Musik ist Bewegung und Begegnung mit Menschen – Wolfgang Lindners Kompositionen finden Anklang

Seit bald vierzig Jahren unterrichtet WOLFGANG LINDNER am Landeskonservatorium Feldkirch Schlagzeug. Als Pauker- und Perkussionist hat er viel in Orchestern und Kammerensembles gespielt sowie als Vibraphonist in diversen Jazzbands der Region mitgewirkt. Darüber hinaus leitete einige Jahre das von ihm initiierte Ensemble „VorAllPercussion“.

Eine große Leidenschaft hegt Wolfgang Lindner für den Jazz und die ethnische Musik. Die enorme spieltechnische Entwicklung und Erweiterung des Perkussionsinstrumentariums in den vergangenen Jahrzehnten hat er live miterlebt. Inzwischen ist das Spektrum des gewachsenen Perkussionsinstrumentariums so gewachsen, dass es im professionellen Rahmen von einer Person nicht mehr abgedeckt werden kann und Spezialisten notwendig sind.

Selbstverständlich ist Wolfgang Lindner als Dozent des Landeskonservatoriums viel beschäftigt. Doch in den vergangenen Jahren hat seine Begeisterung fürs Komponieren immer mehr Raum und Zeit in Anspruch genommen. Einen beeindruckenden Werkkatalog kann Wolfgang Lindner bereits vorlegen. Zu wenige Aufträge oder unbefriedigende Aufführungen sind für den Komponist kein Thema. Im Gegenteil, zahlreiche Aufführungen markieren Höhepunkte des künstlerischen Schaffens. Einer davon war die Aufführung des Vibraphonkonzertes „Rodeo“ mit dem Solisten Christoph Sietzen und dem Symphonieorchester Vorarlberg im vergangenen Herbst im Rahmen des Festivals „texte und töne“ im ORF Funkhaus in Dornbirn. An weitere Konzertereignisse und Uraufführungen erinnert sich Wolfgang Lindner mit Freude, darunter die Präsentation des Flötenstückes „Odem“, das er für Eugen Bertel komponiert hat. Erst kürzlich produzierten Heidrun Wirth, Markus Beer und Anja Baldauf das Trio „Una Famiglia Eccessiva“ für Flöte, Klarinette und Fagott, das im Herbst auf CD erscheinen wird.

Inspirierende Textvorlagen

Lyrik und Texte haben den Komponisten bei seiner Arbeit immer schon begleitet. In der letzten Zeit schuf Wolfgang Lindner vermehrt Instrumentalwerke mit Stimme. Gedichte von Hilde Domin bilden die Grundlage einer Komposition, die derzeit im Auftrag des Ensemble Plus entsteht. Ein Bariton, Flöte und Perkussion auf der einen Seite sowie ein Streichquintett auf der anderen Seite bilden die Pole für die musikalische Anlage. Anfang November wird das Ensemblestück im ORF Funkhaus erstmals interpretiert.

Ein Orchesterlied steht kurz vor der Uraufführung. Ursprünglich war die Musik für das Jugendsinfonieorchester gedacht, doch nach einem langen Entstehungsprozess wird das „Collegium Instrumentale“ mit dem Solisten Martin Lindenthal das Werk nun zur Uraufführung bringen. Dem Werk liegt ein scharfsinniger Text von Norbert Mayer zugrunde. Wolfgang Lindner hatte den Autor gebeten, die „Selbstbetrachtungen“ des Marc Aurel in eine für die Vertonung geeignete Textvorlage zu fassen. Doch Norbert Mayer wurde schöpferisch tätig und verfasste einen höchst inspirierenden Text ÜBER Marc Aurels Meisterwerk.

„Ich habe ein Orchesterlied verfasst, bei dem ich mich auch ständig gefragt habe, was will mir dieser Text sagen“, erklärt Wolfgang Lindner. Als Perkussionist hat er selbstverständlich den Rhythmus im Blut und so ging er neben der inhaltlichen Auseinandersetzung auch auf den Sprachrhythmus der Textvorlage ein. „Der Rhythmus des Textes ist sehr unterschiedlich dargestellt, es gibt lyrische Teile, aber auch Abschnitte, die sich an der Grenzen zum Rap bewegen, überdies Beatboxing und Sprechgesang“, gibt Wolfgang Lindner einen Einblick. Martin Lindenthal, Singer-/Songwriter und Pädagoge am Musikgymnasium Feldkirch, wird den vielschichtigen Gesangspart gestalten.

Schubertfragment

Eher zufällig ist Wolfgang Lindner im vergangenen Jahr dem musikalischen Schaffen von Franz Schubert begegnet. Der befreundete Cellist Martin Merker vom „Offenburger Streichtrio“ hat ihn auf ein Schubertfragment aufmerksam gemacht. Lediglich elf Takte notierte Schubert vom Streichtrio (D111A). Auf den ersten Blick sah sich Wolfgang Lindner dem Wunsch des Cellisten nicht gewachsen, aus dieser Phrase ein Stück für Streichtrio zu komponieren. Doch mit der Beschäftigung und dem intensiven Hören dieser elf Takte packte Wolfgang Lindner die Faszination und ein kreativer Sog entstand. „Die elf Takte sind unglaublich, am Ende bleibt alles stehen auf den Tonhöhen b,f und h., ein spannender Klang. Mit Nichts macht Schubert so eine Musik. Es klingt sehr metaphorisch, aber eine Aura hat mich erfasst und aus dieser heraus ist mir sehr viel eingefallen. Ich habe noch nie ein Stück so schnell geschrieben wie dieses.“ Die Uraufführung findet im Juli in Offenburg statt.

Der Kompositionsstil von Wolfgang Lindner ist wesentlich vom Rhythmus bestimmt. Denn „im Anfang war das Wort. Und Worte oder Sprache ist Rhythmus. Er bestimmt die Zeit. Gleichzeitig bewegen wir uns in einem Raum, das ist die Harmonie. Die Seele ist dann vielleicht noch etwas Höheres. Diese drei Komponenten – Geist – Körper – Seele sind für mich immer wichtig, alle drei Elemente möchte ich bedienen“, erklärt der Komponist.

Menschenfreund

Inspirationsquellen für neue Werke findet Wolfgang Lindner überall und bei jeder Gelegenheit. Allerdings fließen diese nicht unmittelbar in eine musikalische Form ein. „Gedanken, die mich beschäftigen, bilden einen geistigen Hintergrund. Der wird mitgetragen von dem, was gerade mit uns passiert.“ Auch gesellschaftspolitische Wandlungen der vergangenen Zeit gaben und geben Anlass, sich künstlerisch damit auseinander zu setzen. „Sich selbst beobachten und vermehrt zu hinterfragen, wer bin ich, ist bedeutend. Wenn man sich dessen mehr bewusst wird, kann man auch besser verstehen, wenn jemand anders ist und von ihm lernen. – Kurzum, ich mag die Menschen“.

Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Juni 2016 erschienen.

Link:
Wolfgang Lindner (mica-Datenbankeintrag)
Musikdokumentation Vorarlberg