Jede Filmmusik ist eine spannende Spielwiese – MARCUS NIGSCH bereichert filmische Dokumentationen mit seinen Kompositionen

Der Komponist MARCUS NIGSCH hat in der Filmbranche einen hervorragenden Ruf. In ersten Projekten verlieh er der Fernsehserie „Die Lottosieger“ und den Kinofilmen „Die Mamba“ und „Der Blunzenkönig“ ein musikalisches Profil. Im Jahr 2015 zeichnete MARCUS NIGSCH nicht nur für die Musik in Werne Bootes TV-Dokumentation „Morgenland im Abendland“ mit Josef Hader verantwortlich, sondern er war gleich mit seinem ersten Kinofilm für den Filmpreis nominiert und von da an entwickelte sich eine enorme Dynamik. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind Filmmusiken für neun Produktionen entstanden, darunter die viel beachtete Dokumentation „The Green Lie“.

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit verbindet Marcus Nigsch mit der deutsch-österreichischen Regisseurin Beate Thalberg. In den filmischen Dokumentationen „Die Königin von Wien – Anna Sacher“ und „Die Unbeugsamen – Drei Frauen und ihr Weg zum Wahlrecht“ charakterisierte der in Feldkirch wohnende Komponist ausgewöhnliche Frauen musikalisch.

Filmisch erzählte Festivalgeschichte

Im Jahr 2020 feierten die Salzburger Festspiele ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum. Beate Thalberg erhielt den Auftrag, die Anfänge des Festivals und seinen Werdegang nachzuzeichnen. Als die Regisseurin Marcus Nigsch zur Zusammenarbeit einlud, zögerte er zuerst. Er habe gedacht, für einen Film über die Salzburger Festspiele sei ja alle Musik da, Richard Strauss, Mozart und viele andere, erzählt er. Doch Beate Thalberg überzeugte den Komponisten rasch, denn für ihre individuelle Art, eine Dokumentation mit filmischen Elementen zu verbinden, benötigte sie einen kreativen Kopf wie Marcus Nigsch. „Sie beschrieb, wie sie den Film als fiktives Dinner erzählen möchte, bei dem sich Leute am Tisch treffen, die sich im realen Leben nie begegnet sind“, erzählt der Komponist. „Beate Thalberg ist auch eine Pionierin im Einsatz von Überblendungen, mit denen sie Archivmaterial und Filmfiguren zueinander in Beziehung bringt. Sie erklärte, sie brauche den Zeitgeist und die Anlehnung an die Musik, gleichzeitig habe die Musik auch eine dramaturgische Funktion und müsse formal viel bereithalten.“ Marcus Nigsch sagte zu und der Film wurde ein großer Erfolg. Für die innovative Idee der Spieldokumentation wurde „Das Große Welttheater – Salzburg und seine Festspiele“ für den Venice TV Award sowie den europäischen Fernsehpreis „Rose d’Or“ nominiert.

Lebendige Interpretation der bewegten Bilder

Eine Herausforderung stellte im vergangenen Jahr auch die Vertonung der Dokumentation „Rettet das Dorf“ der Regisseurin Teresa Distelberger dar. Die Musik für diesen Film sei kammermusikalisch angelegt, erklärt der Komponist. Nachdem alle Partituren notiert waren, engagierte Marcus Nigsch Musikerinnen, die die Stücke dann live im Studio zu den Bildern des Films einspielten. Das Coronajahr brachte einige Produktionen im Studio von Marcus Nigsch (vorerst) zum Erliegen. Doch zahlreiche Ideen sowie Pläne warten darauf, realisiert zu werden, denn der Künstler genießt die Zeit in seinem Studio und komponiert unentwegt.

Filmmusik hat dramaturgische Funktionen

Im Schaffen von Marcus Nigsch hat sich mittlerweile ein Schwerpunkt in filmisch aufbereiteten Dokumentationen herauskristallisiert. Ihm würden Dokumentarfilme auch deshalb gefallen, weil sie viel Spielraum bieten und die dargestellten Inhalte wirklich passiert seien, fasst der Komponist die Qualitäten dieses Genres zusammen. Wenn er eine Filmmusik schreibe, möchte er, dass die Zuschauer ihre eigenen Erfahrungen machen können. In manchen Produktionen seien sehr viele Skizzen notwendig, um einen gemeinsamen Nenner für die musikalische Ausgestaltung der Bilder zu finden, denn schließlich sei die Musik zu den bewegten Bildern immer auch deutend. „Ich bin nicht nur der Komponist, sondern in einem gewissen Sinn auch ein Dramaturg. Das ist extrem spannend, denn man kann auch eine andere Musik drunter legen, das ergibt dann einen anderen Film.“

Filmmusik und andere Kompositionen sind zwei Paar Schuhe

Nicht zu vergleichen mit der Filmmusik sind die Kompositionen, die Marcus Nigsch für kammermusikalische Besetzung oder Orchester schreibt. Darin zeigt sich, von wo der Komponist seine individuelle Tonsprache bezieht. Hinter jedem Werk stehen Menschen oder Lebensläufe und auch ein geistig philosophischer Hintergrund kann als Inspiration dienen. Im Rahmen einer Filmpremiere in New York wurden die Streichtrios Modus Mathematicus aufgeführt. Ein Choreograf suchte daraufhin den Kontakt zu Marcus Nigsch, denn er zeigte sich überzeugt davon, dass diese Musik prädestiniert sei für‘s Ballett beziehungsweise eine Tanzkompanie. Leider kam Corona und die Ideenfindung musste einstweilen unterbrochen werden.

Mit den Schurken „Ab nach Panama“

Mit den Musikern des Ensembles Die Schurken verbindet Marcus Nigsch eine enge Freundschaft. Bereits für das Projekt „Paris! Paris!“ schrieb er genau zugeschnittene Werke. Nun erhielt der Komponist erneut einen Auftrag für das gerade im Entstehen begriffene Programm mit dem vorläufigen Arbeitstitel „Ab nach Panama“. Darin wird die Geschichte von vier im Altersheim abgestellten Musikern erzählt, die wieder ins Leben aufbrechen wollen und abhauen. Die Bregenzer Festspiele sowie die Jeunesse Wien sind bereits mit im Boot des Musikvermittlungsprojektes, das im Juni 2022 Premiere feiert.

Zukunftsmusik und ein Konzert für E-Gitarre

Schon seit längerer Zeit hegt Marcus Nigsch Pläne für eine Oper, denn das Musiktheater bietet ihm eine Vision, die er irgendwann realisieren möchte. Gemeinsam mit einem Librettisten fand er bereits ein originelles Sujet, das wohl Viele ansprechend wird. Weitere Vorhaben füllen die Tage des Komponisten. Unter anderem begeistert ihn die Idee, ein Konzert für E-Gitarre und Orchester zu schreiben. Die vielen Farben des Soloinstruments sollen dabei einem ebenbürtigen Orchesterpart gegenüberstehen, erklärt Marcus Nigsch und fügt scherzend an, dass er dann den amerikanischen Gitarristen John Clayton Mayer als Solisten anfragen könnte. Das sind gute Aussichten.

Silvia Thurner

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Factbox

Die Königin von Wien – Anna Sacher und ihr Hotel. Ein Film von Beate Thalberg, 2016.
The Green Lie, Dokumentation, Regie: Werner Boote, 2017
Rettet das Dorf. Ein Film von Teresa Distelberger, 2020
Das große Welttheater – Salzburg und seine Festspiele. Ein Film von Beate Thalberg, 2020.

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Gesellschaft und Kultur im Februar 2021 erschienen.

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