Karl Ritter im Porgy

Karl Ritter ist einer der führenden Protagonisten des Windhund-Labels. Und für dieses hat der allseits geschätzte Blues- und Jazzgitarrist nun gleich zwei neue CDs aufgenommen – eine rote und eine blaue. Das blaue ist akustisch gehalten und präsentiert die zugängliche, gelassene Seite des Musikers; die rote fährt Stromgitarren und Elektronik auf. Am 16. September präsentiert er diese im Wiener Porgy&Bess.

Als es die Beatles schon nicht mehr als Band gab, brachten sie (oder die Herrschaften bei der Plattenfirma) zwei Doppelalben heraus, die noch heute in keiner “Fab Four”-Sammlung fehlen dürfen und für viele erst den Einstieg in die Musik der wohl bedeutendsten Band des 20. Jahrhundert darstellten: das “rote” und das “blaue Album”, die ihre wichtigsten Songs aus den Jahren 1962-1966 bzw. 1967-1970 enthielten.

Da es Karl Ritter als Solo-/Ensemblemusiker und österreichischen Ausnahmegitarristen immer noch gibt – und er aktiver ist denn je -, kann er nicht ewig darauf warten, daßssirgendein Label seine Werkschau herausbringt. Sein rotes und sein blaues Album erscheinen also schon jetzt. Die beiden Tonträger stellen ebenfalls verschiedene Aspekte des künstlerischen Schaffens vor; im Unterschied zu den Beatles entstammen diese aber nicht aufeinander folgenden kreativen Phasen, sondern sind parallel und in der jüngeren Vergangenheit entstanden. Auch wenn sie sich anhören, als würden zwei völlig verschiedene Musiker dahinter stecken. Das blaue, akustische Album präsentiert die ruhigere, gelassenere Seite Ritters, seine ganz private Auffassung von Folk, Lagerfeuermusik und der Spur Blues, die bei traditionellem Gitarrenspiel nie fehlen darf: “Die Welt des kleinen Klangraumorchesters”, wie er das einmal genannt hat. Auf dem roten Album regiert das elektrische, elektronische Experiment; da überrascht Karl Ritter mit Noise-Attacken, Ausflügen in das Innere von Computerchips, Reisen durch die Welt der Geräusche und ungewohnten Töne. Zusammen ergeben die beiden CDs das Hörbild eines vielseitigen Künstlers, der in der Rock-, Pop-, Film- und Instrumentalmusik dieses (und nicht nur dieses) Landes bereits viel zu sagen hatte – und noch viel zu sagen haben wird. Lassen Sie sich überraschen, hören Sie gut zu und stellen Sie dann die beiden Alben in Ihren Plattenschrank. Gleich neben die Beatles.

Weiße Wände. Verflieste Wände in Operationssälen, Gummiwände in der Nervenheilanstalt, steril ausgemalte Wände in Wohnungen und Büros, gesichtslose Fassaden – aber immer zugleich die Möglichkeit, dieses grelle, leere, inhaltslose Weiß zu beschriften, betexten, mit Graffiti oder einem Jahrhundertroman zu beschmieren, Musikstücke darauf zu komponieren, es als Kreativfläche zu benützen, bis die Beamten beschließen, es wieder übermalen zu lassen. Und damit neue Weiße Wände entstehen lassen. Das Projekt Weiße Wände, dessen erste CD nicht umsonst den Titel “nur für kurze zeit” trägt, zelebriert die hohe Kunst der Improvisation, ohne sich dabei in Free-Jazz oder Pure-Noise-Selbstbefriedigung zu verlieren. Fertige Stücke finden sich nur auf Tonträgern, die Konzerte aber sind jedes für sich ein Neubeginn – und werden auch von Videokünstlern begleitet, die dazu live auf Videowalls zeichnen und den Gig mitdrehen. (Peter Hiess)
Wer sich nun gar nicht mehr auskennt: Herr Ritter präsentiert an diesem Abend insgesamt drei (!!) neue CDs. Das nennt man fleißig. (CH/Porgy)

Foto Karl Ritter: Claudio Farkasch ©Theaterblau

 

 

 

Porgy&Bess
Windhund Records
Karl Ritter