PETER TSCHMUCK ist Professor am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM) an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Spezialist in Sachen Musik-Ökonomie. Im mica-Interview mit Markus Deisenberger erklärt er, wie Plattenlabels die Streaming-Ökonomie gut in den Griff bekommen haben und warum das derzeitige System aus Sicht der Künstler als unfair empfunden wird.
Tim Renner sagte neulich, der Profiteur aus der Streaming-Entwicklung seien nur die Plattenfirmen, die zwischen den Streamingdiensten und den Künstlern agieren. Wenn das Wachstum (der Musikmarkt ist wegen der Streamingdienste im vergangenen Jahr in Deutschland um 4,2 Prozent gewachsen) auf Basis der Umsätze der Labels ermittelt wird und zeitgleich die Einnahmen der Künstler sinken, ergebe sich daraus logisch, dass beim „Middleman“ mehr hängen bleiben muss. Ist das tatsächlich so und wenn ja, warum?
Peter Tschmuck: Diese Beobachtung ist durchaus richtig. Speziell die Major-Labels und bis zu einem gewissen Grad auch die Indies, die über den Lizenzverbund Merlin organisiert sind, haben sich ganz gut in der Streaming-Ökonomie eingerichtet.
Inwiefern?
Peter Tschmuck: Wenn ein Streaming-Service seine Leistung anbieten möchte, sagt das Major-Label zuerst einmal: „Ja, aber ich bekomme vorher einen Vorschuss.” Wie hoch der ist, bleibt in aller Regel geheim. Es gibt allerdings einen geleakten Vertrag aus dem Jahr 2008 zwischen Sony und Spotify, wo über mehrere Jahre hinweg sehr hohe Vorschüsse verlangt wurden. Das ging bis in die zweistelligen Millionenbeträge. Jetzt kann man sich vorstellen, dass sich ein Streaming-Service Vorschüsse in dieser Höhe nicht leisten kann. Keines der Services. Man stelle sich vor: Diese Beträge pro Major, und dann kommt noch Merlin dazu. Das heißt, dass das Streaming Service eine finanzielle Unterstützung braucht, um das überhaupt stemmen zu können. Und da erwiesen sich die Labels als sehr großzügig und beteiligen sich an den Services gegen Überschreibung von Firmenanteilen. An Spotify sind die Majors etwa zu 20% beteiligt. Bei Simfy waren die Vorschüsse zwar niedriger, aber die Beteiligung ähnlich. Die Vorteile für die großen Labels liegen auf der Hand: Erst einmal ergibt sich daraus ein Abhängigkeitsverhältnis. Die Streaming Services sind auf den Backkatalog der Majors angewiesen. Zweitens muss das Geld nicht mit den Künstlern geteilt werden.
Was bekommen die Künstler?
Peter Tschmuck: Das, was in den Verträgen drinsteht. Das ist sehr individuell. Superstars haben gute Deals, Newcomer müssen in der Regel das akzeptieren, was früher auch üblich war. In Bandübernahmen sind das zwischen 15 und 25%, in der Regel also durchschnittlich etwa 20 %. Davon werden aber noch einige Prozente mehr abgezogen, etwa für Auslandsverkäufe, bei Bewerbung oder Sondervertriebswegen. Zusätzlich gibt es dann noch Technik- beziehungsweise Verpackungsabzüge, beim Streaming sind das meist 20%. Und die Ausgaben des Labels für die Produktion eines Videos oder für die PR werden dem Künstler zumeist zu 50% gegenverrechnet. Bei den Indie-Labels gibt es zwar durchaus Deals, wonach Einnahmen aus dem digitalen Geschäft 50:50 geteilt werden, aber da besteht das Problem, dass die 50% erst ab Break Even ausgezahlt werden, der sich nur aus den Kosten des Labels errechnet, die Kosten der Künstler zum Beispiel für das Studio, das Mastering oder für Studiomusiker aber nicht berücksichtigt. Im Endeffekt kämen die Künstler auch da niemals zu den 50% der Einnahmen.
Das heißt also: Von den 60%, die an die Labels ausgeschüttet werden, bleiben ca. 25% dem Einzelkünstler oder der Band?
Peter Tschmuck: Sozusagen, ja. Große Labels haben allerdings einen Vorteil, denn je größer der Backkatalog, desto besser fürs Streaming. Der Einzelkünstler hat in der Regel keinen großen Backkatalog – ausgenommen die Beatles und ähnliche Artists. Bei den Indies gibt es durchaus Deals, dass Einnahmen aus dem digitalen Geschäft 50:50 geteilt werden. Das ist beiden Majors in aller Regel einmal nicht so, aber es ist grundsätzlich sehr individuell: Manche Künstler haben vorteilhafte Regelungen, andere nicht. Ganz grundsätzlich aber muss man sagen: Für die Künstler ist das Streaming-Business eher ein Zusatzgeschäft, wenn überhaupt. Und für die Streaming-Services ist es bis dato ein herbes Minusgeschäft.
Wenn man sich den „Costs of Revenue”, also die Höhe des Anteils der Kosten am Umsatz, bei Spotify anschaut, liegt der bei 80%.
Warum?
Peter Tschmuck: Weil die Lizenzkosten so hoch sind. Die Daumenschrauben für Spotify sind zuletzt durch einen ein wenig besseren Deal zwar gelockert worden, aber nicht viel. Es wird sehr interessant, wenn neue Unternehmensberichte von Spotify kommen, wie hoch der Jahresverlust ist, der ja von Jahr zu Jahr explodiert ist. Spannend ist es, weil sich Spotify mit Tencent Music einen starken chinesischen Partner gefunden hat. Den stärksten Musikanbieter in China. Die haben sich gegenteilig beteiligt. Spotify hält zehn Prozent an Tencent, umgekehrt Tencent Music zehn Prozent an Spotify.
Die Verschränkung wird, weil die „Valuation” von Spotify höher ist, dazu führen, dass, so wird geschätzt, eine Milliarde Dollar frisch in die Kassen von Spotify gespült wird. Da hat man nun ein Spielkapital. Und es ist ein Listing an der Börse geplant.
Wie wahrscheinlich ist der Börsengang von Spotify?
Peter Tschmuck: Dass Spotify an die Börse geht, ist definitiv. Sie wollen nicht, sie müssen. Denn wenn Spotify an der Börse ist, wird ein Unternehmenswert feststehen – bis jetzt kann man den ja nur schätzen. Es gibt Investoren, die viel Geld reingesteckt haben und ihr Geld wieder haben wollen. Die wollen unbedingt, dass Spotify an die Börse geht. Die Frage ist, was an der Börse passiert. Und das hängt einmal vom Börsenumfeld ab, das Spotify nicht beeinflussen kann, aber auch davon, wie man sich für die Börse „aufgemascherlt” hat. Deshalb auch die Tencent-Beteiligung. Wenn man die entsprechende Performance nicht liefert, bekommt man an der Börse beinhart die Rechnung dafür präsentiert. Jeder weiß: Streaming ist derzeit ein Verlustgeschäft. Da wird man dann dafür runtergeprügelt. Bei Pandora konnte man das sehr gut beobachten. Da hat man anfangs noch einigermaßen performt, dann ist man aber ziemlich schnell abgesackt und hat nie wieder den Wert erreicht, mit dem man eingestiegen ist. Das will Spotify natürlich verhindern.
Und die Majors?
Peter Tschmuck: Für die Majors ist das kein Risiko. Die haben einen Anteil, der einmal mehr oder weniger wert ist. Natürlich wünscht man sich einen höheren Wert, letztlich aber ist es buchhalterisches Geld, das man hat oder nicht hat. Das ist eine Geschichte. Spotify hat sich bei ihnen verschuldet, und muss jetzt die Schulden abtragen. Investiert haben sie ja nichts.
Anfänglich hat es so ausgesehen, als hätten sich die Majors eingekauft und die Indies wären auf der Strecke geblieben. Was hat Merlin daran geändert? Ist es ein annäherndes Gleichgewicht geworden?
Peter Tschmuck: Die Verhandlungsposition hat sich dadurch massiv verbessert. Vielleicht ist man noch nicht ganz auf Augenhöhe mit den Majors, aber bei Merlin kann man schon einige wichtige Player identifizieren. Da ist etwa die Beggars Group dabei, bei der Adele mit vielen Aufnahmen dabei ist. U.a. ist aber auch der österreichische Indie-Verband dabei. Die verdienen zwar kleinere Beträge, aber immerhin. Wie viel, das wissen wir nicht. Grundsätzlich ist es so: Ein Streaming-Service braucht nicht nur den Backkatalog der Majors, sondern auch den der Indies. Das ist ein Marktanteil von immerhin 20 bis 25%. Den lässt man nicht einfach so liegen. Insofern war das ein sehr vernünftiger Zug.
Haben die Majors und die Merlin-Mitglieder die gleichen Verträge?
Peter Tschmuck: Das weiß man nicht. Was gerüchteweise über die Medien kolportiert wird, sind schlechter als jene der Majors. Aber: Was an Vorschüssen ausgeschüttet wird, wie die Beteiligung aussieht – das alles weiß man nicht. Man kann nur mutmaßen. Die werden sich ja auch hüten, irgendetwas darüber publik zu machen.
Was kann man aus Sicht der Indies tun? VTMÖ-Sprecher Alexander Hirschenhauser sprach im Interview mit dem mica davon, dass die Verträge mit den Streaming-Services von den Verwertungsgesellschaften abgeschlossen werden sollten. Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt? Die Majors werden doch die Marktmacht nicht so leicht aufgeben, oder?
Peter Tschmuck: Ich halte das für nicht realistisch, weil das Sagen bei den Leistungsschutzgesellschaften auch die Majors haben. Und wie Sie richtig sagen: Warum sollten sie freiwillig etwas aus der Hand geben.
Und dass von EU-Seite eine marktregulierende Gesetzgebungsinitiative kommt?
Peter Tschmuck: Kaum. Es geht ja eher in die andere Richtung. Die wollen die Quasimonopole der Verwertungsgesellschaften eher schwächen. Gerade im Verlagsbereich sind neue Unternehmen in Kooperation zwischen Verwertungsgesellschaften und Majors auf den Plan getreten.
Sie meinen die Joint Ventures?
Peter Tschmuck: Ja. Wenn es ums Verlagsrecht geht, geht es in eine ganz andere Richtung. Da wird Repertoire von der österreichischen Verwertungsgesellschaft abgezogen. Im digitalen Bereich vertritt die AKM nur noch das österreichische Repertoire. Früher hatten sie das internationale Repertoire. Da gibt es Konglomerate in denen das angloamerikanische Repertoire vertreten wird. Da gehen dann die Streaming-Services auch hin, weil es für sie einfacher ist, einen Ansprechpartner zu haben. Es ist natürlich leichter zu einem einzigen Anbieter zu gehen und bei diesem die Rechte für Europa zu lizenzieren als zu zig verschiedenen Verwertungsgesellschaften zu rennen. Leichter und billiger. Und das unterstützt die EU. Wenn Spotify dann noch das österreichische Repertoire haben möchte, dann muss es zur AKM/AUME.
Und von Uhreberrechtsseite aus betrachtet? Kommt in diesem Modell weniger an?
Peter Tschmuck: Das ist natürlich schon schlechter, weil die nationalen Repertoires, die übrigbleiben, nicht diese Verhandlungsmacht haben wie die hochrelevanten Repertoires. Ist Spotify überhaupt interessiert an ungarischem, österreichischem und finnischem Repertoire? Eher weniger.
Was ist aus Gründen der Fairness und Effizienz wünschenswert?
Peter Tschmuck: Das ist eine Frage des Blickwinkels. Aus Sicht der Künstler wird das System derzeit sicher nicht als fair empfunden, weil es in gewisser Weise die Marktmacht widerspiegelt. Derjenige, der entsprechendes Repertoire und darauf basierend Marktmacht hat, wird sie auch ausspielen. Es gibt Künstler, die das mitspielen können. Taylor Swift etwa. Die kann sich sogar leisten zu sagen: „Meine Songs sind nicht auf Spotify.” Das ist zwar öffentlichkeitswirksam, aber irrelevant.
Ist das nicht auch bigott: Sich einerseits darüber zu beschweren, dass man zu wenig bekommt, andererseits aber 500.000 Euro monatlich nur mit Streaming zu machen, und zwar unabhängig davon wie oft die Tracks überhaupt gespielt werden?
Peter Tschmuck: Naja, für Taylor Swift ist das kein besonders tolle Einnahme, weil sie mit einer Tour locker 30 Millionen Euro verdient.
Aber im Vergleich zu anderen Künstlern ist es vergleichsweise viel und nicht abhängig von den tatsächlichen Plays. Und dann nehme ich mein Zeug bei Spotify raus und schließe im Anschluss daran einen Exklusiv-Deal mit Apple?
Peter Tschmuck: Und lasse die Sachen gleichzeitig auf Youtube stehen, wo ich noch weniger kriege. Das ist natürlich schon interessant. Man muss wissen: Taylor Swift hat ein eigenes Indie-Label im Rücken, wo alle Rechte gebunkert sind. Deshalb kann sie selbst darüber entscheiden. In der luxuriösen Situation sind nicht viele, nicht einmal Superstars. Das ist natürlich eine geschickte Strategie: Man bringt sich abseits von Releases ins Gespräch, steht als Vorkämpferin von Künstlerinnenrechten da. Letztlich aber ist es nur Show. Wenn Sie mich fragen, ist das eine geschickte Marketingstrategie, um einen besseren Deal zu bekommen. Die anderen können das nicht so umsetzen, weil sie in Verträgen sind, aus denen man nicht so leicht rauskommt.
Noch einmal zum Börsengang von Spotify: Wenn der Marktführer rote Zahlen schreibt, ist das doch eine Situation, die man nicht lange aufrechterhalten kann. Wie eilig ist der Börsengang?
Peter Tschmuck: Wenn man sich die digitale Ökonomie in ihrer Gesamtheit anschaut, ist auffällig, dass viele dieser Start Ups Verluste schreiben. Die leben vom Glauben, dass irgendwann die große Kohle kommt. Da kann es also durchaus wie bei der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre passieren, dass sehr viele Leute investiert haben, die irgendwann ihr Investment realisiert haben wollen. Das mögen Leute sein, die derzeit noch an das große Wachstum glauben, aber es braucht nur irgendeine unvorhergesehene Situation eintreten, und die Blase platzt. Um das zu vertiefen: Vor kurzem kaufte Apple die Musikerkennungs-App Shazam. Für 400 Millionen Euro. Kolportiert war Shazam über eine Milliarde wert. Für die Musikindustrie wurde die App unheimlich wichtig, weil es bis zu einem gewissen Grad das A&R ersetzt. Da gibt es Statistiken darüber, was die Leute verstärkt nachfragen. Für Apple ist das ein guter Zukauf, aber Shazam ist ein Verlustgeschäft, was wiederum heißt, dass 400 Millionen den Unternehmenswert nicht tatsächlich abbilden.
Warum macht das Apple?
Peter Tschmuck: Weil sie die Synergien sehen, weil Shazam in Siri schon integriert war. Jetzt haben sie im Verbund mit dem Spracherkennungs- und Musikerkennungsbereich eben ein Asset dazu gekauft. Das zeichnet sich ab. Google ist auch am Basteln. Die Frage ist: Was ist zu erwarten? Das Problem Spotifys ist, dass sie einen Kredit laufen haben, der von Monat zu Monat teurer wird. Sie haben Geld bei Investoren aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war das wichtig. Gleichzeitig aber mussten sie Konditionen akzeptieren, die nicht gerade günstig waren. Das heißt, bei denen tickt die Bombe. Die Hoffnung muss sein, mit dem Geld von Tencent die Altlasten zu tilgen. Spotify war gezwungen an die Börse zu gehen. Die Frage ist nun, ob sich die Spielregeln so geändert haben, dass es kein unbedingter Druck mehr ist.
Das heißt, dass man den Zeitpunkt so bestimmt, dass einen eben nicht das Schicksal von Pandora ereilt?
Peter Tschmuck: Genau. Insgesamt sieht das jetzt schon besser aus. Die Wirtschaftsprognosen sind gut. Deezer hat es ja auch schon versucht, aber der Börsengang wurde in letzter Sekunde abgeblasen – genau aus jener Angst, dass das Börsenumfeld so schlecht ist, dass man Federn lässt. Aber die Majors verzeichnen wieder Wachstum. Wenn man sich Warner anschaut: Die sind börsennotiert und haben das gut geschafft. Die Gewinne beim Recording stark, beim Publishing schwächer, aber auch ansehnlich.
Wie haben sie das geschafft?
Peter Tschmuck: Indem sie alle Kostenpositionen, die mit dem physischen Produkt zusammenhängen, verkauft haben. Alle Presswerke und einen Großteil der physischen Distribution. Im Gegenzug haben sie sowohl im Recorded- als auch im Publishing-Business den Katalog erweitert. Bis zu einem gewissen Grad kann man das auch für Universal feststellen. Die haben alle sehr stark in den Katalog investiert – das ist das stärkste Asset in der Streaming-Ökonomie. Insofern sind die Majors meiner Einschätzung nach sehr gut aufgestellt.
Die vorherrschende Abrechnungspraxis führt dazu, haben Sie in Ihrem Blog geschrieben, dass Mainstream-KünstlerInnen gegenüber Nischen-KünstlerInnen bevorzugt werden. Mark Mulligan hat das in einer Analyse 2017 aufzeigt. So bekommt ein Superstar wie Katy Perry z.B. zehn Prozent aller Einnahmen von der Ausschüttung an Universal, wenn ihr Streaminganteil am Gesamtkatalog von Universal ebenfalls zehn Prozent beträgt. D.h. Katy Perry bekommt auch von jenen Spotify-NutzerInnen Geld, die Katy Perrys Songs überhaupt nicht streamen. Ist Resonate (eine neue Streaming-Plattform, Anm.) ein Geschäftsmodell, das diese Ungerechtigkeit ändern könnte, indem es auf Bezahlung pro Streaming umstellt?
Peter Tschmuck: Naja, zuallererst ist es nicht branchenüblich. Es gibt immer die Diskussion, ob Streaming nicht titelbezogen abgerechnet werden sollte, was heute nicht der Fall ist. Derzeit gibt es für einen Katalog eine Pauschale. Auf Basis dieses Pauschalbetrages wird durch die Rechteinhaber dividiert. Abrechnungstechnisch ist das simpel, führt aber genau zu den Problemen, die Mulligan dargestellt hat: Dass Superstars überproportional viel von dem Kuchen erhalten im Gegensatz zu nicht so bekannten Künstlern. Das würde sich tendenziell verbessern, wenn pro Usage abgerechnet würde, was nicht kompliziert ist, weil die Streaming-Services das sowieso erfassen müssen. Aber die Majors wollen daran sicher nichts ändern wollen. Warum? Weil es ein Vorteil für sie ist. Die großen Künstler? Auch nicht, weil sie wahrscheinlich mehr bekommen als Nischenkünstler. Genau wissen wir es freilich nicht, weil wir die genauen Zahlen nicht haben…
Wenn Sie Sie zum Abschluss einen Ausblick in die Zukunft wagen, was wird sich ändern? Was bleibt gleich?
Peter Tschmuck: Streaming wird weiterwachsen, gerade in Märkten wie Österreich und Deutschland, wo der Anteil im Vergleich zu UK, USA und Skandinavien immer noch vergleichsweise gering ist. Ich bin überzeugt, dass Streaming nicht mehr wegzudenken sein wird. Die CD wird zum Nischenprodukt und der Download wird wahrscheinlich kannibalisiert. Bei den Streaming-Services wird sich einiges tun. Diejenigen, die keinen starken Partner im Rücken haben, werden große Probleme bekommen. Soundcoud hatte dieses Jahr große Probleme. Denen steht das Wasser bis zum Hals. bei Tidal wird auch schon spekuliert, dass ihnen das Geld ausgeht. Diese Stand-Alone-Services werden entweder verschwinden oder aufgekauft werden – je nachdem, ob es einen Interessenten gibt oder noch. Um Google, Amazon Prime, Apple etc. braucht man sich keine Sorgen zu machen. Diese Konzerne verfolgen ein anderes Geschäftsmodell und leisten sich den Verlustbringer, weil sie sich über die Umwegrentabilität zusätzliches Geschäft erhoffen. Bei Deezer schaut es auch nicht so schlecht aus, weil Access Industries dahinter steht. Spotify hat sich jetzt auch einen Partner gesucht. Da fragt man sich, ob das mit Tencent nachhaltig funktionieren wird, weil die Chinesen auch Eigeninteressen verfolgen. Spannend wird, wer die Marktbereinigung überlebt. Ich sehe auch einen starken Trend in Richtung Konvergenz. Dass es also nicht mehr reines Musikstreaming sein wird, sondern andere Services dazu kommen. Nicht nur Musik, sondern auch Videos, Filme, TV-Serien. Dass also mehr Pakete geschnürt werden, und man für sein Geld mehr bekommt. Das kann bedeuten, dass es zu Eigentümerwechseln kommen wird. D.h. dass Akteure, die bis jetzt nichts mit dem Musik-Biz zu tun haben, in den Markt reindrängen, weil sie da etwas für sich sehen. Spannend wird auch, ob die Blockchain eine gewisse Änderung der Spielregeln bewirken wird…
Inwiefern?
Peter Tschmuck: Dadurch, dass direkte Deals möglich werden. Kombiniert mit einer Krypto-Währung können Abrechnungen sofort gemacht werden. Ich brauche kein dazwischen geschaltetes Clearing mehr. Das kann durchaus reizvoll sein. Man weiß ja, dass Spotify bereits einen Blockchain-Anwender gekauft hat und in diesem Bereich experimentiert. Das könnte die Spielregeln sehr schnell und nachhaltig ändern, weil Spotify mit einem Mal in der Lage wäre, direkt mit den Rechteinhabern abzurechnen. Da würde sich dann die Frage stellen, wo Verwertungsgesellschaften oder digitale Vertriebe bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Deisenberger