„JEDER WIRFT SEINE IDEEN HINEIN UND SO ENTSTEHT UNSERE MUSIK“ – HIRSCH FISCH IM MICA-INTERVIEW

In den 1990er-Jahren haben NORBERT TRUMMER und KLAUS TSCHABITZER die Band SCHEFFENBICHLER betrieben, danach gab es von Tschabitzer Bands wie TANGOBOYS und DER SCHWIMMER. Seit einigen Jahren machen die beiden unter dem Namen HIRSCH FISCH wieder miteinander Musik, benannt nach einer Roman-Figur aus Joseph Roths Buch „Hotel Savoy“. Im Interview mit Jürgen Plank erzählen die beiden Musiker von ihrer seit mehr als 30 Jahren andauernden Zusammenarbeit. Genau wissen HIRSCH FISCH es selbst nicht, aber man könnte schätzen, dass es sich bei „1 2 3 4 5 6 Hirsch Fisch“ um das 20. Album der umtriebigen Musiker handelt. Außerdem verrät KLAUS TSCHABITZER, welche für ihn die größte Platte des 20. Jahrhunderts ist. Und NORBERT TRUMMER, der auch Bildender Künstler ist, erzählt welche Verbindung es zwischen Musik und Malerei gibt.

Warum ist eure Zusammenarbeit seit vielen Jahren so kongenial?

Norbert Trummer: Das hat sich so ergeben. Scheffenbichler haben wir im Jahr 1991 gegründet und seit damals arbeiten wir zusammen. Der Bandname ist Klaus auf einer Autobahnraststätte aufgefallen, dort gab es den „Apfelstrudel Helmut Scheffenbichler“ und nach diesem haben wir uns benannt. Das ist eine alte Geschichte. Wir waren von unserem Tun so begeistert, dass wir uns gegenseitig angespornt und angeregt haben. Das funktioniert bis heute sehr gut.

Klaus Tschabitzer: Ich glaube auch, dass der künstlerische Grundstrom bei uns beiden ähnlich ist, weil wir uns von der gleichen Quelle nähren: wir haben uns – und das ist bei Norbert auch in der Bildenden Kunst so – von Außenseitern der Kunst inspirieren lassen. Darüber können wir noch immer kichern, wenn uns etwas künstlerisch Lässiges auffällt, was die ganze Welt aber übersieht und nicht versteht. Wir waren ja auch überzeugt, dass wir jetzt ein Album haben, auf dem nur Welthits drauf sind. Aber die Realität hat uns eines Besseren belehrt.

„MICH FASZINIEREN KÜNSTLER:INNEN, WENN SIE RANDSTÄNDIG SIND UND ETWAS ZU SAGEN HABEN“

Welche Quelle meinst du?

Klaus Tschabitzer: Wir schauen schon sehr auf diese Outsider-Kunst, auf Leute, die in

diesem Kulturbetrieb immer Marginalisierte waren oder zu ihrer Zeit möglicherweise gar nicht wahrgenommen worden sind. Aber faszinierende Werke geschaffen haben. Mich faszinieren Künstler:innen, wenn sie randständig sind und etwas zu sagen haben. Das gilt zum Beispiel für das Album „Monster Songs For Children“ von Jad und David Fair. Jedes Lied darauf ist einem Monster zugeordnet, Godzilla zum Beispiel. Das sind einfache, umwerfend naive Lieder. Für mich die größte Platte des 20. Jahrhunderts.

Es gab immer wieder Singer-Songwriter-Duos, die sich gegenseitig inspiriert haben: bei den Beatles Lennon/McCartney oder Robert Forster und Grant McLennan bei The Go-Betweens. Wie bei den Genannten erkennt man auch bei euch jeweils, wer den einen und wer den anderen Song geschrieben hat.

Klaus Tschabitzer: Ich bin nach wie vor ein Hardcore-Beatles-Fan und nehme den Vergleich mit Lennon/McCartney gerne an. In letzter Zeit haben wir intensiv gemeinsam Nummern erarbeitet, in Wahrheit ist es so, dass jeder im Grunde mit fertigen Nummern zur Probe kommt und wir schauen dann miteinander, wie wir die Lieder arrangieren können. Jeder wirft seine Ideen hinein und so entsteht die Musik.

Norbert Trummer: Bei diesem Album „1 2 3 4 5 6 Hirsch Fisch“ war es zum ersten Mal so, dass wir relativ lange mit Arrangements herum probiert. Früher haben wir Lieder eher verworfen, wenn wir sie nicht relativ schnell arrangieren konnten. Beim Titelstück etwa: ich habe eine Swing-Nummer aus den 1920er oder 1930er-Jahren gehört, in der gezählt wurde. Das war die Grundidee für unsere Nummer und wir haben gemeinsam ausprobiert, wie wir das umsetzen können. Das ist bei einigen Nummern so passiert und für den Song „Burli“ haben wir auch einen alten Text von Scheffenbichler verwendet.

„Swing“ habe ich mir als Stichwort genauso aufgeschrieben wie „Bluegrass“. War es die Idee, das Album musikalisch in diese Richtung zu gestalten?

Klaus Tschabitzer: Absolut. Das ist nicht bewusst passiert, aber es gibt Einflüsse für uns, etwa von Poky LaFarge der bei den Tiny Desk-Konzerten einen unpackbar guten Auftritt hatte. Der bezieht sich auf diese alten Swing-Geschichten und die 1930er-Jahre finde ich zurzeit extrem interessant, weil das rhythmisch lässig ist und einen guten flow hat. Und Bluegrass und die frühen Folk-Sachen sind für uns schon seit Jahrzehnten wichtige Einflüsse.

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„DIE LIEDTEXTE FALLEN MIR ZU, MEISTENS KLIMPERE ICH ETWAS UND DAS LÖST AUS, DASS MIR EIN TEXT EINFÄLLT“

Du, Norbert, bist ja auch in der Bildenden Kunst aktiv: wie hast du das Album-Cover gestaltet, das mich durch die Zahlen an ein Ausmalbild für Kinder erinnert hat.

Norbert Trummer: Die letzten Covers habe auch ich gestaltet. Die Fische, die am Cover zu sehen sind, habe ich im Naturhistorischen Museum fotografiert, dort habe ich eine Foto-Recherche gemacht. Ursprünglich wollte ich heimische Fische zeichnen, aber die Korallenfische aus der Südsee haben optisch mehr hergegeben. Ich habe Hirsche und Fische gezeichnet und in einer Collage umgesetzt, die sieht aus wie in einer alten Monographie.

Für mich sind eure Lieder – in denen es zum Beispiel um eine Zahnbürste oder um eine Glasscherbe geht – fast wie Stillleben in der Malerei.

Norbert Trummer: Die Liedtexte fallen mir zu, meistens klimpere ich etwas und das löst aus, dass mir ein Text einfällt. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Maler und Zeichner beobachte ich die Natur und die Realität und so fallen mir Kleinigkeiten und Situationen auf, die in ein Stillleben passen. Das kann schon beim Texten eine Rolle spielen. Optische Beobachtungen und Sensationen stehen jedem zur Verfügung und sind meistens gratis.

Klaus Tschabitzer: Unscheinbare Sachen finde ich auch am anregendsten für Liedtexte. Dinge, auf die niemand schaut. Wie etwa Staub.

Außer im Namen der Band kommen bei euch immer wieder Tiere in Liedtexten vor: Katze, Fledermaus, Hund. Ein Lied am neuen Album heißt „Eichkatzl“. Warum geht es oft um Tiere?

Norbert Trummer: Früher gab es auch mal ein Lied über ein Krokodil und ein Lied über einen Hund. Vielleicht ist das eine Art kindischer Humor, dass wir gerne Tiere einbauen. Ich habe mal in einem Park Eichkätzchen beobachtet und daraus ist der Liedtext zu „Eichkatzl“ entstanden. Musikalisch haben wir dazu einen sehr überlegten, intellektuellen Teil mit Minimal Music gesetzt.

Klaus Tschabitzer: Von der Idee her referenziert das auf eine Komposition von Terry Riley,bei der es an die Musiker:innen die Handlungsanweisung gab, dass ein Thema nach dem anderen angespielt wird. So entwickelt sich das Stück und verschwindet dann wieder. Auf die Frage, wie lange das Stück dauern soll, meinte Riley in einem Interview, dass ihm eine Dauer von 365 Tagen am liebsten wäre. Wir haben zwei patterns, die im Lied vorkommen, übereinander gelegt.

Und die Donau ist ein wiederkehrendes Motiv, ich erinnere mich an frühere Lieder von euch, etwa über eine Paddelboot-Fahrt auf der Donau oder an die alte Scheffenbichler-Nummer „Des eiskoite Wossa“.

Norbert Trummer: Die Faszination für Flüsse hat mit meiner Kindheit und meiner Sozialisation in der Ost-Steiermark zu tun. Mein Vater ist mit mir als ich drei oder vier Jahre alt war mit dem Fahrrad in die Flussauen bei Leibnitz gefahren. Das hat mich damals schon sehr beeindruckt. Später hatte ich ein Paddelboot und mit dem habe ich auch tolle Ausflüge gemacht. Und als Kind hatte ich den Spleen ein Stück Holz in den Bach zu werfen und dem Holz am Ufer entlang gehend zu folgen.

Auf der neuen Platte gibt es einige Gastmusiker:innen, was habt ihr für die Präsentation im Radiokulturhaus am 11. März 2024 geplant?

Bild Hirsch Fisch
Hirsch Fisch (c) Mario Lang

Klaus Tschabitzer: Wir haben eine Revue zusammengestellt und es werden zehn Leute auf der Bühne sein. Darauf bereiten wir uns gerade vor. Ich bin stolz darauf, dass wir die Album-Präsentation im Radiokulturhaus spielen, in dem Saal, in dem früher Heinz Conrads am Sonntagmorgen seine Sendung „Was gibt es Neues?“ moderiert hat.

Norbert Trummer: Der Gitarrist Gottfried Gfrerer wird dabei sein, auch Daniel Lercher an der Kontrabass-Klarinette und am Synthesizer, der gerade mit uns in der Strengen Kammer im Porgy & Bess gespielt hat. Diese Bass-Klarinette hat einen tollen Klang. Jakob Lang von der Band Buntspecht wird auch dabei sein und die Sängerin Nala, die jetzt gerade für einige Monate in Hamburg beim ABBA-Musical engagiert war. Fast alle, die einen Beitrag auf der Platte geleistet haben, werden dabei sein.

„ES WAR SUPER, DASS WIR UNSER GANZES LEBEN LANG AN DER KUNST DRAN BLEIBEN KONNTEN“

Was ist Erfolg für euch als Band?

Klaus Tschabitzer: Genau diese Frage haben wir vor mehr als zwanzig Jahren bei einem Tangoboys-Interview gestellt bekommen. Der leider schon verstorbene Schlagzeuger Dieter Preisl, der nie sehr laut war, ein ruhiger Typ, hat damals die Antwort gegeben: Viel Geld! Wir haben darüber gelacht.

Norbert Trummer: Viel Geld ist bisher ausgeblieben.

Klaus Tschabitzer: In letzter Zeit bin ich eigentlich sehr zufrieden und denke mir, dass es schon cool ist, was bisher möglich war. Im Jahr 1982 bin ich nach Wien gekommen und an vielen Orten, an denen ich mir damals Bands angeschaut habe, haben wir inzwischen selbst schon gespielt. Das taugt mir und ich denke mir: Mein Traum war immer einen Lebensweg als künstlerische Persönlichkeit zu gehen und das ist gelungen.

Norbert Trummer: Ich sehe das so ähnlich. Es war super, dass wir unser ganzes Leben lang an der Kunst dranbleiben konnten. Ich habe ja nie ein Instrument gelernt, sondern bin Autodidakt und plötzlich steht man beim Geburtstag von Bodo Hell auf der Hauptbühne des Porgy & Bess und spielt ein Lied. Vieles hat sich ergeben und man hat viele Menschen kennen gelernt, die für Kunst und Kultur brennen.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Live:
11.03.2024: Radiokulturhaus, Wien, 19:30h
23.03.2024: Schloss Museum Orth an der Donau
07.06.2024: Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz, gemeinsam mit Bodo Hell

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Links:
Hirsch Fisch
Hirsch Fisch (Facebook)
Hirsch Fisch (bandcamp)
Early Morning Melody