„Je weiter man rootsmäßig voneinander entfernt ist, desto spannender kann es oft werden“ – ELLI UDA im mica-Interview

Das Salzburger Electronic-Duo ELLI UDA, bestehend aus der jungen Sängerin und Unterwassertänzerin (!) ELKE UDALRIK sowie dem Salzburger Electronic-Urgestein GERALD PEKLAR (Tribeclub, Freaksound, Freakadelle), legt mit seiner Debüt-CD „Above & Beyond“ (REFLEX Recordings) eine der heuer wohl spannendsten Veröffentlichungen zwischen Trip Hop, Pop und Electronic vor. Nicht umsonst wurde die erste Singleauskoppelung „Got What It Takes“ zu einem veritablen Radio-Hit. Aber auch die 2. Single „Somehow“ erfreut sich großer Beliebtheit und Rotation auf FM4. Didi Neidhart unterhielt sich mit GERALD PEKLAR.

Wie ist das Projekt Elli Uda entstanden?

Gerald Peklar: Elke wohnt seit circa vier Jahren im Haus neben beziehungsweise unter mir – also „Above & Beyond“… Wir machen beide Musik und irgendwann habe ich ihre Stimme nicht mehr überhören können und ihr ein paar Demos mit Kompositionsentwürfen vorgespielt. Sie hat dann einfach über zwei Tracks darüber gejammt und daraus sind die Nummern „Got What It Takes“ und „Don’t Turn Around“ entstanden.

Kann man angesichts Ihrer bisherigen Biografie als Komponist (mit allein auf FM4 bis dato über 1000 Radioeinsätzen), Produzent (z.b. Allen Alexis), Ghostwriter, Labelbesitzer (REFLEX Recordings) sowie als Gründungsmitglied des Freaksound-Labels sowie des daraus gewachsenen Vereins Freakadelle und Gründer des legendären Tribeclub in den Salzburger Loftkavernen davon ausgehen, dass Sie Ihren Lebensunterhalt damit bestreiten können?

Gerald Peklar: Ohne Hobbies und mit mehr Auftragsarbeiten vielleicht, aber ich mache Musik, weil es mir gut tut und mich mit interessanten Menschen verbindet. Und natürlich sind die Tätigkeiten für unsere Musikvereine samt ihrer Labels (z.B. Freakadelle, Freaksound) beziehungsweise in deren Auftrag meinerseits allesamt ehrenamtlich.

Die ganze CD durchzieht eine subtile liquide Stimmung, die ebenso an ozeanische Gefilde wie Gefühle erinnert. War das beabsichtigt, oder hat sich dieses lockere mediterrane Feeling einfach so ergeben?

Gerald Peklar: Ich komponiere meist nicht im Studio, sondern tatsächlich viel mit Keyboard und Laptop an Orten, an denen andere und auch ich Urlaub machen. Ich liebe das Meer, die Wellen, die Berge, den Schnee und komponiere auch dort am liebsten.

„Viele Lieder schreiben, spielen und auch aufnehmen und rausbringen – der Rest ist lustraubend und nicht des Künstlers Sache“

Elli Uda sind mittlerweile auf mindestens 10 internationalen Samplern vertreten. Wie schafft man das als Act aus Salzburg? 

Gerald Peklar: Zum einen wohnen wir direkt an der Grenze und haben sogar einen kleinen Flughafen in Salzburg. Zum anderen bin ich als kleiner Musikant inzwischen ein bisschen herumgekommen und habe so manche liebe und gute Menschen, Studios und auch Clubs kennenlernen dürfen. Darunter befinden sich glücklicherweise auch Personen aus der Musikbranche. So sind auch unsere deutschen Vertriebsfirmen „Dance All Day“ und „Nova“ kein Zufall.

Sie waren in jungen Jahren der „jüngste außerordentliche Student am Mozarteum“, haben sich dann jedoch „für elektronische Popmusik bis hin zu Techno“ entschieden. Wie kam das, beziehungsweise was bringt einem eine klassische Musikausbildung für diese Art von Musik, die ja auch gänzlich ohne diesen (europäischen) Ballast auskommt?

Gerald Peklar: Was genau und wirklich klassische Ausbildung (oder jegliche Ausbildung) bringt, ist schwer zu sagen. Früher war mein Standardspruch diesbezüglich: „Das Mozarteum hat mich verzogen, war kontraproduktiv und kreativitätshemmend.“ Das stimmt natürlich fast nicht, weil ich ansonsten wohl heute Musik nicht in diesem Ausmaß beziehungsweise in dieser Art und Weise produzieren würde. Aber anfangs habe ich die jungen Techno-Macher ob derer Musterlosigkeit, Notenunkenntnis und Harmonieintoleranz beneidet oder zumindest bestaunt. Beim Songwriting schadet oder hemmt die Ausbildung natürlich weniger als bei wildem Techno.

„Dass tiefergehende und berührende Musik meist auf emotional intensivere Erlebnisse oder Gefühle basiert liegt in der Natur der Sache“

Mit „Got What It Takes“ haben Sie Anfang des Jahres schon einen potentiellen Sommerhit ausgekoppelt, dem mit dem Nachfolger „Somehow“ gleichsam die After Hour-Version beigelegt wird. Beide sind catchy, aber gleichzeitig auch in ihrer Art unprätentiös. Das heißt, hier muss niemand mehr irgendjemanden irgendwas beweisen. Wie sehr hängt so was mit Erfahrungen zusammen (den guten wie den weniger guten)?

Gerald Peklar: Ich fürchte, ein bisschen etwas „beweisen wollen“ ist beim Musikmachen fast immer dabei. Aber bei uns geht es tatsächlich mehr um die Liebe zum Musizieren. Gerade nach langen Techno-Sessions in unserem Heizkeller-Studio gibt es bei mir ein inneres Verlangen am Piano nach Harmonie zu suchen. Auf minimalen und rohen Techno folgen dann als fast natürliche Reaktion harmonische Akkorde, poppige Gesangs-Hooks und blumig weiche Kompositionen. Dass tiefergehende und berührende Musik meist auf emotional intensivere Erlebnisse oder Gefühle basieren liegt in der Natur der Sache.

Es gibt mittlerweile auch in Österreich unzählige ambitionierte Electronic-Duos mit Sängerinnen, die aber immer wieder in einer Art schwarzem Loch zwischen Ö3 und FM4 verschwinden. Also von keinem der beiden Sender gespielt werden. Woran glauben Sie, liegt das und was wären Ihre Tipps, um zumindest auf einem der beiden gespielt zu werden?

Gerald Peklar: Ö3 spielt nur mehr Hits, leider tendenziell immer banalere Musik. Übrigens auch schon seit etlichen Jahren nichts mehr von mir Komponiertes. Das letzte war vor ca. 20 Jahren (!) „All I Need“ für Face 2 Face mit Peter Legat. Mit Allen Alexis wären wir ja auch zumindest mit drei von zehn Singles für Ö3 spielbar gewesen. Die Antwort des Hit-Formats lautete allerdings: „Sorry, aber wir machen keine Hits, wir spielen sie.“ Bei radioeins Berlin kamen die Tracks übrigens dann aber doch locker in Rotation. Inzwischen sind wir sowohl soundtechnisch, stilistisch als auch musikalisch löblich zu weit weg, könnte man behaupten, wäre da nicht Bilderbuch
FM4 ist und bleibt unser verdienter Lieblingssender, Hoffnungsträger und Rettungsanker, verfügt aber auch nur über 24 Sendestunden pro Tag. Und wieviel sensationell gute österreichische Musik inzwischen täglich gemacht wird und gespielt gehört, macht es auch für die FM4-Redaktion nicht immer leicht. Aber jetzt per se etwas auf Radio hinzuproduzieren ist kontraproduktiv, unlustig und funktioniert so gut wie nie. Ich kann nur sagen: Viele Lieder schreiben, spielen und auch aufnehmen und rausbringen – der Rest ist lustraubend und nicht des Künstlers Sache. Amen.

Wie sehen sie aktuell die Situation elektronischer Musik zwischen Pop und Techno in Salzburg? Mit dem MultiMediaArt-Lehrgang auf der FH Puch-Urstein, dem biennalen Elektronikland-Preis, quer durch die Stadt verteilten DJ-Crews und dem letztes Jahr neu eröffneten Plattenlanden Minerva Records scheint es mittlerweile doch einiges zu geben.

Bild (c) Gerald Peklar

Gerald Peklar: Jede Bewegung, jeder Ton besteht aus Wellen und verändert sich naturgemäß ständig. Hier in Salzburg haben wir natürlich historisch und somit wahrnehmungsbedingt eine spezielle, vielleicht zugespitztere Situation.
Stichwörter: Hochkultur (künstlich statt künstlerisch hoch gehaltene alte Kultur) impliziert stärkere Gegenkultur (politisch und gesellschaftlich unterdrückte Gegenwartskultur, Cave-Club, Tribeclub Loft) bis hin zu opportunistischer Scheinkultur (Electric Love).
Um in unserer Stadt Salzburg selbst mental und sozial (über)leben zu können, versuchen wir statt nur darüber zu meckern, was falsch läuft oder fehlt, genau diese Sachen für uns selber zu kreieren und erleben mit unserem geschaffenen Mikrokosmos, dass wir damit auch für andere ein kleines Zuhause schaffen. Dass das nicht alle gut finden, liegt in der Natur der Sache, aber auch wenn es oft enger wird als wahrgenommen, ist inzwischen die Community stark genug um unser kleines Ding, nennen wir es von mir aus „Subkultur“, standesgemäß und anspruchsvoll durchzuziehen.
Vor allem durch unseren Musikmacher-Verein Freakadelle oder auch das neue Platten-Café Minerva Records gelingt es auch immer besser kreative und interessierte Leute, in- und außerhalb unserer Locations zusammen zu bringen. Sei es mit Workshops, Music Talks (zusammen mit den Rockhouse und der mica-Servicestelle Salzburg), Meetings, Sessions oder Festen.
Auch die Zusammenarbeit mit anderen Musik- und Kulturinstitutionen, wie Mozarteum, ARGE, mark, Rockhouse, Schmiede Hallein oder auch FH-Salzburg und dem daraus gewachsene Verein Disposed im Künstlerhaus prosperiert zumindest sozial schon sehr gut. Mit Preisen, zumindest deren vorausgehender Anmaßung der Beurteilung oder auch deren Kriterien tue ich mir eher schwer. Künstlerunterstützung durch Schaffung von Raum und Vernetzung ist oder wäre wichtiger.

„Elli Uda bleibt schwer schubladisierbar, was allerdings für kommerziellen Erfolg meist die Voraussetzung ist“

Rein musikalisch kommen Sie und Elke Udalrik ja durchaus aus unterschiedlichen Richtungen. Während Sie eher von Electro, House, Downbeat, Techno herkommen, hat Ihre Gesangspartnerin eher einen Backround zwischen Jazz, Soul, Rock, Folk und Singer/Songwritertum. Wie generiert man daraus den „Electro Vocal Crossover“ von Elli Uda, ohne dabei in diverse Crossover-Fallen (etwa gegenseitiges Nivellieren/Weichspülen der jeweiligen Genres) zu tappen?

Gerald Peklar: Je weiter man rootsmäßig voneinander entfernt ist, desto spannender kann es oft werden. Das funktioniert zwar nicht immer, aber wenn, dann oft berührender als wenn jeder seiner Sache nur alleine nachgeht. Entscheidend ist, ob sich Wellen im richtigen Moment treffen und wachsen können, oder ob sie sich emotional glätten und vor lauter Perfektionsversuchen wieder verkleinern und belanglos werden. Elli Uda bleibt schwer schubladisierbar, was allerdings für kommerziellen Erfolg meist die Voraussetzung ist. Auch wir sind, glaube ich, weder genau FM4 noch Ö3 oder sonst wo unbedingt relevant, verwertbar und somit schwerer spielbar. Aber für mich sind sowohl Allen Alexis als auch Elli Uda erfolgreich und ganz gut gelungen, weil spannend in der Entstehung und auch nach dem x-ten Mal Hören sind das einfach gute Alben mit vielleicht sogar zeitlos zeitgemäßer Musik.

„Above & Beyond“ ist als physikalischer Tonträger auf CD zu erwerben. Wieso (immer noch) dieses Format? Viele sprechen ja angesichts von Streamingdiensten, Downloadplattformen und dem Revival der Schallplatte eher vom baldigen Ende der CD. Sehen Sie das anders?

Gerald Peklar: Ich glaube, dass die jetzt viel gescholtene CD doch ein Stück mehr kann oder zumindest eine Lücke füllt, die Streamings oder USB-Sticks nicht füllen können. Mein Autoradio spielt meine CDs immer noch gern und als Geschenk oder Visitenkarte hat sie immer noch mehr Charme als ein Spotify– bzw. YouTube-Link. Beim Auflegen mochte und mag ich CDs wiederum gar nicht aber liebe dafür das vor 10 Jahren totgesagte Vinyl. Dass die fast tote Cassette wiederlebt sagt ja auch einiges über Formate und etwaig den vermissten Charme von Haptik und Besitz.

Sind eigentlich auch Live-Auftritte geplant?

Gerald Peklar: Live-Auftritte sind so ein massives Ding heutzutage und wären für Elli Uda – wenn dann runtergebrochen auf das Wesentliche und unaufgesetzt einfach – vielleicht sogar unplugged realisierbar. Nur Stimme und Begleitakkorde (mit akustischer Gitarre oder Piano) sind eine denkbare (und auch schon ausprobiert funktionierende), aber nicht festgemachte Möglichkeit.


Wie wird es mit Elli Uda weitergehen?

Gerald Peklar: Mal sehen wohin die Reise geht. So was vorher zu genau festzulegen macht Reisen meist erlebnisärmer. Aber Neues wird auf jeden Fall gemacht. Wie viel davon veröffentlicht wird oder wohin es führen soll, will und kann ich einfach nicht sagen. Da wir damit weder reich noch berühmt werden, zählt einfach der Weg und das Machen mehr als das Ziel. Noch ein schönes Album könnte aber neben dem schönen Weg auch ein nettes Ziel sein.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart

Links:
Elli Uda (Facebook)
Elli Uda (bandcamp)
REXLEX Recordings