwerte und Kriterien, die man als Rapper:in erfüllen muss, wenn man sich in eine bestimmte Richtung begibt. Die Urwerte vom Rap waren immer DIY: Mach es selbst. Beherrsche dein Handwerk. Kredibilität. Und der Competition-Gedanke. Das heißt, man hat sich auf der Straße getroffen, wer hatte die krasseren Bars, wer hatte die krasseren Aussagen – wer war kredibler? Das sind Werte, die man auch heute noch repräsentieren muss. Es gibt immer dieses Kräftemessen: Wer ist krasser?
Hier ein Beispiel: Wenn du als Journalistin einen Artikel veröffentlichst, ihn aber nicht selbst geschrieben hast und trotzdem alle Credits und das ganze Lob erntest – dann musst du dir ja die Frage stellen, inwieweit du diesen Artikel tatsächlich repräsentieren kannst. Andererseits, wäre es ja schwierig für dich, das Lob der Leser:innen anzunehmen – denn es ist einfach fake. Du kannst dich nicht Journalistin nennen, wenn du deine Texte nicht selber schreibst.
In der Musik gilt das genauso. Ich habe kein Problem damit, dass es Artists gibt, für die geschrieben wird. Aber ich habe ein riesiges Problem mit Frauen – und Männern! – die sich in der Battle-Rap-Szene positionieren, obwohl sie ihr Handwerk nicht beherrschen. Das heißt, die reden dann schlecht über andere Rapper:innen, greifen diesen Competition-Gedanken auf – denn das ist das Entertainment im Rap – aber in Wahrheit führen sie ihren Kampf nicht selbst. Es kann ja jede:r Rap machen, aber dann nicht in meinem Feld, denn dann sei dir sicher: Ich greife dich an und nehme dich komplett auseinander. Du kannst auch keinen Preis entgegennehmen, wenn du deine Musik nicht selbst schreibst – da haben andere Rapper:innen natürlich ein Problem damit. Das ist ein sehr emotionales Thema.
Es gibt ja auch solche, die sich beim Schreiben helfen lassen, aber dann eben nicht so frech sind. Die greife ich auch nicht an. Und dann gibt es zum Beispiel eine Schwesta Ewa, die schreibt ihre Texte auch nicht selbst, aber sie ist auf einer anderen Seite so extrem krass kredibel, und sie lebt das, worüber sie rappt. Und das ist mir wichtig.
Da gibt es einen extremen Unterschied zwischen den Genres. Rap ist ja schon sehr besonders, hat einen ganz wichtige Geschichte – das ist der springende Punkt.
Kitana: Voll. Es ist eine Bubble – aber es ist eine sehr starke Bubble, in der alle hinter den Werten des Rap stehen. Das Problem ist, dass es teilweise so Mainstream geworden ist, dass Leute in die Bubble reinkommen und ganz andere Werte etablieren wollen.
Findest du, dass ein – und jetzt ziehe ich bewusst alle Klischees hervor – Rich Kid aus Döbling, das auf eine Privatschule gegangen ist und extrem privilegiert ist, darf so jemand auch Rap machen?
Kitana: Ja, natürlich! Jede:r darf rappen, jede:r darf alles repräsentieren und sagen! Man braucht ja auch nicht immer diesen Gangster- oder Street-Background, das ist ja mittlerweile auch ein bisschen ausgelutscht. Aber irgendeine Finesse muss da sein.
Mit wem misst du dich so?
Kitana: Ich schau mir meine Kontrahentinnen schon genau an. Wenn man mich misst, dann muss man mich wohl mit anderen Frauen messen. Das wäre meine Gewichtsklasse. Ich möchte allerdings eine Stufe höher, ich möchte mich mit den Männern messen. Ich will im Boxkampf gegen den Mann antreten – aus Rap-Sicht, halt. Ich bin aber natürlich immer für Frauen, aber ich sehe hier eine krasse Doppelmoral. Da gibt es eben Frauen, die sich in den Vordergrund drängen und frech sind, aber hinter denen stehen ausschließlich Männer! Männer, die alles für diese Frauen entscheiden, die alles vorgeben, die Beat vormachen, die Texte schreiben, etc. Das sind Männer, die die Frauen wie eine Cashcow ausnehmen. Dann können sich diese Frauen aber nicht hinstellen und behaupten, sie wären empowert und super stark; andere Frauen sollen sich ein Beispiel an ihnen nehmen. Diese Frauen sind aber das schlechteste Vorbild überhaupt.
Wer ist eine Konkurrentin, die du feierst und respektierst?
Kitana: Haiyti! Alter, Haiyti! Halt die Fresse oder du bist Haiyti! Diese Frau ist einfach krass. Die hat’s einfach drauf. Schwesta Ewa auch, die hat auch eine Story zu erzählen.
Das sind aber alles deutsche Rapperinnen. Irgendeine Rapperin in Österreich, die du feierst?
Kitana: Fällt mir niemand ein – zumindest nicht in der Bubble, in der ich mich bewege. Ich mag aber zum Beispiel Eli Preiss sehr. Donna Savage macht auch viel selbst, da habe ich großen Respekt.
Während meiner Recherche ist mir natürlich dein Wikipedia-Artikel untergekommen.
Kitana: Ja voll, ich habe Wikipedia!
You made it.
Kitana: Yesss, ich habe alles erreicht, was ich wollte. Es ist tatsächlich auch ein sehr persönlicher Eintrag – teilweise stehen da Sachen drin, wo ich nicht weiß, ob mir das Recht ist.
Unter anderem steht da etwas über deine Vergangenheit als Investment-Bankerin. Wie kam’s denn dazu?
Kitana: Ich habe einen wirtschaftlichen Background, und habe mich nach der Schule schnell ins Arbeitsleben gestürzt, immer mit dem Gedanken, dass ich Kohle brauch, um Musik machen zu können. Die Labelsituation war damals auch schwieriger, es war ein viel größeres Gatekeeping. Deshalb habe ich einen Job gesucht, bei dem ich schnell viel Geld verdienen kann. Das war meine Vision mit 19. Außerdem wollte ich sowieso nach Wien. Über drei Ecken kam dann der Chef eines Finanzdienstleistungsunternehmen in Wien auf mich zu, der wollte mich unbedingt einstellen, obwohl ich keine Ahnung von Finanzen hatte. Aber ich bin fleißig, verlässlich und ehrgeizig. So bin ich nach Wien gekommen. Nach 1,5 Jahren bin ich dann wieder ausgestiegen. Mittlerweile habe ich ein eigenes Label gegründet, eine GmbH, für die ich auch einen Investor habe. Ich wollte eine Plattform für meine Zukunft haben, und die habe ich dadurch.
Du bist sehr ambitioniert und denkst viel in die Zukunft. Hast du da überhaupt Kapazitäten, die Gegenwart zu genießen?
Kitana: Nein, gar nicht, und ich leide sehr darunter. Das ist ein bisschen meine Lebensaufgabe. Eine Wahrsagerin hat mir unlängst gesagt „Man überquert eine Brücke erst, wenn man vor ihr steht“. Niemand macht sich 100km vor einer Brücke Gedanken über die Brücke – das ist eigentlich total banal. Das bringt ja nichts. Und so sollte es im Leben auch sein: Erst wenn etwas passiert, sollte man darauf reagieren. Alles andere macht dich nur fertig.
Ich glaube, ich bin dafür zu wienerisch. Mein Lebensmotto ist: schau ma mal, dann werma scho sehn. Meine Mutter hat auch immer gesagt: „Bis dahin fließt noch viel Wasser die Donau hinunter!“
Kitana: Das ist die richtige Einstellung! Ich habe dieses Jahr ja unter anderem am SPLASH Festival gespielt, was mich mega gefreut hat. Bereits Wochen davor habe ich mir aber schon Gedanken und Sorgen wegen dieses Auftritts gemacht. Was ist, wenn ich diesen Auftritt verkacke? Ich krieg ja manchmal Panikattacken auf der Bühne, da bekomme ich keine Luft mehr und mein Herz rast. Das hatte ich schon zweimal.
Wie hast du das in diesen Momenten bewältigt?
Kitana: Ich mache dann einfach mein Ding, ich zieh’s einfach durch, aber ich schaffe nie die Leistung, zu der ich eigentlich in der Lage bin. Ich rappe ja viel sehr schnell, da brauche ich meine gesamte Lungenkapazität. Danach bin ich immer super traurig, weil ich eigentlich viel krasser hätte sein können. Das ist dieser Druck, den ich mir selbst mache und unter dem ich sehr leide. Ich versuche gerade, mich da zu erden und mit weniger Druck zu machen.
Das ist krass. Tut mir sehr leid, dass du das durchmachen musst. Hast du eine Person, mit der du darüber reden kannst?
Kitana: Ja, ich bin schon sehr lange in Therapie; seit meinem 15. Lebensjahr. Ich habe auch eine posttraumatische Belastungsstörung und ADHS, aber meine Therapeutin sagt, dass das alles traumabedingt ist, nicht etwa vererbt ist. Meine Hyperaktivität, das ständige Arbeiten – das sind alles Verdrängungsmethoden. Aber sie meint, dass wir das mit einer guten Traumabewältigungstherapie gut in den Griff kriegen.
Therapie ist bestes.
Kitana: Ja! Ich liebe Therapie, ich liebe auch, darüber zu reden.
Was würdest du sagen, ist dein größter Erfolg bisher?
Kitana: Mein Album „Lorbeeren“. Ich bin so dankbar für und stolz auf dieses Projekt. Ich habe mir so lange Zeit gelassen, für dieses erste Album. In dieser Zeit, in der alle eher Singles produzieren und auf Streaming setzen, habe ich dieses Projekt herausgebracht.
Erzähl mir von „Lorbeeren“!
Kitana: Ich bin 26 und mache seit meinem 15. Lebensjahr Musik. Und ich wollte immer ein Album machen. Ich hatte jetzt auch die Möglichkeit, unter anderem durch mein großartiges Label MOMIMADEIT, das umzusetzen. Mein Label hat mich da super unterstützt und hat mich auf das nächste Level gebracht. Ich konnte mit krassen Leuten zusammenarbeiten. „Lorbeeren“ ist einfach toll. Da sind auch einige Tracks drauf, die in 10 Jahren immer noch hörbar sein werden. Auch wenn kein Streaming-Hit dabei war, hat sogar Spotify supported.
Dein voriges Projekt hieß ja „Queen“. Was ist der Unterschied zwischen QUEEN und KITANA?
Kitana: Ich habe meinen Sound gefunden. Ich wusste immer, dass ich nie eine „sexy Rapperin“ werde oder der nächste Radiohit, ich bin einfach Kitana. Kitana ist einfach zu 100% das, was ich bin.
Wie bist du eigentlich auf KITANA gekommen?
Kitana: Das war so in einer Brainstorming-Runde mit meinem Team. KITANA stand irgendwie im Raum, was ich zuerst cool fand, dann wieder nicht, dann habe ich eine Nacht drüber geschlafen und gemeint, „Okay, cool, lass KITANA machen!“. Ich habe Mortal Combat früher geliebt, also warum nicht?
Wie lange hast du eigentlich in Kärnten gelebt?
Kitana: 21 Jahre.
Und wo ist dann dein Kärntner Dialekt?
Kitana [lacht]: Hört man ihn denn nicht?
Nein!! Ich würde dir abkaufen, dass du aus Wien bist.
Kitana: Ja, Mann!!
Herzlichen Dank für das Interview.
Itta Francesca Ivellio-Vellin
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Links:
Kitana (Instagram)