Am Mittwoch, den 5.12. ist Karlheinz Stockhausen im Alter von 79 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem Arbeitsort Kürten-Kettenberg bei Köln verstorben. Er war einer der wichtigsten Figuren der Neuen Musik nach 1945, ein streitbarer Revolutionär und ein Gesamtkunstwerker par excellence. Er schuf Werke von epochaler Bedeutung, deren überragende Qualität außer Streit steht.
Im Bereich der seriellen und elektronischen Musik schrieb Stockhausen, der zuvor in Paris bei Olivier Messiaen studiert hatte, bereits in den fünfziger Jahren Musikgeschichte. Stücke wie “Kreuzspiel” (1951), die bahnbrechende elektronische Komposition “Gesang der Jünglinge” (1956) oder die “Gruppen” für drei Orchester (1957) beanspruchen zu Recht Ausnahme- und Kultstatus. Stockhausen war neben Pierre Boulez und Luigi Nono in Darmstadt tonangebend, arbeitete bis 1998 eng mit dem Studio für Elektronische Musik beim WDR zusammen, 1970 war er mit seiner Musik für den dortigen deutschen Pavillon Star der Expo in Osaka, spätestens ab diesem Zeitpunkt war sein Einfluss auch auf Happening-Bewegungen die Popkultur evident. Schon 1969 verewigten ihn die Beatles auf dem Cover ihrer “Sergeant Pepper”-LP.
Zunehmend wandte Stockhausen sich kosmisch-spirituellem Ideen zu. Ab 1977 konzentrierte er sich auf die Vollendung seines “Licht”-Zyklus, den er 2005 fertig stellte und dessen Teile – beginnend mit “Donnerstag” (UA 1981, Mailänder Scala) an verschiedenen internationalen Schauplätzen unter seiner Leitung sukzessive uraufgeführt wurden. Dieses Werk beschäftigt sich an sieben Wochentagen mit dem Kampf zwischen Luzifer und dem Licht. Als eine der umfangreichsten Opern der Musikgeschichte würde eine Gesamtaufführung 28 Stunden dauern. In einer Art “Superformel” legte Stockhausen alle gestalterischen Parameter des Dimensionen sprengenden Werks fest, gleichzeitig erfordern bzw. erlauben seine Spielanweisungen (in jüngerer Zeit etwa auch in Form von Gedichten) weitgehend auch improvisatorische Fähigkeiten und Kräfte.
Viele Wien-Modern-Besucher erlebten den Visionär und akribischen Perfektionisten zuletzt zumindest noch einmal filmisch in der von Frank Scheffer beim Holland Festival 1996 aufgenommenen Dokumentation des legendären Helikopter-Streichquartetts (ein Teil des “Licht”-Zyklus, der übrigens schon 1991 von den Salzburger Festspielen in Auftrag gegeben wurde, doch konnte die Erstaufführung dann doch nicht in Salzburg stattfinden, sie erfolgte im Amsterdam, 2003 wurde das Spektakel dann auch in Salzburg umgesetzt). Als Hauptakteure erlebt man das Arditti Quartett, vier Hubschrauber und Stockhausen am Mischpult. In den Gesprächen dieses Films erzählte Stockhausen von seinem Traum selbst fliegen zu können und seiner Sehnsucht nach einem perfekteren Körper als dem menschlichen, mit dem er dann noch viel mehr wahrnehmen und hören könnte, um dieses Wahrgenommene in Musik verwandeln zu können.
Stockhausen hinterlässt 362 einzeln aufführbare Werke, die bis 1969 bei der Universal Edition Wien und seitdem im Stockhausen-Verlag als Partituren gedruckt und auf 139 CDs veröffentlicht sind. Vier Wochen vor seinem Tod noch hat Karlheinz Stockhausen den Auftrag für ein Orchesterwerk angenommen, das nächstes Jahr aus Anlass seines 80. Geburtstag uraufgeführt werden sollte – dem Vernehmen nach hat er es noch vollendet. Bei Wien Modern 2008 werden – auch das war schon vor seinem Tod geplant – einige zentrale Werke von ihm gespielt werden.
Heinz Rögl
Fotos: © Website Stockhausen, WDR